Deine Schwäche ist gefragt

Datum: 18. September 2022 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: 1. Korinther 1,27

Durch Jesus Christus ist der Himmel auf Erden angebrochen. Doch dieses Reich Gottes ist ganz anders, als wir es erwarten würden. Es ist ein Königreich, welches aus der Schwäche von uns Menschen besteht. Gott erwählt sich dies, was schwach ist und nicht das, was stark ist. Gott ruft Männer und Frauen in seinen Dienst, welche nach den Massstäben der Welt nicht ausgewählt würden. Dadurch zeigt Gott, dass er die Macht hat, aus hoffnungslosen Fällen etwas zu machen. Da wir Menschen uns oftmals auf uns selbst und unsere Stärken verlassen, ist die gute Nachricht, das Evangelium, ein Dorn im Auge. Dennoch gehört zur Nachfolge von Jesus Christus dazu, dass ich mich selbst aufgebe und erkenne, dass es nicht auf meine Stärke, sondern auf Gottes Gnade ankommt.


Himmel auf Erden

Durch Jesus Christus ist das Reich Gottes, der Himmel auf Erden, angebrochen. Dieses Reich wird an vielen Orten offenbar und zeigt sich uns Menschen immer mal wieder dort, wo etwas Positives geschieht, was wir nicht erklären können. Doch dieses Reich Gottes hier auf der Erde ist unvollkommen. Es besteht aus der Spannung von schon jetzt und doch noch nicht. Einerseits geschehen fantastische Dinge, auf der anderen Seite gibt es nach wie vor viel Unheil, Leid und Schwierigkeiten auf dieser Welt. Wir Menschen wünschen uns ein Leben ohne Schwierigkeiten. Vielen fällt es schwer an einen Gott zu glauben, aufgrund all des Übels auf der Welt. Denn wenn es einen Gott gibt, dann müsste doch alles gut sein, dann müsste der Himmel auf Erden bereits voll zur Entfaltung kommen. Doch das Reich Gottes ist ganz anders. «Darauf antwortete Jesus: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wenn es so wäre, hätten meine Diener für mich gekämpft, als ich verhaftet wurde. Aber mein Königreich ist nicht von dieser Welt» (Johannes 18,36 NLB). Das Reich Gottes zeigt sich gerade nicht dadurch, dass das Starke, Gute, Vollkommene hervortritt. Es zeigt sich vielmehr durch die Schwäche. Gott baut sein Himmelreich nicht trotz der Schwäche, sondern durch die Schwäche. Mehr dazu im zweiten Abschnitt der Predigt.

Zuerst wollen wir uns der Frage stellen, wer denn zu diesem Reich Gottes auf dieser Erde gehört. Ein anderes Wort für Reich wäre auch Staat. Ein Staat ist klar abgegrenzt und es gibt klare Richtlinien wer dazugehört und wer nicht. Nicht jeder, der im Land wohnt oder sich dort aufhält ist automatisch auch ein Bürger des Landes. So ist es auch mit dem Reich Gottes auf der Erde. Dieses entfaltet sich auf der gesamten Erde, aber nicht alle sind Bürger dieses Reiches. Es gibt klare Voraussetzungen, wer dazu gehört und wer nicht. Die Zugehörigkeit zu Gottes Himmelreich orientiert sich aber nicht an irgendwelchen irdischen Abgrenzungsmerkmalen. Das Entscheidende ist die Wiedergeburt als Nachfolger von Jesus Christus. Gerne hätten wir es anders, aber Jesus Christus selbst spricht unmissverständlich. «Jesus erwiderte: Ich versichere dir: Wenn jemand nicht von Neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen» (Johannes 3,3 NLB). Dem voran geht die Umkehr von den eigenen Wegen. Es gilt sich nicht mehr auf seine Stärken zu verlassen und somit auf sich selbst, sondern sich einzugestehen, dass die eigene Stärke nicht reicht. Dies nennt man Busse tun. Sich und vor Gott eingestehen, dass man auf ihn angewiesen ist und sich nicht mehr auf seine Stärken verlassen will. Deutlich wird die Wiedergeburt dann auch durch die Taufe. Durch das Abtauchen im Wasser, einem für uns Menschen tödlichen Gebiet, wird deutlich, dass unser altes Ich gestorben ist und wir in Jesus Christus ein neuer Mensch sind.

Ein Königreich aus Schwäche

Die Bibel ist voller Geschichten, in denen das Reich Gottes auf dieser Erde sichtbar wird. Dabei sind diese Geschichten oftmals ganz anders, als wir dies erwarten würden. Vielleicht erscheinen sie dem einen oder der anderen nicht mehr so speziell, da sie schon bekannt sind. Wenn diese Geschichten aber genauer unter die Lupe genommen werden und jegliche Vorkenntnisse auf die Seite geschoben werden, dann zeigt sich, dass das Narrativ nicht dem entspricht, was allgemein erwartet wird.

Gott erwählt sich Männer, die niemand ausgesucht hätte
In der Kultur und Zeit, in der sich die biblischen Geschichten abspielten, gab es ganz klare gesellschaftliche Strukturen. Diese war nicht nur patriarchal, sondern auch auf den erstgeborenen Sohn ausgerichtet. Dieser hatte extreme Prioritäten, so erbte er bspw. fast den gesamten Besitz. Doch Gott erwählt sich für seine Aufgaben häufig gerade nicht die Erstgeborenen. Er entscheidet sich für Männer, welche in der kulturellen und familiären Hierarchie hintenanstehen. Er erwählt sich auch nicht die besten Männer, welche alles im Griff haben. Sondern immer wieder werden die unterschiedlichen Charaktere auch mit ihren Fehlern und Schwächen beschrieben. Dabei gibt sich der biblische Text auch keine Mühe, Dinge zu beschönigen oder zu vertuschen. Jakob konnte es seinem älteren Bruder Esau nicht gönnen, dass dieser die bevorzugte Position in der Familie hatte. So luchste er ihm die Vorrechte des Erstgeborenen ab und betrügte Esau um seinen Segen. Mose, welcher das Volk Israel aus Ägypten führte, hatte einen Sprachfehler. David, welcher von Gott als König auserwählt wurde, schwängerte eine verheiratete Frau.

Gott bezieht Frauen in seinen Plan ein, die keiner haben wollte
Den Wert einer Frau zur damaligen Zeit bemass sich daran, ob sie ihrem Mann einen Nachkommen gebären konnte oder nicht. Das war ihr wichtigster Auftrag. Eine Frau ohne Mann oder Kinder konnte nicht überleben. Doch auch hier wendet sich Gott denjenigen Frauen zu, die niemand haben wollte. Vier von fünf Frauen im Stammbaum von Jesus Christus haben eine eher unrühmliche Geschichte. Es sind Aussenseiterinnen. Es sind Frauen, welche als schwach und nicht liebenswürdig angesehen wurden. Tamar verführte ihren eigenen Schwiegervater zum Geschlechtsverkehr. Rahab war eine Prostituierte und verriet ihr eigenes Volk an die Israeliten. Rut wurde zur Urgrossmutter von König David, obwohl sie aus einem von den Israeliten verachteten Volk stammte. Batseba wurde von König David zum Ehebruch gezwungen.

Bibel kein Buch von Helden
Die Bibel ist ein Buch voller Geschichten, welche uns den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist näherbringt. Es ist aber auch ein Buch voller Geschichten von Menschen, welche niemand so erleben möchte. Die Geschichten sind voller Paradoxen. Es geht um Leben durch den Tod hindurch. Es geht darum, dass Menschen durch ihre Schwäche triumphiert haben. Die Bibel ist voller Geschichten, welche schlussendlich nur das eine aufzeigen. Gott hat die Macht aus hoffnungslosen Fällen etwas positives zu machen. Er macht dies nicht trotz all der Schwächen, welche diese Leute haben, sondern durch diese Schwächen. Der Apostel Paulus trug massgebend zur Gründung und Verbreitung des christlichen Glaubens im 1. Jahrhundert n.Chr. bei. Von ihm sind etliche Briefe in der Bibel erhalten, in denen er Glaubensüberzeugungen und Lehren von Jesus Christus weitergibt. Er erkannte, dass das Reich Gottes andere Massstäbe hat. «Jedes Mal sagte er [Gott]: ‚Meine Gnade ist alles, was du brauchst. Meine Kraft zeigt sich in deiner Schwäche.‘ Und nun bin ich zufrieden mit meiner Schwäche, damit die Kraft von Christus durch mich wirken kann» (2. Korinther 12,9 NLB).

Die unerwünschte gute Nachricht

Ich komme nochmals zurück zum Himmel auf Erden. Bei Gott ist es eben ganz anders, als wir dies erwarten würden. Zu Gottes Reich gehören nicht die Starken, sondern die Schwachen. Diejenigen, welche am meisten auf ihr eigenes Vermögen, ihre Macht, ihr Können vertrauen und von sich behaupten gerecht zu leben, gehören nicht zu Gottes Reich. «Gott hat das auserwählt, was in den Augen der Welt gering ist, um so diejenigen zu beschämen, die sich selbst für weise halten. Er hat das Schwache erwählt, um das Starke zu erniedrigen. Er hat das erwählt, was von der Welt verachtet und gering geschätzt wird, und es eingesetzt, um das zunichtezumachen, was in der Welt wichtig ist, damit kein Mensch sich je vor Gott rühmen kann. Gott allein hat es ermöglicht, dass ihr in Christus Jesus sein dürft. Den hat er zu unserer Weisheit gemacht. Durch ihn sind wir vor Gott gerecht gesprochen und unser Leben wird durch ihn geheiligt. Durch ihn sind wir erlöst. In der Schrift heisst es: ‚Wer stolz sein will, soll auf das stolz sein, was der Herr getan hat‘» (1. Korinther 1,27-31 NLB). Es ist eine absolute Umkehrung. Das passt so ganz und gar nicht zu dem, wie wir es gerne hätten. Wir sind so sehr darauf bedacht gut anzukommen und alles zu kaschieren, um möglichst gut bei den Menschen dazustehen. Die Botschaft des Eintritt Tickets für das Reich Gottes, das Evangelium, stellt daher eine unerwünschte Nachricht dar. Denn es betont unsere Schwächen und nicht unsere Stärken.

Timothy Keller ist ein Theologe in New York City. Von ihm sind einige Gedanken der heutigen Predigt inspiriert. Er fasst die Botschaft des Evangeliums folgendermassen zusammen: «Du bist ein verlorener Sünder. Du hast viel Unrecht getan und das Gute, das du getan hast, hast du vor allem aus eigennützigen Motiven getan. Mit all deinen Bestrebungen, auch den religiösen, hast du eigentlich nur Gott manipulieren wollen, um ihn in eine Position zu bringen, in der er deinen Interessen dienen muss. In Wirklichkeit ist alles, was du hast, ein Geschenk Gottes. Ihn solltest du lieben und ganz für ihn leben und das tust du nicht und schaffst du nicht. Aber du kannst gerettet werden, wenn du zu ihm umkehrst, und diese Rettung geschieht dann allein durch seine unverdiente Gnade» (Timothy Keller). Was löst dieses Zitat in dir aus? Desto mächtiger, wohlhabender, gebildeter und abgesicherter eine Person ist, umso mehr fühlt sie sich vom Evangelium angegriffen. Desto überzeugter ich bin, dass der Mensch alles kann, umso mehr trifft mich das Evangelium und ist eben keine gute Nachricht, sondern ein Affront, hinterwäldlerisch oder ein direkter Angriff auf den modernen Menschen.

Heute ist in der Schweiz der Eidgenössische Dank-, Buss- und Bettag. Diese drei Begriffe haben viel mit dem Evangelium zu tun. Das von uns Menschen unerwünschte Evangelium ruft uns zur Busse auf. Das heisst zur Erkenntnis, dass ich allein nicht kann und nicht nur nicht kann, sondern einiges verbockt habe, weil ich gleichwohl selbst den Himmel auf Erden erlangen wollte. Man könnte auch fragen, was denn das Gute am Evangelium ist. Es ist die Tatsache, dass ich voller Schwäche vor Gott stehe und er mich dennoch annimmt. Die Bibel nennt dies Gnade. Gott nimmt mich an, obwohl ich es nicht verdient habe. Das Gebet ist die logische Antwort eines Menschen, welcher erkannt hat, dass er auf Gott angewiesen ist. Es ist ein Reden mit Gott und ein Vertrauen darauf, dass unsere Worte bei ihm nicht unerhört bleiben.

Abschliessen möchte ich diese Predigt mit einer Bibelstelle aus dem Hebräerbrief. Ich habe heute vielfach betont, dass Gott durch die Schwäche der Menschen wirkt. Dies bedeutet aber nicht, dass diese Menschen schwach blieben. Durch ihren Glauben verbrachten diese unvollstellbares, aber eben nicht aus ihrer vermeintlichen Stärke. Sondern aus der Einsicht, dass Gott sie in ihrer Schwäche annimmt und ihnen hilft.

«Wie viele andere Beispiele wären noch zu nennen! Die Zeit fehlt mir, um auf Gideon und Barak einzugehen, auf Simson und Jiftach, auf David und Samuel und auf die Propheten. Was haben Menschen wie sie durch ihren Glauben nicht alles zustande gebracht! Sie zwangen Königreiche nieder, sie sorgten für Recht und Gerechtigkeit, sie erlebten die Erfüllung von Zusagen, die Gott ihnen gemacht hatte, sie hielten Löwen das Maul zu, sie blieben mitten im Feuer unberührt von den Flammen, sie entkamen dem tödlichen Schwert, sie wurden, wo es ihnen an Kraft fehlte, von Gott gestärkt, sie erwiesen sich als Helden im Kampf, sie schlugen feindliche Heere in die Flucht. Es kam sogar vor, dass Frauen, die Gott vertrauten, ihre verstorbenen Angehörigen zurückerhielten, weil Gott sie wieder lebendig machte. Andere, die auch Gott vertrauten, liessen sich lieber zu Tode foltern, als sich von Gott loszusagen, obwohl sie dadurch freigekommen wären. Sie waren bereit, ihr irdisches Leben zu verlieren, um durch die Auferstehung ein besseres Leben zu erhalten» (Hebräer 11,32-35 NGÜ).

Mögliche Fragen für die Kleingruppe

Bibeltext lesen: 1. Korinther 1,27-31; Hebräer 11,32-35

  1. Wie stellst du dir das Reich Gottes vor? Was unterscheidet sich von der Welt, die dich umgibt?
  2. Wie wird man «Bürger» dieses Himmels auf Erden? Ist es erstrebenswert dazuzugehören?
  3. Welche biblische Geschichte macht für dich am deutlichsten, dass Gott sein Reich durch die Schwäche und nicht trotz der Schwäche baut?
  4. Wo selbst liegst du in der Gefahr deine Stärke gegenüber einer Schwäche aufzubauschen? Worin liegt deine Schwäche?
  5. Mit welchem Element der guten Nachricht (Evangelium) hast du Mühe? Was ist für dich eine unerwünschte Nachricht?
  6. Bezug zu Dank-, Buss- und Bettag: Wofür bist du dankbar? Wo ist es Zeit Busse zu tun, also etwas Gott hinzulegen? Wie wäre es, wenn du gerade jetzt zu ihm betest und ihm dankst und Busse tust?