Datum: 6. Januar 2019 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: Psalm 91,9
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Was ist Heimat? Ist Heimat einfach ein Land oder vielleicht sogar nur ein Haus, mit dem wir sentimentale Erinnerungen verbinden? Laut Psalm 91,9 macht die Anwesenheit Gottes einen Ort zur Heimat: «Beim HERRN bin ich geborgen! Ja, bei Gott, dem Höchsten, hast du Heimat gefunden.» In dieser Predigtserie werden wir gemeinsam entdecken, wie man innerlich heimkommen, zu einem erfüllten Leben finden und anderen dabei helfen kann, diese Heimat zu entdecken.


Am Sonntagmorgen, als ich als Kind bzw. Jugendlicher noch im Bette lag, hörte ich jeweils, wie um 5.30 Uhr die Melkmaschine gestartet wurde. Bald darauf erklang der «Gruss vom Bodensee» aus dem Kuhstall und zwischendurch das Mitpfeifen meines Vaters. Wenn ich dann die Fensterläden öffnete, blickte ich direkt zum Säntis.

Solche Szenen hat mein emotionales Gedächtnis zum Thema «Heimat» abgelegt. Oder auch, wie wir Kinder auf der Terrasse mit der Ur- und Grossmutter Bohnen ‘abfädelten’, oder wie es nach der hauseigenen Metzgete Rösti mit Grieben, Blutwürste im Original-Schweinedarm oder Kutteln an feine Kümmelsauce gab. Ein paar Wochen später konnten wir dann die Rauchwürste aus dem Kamin geniessen.

So nostalgisch und verklärt ist für mich die Vorstellung von Heimat. Heimat soll übrigens mit dem griech. Wort koimáo verwandt sein, das «bringe zu Bett» bedeutet. Der Ort, wo wir zu Bett gebracht wurden, hat grosses Potenzial, in uns Heimatgefühle zu wecken. Was geht dir zum Begriff «Heimat» durch den Kopf und durch das Herz?

Heimweh

Das schmerzliche Vermissen der Heimat hat eine lange Geschichte. Der Heerführer Ludwig Pfyffer, der Schweizer Söldner in der Schlacht bei Jarnac führte, schrieb 1569 in einem Brief über den Tod eines Soldaten: «[…] der Sunnenberg gestorben von heimwe […]» Pfyffer fand es nur am Rande erwähnenswert, dass besagter Sunnenberg ausserdem verwundet gewesen war. In der darauffolgenden Zeit berichteten medizinische Abhandlungen über das merkwürdige Leiden von Schweizer Soldaten, die ausser Land stationiert waren. Die Soldaten wurden schwermütig und es kam immer häufiger zur Fahnenflucht. So wurde ihnen unter Androhung schwerer Strafen verboten, Lieder aus der Heimat zu singen, vor allem den ‘Kuhreigen’, ein bekanntes Volkslied. Die Diagnose lautete ‘Heimweh-Krankheit’, auch ‘Schweizer Krankheit’ oder ‘Nostalgia’ genannt. ‘Heimweh’ galt als tödlich. Heilung brachte nur die Rückkehr in die Heimat.

Der Universalgelehrte Johann Scheuchzer ging von einer körperlichen Ursache aus. Er begründete dies 1716 folgendermassen: Es liege an der Beschaffenheit der hiesigen Luft. Reisten Bergbewohner beispielsweise in die Niederlande, so bestehe die Gefahr, dass die gröbere, stärker drückende Meeresluft sie in höchst gefährliches Fieber stürze. Die Luft drücke die kleinsten Blutgefässe zusammen, so dass die Säfte im Kreislauf nicht mehr ausreichend zirkulieren könnten. Erst Anfang des 19. Jahrhundert setzte sich die bis heute anerkannte Sichtweise durch, dass es sich beim Heimweh um ein psychologisches Phänomen handelt. Wobei, das habe ich bei meiner Recherche ebenfalls herausgefunden, das Heimweh bei Kindern mehr das Problem der Eltern sein soll. Inwiefern das richtig ist, sei dahingestellt.

Heidi, das fröhlich-forsche Naturkind aus Johanna Spyris Roman, fängt in Frankfurt vor lauter Heimweh an schlafwandeln und still ins Kissen zu weinen. Ihr Glück ist, dass der Arzt der Familie es als potenziell tödliche Krankheit diagnostiziert. Die einzige Kur, von der er Abhilfe erwartet, ist die sofortige Rückkehr zum Grossvater in die Schweizer Berge.

Heimweh ist die unstillbare Sehnsucht nach dem Umfeld, das uns geprägt hat, nach heimatlicher Vertrautheit. Heimweh kennen nicht nur Schweizer. So litten auch die nach Babylon deportierten Juden an Heimweh. Herzerweichend tönt ihre Klage: «An den Flüssen Babylons sassen wir und weinten, wenn wir an Jerusalem dachten» (Psalm 137,1). Auch bei Jesus spürt man so etwas wie Heimweh: «Füchse haben ihren Bau, und Vögel haben ihre Nester, aber der Menschensohn hat keinen Ort, wo er sich hinlegen kann» (Matthäus 8,20).

Seine Jünger tröstet er: «Habt keine Angst. Ihr vertraut auf Gott, nun vertraut auch auf mich! Es gibt viele Wohnungen im Haus meines Vaters» (Johannes 14,1f).

Auf der Welt gibt es so viele Flüchtlinge wie noch nie. Alles Leute, die ihre Heimat verlassen haben und oft sehr einsam sind an dem neuen Ort. Diese Entwurzelung verbunden mit traumatischen Erfahrungen auf der Flucht hat oft sehr negative Auswirkungen auf ihr Leben. Sie sind auf Menschen angewiesen, die ihnen ein Stück Heimat bieten.

Heimisch werden

Heimat ist ein zentrales Thema in der «Guten Nachricht». Die Geschichte von Gott und den Menschen beginnt mit einem Ort. Am Anfang erschuf Gott einen blühenden Garten als Zuhause für den Menschen. Am Ende der Bibel wird von einer wunderbaren Stadt berichtet. Dort leben viele Menschen miteinander in Frieden, es gibt keine Tränen, kein Leid, keine Einsamkeit, keine Not und keine Schmerzen mehr. Das hebräische Wort ‘Shalom’ bezeichnet diesen tiefen innerlichen Frieden, der diesen Ort zu einer Heimat macht, in dem das Herz sein Zuhause findet. Es ist jedoch nicht die konkrete Stadt allein, die dafür verantwortlich ist, dass hier Heimat ist, sondern die Anwesenheit Gottes. Sie steht für ein gelingendes Leben und Frieden auf allen Ebenen. Dort ist der Raum, an dem Menschen mit Gott, anderen Menschen und sogar der Welt in friedlichem Miteinander leben.

Die Bibel redet also von einer Heimat, die andere Menschen und die Welt miteinschliesst, sich aber trotzdem in erster Linie dadurch auszeichnet, dass Gott ein Teil davon ist. Es ist ein wahrhaft paradiesischer oder himmlischer Zustand. «Ich hörte eine laute Stimme vom Thron her rufen: Siehe, die Wohnung Gottes ist nun bei den Menschen! Er wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk sein und Gott selbst wird bei ihnen sein» (Offenbarung 21,3).

Der Bibelvers, den wir zu unserem Jahresthema ausgewählt haben, sagt auf poetische Weise dasselbe: «Du aber darfst sagen: ‘Beim HERRN bin ich geborgen!’ Ja, bei Gott, dem Höchsten, hast du Heimat gefunden» (Psalm 91,9 Hfa). Der hebräische Parallelismus zeigt, dass beim HERRN geborgen sein und Heimat finden mit verschiedenen Worten das Gleiche aussagt.

Wachsen in der Beziehung mit Jesus Christus ist gleichbedeutend mit heimischer werden beim himmlischen Vater. Wir werden uns in diesem Jahr intensiv damit auseinandersetzen, wie wir bei Gott heimisch werden können, wie wir in der Kindschaft im Hause Gottes wachsen und uns wohler fühlen können. Heimat bei Gott finden wirkt sich sehr konkret auf das Leben aus. Wer bei Gott heimisch ist, strahlt eine übernatürliche Ruhe sowie einen umfassenden Frieden aus und hat eine grosse Anziehungskraft. Man fühlt sich in dessen Gegenwart einfach wohl.

Jesus Christus hat sein himmlisches Zuhause aufgegeben und kam als Mensch auf die Erde (Philipper 2,6f). Durch seinen Tod am Kreuz hat Jesus den Weg frei gemacht, damit die Menschen jederzeit freien Zugang zu Gottes Gegenwart bekommen können.

Und doch – ganz heimisch werden wir auf dieser Welt nie. Es wird eine ungestillte Sehnsucht bleiben. Billy Graham prägte die Aussage: «Meine Heimat ist der Himmel. Ich reise nur durch diese Welt.» Vermutlich wurde er vom Patriarchen Jakob inspiriert, der dem Pharao auf die Frage nach seinem Alter antwortete: «Ich lebe seit 130 Jahren als Gast auf dieser Erde - und es waren harte Jahre» (1Mose 47,9). Auch in Psalm 119,19 ist diese zu finden: «Nur ein Gast bin ich auf dieser Erde» (NGÜ). In uns allen schlummert die Sehnsucht nach der endgültigen Heimat – dem himmlischen Jerusalem. Erst dort wird unser Herz ganz zur Ruhe kommen und ganz zu Hause sein.

Gastfreundschaft leben!

In den zwei Worten «willkommen daheim» steckt die Aufforderung «Komm heim». Die grosse Frage ist, wie wir anderen Menschen, die diese Heimat bei Gott noch nicht kennen, plausibel erklären können, dass sie sich im Tiefsten danach sehnen. Am besten geschieht dies dadurch, dass wir selbst heimisch werden im Hause Gottes.

«Die Christen müssten mir erlöster aussehen. Bessere Lieder müssten sie mir singen, wenn ich an ihren Erlöser glauben sollte.» So hat der Philosoph Friedrich Nietzsche über die Christen geurteilt. Eigentlich hätte er es wissen müssen. Denn Nietzsche wuchs in einem Pfarrhaus auf. Nach seiner Konfirmation besuchte er bis zum Abitur ein kirchliches Begabten-Internat in Naumburg. Aus nächster Nähe hat er christlichen Glauben und christliches Leben in seiner Jugend miterlebt. Überzeugt hat ihn das alles nicht. Im Gegenteil: Später wurde er einer der leidenschaftlichsten Bekämpfer des Christentums.

Könnte es sein, dass Nietzsche kaum Christen kennengelernt hat, die im Hause Gottes heimisch geworden sind? Hat er vielleicht das Christentum nur als institutionelle Religion kennengelernt? Je heimischer wir bei Gott geworden sind, desto erlöster sehen wir aus. Echt gelebte Kindschaft im Vaterhaus hat überzeugende Wirkung für Gäste.

In Tansania zog ein kleiner Junge in die Stadt, um dort auf dem Markt Mango zu verkaufen. Er sass unter einem Baum und bot seine Früchte an. Noch hatte er keine Erfahrung im Verkaufen. Er war ungeübt und etwas schüchtern. Ängstlich sass er da. Je mutloser er wurde, umso schwächer wurde auch seine Stimme. Sein Angebot fand überhaupt keine Resonanz. Obwohl die Sonne heiss brannte und die Leute Durst hatten, fanden seine schönen Mangos keine Beachtung. Er wurde missmutig, war enttäuscht uns sehr frustriert. Schliesslich sagte er sich: Wenn schon keiner meine schönen Mangos haben will, gönne ich mir wenigstens eine. Er nahm eine schöne Frucht aus dem Korb und biss hinein. Sie schmeckte ihm. Der Saft erfrischte ihn, lief auch ein wenig seinen Mundwinkeln herunter und die Mango-Frucht verbreitete ihren Duft. Seine Augen gewannen Glanz. Man sah es ihm an, dass es ihm schmeckte. Er genoss seine Mango. Die Leute, die vorübergingen rochen den Duft. Sie sahen den kleinen Mann genüsslich essen und bekamen Appetit. Jetzt griffen sie zu und schnell war der Korb leer. Der kleine Junge wusste jetzt, wie man die Mango-Früchte an den Mann bringt.

Erst wenn wir selbst die Kindschaft im Vaterhaus geniessen, werden wir überzeugend andere einladen können.

Bevor Jesus die Welt Richtung unsichtbare Welt zur Rechten Gottes verlassen hatte, gab er uns unmissverständlich den Auftrag, die Gute Nachricht allen Menschen weiterzuerzählen: «Aber wenn der Heilige Geist über euch gekommen ist, werdet ihr seine Kraft empfangen. Dann werdet ihr von mir berichten – in Jerusalem, in ganz Judäa, in Samarien, ja bis an die Enden der Erde» (Apostelgeschichte 1,8).

Bald einmal findet wieder der Dürrenäscher Turnerabend statt. Unsere Kids haben gefragt, ob ihre Kollegen bei uns schlafen könnten. Es scheint sich da eine grössere Anzahl von Menschen anzusammeln. Da wir nicht beliebig viel Platz haben, müssen wir das miteinander absprechen. Wir üben uns in Gastfreundschaft. Gastfreundschaft ist auch ein markantes Thema in der Bibel. Ungefähr zehnmal wird die Gastfreundschaft als gute Tugend im Neuen Testament erwähnt. Für Leute in Leitungsaufgaben gilt es sogar als ein Muss (1Timotheus 3,2; Titus 1,8) und gehört zu den fünf Werken der Barmherzigkeit, die im Endgericht als Kriterium gelten (Matthäus 25,38). Jede Einladung zu sich nach Hause ist ein Vorschatten für die Herrlichkeit im Vaterhaus Gottes.

Komm heim! Wir dürfen die Rolle des Gastgebers einnehmen und beliebig viele Menschen in das Haus einladen, in dem Gott Vater und Mutter ist. Im Hause Gottes gibt es keine Platzbeschränkung. Der Vater des Hauses hat seine Arme weit geöffnet für alle Menschen.

Übrigens soll die Gemeinde die Art und Weise der Gastfreundschaft dieses Gottes auf Erden repräsentieren. Paulus erklärt nämlich, dass die Gemeinde das Haus Gottes sei. «Doch für den Fall, dass sich mein Kommen verzögert, schreibe ich dir diesen Brief, damit du weisst, wie diejenigen sich verhalten sollen, die zum Haus Gottes gehören, zur Gemeinde des lebendigen Gottes» (1Timotheus 3,15). Die Hausregeln und die Kultur von Gottes Haus sollen Menschen in der lokalen Gemeinde erfahren. Deshalb ist unsere Willkommenskultur nicht einfach nur nett und auch nicht nur ein Erfordernis einer Gemeindebauphilosophie. Nein, es geht nicht darum, um möglichst eine grosse Gemeinde zu haben, sondern hat ganz direkt einen evangelistischen Charakter. Wir wollen auf dieser Welt das Haus Gottes repräsentieren und die Arme ebenso weit für Menschen öffnen, wie es der Vater im Gleichnis von den verlorenen Söhnen getan hat.

Es wurde klar, das neue Jahresthema «willkommen daheim» hat sehr viel Potenzial und wird uns kaum langweilen. Damit wir das ganze Jahr am Thema dranbleiben können, schenken wir dir einen Schlüssel, auf dem «willkommen daheim» und «Psalm 91,9» eingraviert ist. Er soll den Zugang zum Haus Gottes symbolisieren.

 

Mögliche Fragen für die Kleingruppen

Bibeltext lesen: Psalm 91,9

  1. Was verbindest du mit Heimat? Was weckt Heimatgefühle in dir?
  2. Hattest du früher (oder heute noch) Heimweh? Wie war das?
  3. Inwiefern erlebst du die Geborgenheit bei Gott als Heimat? Fühlst du dich heimisch bei Ihm? Woran merkst du es?
  4. Was bedeutet Dir Gastfreundschaft? Wie lebst Du sie?
  5. Es ist unsere Aufgabe, andere Menschen nach Hause zu Gott zu rufen. Wen hast du diesbezüglich auf dem Herzen?