Nächstenliebe – mehr als Worte
Serie: Heilig - Heilig - Heilig | Bibeltext: Lukas 10,25-37
Anhand der Geschichte des barmherzigen Samariters können wir viel darüber lernen, wie die Anwendung unseres Glaubens geschehen soll. Gottesnähe ist nicht gleich Gottähnlichkeit. Nur weil wir viel Zeit in der Nähe Gottes verbringen, muss dies noch lange nicht unser Denken und Handeln beeinflussen. Daher kann Hilfe teilweise gerade auch von denjenigen Personen kommen, von denen es am wenigsten erwartet wird. Nachfolger Jesu sollen dem Beispiel des barmherzigen Samariters nacheifern. Doch Jesus Christus selbst ist noch barmherziger als der Samariter. Er gab sich selbst, damit wir Leben haben.
Der barmherzige Samariter
Ich habe die Teenies gefragt, über welches Thema sie gerne heute Morgen eine Predigt hören möchten. Dabei ist unter anderem das Thema der Nächstenliebe als Vorschlag gekommen. Daher möchte ich ein paar Gedanken zu diesem Thema anhand einer Begebenheit von Jesus Christus machen. Eines Tages kam ein Schriftgelehrter und wollte Jesus eine Falle stellen. Dieser stellte die Frage, wie er ewiges Leben bekommen könne. Doch Jesus antwortete mit einer Gegenfrage, was den das Gesetz dazu meine? «Der Mann antwortete: ‚Du sollst den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit deiner ganzen Kraft und all deinen Gedanken lieben. Und: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst‘» (Lukas 10,27 NLB). Dieser Antwort konnte Jesus nur beipflichten und forderte den Schriftgelehrten heraus dies zu tun und dadurch wird er leben. Doch dieser war immer noch nicht zufrieden und stellte die Frage: «Wer ist mein Nächster?» Darauf gibt Jesus seine Antwort in Form des Gleichnisses des barmherzigen Samariters (Lukas 10,30-37). Ich werde dieses hier beschreiben und auch schon ein paar Deutungen und Hintergrundinformationen einbauen.
Auf der Strasse von Jerusalem nach Jericho war ein Mann unterwegs. Diese Strasse war berühmt berüchtigt für ihr unzugängliches Gelände, durch die sich der 27km lange Weg schlängelte. Dieser Weg war als der «blutige Weg» bekannt. Unterwegs wird der Mann von Räubern überfallen, ausgeraubt um Geld und Kleider und dann halb tot am Strassenrand liegengelassen. Doch er hat Glück. Denn es ist zwar eine gefährliche Strasse, aber es sind noch andere unterwegs. Ein Priester kommt von Jerusalem her. Er hatte gerade seinen einmonatigen Priesterdienst verrichtet und ist nun unterwegs nach Hause. Als er den Mann dort liegen sieht, wechselt er die Strassenseite. Er möchte sich nicht zu lange hier aufhalten, selbst ausgeraubt werden oder sogar eine Leiche berühren, welche ihn rituell unrein machen würde. Also zieht er weiter. Nach ihm kommt ein Tempeldiener. Dieser half dem Priester bei der Verrichtung seines Dienstes. Auch er hatte es eilig und blieb nicht stehen. Wie sein Vorgesetzter wechselte er die Strassenseite und ging schnell vorbei. Doch schon wieder sind Schritte zu hören. Schon biegt ein Mann mit seinem Reittier um die Ecke. Doch diesmal ist es kein Jude, sondern ein Samariter. Die Juden hassen die Samariter. Diese stammten zwar auch irgendwie von den Israeliten ab, aber hielten es nicht so sehr mit dem ordnungsgemässen Gottesdienst. Ein paar Jahrzehnte vorher hatten sie den Tempelplatz in Jerusalem verunreinigt und dies konnten die Juden nicht so schnell vergessen. Von diesem Samariter konnte keine Hilfe erwartet werden, denn ein Jude würde ihm sicherlich auch nicht helfen. Doch als der Samariter den halb toten Mann sah, geschah etwas – er bekam Mitleid. Seine Reaktion lässt nicht lange auf sich warten. «Er kniete sich neben ihn, behandelte seine Wunden mit Öl und Wein und verband sie. Dann hob er den Mann auf seinen eigenen Esel und brachte ihn zu einem Gasthaus, wo er ihn versorgte» (Lukas 10,34 NLB). Am nächsten Tag stellt der Samariter sicher, dass sich der Wirt weiter gut um ihn kümmert. Er lässt eine Anzahlung da und verspricht den Rest zu bezahlen, wenn es teurer wird. Nachdem alles geregelt ist, macht er sich auf den Weg und zieht von dannen. Anhand von drei Punkten wollen wir nun versuchen, dieses Gleichnis besser zu verstehen.
Gottesnähe vs. Gottähnlichkeit
Die ersten beiden Herren, welche dem Mann am Boden begegneten, waren Priester und ein Levit. Diese waren von der Abstammung her dazu bestimmt Gott zu dienen. Sie hatten eine grosse Gottesnähe. Dabei durften die Priester Gott so nahekommen, wie sonst niemand. Der Levit half dem Priester bei der Erfüllung seiner Aufgaben. Beide waren gut mit dem Gesetz vertraut. Sie beschäftigten sich mit Bibelstellen wie «Übe keine Rache an einem Angehörigen deines Volkes und trage ihm nichts nach, sondern liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Ich bin der HERR!» (3. Mose 19,18 NLB). Diese Stelle wurde auch vom Schriftgelehrten welcher Jesus die Frage stellte wiedergegeben. Ich denke, dass der Schriftgelehrte selbst auch einer der beiden Gruppen angehörte. Die Befassung mit den religiösen Texten mündete aber leider nicht in der Tat. So auch ein Text aus dem Propheten Hosea. «Ich will, dass ihr barmherzig seid; eure Opfer will ich nicht. Mir geht es darum, dass ihr meinen Willen erkennt, und nicht darum, dass ihr mir Brandopfer bringt» (Hosea 6,6 NLB).
An einer Universität hatten die Theologiestudenten das Thema Nächstenliebe, wobei auch dieses Gleichnis behandelt wurde. Am Tag der Prüfung wurde auf dem Weg, den alle Studenten gehen mussten, eine Notsituation nachgestellt. Das Ziel war herauszufinden, inwiefern das Befassen mit einem Thema sich auf die konkrete Handlung auswirkte. Was kam dabei heraus? Diejenigen, welche knapp dran waren, liefen vorbei und halfen nicht. Diejenigen mit genügend Zeitbudget halfen bereitwillig. Beide Gruppen hatten sich gleich mit dem Thema auseinandergesetzt, aber nur bei einer Gruppe zeigte es Wirkung. Nur die Befassung mit einem Thema, führt noch lange nicht zu einer konkreten Umsetzung im Alltag.
Die beiden religiösen Menschen im Gleichnis hatten sicherlich gute Gründe, um vorbeizugehen. Einer der verständlichsten für die damalige Zeit war die rituelle Unreinheit, welche über sie kommen würde, wenn sie einen Toten anfassen würden. Dies hätte sie vom Tempeldienst für eine Zeit lang ausgeschlossen. Allerding kamen sie gerade von dort. Auch wir haben immer genügend Ausreden, um etwas nicht zu tun. Sei es fehlende Zeit oder dass jemand anderes etwas machen könnte. Der britische Prediger C.H. Spurgeon bringt das Verhalten der Menschen auf den Punkt. «Ich sah nie einen Menschen sich weigern, den Armen zu helfen, der nicht wenigstens eine bewundernswerte Entschuldigung vorbrachte» (Charles Haddon Spurgeon). Was ist deine? Vor einiger Zeit war ich mit einem guten Freund mit dem Zug Freitagsabend um 22.00 Uhr unterwegs von Bern nach Thun. In Thun stiegen wir und einige andere Menschen aus dem Zug. Plötzlich wurde mein Kollege aus unerklärlichen Gründen ohnmächtig und fiel zu Boden. Ich habe noch nie ein Perron sich so schnell leeren sehen wie damals. Erst als ich vorbeigehende Leute um Hilfe bat, half jemand. Schlussendlich war er nur kurz weg – so wie alle anderen Menschen auch nur kurz weg waren.
Am Schluss des Gleichnisses stellt Jesus den Schriftgelehrten zur Rede. «‘Wer von den dreien war nun deiner Meinung nach der Nächste für den Mann, der von Räubern überfallen wurde?‘, fragte Jesus. Der Mann erwiderte: ‚Der, der Mitleid hatte und ihm half.‘ Jesus antwortete: ‚Ja. Nun geh und mach es genauso‘» (Lukas 10,36-37 NLB). Wissen allein hilft nicht. Nächstenliebe ist mehr als bloss Worte.
Hilfe, von wo sie am wenigsten erwartet wird.
Was machte beim barmherzigen Samariter den Unterschied? So, dass er heutzutage sprichwörtlich als Synonym für Nächstenliebe steht? «Schliesslich näherte sich ein Samaritaner. Als er den Mann sah, empfand er tiefes Mitleid mit ihm» (Lukas 10,33 NLB). Andere übersetzen auch mit «es jammerte ihn». Der Samariter liess das Schicksal des Mannes an sich heran. Barmherzig hat die ursprüngliche Bedeutung von «beim Armen sein Herz haben». Dies machte den Unterschied. Er liess sein Herz erwärmen. Es ist ganz kennzeichnend, dass Jesus Christus einen Samariter in sein Gleichnis einbaut, denn von ihm hätte ein Israelit nun wirklich keine Hilfe erwartet. Vielleicht ist dies bei euch Teenies auch so. Es soll Leute geben, welche von der heutigen Jugend nicht mehr viel halten. Vielleicht wird von euch auch keine Hilfe erwartet. Ich möchte euch anhand zweier Geschichten aus meinem eigenen Leben aufzeigen, weshalb ich überzeugt bin, dass Hilfe häufig gerade nicht von denen kommt, von denen es erwartet wird. Sondern vielmehr von den anderen.
Wenn es um das Thema Nächstenliebe geht, ist mein Wunsch für euch Teenies, dass ihr nicht so voreingenommen handelt. Das ihr selbst nicht voreingenommen seid, sondern euer Herz berühren lasst und Mitleid empfindet. Wenn wir uns fragen, wer unser Nächster ist, gilt Jesu Aufforderung auch uns. «[…] Nun geh und mach es genauso» (Lukas 10,37 NLB). Sind wir bereit zu gehen und zu machen? Was mir so besonders an dieser Geschichte gefällt ist die Tatsache, dass der Samariter unterwegs war. Er suchte nicht aktiv, aber er liess sich für einen Moment unterbrechen. Er erledigte die Sache gewissenhaft, ging dann aber wieder seiner Arbeit nach. Er scheute aber für den Moment, in dem es ihn brauchte, keine Kosten und Mühen. Er half einfach dort, wo er war. Er rettete nicht die gesamte Welt, war aber bereit seine Sicht der Welt unterbrechen zu lassen.
Wir benötigen eine zweifache Veränderung. Heute ist die Einstellung geläufig, dass alles, was ich habe, Geld, Erfolg, Freunde, Familie etc. habe ich, damit es mir nützt. Doch dieses Gleichnis fordert Nachfolger von Jesus zu einer Einstellungsänderung auf. Alles, was ich habe, Geld, Erfolg, Freunde, Familie etc. habe ich, damit ich anderen damit nütze. Ausserdem brauchen wir ein Umdenken wie wir anderen helfen. Jesus Christus gab uns nicht das Gebot «Behandle andere, wie andere auch dich behandeln würden», sondern «Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden möchtest» (Lukas 6,31 NLB). Die uns anvertrauten Dinge wurden uns gegeben um barmherzig zu handeln, nicht um sie nur rein hypothetisch einzusetzen. Daher möchte ich euch den Rat mitgeben, nutzt eure jugendliche Naivität und lasst euch nicht zu schnell von uns Erwachsenen belächeln. Denn schlussendlich steht die Frage im Raum an der meines Erachtens der Priester und der Levit gescheitert sind. Wollen wir uns nur in Gottesnähe üben oder nicht vielmehr in der Gottähnlichkeit?
Jesus – barmherziger als der Samariter!
Die Diskussion mit dem Schriftgelehrten endet mit der Aufforderung so zu handeln, wie dies der barmherzige Samariter getan hat. Doch Jesus Christus ging sogar noch weiter. Der Samariter war extrem grosszügig, aber dies ist nichts im Vergleich mit dem, was Jesus für uns gab.
Der Samariter gab Wein und Öl, um die Wunde zu versorgen – Jesus selbst vergoss sein Blut, um unsere Wunden zu heilen. Der Samariter sorgte sich und zeigte grosse Barmherzigkeit - Jesus gab sein Leben. Er scheute keine Kosten und gab Geld für die Übernachtung und Pflege aus – Jesus wurde selbst arm. Wegen uns. «Ihr kennt ja die grosse Liebe und Gnade von Jesus Christus, unserem Herrn. Obwohl er reich war, wurde er um euretwillen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen» (2. Korinther 8,9 NLB). Jesus Christus selbst begegnet uns sehr barmherzig und mitfühlend. Doch nicht nur er ist barmherzig, sondern auch Gott der Vater im Himmel. Daher fordert Jesus die Nachfolger von ihm auf. «Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist» (Lukas 6,36 NGÜ).
Mit der Teens Segnung kommen wir an einen Punkt in eurem Leben, an dem ihr über eure Religionszugehörigkeit selbst entscheiden dürft. Heute stellen sich euch zwei Fragen. Darf Jesus Christus Dein persönlicher barmherziger Samariter sein? Wenn ja: Bist du bereit nicht nur zu reden, sondern auch zu handeln?
Mögliche Fragen für die Kleingruppe
Bibeltext lesen: Lukas 10,25-37
- Was spricht dich am Gleichnis an? Wo herrschen noch Unklarheiten?
- Wie sieht es bei dir aus mit Gottesnähe vs. Gottähnlichkeit? Merkst du, wie die Begegnung mit Gott auf dein Leben abfärbt? Wo merkst du dies? Wo wünschst du dir mehr Veränderung?
- Was macht die Aufforderung von Jesus «Nun geh und mach es genauso» mit dir?
- Wurdest du selbst von jemandem überrascht, von dem du es am wenigsten erwartet hättest?
- Traust du Teenies zu, dass sie Nächstenliebe an den Tag legen? Wo könntest du selbst helfen, resp. als gutes Beispiel voran gehen?
- Wie betrachtest du deinen Besitz? Etwas, was dir nützt, oder etwas, was anderen nützt?
- Wie beantwortest du die beiden Fragen, welche den Teenies gestellt wurden? Darf Jesus Christus Dein persönlicher barmherziger Samariter sein? Wenn ja: Bist du bereit nicht nur zu reden, sondern auch zu handeln?