Weihnachten- der Künstler betritt sein Werk

Datum: 25. Dezember 2022 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: Johannes 1,1-14

Jesus ist das Wort, durch das die ganze Schöpfung geschaffen wurde. Dieses Wort steckt voller Leben und Licht. Weihnachten bedeutet, dass dieses Wort als Mensch mit einem Körper in die Welt kam. Zwar wurde der Schöpfer Jesus von seinen Werken grösstenteils weder erkannt noch aufgenommen, was aber seiner Leuchtkraft keinen Abbruch tat. Wer dieses menschgewordene Wort aber aufnimmt, der hat das Vorrecht, ein Kind Gottes mit unbeschreiblichen Vorzügen zu sein.


Wir sind uns gewohnt, dass die Weihnachtsgeschichte ausgeschmückt, mit einem Hauch an Romantik daherkommt. Die Erzählung nach Johannes ist weniger bunt, aber überaus kraftvoll und inspirierend – und sie bildet einen hervorragenden Abschluss unseres Jahresthemas «Creatio – Hoffnung und Verantwortung».

Der Kreator – Alpha und Omega

«Am Anfang war das Wort. Das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Er (gemeint ist Christus – vgl. V.14) war am Anfang bei Gott. Durch ihn wurde alles geschaffen, was ist. Es gibt nichts, was er, das Wort, nicht geschaffen hat» (Johannes 1,1-3 NLB). Den ersten Satz hat Johannes aus der Schöpfungsgeschichte gestohlen, wo es heisst: «Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.» Was war vor dem Anfang? Adam hatte weder Vater, Grossvater noch ein Geschichtsbuch. Vor der Schöpfung war absolut nichts, ausser Gott. Was ist nichts? Nichts existiert nicht. Wir sind ausserstande über nichts nachzudenken. Sobald wir denken, denken wir über ein Etwas nach. Eine gute Definition finden wir bei Jonathan Edwards: «Nichts ist das, was schlafende Felsen träumen.» Ein Künstler, der etwas kreiert, braucht Materialien. Kein Maler malt ohne Farbe, kein Schriftsteller schreibt ohne Worte. Ein Künstler muss mit etwas beginnen. Er kann nicht mit nichts arbeiten. Gott hat den ganzen Kosmos aus dem Nichts erschaffen. Vorher war nichts. Und dann, auf das Wort Gottes hin, war da ein Universum. Dieses Wort, das aus dem leeren Nichts alles sehr gut erschaffen hat, ist Jesus.

Die Bibel sagt: Am Anfang war das Wort. Der Gott, dem wir dienen, ist der Gott, der immer gewesen ist. ER ist der eine, der Leben aus sich selbst hat, ER allein ist ewig, ER allein hat Macht über Leben und Tod, ER allein kann durch die Macht seines Worte Welten ins Dasein rufen.

Ganz am Anfang, bevor die Welt erschaffen wurde, war das Wort. Es ist das Original, der Kraftwürfel, die Kernenergie, aus dem alles entstand. Es gibt nichts auf dieser Welt, das existiert, wenn das Wort nicht zuerst gewesen wäre. Vor einiger Zeit wanderten Silvia und ich zum Toma-See, welcher als Quelle und Ursprung des Rheins gilt. Wenn man den romantischen See betrachtet, kann man sich kaum vorstellen, dass daraus ein Strom wird, der Energie spendet, den Warentransport vom Meer ins Binnenland Schweiz sicherstellt, eine Lebensader wird. Noch viel eindrücklicher ist es, dass aus dem einen Wort der gesamte Kosmos entstand.

Jesus ist der Schöpfungsmittler. Alles ist durch Ihn und zu Ihm geschaffen: «[...] Durch ihn hat er das ganze Universum und alles, was darin ist, geschaffen, und er hat ihn zum Erben über alles eingesetzt. Der Sohn spiegelt die Herrlichkeit Gottes wider, und alles an ihm ist ein Ausdruck des Wesens Gottes. Er erhält das Universum durch die Macht seines Wortes [...]» (Hebräer 1,2f NLB). Jesus ist das Alpha und das Omega. Durch Ihn wurde die Schöpfung erschaffen, durch Ihn wird sie erhalten und neugeschaffen. Sein Wort ist auch Vollzieher des Gerichts und der Neuschöpfung.

«Das Leben selbst war in ihm, und dieses Leben schenkt allen Menschen Licht. Das Licht scheint in der Dunkelheit, und die Dunkelheit konnte es nicht auslöschen» (Johannes 1,4f NLB). In dem Wort, in Jesus, ist das Leben. Das Griechische unterscheidet zwischen biologischem (bios) und göttlichem Leben (zoe). Hier steht zoe. Durch Jesus kommt göttliches, ewiges Leben zu den Menschen. Das ist Weihnachten. Der Baum des Lebens, der seit dem Debakel im Paradies für keinen Menschen mehr zugänglich ist, kommt wieder in Griffnähe. zoe bringt allen Menschen ein Geschenk mit: Licht! Dabei geht es nicht um elektromagnetische Strahlung im sichtbaren Spektralbereich. Paulus beschreibt es: «Auch wenn es früher in euch finster war, seid ihr jetzt vom Licht des Herrn erfüllt; deshalb lebt nun auch als Kinder des Lichts! Denn dieses Licht in euch bringt lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor» (Epheser 5,8f NLB). Das Licht, das durch nichts ausgelöscht werden kann, verändert einzelne Menschen grundlegend und damit die ganze Welt.

Der Wegbereiter – ungeschminkt und zeugnishaft

Grosse Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. So war es auch, bevor der grosse Künstler sein Werk betritt: «Gott sandte Johannes den Täufer, um allen Menschen von dem Licht zu erzählen, damit durch ihn alle daran glauben. Johannes selbst war nicht das Licht; er war nur ein Zeuge für das Licht» (Johannes 1,6-8 NLB). Wie andere Könige auch hat Jesus eine Vorhut, einen Wegbereiter, eine Avantgarde. Eine Avantgarde ist eine Gruppe von Vorkämpfern einer geistigen Entwicklung. Ganz unverblümt führt er den geistlichen Führern des Landes vor Augen, dass sie umkehren müssen: «[...] Ihr Schlangenbrut! Wer hat euch auf den Gedanken gebracht, ihr könntet dem kommenden Gericht entgehen? Bringt Frucht, die zeigt, dass es euch mit der Umkehr ernst ist, und meint nicht, ihr könntet euch darauf berufen, dass ihr Abraham zum Vater habt [...]» (Johannes 3,7-9 NGÜ). Umkehren, statt sich auf seine Herkunft zu verlassen! Dieser Vorkämpfer ist sich seiner Rolle bewusst. Er «war nicht das Licht; er war nur ein Zeuge für das Licht». Nicht er ist der, der Erlösung bringt und neues Leben schafft, sondern nur ein Wegweiser. Johannes ist nicht der, sondern ein Zeuge für das heilsame Licht. Jeder Mensch, der umgekehrt und nun mit Jesus unterwegs ist, wird ebenfalls zu einem Zeugen für das Leben. Wir müssen Gott weder beweisen noch verteidigen noch stark reden, sondern Zeuge für Ihn sein, der unser Leben verändert hat.

Der Künstler –unerkannt und abgelehnt

«Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit» (Johannes 1,14 LUT). Weihnachten bedeutet, dass der Künstler sein Werk betritt. Er nimmt einen irdischen Körper an und gesellt sich zu seinen Kreationen. In der Antike gab es eine Körperfeindlichkeit. Die Menschen wollten erleuchtet werden in ihrer Seele. Diesem Vorhaben stand der Körper im Weg. Und dass ein Gott aus Materie besteht, war undenkbar, skandalös. C.S. Lewis: «Das Christentum ist nahezu die einzige unter den grossen Religionen, die den Körper durch und durch bejaht. Aus christlicher Sicht ist Materie etwas Gutes. Gott selbst hat einmal einen menschlichen Leib angenommen, und wir werden auch im Himmel einen irgendwie gearteten Körper bekommen, der dann ein wesentlicher Teil unserer Seligkeit, unserer Schönheit und unserer Kraft sein wird.» Es war ein revolutionärer Gedanke, dass Gott mit einem Körper in die Welt kommt. Dem Schöpfer des ganzen Universums ist der Körper wichtig. Gott verleiht ihm Wert und Würde. Und es ist auch nicht egal, wie wir mit unserem Körper umgehen. Auch in der neuen Welt werden wir nicht als körperlose Seelen umherschweben, sondern einen Leib mit neuen Fähigkeiten erhalten. Wie sieht dein Verhältnis zu deinem Körper aus? Er ist ein Kunstwerk des Schöpfers und Er benutzt ihn sogar als Tempel für den Heiligen Geist (1Korinther 6,19).

Gott betritt also mit einem Körper versehen sein Werk. «Doch obwohl die Welt durch ihn geschaffen wurde, erkannte die Welt ihn nicht, als er kam. Er kam in die Welt, die ihm gehört, und sein eigenes Volk nahm ihn nicht auf» (Johannes 1,10f NLB). Schon verrückt; die Welt wurde von Gott geschaffen und trägt seinen Fingerabdruck. Trotzdem wurde Er, der Künstler, von seinen Werken nicht aufgenommen. Das begann schon vor seiner Geburt, als seine Eltern keine Herberge fanden und findet seine Fortsetzung bis heute. Wie überheblich ist das denn? Die Welt geht nicht auf Gottes Plan ein. Deshalb wurde Jesus getötet und aus der Welt geschaffen. Aber da greift Gott ein. Er holte Jesus ins Leben zurück, und zwar so, dass Er resistent gegen Leid, Schmerzen und Tod wurde. So etwas gab es bis dahin noch nie auf dem Planeten Erde. Doch es war der erste Schritt auf das grosse Ziel hin, von dem Gott durch den Propheten Jesaja spricht: «Sieh! Ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde [...]» (Jesaja 65,17 NLB).

Gott sei Dank gibt es eine Option zu Jesus nicht annehmen; nämlich Ihn annehmen: «All denen aber, die ihn aufnahmen und an seinen Namen glaubten, gab er das Recht, Gottes Kinder zu werden. Sie wurden dies weder durch ihre Abstammung noch durch menschliches Bemühen oder Absicht, sondern dieses neue Leben kommt von Gott» (Johannes 1,12f NLB). Weihnachten bedeutet objektiv betrachtet, dass der Schöpfer sein Werk betritt. Subjektiv erleben wir Weihnachten, wenn wir das fleischgewordene Wort aufnehmen und an seinen Namen glauben. Ihn aufnehmen und an seinen Namen glauben, meint, das menschgewordene Wort zu erkennen und zulassen, dass Es im eigenen Herzen zu schaffen beginnt, indem es Leben bringt und das Geschenk des Lichts installiert. Angelus Silesius drückt es drastisch aus: «Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, und nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren.» Wenn wir Jesus aufnehmen, wird Er sofort schöpferisch tätig. Die Neuschöpfung besteht darin, dass ein Mensch zu einem Kind Gottes wird (vgl. 1Korinther 5,17). Und als solches bekommt es von Gott neues Leben (zoe) und seine Existenz wird mit dem Licht Gottes durchflutet. Als Kind Gottes wird ein Mensch Erbe der Herrlichkeit Gottes und Teilhaber des neuen Himmels und der neuen Erde.

 

Heute feiern wir Weihnachten. Es ist das Fest, an dem der Schöpfungsursprung sich zum ersten Mal der Welt zeigte. Derselbe schöpferische Geist, welcher die Welt erschuf, setzte im Bauch von Maria mit der Formung eines Embryos die Neuschöpfung in Gang. Das Wort, gemeint ist Jesus, hat schöpferische Kraft und zeichnet sich im gleichen Mass wie am Anfang bei der Erschaffung des Universums auch für die Neuschöpfung verantwortlich. Gib dem Wort Raum in deinem Herzen. Er wird Neues schaffen.