Auf Felsen bauen
Serie: Metamorphose | Bibeltext: Matthäus 7,24-29
Das Auseinanderklaffen von Hören und Tun ist ein allgemein menschliches Phänomen. Als Gott in der Person von Jesus Christus Mensch wurde, hat er diesen Graben eindrücklich überwunden. Johannes beschreibt dies mit den Worten: «Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns». Auch im Leben eines Nachfolgers von Jesus soll das Wort Fleisch werden und Gestalt annehmen. Ein solcher Mensch ist wie einer, der sein Lebenshaus auf einen Felsen baut. Die Stürme des Alltags können ihm nichts anhaben.
Vor einiger Zeit kam es in Köln zu einem Vorfall in der U-Bahn. Am helllichten Tag wurde dort ein junges Mädchen von mehreren Männern sexuell belästigt. Ihre Nöte waren nicht zu übersehen, die U-Bahn voll besetzt. Aber keiner der Mitfahrenden kam dem jungen Mädchen zu Hilfe. Abgesehen vom Tatort U-Bahn könnte sich so etwas auch in jeder Schweizer Stadt abspielen. Ich glaube, wenn man die Passagiere in der U-Bahn befragt hätte, so hätte keiner gesagt: «Ich finde es in Ordnung, dass junge Mädchen in öffentlichen Verkehrsmitteln belästigt werden.» Aber gehandelt hat keiner nach dieser Auffassung. Stattdessen haben alle durch ihre Passivität die Ausschreitungen der Männer billigend hingenommen.
Das Auseinanderklaffen von Hören oder Meinen und Tun ist ein allgemein menschliches Phänomen. Wenn Gewalt in unserer Mitte immer mehr um sich greift, dann ist das auch eine Folge davon, dass Denken und Tun bei zu vielen von uns auseinanderklaffen. Dass wir Unrecht zwar beim Namen nennen können – aber nichts dagegen tun. Das grosse Anliegen der Bergpredigt ist, Wort und Tat zusammenzubringen.
Das Wort wird Fleisch
Johannes beschreibt das Weihnachtsgeschehen kurz und bündig: «Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit» (Johannes 1,14 LUT).
Bei Gott gibt es kein Auseinanderklaffen von Wort und Tat. Jesus, das Wort Gottes, wurde Fleisch. Weihnachten ist die Inkarnation (Fleischwerdung) Gottes. Viele Fleischverarbeitungsbetriebe haben carna im Namen: Delicarna, Micarna, Carna Center. Diese helfen mit, dass Grillieren kein theoretisches Gedankenspiel bleibt, sondern das leckere Entrecôte tatsächlich eine Geschmacksexplosion im Gaumen verursacht.
Das Wort wurde Fleisch. Das zeigt auf, dass Jesus nicht nur Ausleger der Heiligen Schriften ist, sondern in ihm Gott selbst zu den Menschen kommt. Gott ist in Jesus gegenwärtig, deshalb kommt es zu eindrücklichen «Geschmacksexplosionen». Mit Jesus ist die neue Welt, World 2.0, die Stadt auf dem Berg, angebrochen. Sein Leben ist eine wunderbare Kostprobe für das Reich Gottes. Ich kenne niemanden, bei dem Wort und Werk, Denken und Handeln so sehr übereinstimmen wie bei Jesus Christus. In der Bergpredigt forderte er: «Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen» (Matthäus 5,44 NLB). Später verhält sich Jesus genauso wie er vorher gepredigt hat. Er wehrt sich nicht bei seiner Gefangennahme. Er heilt den Knecht des Hohenpriesters, dem einer seiner Jünger das Ohr weggeschlagen hat. Er betet für seine Feinde. Sein Leben ist eine einzigartige Kostprobe für die neue Welt.
Übrigens gibt es bereits im Alten Testament über hundertmal die Wendung «das Wort des HERRN geschah». Das Verb zu Gottes Wort heisst nicht denken, sprechen oder hören, sondern geschehen.
Viele Gehilfen für ein «Nicht»
«Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stiessen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet. Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stiessen an das Haus, da fiel es ein und sein Fall war gross» (Matthäus 7,24-27 NLB).
Jesus beschreibt in seinem Gleichnis zwei Sorten von Menschen: die, die sein Wort hören und tun, und die, die seine Worte hören und nicht tun. Das unscheinbare Wort nicht macht den bedeutsamen Unterschied zwischen einem Haus auf Sand und einem Haus auf einem Felsen.
Dieses verflixte «Nicht» hat viele Helfer. Jesus ist folgenden aufgezählt:
- Die anderen sollten einmal. Ich sehe beim anderen das Defizit, das ich eigentlich bei mir wahrnehme, mir aber nicht eingestehen kann (Matthäus 7,1-5).
- Ich schaff es nicht. Wer möchte, dass die Tugenden des Himmelreichs in seinem Leben Gestalt gewinnen, ist nicht auf sein Vermögen bzw. Unvermögen zurückgeworfen, sondern wird ermutigt, Gottes verändernde Kraft zu erbitten (Matthäus 7,7-11).
- Das ist alles viel zu komplex und kompliziert. Ich sehe vor lauter Bäume den Wald nicht mehr. Für diesen Fall offeriert Jesus uns eine einfache handlungsleitende Frage: Behandle ich andere so, wie ich auch behandelt werden möchte? (Matthäus 7,12).
- Aber das bringt mich doch in Bedrängnis. Das Tun von Gottes Wort kann uns tatsächlich in die Bredouille bringen. Sind wir bereit, den Preis für die Nachfolge zu bezahlen? (Matthäus 7,13-14).
- Ja, aber dieser sagt ... und jener sagt... Zu jeder Zeit hat es Menschen gegeben, die im Namen Gottes aufgetreten sind. An den Früchten können wir falsche Propheten, Wölfe im Schafspelz, entlarven (Matthäus 7,15-20).
- Christus ist Herr. Christus ist Herr. Lass dich von frommen Worten in Liedern und Gebeten, in Bekenntnissen und Reden nicht bluffen. Was zählt sind nicht die steilen Bekenntnisse, sondern das Tun (Matthäus 7,21-23).
- Aber ich lese doch die Bibel und höre jeden Sonntag die Predigt. Damit sind wir bei der Grundaussage der heutigen Predigt angelangt. Beginne zu tun, was du gehört hast!
Das Problem dieses nicht ist, dass unsere Lebenshaus den Stürmen des Alltags nicht standhält. Kaum treten Probleme auf, gerät unser Leben aus den Fugen. Im letzten Sommer wurden wir Augenzeugen einer riesigen Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz. Ganze Häuser wurden einfach mitgerissen. Kürzlich geschah dasselbe in British Columbia in Kanada. Könnte es sein, dass selbst bei diesen Flutkatastrophen das Auseinanderklaffen von Wort und Tat das Problem ist. Das Wort Gottes gibt uns den Auftrag, die Schöpfung zu bewahren, doch aus egoistischen Gründen beuten wir sie aus.
Das Wort wird zum Felsen
Beim Umbau unseres Hauses werden tragende Mauern abgebrochen. In diesem Zusammenhang holten wir Berechnungen und Tipps eines Bauingenieurs ein. Wir wollen sicherstellen, dass das Haus Sturm und Schneelast trotzen kann. Der Tipp des obersten Bauingenieurs in Sachen Statik unseres Lebens lautet: Wenn wir das Wort Gottes tun, wird es uns zum Felsen. Willy Brandt soll 1989 bei der Vereinigung von Ost- und Westdeutschland gesagt haben: «Es wächst zusammen, was zusammengehört.» Genauso gehören laut Jesus Wort und Tat zusammen. Das ist die Quintessenz der ganzen Bergpredigt. Wenn wir mit Jesus unterwegs sind, sollen wir nicht beim Hören, Theologisieren und Diskutieren stehenbleiben, sondern handeln.
- Jesus fordert, dass wir nicht zürnen und uns nicht rächen sollen, wenn jemand mir schadet. Ich soll Ausgleich und Frieden suchen, auch wenn es mir schadet. Ja, sogar meine Feinde soll ich lieben.
- Jesus fordert, dass wir unsere Blicke nicht begehrlich nach der Frau (oder auch nach dem Mann) eines anderen schweifen lassen sollen. Wir sollen unserem Ehepartner treu sein und das Eheversprechen nicht auflösen.
- Jesus fordert uns auf, unser Leben nicht durch Streben nach Geld und Gut abzusichern und uns nicht um unsere Zukunft sorgen.
- Jesus fordert uns auf, uns zuerst seiner Herrschaft zu unterstellen und zu tun, was ihm entspricht.
Das Tun ist entscheidend und nicht das Wissen bzw. Diskutieren. Davon ist auch Jakobus überzeugt: «Aber es reicht nicht, nur auf die Botschaft zu hören – ihr müsst auch danach handeln! Sonst betrügt ihr euch nur selbst» (Jakobus 1,22 NLB). Um das Hören und Handeln zusammenzubringen, gibt es in der seetal chile die Kleingruppen. Die Idee ist, dass der letzte Drittel eines jeden Treffens sich mit der Frage auseinandersetzt: «Was legt mir Gott auf’s Herz, das ich in den nächsten zwei Wochen umsetzen soll?» Wir können nicht nur essen, sondern müssen die Nahrung verwerten, sonst erkranken wir im Selbstbetrug.
An einer anderen Stelle hat Jesus gesagt: «Wer den Willen Gottes tun will, wird erkennen, ob meine Lehre von Gott kommt oder ob ich aus mir selbst heraus rede» (Johannes 7,17 NLB). In dem Moment, wenn wir Täter des Wortes werden, werden wir Jesus erkennen. Vielleicht stehst du vor der Entscheidung, ob du dein Leben ganz Jesus anvertrauen willst. Laut dieser Aussage Jesu braucht es den mutigen Schritt, anzufangen nach seinen Worten zu leben. Erst dann wirst du Gewissheit und Erkenntnis bekommen, dass Jesus absolut vertrauenswürdig ist.
Unser Gehirn besitzt die Fähigkeit der Habituation. Wir sind dauernd einer Vielzahl von Reizen ausgesetzt. Wenn wir alle diese beachten würden, wären wir hoffnungslos überfordert und letztlich handlungsunfähig. Also lernt unser Gehirn, schwache Reize, die sich als unbedeutend erweisen, auszublenden. Die Habituation gibt es auch in unserem geistlichen Leben. Wir hören Predigten an, setzen aber nicht um, was wir gehört haben, oder können es nicht umsetzen und üben, weil uns ständig eine geballte Ladung Neues aufgetischt wird, das unmöglich umgesetzt werden kann. Jetzt merkt unser Gehirn, dass eigentlich gar nichts geschieht, wenn wir missachten, was wir gehört haben. Unser Gehirn lernt eine Predigt als unwesentlich einzustufen, wir werden immer abgestumpfter und setzen immer weniger um, je mehr wir gehört haben, das folgenlos geblieben ist und sind letztendlich gar nicht mehr erreichbar. In der Bibel kennt dafür den Ausdruck «verstopfte Ohren».
Wenn wir Gottes Wort tun, wird es zum Felsen unseres Lebenshauses. David dichtete: «Er ist mein Fels und meine Hilfe, meine Burg, in der mir nichts geschehen kann» (Psalm 62,7 NLB). Wenn wir Täter des Wortes werden, kommt eine Resilienz (psychische Widerstandskraft) in unser Leben hinein. Auch starke Stürme können uns nichts anhaben. Deshalb lautet der beste Rat für dein Leben: Baue dein Lebenshaus auf den Felsen. Setze um, was du von Gott durch die Bibel weisst.
Heute schliessen wir das Thema Metamorphose ab. «Lasst euch in eurem Wesen verwandeln!» (Römer 12,2 SLT). Wir müssen wollen, können die Veränderung aber nicht selbst bewirken. Wir initialisieren unsere persönliche Veränderung hin in das Bild Jesu durch zielorientiertes Umsetzen dessen, was wir von Gott erkannt haben. Wenn wir Gottes Wort tun, kommt der Fels in unser Leben hinein – und das ist Jesus Christus selbst. Wenn Jesus zu unserem Felsen wird, wird alles viel einfacher und die Verwandlung unseres Charakters geschieht durch ihn und für uns wie automatisch.
Mögliche Fragen für die Kleingruppen
Bibeltext lesen: Matthäus 7,24-29
- Was ist der Unterschied zwischen einer theoretischen Religion und dem, dass Gott in der Person von Jesus Christus Fleisch wurde?
- Wie kann Gottes Wort in deinem Leben Fleisch werden? Was bedeutet diese Redensart?
- Das «nicht» hat viele Gehilfen. Welcher davon ist bei dir am stärksten am Werk?
- Was bedeutet es, wenn das Tun des Wortes zum Felsen unter unserem Lebenshaus wird? In welchen Wetterverhältnissen ist das relevant?
- Das Thema Metamorphose geht zu Ende. Was nimmst Du davon mit? Was hat sich in deinem Leben dadurch verändert?