Eigene Vorstellungen loslassen

Datum: 26. September 2021 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: Lukas 4,16-30

Im Glauben stolpern wir immer wieder mal über eigene Vorstellungen. Im Umgang damit spüren wir die uns verändernde Hand Gottes.


«So ein Tag, so wunderschön wie heute…so ein Tag, der dürfte nie vergehen.» Es gab einen Tag in meinem Leben, da hätte ich diese Zeile von ganzem Herzen singen können. Am Tag meiner Bekehrung! Der Seelsorger hat mir anhand von Jesaja 53 erklärt, dass Jesus für meine Sünden am Kreuz gestorben ist und er mir Vergebung anbietet. Das habe ich verstanden, habe mein Leben ausgeräumt und Jesus in mein Leben aufgenommen. So Gnade zu erleben; so entlastet zu werden von Schuld, war für mich ein riesiger Aufsteller. Das war ein unbeschreibliches Gefühl der Freude!

Kurze Zeit später fand man mich wieder beim Seelsorger! Das wohlige Gefühl war weg! Die überschäumende Freude geschrumpft, wie der Schaum im Bierglas! «Schau», sagte mein Gegenüber, «der Glaube ist wie ein Zug: die Lokomotive ist Jesus Christus, er geht dir voran; den anschliessenden Kohlewagen kannst du vergleichen mit dem Wort Gottes, der Bibel. Darin liegt Kraft; das sind die ermutigenden Zusagen und Wahrheiten; ohne sie bleibt dein Glaube stehen! Klar, Gefühle gehören auch zum Glauben. Aber dieser Wagen findest du eher am Schluss des Zuges!»

Musstest du in deinem Glaubensleben auch schon falsche Vorstellungen korrigieren? Die Bibel ist voll von Beispielen, wo Menschen das tun mussten. Z.B. Naamann, der aramäische Hauptmann, der von Elisa vom Aussatz geheilt wurde (2. Könige 5); oder Maria und Martha, die Schwestern vom todkranken Lazarus. Dem Beispiel von Maria, der Mutter von Jesus, gebe wir zunächst unsere Aufmerksamkeit.

Ihre Begegnung mit Gott 

Sie hat auch so einen wunderschönen Tag erlebt… Als der Engel Gabriel in Nazareth Maria begegnet und ihr die Schwangerschaft und die Geburt von Jesus ankündigt, begrüsst er sie mit den Worten: «Sei gegrüsst! Du bist beschenkt mit grosser Gnade! Der Herr ist mit dir!» (Lukas 1,28 NLB). Maria ist geschockt, aber der Engel macht  ihr Mut: «Hab keine Angst, Maria, denn du hast Gnade bei Gott gefunden» (Lukas 1,30 NLB). Am Anfang  eines Lebens mit Gott begegnet der Mensch immer der bedingungslosen Gnade Gottes. Auch wenn dir kein Engel begegnet ist, am Anfang deines Lebens mit Jesus und durch dein ganzes Leben hindurch begleitet dich diese unverdiente Gnade Gottes! Und von dem Moment an, wo ein Mensch sein Leben in Gottes Hände legt, gilt: «Hab keine Angst, ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du gehörst mir» (Jesaja 43,1 NLB)Der Engel Gabriel erzählt Maria noch von Elisabeth, ihrer Verwandten, sie habe auch ein Wunder  erlebt und sei im hohen Alter noch schwanger geworden. Daher ist es nicht erstaunlich, dass Maria sich sofort auf den Weg macht zu Elisabeth. Sie tauschen ihre Erlebnisse aus, freuen sich und loben ihren Gott. Erst nach drei Monaten, geht Maria wieder nachhause - und dann wird es turbulent!

Turbulente Zeiten

Der römische Kaiser ordnet eine Volkszählung an. Das bedeutet für die hochschwangere Maria und für Josef eine beschwerliche Reise von über 100 km nach Bethlehem, die Heimatstadt von Josef. Die Geburt findet outdoor statt, weil die Herberge überfüllt ist. Nach acht Tagen musste Jesus beschnitten werden im Tempel in Jerusalem.  Wieder reisen! Ich glaube, Maria hat sich alles ein bisschen schöner vorgestellt. Ihr Mann, der Zimmermann, schreinert ein schönes Bettchen für das Baby. Sie näht die ersten Kleider und strickt herzige Söckchen…! Und jetzt das, ständig unterwegs sein… Und ihre Herausforderungen werden noch grösser. Sie erleben unverständliche Führungen.

Unverständliche Wege

Dazu gehört die Flucht nach Ägypten. König Herodes der Grosse sieht sich bedroht vom neugeborenen König und will das Leben dieses Kindes auslöschen. Josef bekommt im Traum die Anweisung von Gott, er soll mit seiner Familie nach Ägypten flüchten. Das machen sie. Wieder eine mühsame Reise! Fremde Umgebung, fremde Sprache… Nach einigen Monaten wieder umziehen, zurück nach Nazareth! Herodes der Grosse ist tot. «Warum solche Umstände?! Das wäre doch ein Kleines für Gott gewesen,  Jesus für diese Monate vor dem mörderischen Herodes zu beschützen! Was soll das? Lieber Gott, geht es wirklich nicht anders? War das wirklich nötig?» Hast du auch schon so mit Gott gesprochen? Vielleicht bei einer Kündigung? Nach einem Unfall? Bei einer Krankheit? Oder vielleicht hat Gott übersehen, dass bei dir zuhause eingebrochen wird oder dir vieles gestohlen wurde?

Familiäre Probleme

Zurück wieder in Nazareth gibt es bald familiäre Probleme. Wie jedes Jahr geht Familie «Josef und Maria» zum Passafest nach Jerusalem. Teenie Jesus ist auch dabei. Auf dem Nachhauseweg nach den Feiertagen merken Maria und Josef plötzlich, dass Jesus nicht in der Teenie-Klicke unterwegs ist. Wo ist Jesus? Die Eltern gehen schnurstracks zurück nach Jerusalem und suchen ihn. Schliesslich finden sie ihn im Tempel mitten unter den Lehrern im angeregten Gespräch! Maria kann aufatmen, aber sie lässt ihren Frust hinaus: «Kind!», sagte sie, «Wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich waren in schrecklicher Sorge. Wir haben dich überall gesucht.» Aber Jesus gibt so richtig Teenie mässig zur Antwort: «Warum habt ihr mich gesucht? Ihr hättet doch wissen müssen, dass ich im Haus meines Vaters bin.» Doch sie verstehen nicht, was er damit meint. Maria kann dieses Erlebnis nicht einfach so wegstecken. Sie musste noch lange darüber nachdenken. Maria musste lernen zurückzustehen. Und Josef musste bewusst werden, dass der wahre Vater von Jesus Gott im Himmel ist. Zurückstehen, umdenken, loslassen… Andrerseits war es damals für Maria und Josef ermutigen zu wissen, dass da noch ein Vater im Himmel ist und sie im Auge hält! Mit dem Vater im Himmel zu dritt Eltern sein, oder für Alleinerziehende zu zweit, das ist eine grosse Hilfe und Entlastung! Das bewirkt eine engagierte Gelassenheit! Zurückstehen, umdenken, loslassen – das erleben wir alle, auch Singles, Junge und Alte! Darum brauchen wir alle den himmlischen Vater, der uns mit seiner starken Hand durchträgt!

Jesus wuchs, aus dem Teenie wurde ein Erwachsener und mit ungefähr 30 Jahren beginnt sein Wirken in der Öffentlichkeit. Nach seiner Taufe durch Johannes dem Täufer geht’s los! Was denkt ihr, was beschäftigte Jesus als Erstes? a) Seine 12 Jünger zu wählen. b) Von Satan in der Wüste versucht zu werden. Oder c) An einer Hochzeit Wasser in Wein zu verwandeln. Nach den drei Evangelien Matthäus, Markus und Lukas war bei Jesus zuerst die Versuchung dran! Satan wollte bei Jesus falsche Vorstellungen wecken: «Du hast ein gewaltiges Loch im Bauch, mach doch aus diesen Steinen da Brot! Jetzt schau mal hier von oben die Welt an! Soviel Schönes und Herrliches – das alles steht unter deine Herrschaft, wenn du mich anbetest! Heute machst du mal einen Bungee-Jump ohne Seil von der Tempelzinne oben; es steht doch geschrieben, dass die Engel dich auf Händen tragen werden». Satan ist genial wie er in uns Menschen falsche Vorstellungen wecken kann! Es ist gut, wenn uns das vor Augen ist!

Doch zurück zu den Problemen der Jesus-Familie. Als Jesus  eines Tages, umringt von vielen Menschen, am Predigen war, wollte seine Familie mit ihm reden. Ihm wurde ausgerichtet: «Deine Mutter und deine Brüder und Schwestern stehen draussen und fragen nach dir. Da erwiderte Jesus: Wer ist meine Mutter? Wer sind meine Brüder? Dann sah er die an, die rings um ihn herum sassen, und sagte: Diese Leute hier sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen Gottes tut, ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter» (Markus 3,32-35 NLB). Abermals: Zurückstehen, umdenken, loslassen - es blieb für Maria schwierig! 

Jesus predigte später einmal in Nazareth, seiner Heimatstadt. Für die Zuhörer war er einfach Sohn von Maria und Josef. Sie waren beeindruckt von seiner Predigt, aber sie konnten die Botschaft von einem Nazarener nicht annehmen. Jesus sagt dazu: »Ein Prophet wird überall verehrt, nur nicht in seiner eigenen Heimatstadt, von seinen Verwandten und von seiner eigenen Familie. Weil sie nicht an ihn glaubten, konnte er keine Wunder bei ihnen tun und er legte nur einigen Kranken die Hände auf und heilte sie. Und er wunderte sich über ihren Unglauben» (Markus 6,4-6 NLB). Die Leute in Nazareth ärgerten sich so über Jesus, dass sie ihn am liebsten über einen Abhang hinunter in den Tod gestossen hätten, was ihnen aber nicht gelang (Lukas 4,29-30 NLB). Ein peinliches Erlebnis für seine Familie. So etwas in unserem Dorf! Maria und die Brüder und Schwestern von Jesus haben mehr und mehr Mühe mit seinem Auftreten. Ständig diese Streitgespräche mit den Angesehensten vom Volk. Das kann doch nicht sein! Das ging ihnen mit der Zeit so auf die Nerven, dass sie eines Tages mit Gewalt Jesus nachhause nehmen wollten. Sie waren überzeugt, Jesus habe den Verstand verloren (Luther: «Er ist von Sinnen…»). Im Johannes-Evangelium lesen wir: «Denn selbst seine Brüder glaubten nicht an ihn» (Johannes 7,5 NLB). Im Ärger haben sie sich zurückgezogen. Dabei hätten sie so viel Grund gehabt, stolz auf Jesus zu sein.

Wir merken: Falsche Vorstellungen sind Gift für den Glauben! Falsche Erwartungen, die nicht erfüllt werden, schüren Ärger oder gar Hass. Wann hast du dich zum letzten Mal über Jesus geärgert? Vielleicht weil du mit ihm nicht ankommst bei deinen Kolleginnen und Kollegen? Oder weil du mit dem, was Jesus gesagt hat, nichts anfangen kannst? Weil du mehr Wunder von ihm erleben möchtest? Oder weil du mehr Zuwendung von ihm erwartest? Das Gleiche gilt doch auch für uns: Wir haben so viel Grund, stolz darauf zu sein, Jesus zu kennen. Wir haben so viel Grund, stolz darauf zu sein, ein Gotteskind zu sein. Er ist unser himmlischer Vater, den wir mit «Vater» ansprechen dürfen.

Dann fällt auf, dass man lange Zeit nichts mehr hört weder von Maria, noch von seinen Brüdern und Schwestern! Maria begegnet uns erst am Kreuz wieder, wo Jesus Johannes, seinem Lieblingsjünger, den Auftrag gibt, für Maria, seine Mutter, zu sorgen. Da flammt Jesu Liebe zu seiner Mutter nochmals richtig auf! Gott ist für uns der Grund, dass wir in unserer gegenwärtigen turbulenten und «covidenten» Zeit, Gelassenheit und Zuversicht ausstrahlen dürfen. Unser Gott ist immer noch Herr; Herr in jeder Lage! 

Zum Schluss noch das Zückerchen, für mich der Höhepunkt! Nach der Himmelfahrt Jesu treffen sich die Jünger regelmässig zum Gebet in einem Obergemach und da heisst es: «Sie alle kamen regelmäßig zum Gebet zusammen, gemeinsam mit Maria, der Mutter von Jesus, einigen anderen Frauen und den Brüdern von Jesus» (Apostelgeschichte 1,14 NLB).

Die Fragen für die Kleingruppen findest du auf der Rückseite ;)

 

Mögliche Fragen für die Kleingruppen

Lest miteinander über die Predigt von Jesus in Nazareth

Lukas 4,16-30

  1. Erzählt einander von euren erlebten «falschen Vorstellungen»!
  2. Was ist der Nährboden für falsche Vorstellungen?
  3. Darf ein Christ sich ärgern über Jesus?
  4. Was sind die Schritte, um sich von falschen Vorstellungen zu lösen?
  5. Was hat Maria und Josef durch ihre schwere Zeit hindurchgetragen? (Volkszählung, keine Platz in der Herberge, Flucht nach Ägypten?)
  6. Was ist dir bei deinen schweren Zeiten eine grosse Hilfe?
  7. Wie kam es wohl zu diesem genialen Happy End mit den Angehörigen von Jesus?