Drei Geschwister aus dem Neuen Testament
Serie: Wie du und ich | Bibeltext: 1. Johannes 4,19-21
Wir Menschen sind so verschieden, genauso wir Christen. Wir haben unsere Tage. Wir haben unsere Prägungen. Wir haben unsere Vorlieben. Wir haben unsere Erwartungen. Wir haben unsere Neigungen… Ist da ein enges geschwisterliches Zusammensein in der Gemeinde überhaupt möglich? Kommentar von Jesus: Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt!
Ein Mädchen hat sich mal wie folgt geäussert «Ich bin froh, dass ich meinen Bruder habe, auch wenn ich ihm an manchen Tagen mit dem größten Vergnügen den Hals umdrehen könnte! Er kann so schrecklich fies und biestig sein. Aber ich mag ihn halt.» Heute begegnen wir drei Geschwistern die sich mögen aus dem Neuen Testament und fragen uns wiederum: Was können wir an ihnen beobachten, was für unser geschwisterliches Zusammensein in der Gemeinde wertvoll wäre. Ich werfe den Blick zuerst auf Lazarus, den Jüngsten der drei im Bunde.
Lazarus
Über Lazarus wissen wir sehr wenig. Anscheinend war er bei jenem spannungsgeladenen Ereignis nicht zuhause, als Jesus die beiden Schwestern von ihm, Marta und Maria, besuchte. Lazarus war kein Prophet, keiner der 12 Jünger, kein Hohepriester, kein Auffälliger, kein Querulant. Er hat bisher nichts Besonderes geleistet oder erlebt. Er hat auch nichts zu tun mit dem armen Lazarus, der in der Geschichte in Lukas 16 vorkommt; im Gegenteil: unser Lazarus gehört zu einer wohlhabenden Familie. Lazarus wohnt in Betanien. Mehr kann man von ihm kaum erzählen. Vielleicht hätte ihn niemand gekannt, wenn er nicht der Bruder gewesen wäre von Marta und Maria. Eigentlich ein biblischer Nobody, was aber schlagartig änderte mit seiner Auferweckung vom Tod.
Diese spannende Geschichte lohnt sich zuhause nachzulesen in Johannes Kap. 11. Was kommt darin über Lazarus ans Licht? Jesus liebt Lazarus. Er hat ihn gern. Das ist zweimal erwähnt! Aber Jesus liebt alle drei Geschwister: «Jesus hatte Marta, Maria und Lazarus lieb» (Johannes 11,5 NL). Auch Marta und Maria lieben Lazarus. Als er schwer krank wird, benachrichtigen sie sofort Jesus darüber. Interessant ist, wie sie das tun. Sie melden nicht: «Jesus, du musst sofort kommen, Lazarus ist schwer krank.» Ihre Nachricht ist schlicht: «Jesus, der den du lieb hast, ist krank im Bett!»
Da möchte ich eine Zwischenfrage einfügen: Wie formulierst du deine Nachricht, dein Bitte an Jesus, wenn es etwas ganz Schweres und Dringendes gibt? Ganz dramatisch? Oder mit einem einzigen Satz, wie die beiden Schwestern; oder sogar ohne Worte im Bewusstsein dass Jesus deine Situation sowieso schon bestens kennt? Jesus weiss um unsere Verschiedenheit und das ist gut so. Er freut sich, wenn du dich an ihn wendest und einfach so mit ihm redest, wie es dir zumute ist.
Jesus eilt es gar nicht, den Kranken zu besuchen. Er bleibt noch zwei Tage dort, wo er ist, bis er sich dann doch auf den Weg nach Betanien macht. In der Zwischenzeit ist Lazarus bereits gestorben und begraben in einem Höhlengrab. Vor dem Eingang liegt ein grosser Stein. Wir wissen, wie die Geschichte endet: Jesus auferweckt ihn wieder zum Leben. Man kann sich fragen, warum gerade Lazarus?
Die Antwort gibt Jesus selbst in der Geschichte: Er tut dieses Wunder um Gott zu verherrlichen! Die vielen anwesenden Trauergäste sollen Gott erleben, damit sie an ihn glauben und glauben dass Jesus der Sohn Gottes ist. Tatsächlich: Viele Juden kommen zum Glauben an Jesus, was den Hohepriestern gar nicht gefällt. Kurze Zeit nach diesem Wunder lädt Marta Jesus mit seinen Jüngern wieder zu einem Essen ein, wo Lazarus auch mit ihnen am Tisch sitzt. Wieder kommen viele Menschen vorbei, nicht nur weil sie Jesus sehen wollen, sondern auch den auferstandenen Lazarus. Bei diesem Anlass salbt Maria Jesus die Füsse mit einem sehr teuren Öl. Das ist alles, was wir von Lazarus wissen, nachher hören wir nichts mehr über ihn. Er wurde nicht Ersatz-Jünger für Judas Ischarioth. Er wurde kein Apostel, kein Missionar, kein Ältester in einer Gemeinde, schreibt kein biblisches Buch…
Jesus liebt Lazarus. Jesus liebt auch dich! Warum bist gerade du überzeugter Christ und ein Gotteskind? Staune doch einfach darüber, dass du deine Tür des Herzens für ihn öffnen konntest und sei dankbar! Bei uns ist das oft so, dass wir Menschen lieben, die uns auf Anhieb sympathisch sind! Und am sympathischsten sind uns diejenigen, wo wir spüren dass sie uns mögen! Bei Jesus ist das nicht so. Er wartet nicht auf Gegenliebe, bis er uns dann seine Liebe zeigt. «Nicht wir haben Gott geliebt, sondern er hat uns zuerst geliebt und hat seinen Sohn gesandt, damit er uns von unserer Schuld befreit» (1. Johannes 4,10 NL). Jesus hat uns zuerst geliebt, um uns diese Liebe zu zeigen und vorzuleben. Damit Gott den Vater lieben und unsere Geschwister im Glauben.
Marta und Maria
Die beiden sind uns bekannt von ihrer Begegnung mit Jesus, wo Maria gebannt auf die Worte von Jesus hört, während Marta sich abmüht, den Gästen zu dienen. Marta erwartet, dass Jesus ihre Schwester dazu bewegt, ihr zu helfen. Aber Jesus stellt ihre Kritik in Frage und rühmt Maria, die besser entschieden hat. Von dieser Begegnung in Betanien können wir zwei Dinge für unser geschwisterliches Zusammensein in der Gemeinde merken:
- Bevor wir das Verhalten anderer rügen, sollten wir immer zuerst das eigene Verhalten prüfen! Wäre es für Marta nicht besser gewesen, der Kartoffelschäler wegzulegen und auch zuzuhören, besonders jetzt, wo Jesus bald nicht mehr unter ihnen ist!
- Kritik solltest du direkt anbringen und nicht über Dritte! «Jesus, kannst du bitte Maria sagen, was jetzt dran wäre…!?» Nein, direkt: «Maria, hilfst du mir nachher, wenn ich jetzt auch zu euch sitze?»
Wenn du als Ehefrau dich über etwas ärgerst an deinem Mann, dann frag nicht deine Freundin, ob sie mal mit deinem Mann ein ernstes Wörtchen reden könnte! Dasselbe gilt umgekehrt auch für den Mann! Bitte verschont auch die Pastoren, oder die Mitglieder der Gemeindeleitung von der Erwartung eure Partner oder eure Kinder in die Schranken zu weisen - bevor ihr selbst das Problem thematisiert habt. Die Geschichte von der Auferweckung des Lazarus gibt noch mehr her über Marta und Maria! Die Absicht, Jesus ans Krankenbett zu rufen, ist ein gemeinsamer Entscheid der beiden Schwestern. Die ältere Marta hat nicht im Alleingang bestimmt. Das ist schön, wenn Glaubensgeschwister einig sind: Jetzt brauchen wir die Nähe von Jesus! Jetzt kann uns nur noch Jesus helfen! Jetzt müssen wir mit IHM reden, zu IHM gehen.
Was machen die beiden Frauen, als sie hören Jesus sei unterwegs zu ihnen? Lazarus ist ja schon vor Tagen gestorben! «Als Marta nun hörte, dass Jesus kommt, ging sie ihm entgegen; Maria aber blieb im Haus sitzen» (Johannes 11,20 LU). Diesmal sucht Marta die Nähe von Jesus. Marta und Maria begegnen Jesus nacheinander mit demselben Vorwurf und demselben Vertrauen in seine Kraft zu heilen: «Herr, wärst du hier gewesen, wäre mein Bruder nicht gestorben.»
Marta fügt noch zeugnishaft und eindrücklich an: «Aber auch so weiß ich, Gott wird dir alles geben, was auch immer du ihn bittest» (Johannes 11,22). Als Jesus die Anweisung gibt, den Stein vom Eingang des Grabes wegzutun, ist es Marta, die bremst: «Nein, das können wir nicht machen. Nach vier Tagen stinkt der Leichnam schrecklich!» Jesus erwiderte: «Habe ich dir nicht gesagt, dass du die Herrlichkeit Gottes sehen wirst, wenn du glaubst?» (Johannes 11,40 NL).
Unser Verschiedensein
Zwei Schwestern, die unser Verschiedensein sehr eindrücklich veranschaulichen. Unser Glaube ist manchmal so gross und dann wieder so klein. Oft trauen wir Gott Grosses zu und sind überzeugt von Bibelworten wie «Gott tut große Dinge, die nicht zu erforschen, und Wunder, die nicht zu zählen sind» (Hiob 9,10 LU). Und plötzlich sind wir wieder am Boden voller Zweifel und Fragen. Manchmal spürst du so gut, was jetzt für dich dran ist – und bald darauf wirfst du deine Prioritätenliste über den Haufen. Wir Menschen sind ja schon so verschieden, und so auch wir Christen. Wir haben unsere Tage. Wir haben unsere Prägungen. Wir haben unsere Vorlieben. Wir haben unsere Erwartungen. Wir haben unsere Neigungen… Die eher Aktiven, möchten die andern manchmal als liebsten in den Hintern treten. Die einen sind am Boden zerstört, während die andern schon wieder Hoffnung ausstrahlen. Ist da ein enges geschwisterliches Zusammensein in der Gemeinde überhaupt möglich? Der Kommentar von Jesus dazu lautet: Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt!
Es muss uns allen bewusst bleiben, dass der Widersacher nicht nur unsere Gemeinschaft mit Gott angreift, sondern auch unser Miteinander zerstören will. Es ist traurig, dass viele leibliche Geschwister zerstritten sind; nicht mehr miteinander reden und sich auch nicht mehr sehen wollen. Das ist traurig. Noch tragischer ist dies, wenn es unter geistlichen Geschwistern so geschieht. Die Amerikanerin Dr. Susan McHale, die in den USA schwerpunktmäßig Geschwisterbeziehungen erforscht, behauptet: «Das Verhältnis von Brüdern und Schwestern untereinander ist vielfach die am längsten andauernde Beziehung, die wir als Menschen haben können. Und eine wichtige noch dazu», so McHale. Denn ihre bisher vorliegenden Daten zeigen, dass diejenigen Menschen im fortgeschrittenen Alter gesünder sind, die sich mit ihren Geschwistern noch eng verbunden fühlen. Interessant!
Du bist gesund im Alter, wenn du noch eine gute Beziehung hast, zu deinen leiblichen Geschwistern! Wenn die Bibel uns aufruft, unsern Nächsten zu lieben, dann betrifft das zuerst die nächsten Verwandten, den Bruder oder die Schwester – nicht nur die leiblichen, sondern auch die geistlichen Geschwister. Gott ruft zu dieser Liebe auf, aber er hat uns alles dazu gegeben, dass dies möglich ist! Damit ermöglicht er dir ein reich erfülltes Leben, das Freude ausstrahlt; und so ein Leben wirkt sich positiv aus auf deine körperliche Gesundheit.
«Wir wollen lieben, weil er uns zuerst geliebt hat. Wenn jemand sagt: «Ich liebe Gott», aber seinen Bruder hasst, dann ist er ein Lügner; denn wer die Menschen nicht liebt, die er doch sieht, wie kann er da Gott lieben, den er nie gesehen hat? Gott selbst hat uns geboten, nicht nur ihn, sondern auch unseren Nächsten zu lieben» (1. Johannes 4,19-21 NL).
Die Ehepaare versprechen sich bei der Trauung oft gegenseitig eine tiefe und treue Beziehung mit den Worten: «Ja, mit Gottes Hilfe». Lebe doch die Gemeindebeziehungen hier unter uns mit einem allgegenwärtigen: «Ja, mit Gottes Hilfe!»
Amen.