Wasser aus dem Felsen
Serie: Folge du mir nach | Bibeltext: 2. Mose 17,1-7; 4. Mose 20,1-13
Zweimal liess der Gott, der HERR, während der 40-jährigen Wüstenzeit Wasser aus einem Felsen fliessen und versorgte damit ein Millionenvolk mit seinen Tieren. Weil das Handeln von Mose in Kades (= heilig sein) nicht den Anweisungen Gottes entsprach, durfte er das verheissene Land nicht betreten. Das wirkt im ersten Moment sehr hart, ist bei genauerem Hinsehen jedoch verstehen. Die Episoden mit dem Wasser aus dem Felsen ist eine Veranschaulichung für den Umgang eines Nachfolgers mit Jesus.
Das Volk Israel befand sich zwischen der Gefangenschaft in Ägypten und dem Gelobten Land 40 Jahre lang in der Wüste. Die Beschaffung der notwendigen Lebensmittel und Wassers war eine Mammutaufgabe, derer sich Jahwe, das ist der Eigenname des Gottes Israels, zuverlässig annahm. Ganze zweimal liess der Wassernachschub auf sich warten, was in der Hitze der orientalischen Wüste sehr schnell zur Dehydration führen kann. Beide Male sehnte sich das Volk nach Ägypten zurück: «Warum hast du uns aus Ägypten geführt und an diesen schrecklichen Ort gebracht? Hier gibt es weder Getreide noch Feigen, Trauben, Granatäpfel oder Trinkwasser» (4Mose 20,5 NLB). Da gab es eine Sehnsucht im Herzen nach Getreide, Feigen, Trauben, Granatäpfel und Trinkwasser. Bei genauerem Hinsehen merkt man schnell, dass Ägypten diesen Segen nicht bieten konnte. Das Ägypten der damaligen Zeit ist nicht dasselbe wie das heutige Ferienparadies Hurghada. Es war der Ort einer jahrhundertlangen Gefangenschaft mit brutaler Repression.
Die Versuchung des Volkes
Schnurstracks wendet sich Mose an den HERRN und will wissen, was er mit diesem Volk tun soll. «Geh mit einigen führenden Männern der Israeliten vor dem Volk her. Nimm deinen Stab, mit dem du auf den Nil geschlagen hast, mit. Ich werde auf einem Felsen am Horeb (=Sinai) vor dich treten. Schlag auf den Felsen. Dann wird Wasser herausströmen und das Volk wird trinken können [...]» (2Mose 17,5f NLB). Das nun folgende Wunder knüpft an ein Naturphänomen an. Gott benutzt das sich in der Natur Ereignende. Die Felsen des Sinaimassivs haben nicht selten Hohlräume hinter sich im Berg. durch Quell- und Regenwasser füllen sich diese Höhlungen. In dem Augenblick, wenn eine davor gelagerte dünnere Steinschicht weggeschlagen wird, kann sich aus dem Felsen eine Unmenge Wasser ergiessen. Mose schlägt mit dem Stab auf den Felsen, mit dem er auch auf den Nil geschlagen hatte, als das Wasser zu Blut wurde. Es ergiesst sich so viel Wasser in das Wadi, dass alle Menschen und Tiere genug zu trinken bekamen.
Paulus deutet dieses Wunder ein paar Jahrhunderte später: «Sie assen alle die gleiche Nahrung, die Gott ihnen durch ein Wunder schenkte, und tranken aus dem ihnen von Gott geschenkten Felsen, der sie begleitete, und dieser Fels war Christus» (1Korinther 10,3f NLB). Jesus Christus ist der Fels, aus dem lebendiges Wasser fliesst. Lebendiges Wasser meint Segen, Sinnhaftigkeit, Bedeutung, Lebensinhalt, Freude, Friede. Es ist präzis das, wonach sich das Herz eines Menschen sehnt: Getreide, Feigen, Trauben, Granatäpfel und Trinkwasser.
Wie der Fels im Sinaigebirge musste auch Jesus geschlagen werden, damit das erfrischende Wasser fliessen kann. Jesus wurde ans Kreuz geschlagen. Nun fliesst das Wasser. Jeder Mensch ist eingeladen, davon zu trinken.
Als das Volk wegen des Wassermangels haderte, sprach Mose zu ihnen: «[...] Was hadert ihr mit mir? Warum versucht ihr den HERRN?» (2Mose 17,2 LUT). Später nennt Mose den Ort Massa (= Probe, Versuchung) und Meriba (= Streit). Die Versuchung wird auf den Punkt gebracht: «Ist der HERR unter uns oder nicht?», das heisst: Kann Er uns helfen oder nicht? Diese Frage wird wohl global täglich in Notsituationen tausendfach gestellt: Und jetzt, wo ist Gott? Dieser Gott hat sich einst Mose mit dem Namen Jahwe vorgestellt, was «ich bin der, der mit dir ist» bedeutet. Mit anderen Worten: Ich bin immer da. Die eigentliche Frage lautet demnach viel mehr: «Sind wir bei Jahwe oder nicht?» So entpuppen sich Zeiten der Not als Prüfungen des Menschen und nicht Gottes.
Das Schicksal von Mose
Die zweite Wasserepisode ereignete sich in Kades (= heilig sein). Neuer Ort, gleiches Problem. Trotz jahrzehntelanger Erfahrung, dass Jahwe bestens versorgt, hadern sie wieder. Doch Jahwe ist da! Mose sucht zusammen mit seinem Bruder Aaron wiederum schnurstracks das Zelt der Begegnung auf, wo es zum Zusammentreffen mit Ihm kommt. Da gibt er ein gutes Beispiel für uns ab. Die Anweisungen von Jahwe unterscheiden sich in zweifacher Hinsicht: Mose soll den Felsen nicht schlagen, sondern mit ihm reden, und er soll nicht den Stab nehmen, mit dem er Gericht über Ägypten gebracht hat, sondern den Priesterstab von Aaron aus dem Heiligtum (4Mose 20,9).
Mose wird ein zu fahrlässiger Umgang mit dieser Anweisung zum Verhängnis:
- Er schlug den Felsen: Vielleicht war es die Macht der Gewohnheit, vielleicht liess er sich von den meuternden Menschen provozieren und von seinen negativen Emotionen leiten. Wie erwähnt, ist der Fels ein Symbol für Jesus. Jesus wurde einmal geschlagen. «Genauso starb auch Christus nur einmal als Opfer, um die Sünden vieler Menschen wegzunehmen. Er wird wiederkommen, aber nicht noch einmal wegen unserer Schuld, sondern er wird all denen Rettung bringen, die sehnsüchtig auf seine Rückkehr warten» (Hebräer 9,28 NLB). Jesus wurde einmal ans Kreuz geschlagen und hat damit die Voraussetzung für eine freundschaftliche Beziehung mit Wasseranschluss geschaffen. Für uns gilt heute: Wenn wir von dem Wasser trinken wollen, das Jesus anbietet, geht das über Kommunikation und Beziehung. Du und ich, wir sind eingeladen, mit dem Felsen zu reden.
- Er benutzte den falschen Stab: Im Umfeld von Mose gibt es zwei Stäben: den Stab von Mose und den Stab von Aaron. Der Stab Moses ist der Stab des Gerichts; es ist der Stab, mit dem der Strom in Ägypten geschlagen wurde, wobei Wasser zu Blut wurde (2Mose 17,5). Der Stab des Gerichts wurde am Kreuz von Golgatha tätig, als Gott Christus für fremde Schuld schlug. Der HERR hatte angeordnet, dass Mose den Priesterstab Aarons benutzen soll. «Und Mose nahm den Stab von dem Ort vor dem HERRN, wie er ihm geboten hatte» (4Mose 20,9 ELB). Doch dann: «Und Mose erhob seine Hand und schlug den Felsen mit seinem Stab zweimal; da kam viel Wasser heraus, und die Gemeinde trank und ihr Vieh» (4Mose 20,11 ELB). Im Umgang mit Jesus geht es vorrangig nicht um Gericht, sondern um Freundschaft und Beziehung. Jesus ist eben gerade nicht der strenge Richter, sondern der Priester, der sein Leben als Opfer gebracht hat, damit wir Menschen nun freien Zugang zu Gott haben können. Das soll das Leben eines Christen kennzeichnen. Vor Gott zählt das Sein und nicht das Tun.
- Er wurde anmassend: «Anschliessend liessen er und Aaron das Volk vor dem Felsen zusammenkommen. ‘Hört zu, ihr eigensinnigen Menschen!’, rief Mose. ‘Was meint ihr? Werden wir euch Wasser aus diesem Felsen quellen lassen?’» (4Mose 20,10 NLB). Nein, Mose und Aaron konnten es nicht. Nur Gott hat diese Macht.
Und – obschon hier einiges schieflief – floss das Wasser. Alle Israeliten und auch die Tiere bekamen genug zu trinken. Das zeigt die Grosszügigkeit von Jesus. Wir müssen nicht alles richtig machen, damit wir Getreide, Feigen, Trauben, Granatäpfeln und Trinkwasser bekommen. Sprich mit dem Felsen und das Wasser wird fliessen!
Das Loslassen lernen
Das Wasser kam zwar hervor, aber Mose musste doch die Konsequenz seines Handelns tragen. Mose hat einen so guten Job verrichtet und nun wird er wegen einer Bagatelle vom Verheissenen Land ausgeschlossen. Das wirkt im ersten Moment unangebracht. Wichtig zu sagen ist, dass Mose nicht von Gott getrennt wurde. Er blieb ein Freund Gottes. Warum durfte er das Gelobte Land nicht mehr betreten?
Diese Geschichte spielte sich nicht zufällig in Kades (= heilig sein). Heilig bedeutet majestätisch, ausgesondert, ehrfurchtsgebietend, ganz anders. Gott hat Mose wie einen Freund ins Vertrauen gezogen. Täglich führten sie gemeinsam im Zelt der Begegnung Meetings durch. Eine solche Nähe bringt auch eine gewisse Verpflichtung mit sich. Die normale Reaktion auf die Heiligkeit Gottes ist Ehrfurcht, Respekt und Gehorsam. Diese Haltung ist Mose in dieser Situation abhandengekommen. Mose wurde selbstherrlich. Der HERR der Heerscharen ist nicht ein Gott, den wir zu unseren Zwecken entheiligen können. Gott wird nicht zum ‘Kumpel von nebenan’. ER ist derjenige, der immer war, der ist und sein wird. ER hat das ganze Universum durch sein Wort erschaffen. Dich hat er bereits vor Grundlegung der Welt gesehen.
Ob wir es gut finden oder nicht; Mose durfte das Verheissene Land nicht mehr betreten. Vor seinem Tod besteigt er auf Gottes Anordnung hin den Berg Nebo, schaute in das Land, das Gott den Israeliten zum Eigentum geben wird und starb (5Mose 32,48-52). Dieses Ereignis macht klar: Verantwortung ist auf Zeit verliehen. Wir sollten sie wahrnehmen, aber auch abgeben können. Ich lebe den mir zur Verfügung stehenden Lebensabschnitt bewusst. Und kann dann mein Leben wieder zurückgeben in die Hand Gottes. Wer an ewiges Leben glaubt, muss in dieser kurzen Erdenzeit nicht alles leisten! Das ist entlastend.
Martin Luther King bezieht sich in seiner Rede vom 3. April 1968, dem Abend vor seiner Ermordung, auf Mose: «[...] ich bin auf dem Gipfel des Berges gewesen. Ich mache mir keine Sorgen. Wie jeder andere würde ich gern lange leben [...] Aber darum bin ich jetzt nicht besorgt. Ich möchte nur Gottes Willen tun. Er hat mir erlaubt, auf den Berg zu steigen. Und ich habe hinübergesehen. Ich habe das Gelobte Land gesehen. Vielleicht gelange ich nicht dorthin mit euch. Aber ihr sollt heute Abend wissen, dass wir, als ein Volk, in das Gelobte Land gelangen werden. Und deshalb bin ich glücklich heute Abend. Ich mache mir keine Sorgen wegen irgendetwas. Ich fürchte niemanden. Meine Augen haben die Herrlichkeit des Herrn gesehen.»
Das Gelobte Land steht auch symbolisch für die neue Welt in der Gegenwart Gottes. Wie Mose können wir jetzt schon immer wieder mal einen Blick dieser herrlichen Pracht erheischen. Wer mit dieser Hoffnung unterwegs ist, kann loslassen; sei es Verantwortung, Menschen oder Erinnerungen. Es darf aber kein Vertrösten auf das Leben nach dem Tod sein, sondern eine Motivation, schon jetzt sich für Friede, Freude und Gerechtigkeit einzusetzen.
Mögliche Fragen für die Kleingruppe
Bibeltext lesen: Mose 20,1-13
- «Ist der HERR unter uns oder nicht?», kennst du diese Versuchung in schwierigen Zeiten. Wie gehst du damit um?
- Warum durfte Mose nicht ins Verheissene Land? Inwiefern hast du Verständnis für diesen Entscheid des HERRN? Hast du durch die Predigt nachvollziehbare Gründe erfahren? Was bedeutet das für unseren Umgang mit Gott?
- Was sagt die vom HERRN angeordnete Behandlungsweise mit dem Felsen über Jesus Christus aus?
- Mose durfte Verantwortung loslassen, Träume aufgeben. Gibt es in deinem Leben auch Bereiche, die du loslassen darfst?
- Mit der Perspektive der grössten Begegnung entgegenzugehen, bestieg Mose den Berg. Lebst du auch mit dieser Perspektive? Welchen Einfluss hat dies auf dein Leben?