Erster Advent | Zeichen der Zeit
Serie: Folge du mir nach | Bibeltext: Römer 13,11-14
Advent bedeutet Ankunft. Als Jesus vor zweitausend Jahren in Bethlehem zur Welt kam, konnten die meisten Menschen das Ereignis nicht mit ihrer Messias Erwartung verknüpfen. Wir stehen ebenfalls in einer Adventszeit, in der wir auf die Wiederkunft von Jesus Christus warten. Im Hinblick auf die begrenzte Zeit sollen wir weise umgehen und wachsam sein. Die personifizierte Erlösung, Jesus Christus, ist nahe. Die Nacht ist bald vorüber und der Tag bricht an.
Es gibt eine alte Geschichte von einem König, der sich nach der Sitte der Zeit einen Hofnarren hielt. Diese Narren hatten das Recht, den Königen und Fürsten die Wahrheit zu sagen, auch wenn sie bitter war. War sie zu bitter, dann hiess es einfach: «Er ist halt ein Narr!» Eines Tages schenkte der König dem Narren einen silbernen Narrenstab mit goldenen Glöckchen daran und sagte: «Du bist wirklich der grösste Narr, den es gibt. Dafür bekommst Du diesen wertvollen Stab als Auszeichnung für dein Können und Zeichen meiner Wertschätzung. Du darfst den Stab niemals verkaufen und auch nicht verschenken. Aber solltest du einmal einem Menschen begegnen, der noch närrischer ist als du, dann gib diesem den silbernen Stab!»
Jahrelang trug der Narr diesen Stab bis zu dem Tag, an dem erfuhr: «Der König liegt im Sterben.» Da hüpfte er in das Krankenzimmer und sagte: «König ich höre, du willst eine grosse Reise antreten.» «Ich will nicht» erwiderte der König, «ich muss!» «Oh, du musst?! Gibt es also doch eine Macht, die noch über den Grossen dieser Erde steht. Nun wohl! Aber du wirst sicher bald zurückkommen?» «Nein!» schluchzte der König «von dem Land, in das ich reise, kehrt man nicht mehr zurück.» «Nun, nun», meinte der Narr begütigend, «gewiss hast du die Reise seit langem vorbereitet. Ich denke, du hast dafür gesorgt, dass du in dem Land, von dem man nicht zurückkommt, königlich aufgenommen wirst.» Der König schüttelte traurig den Kopf: «Das habe ich versäumt. Ich hatte nie Zeit, diese Reise vorzubereiten.» «Oh, dann hast du sicher nicht gewusst, dass du diese Reise einmal antreten musst.» «Gewusst habe ich es schon. Aber wie gesagt keine Zeit, mich um eine rechte Vorbereitung zu kümmern.»
Da legte der Narr leise seinen Stab auf das Bett des Königs und sagte: «Du hast mir befohlen, diesen Stab weiterzugeben an den, der noch närrischer ist als ich. König nimm den Stab! Du hast gewusst, dass du in die Ewigkeit musst und dass man da nicht zurückkommt. Und doch hast du nicht dafür gesorgt, dass dir die ewigen Türen geöffnet werden. König, du bist der grösste Narr!»
Unsere Zeit ist begrenzt
«Führt euer Leben auf diese Weise, weil ihr wisst, dass die Zeit begrenzt ist. Wacht auf, denn wir sind unserer Rettung jetzt näher als zu Beginn unseres Glaubens» (Römer 13,11 NLB).
Begrenzte Ressourcen machen kreativ. Wenn bei einem Hausbau das Geld knapp ist, begibt man sich in kreative Prozesse, die man sonst auslassen würde. Oft kommen so optimierte, praktische und schöne Lösungen zustande. Paulus sagt hier, dass auch die Ressource Zeit begrenzt ist. Vor einer Woche erzählten J. und B. Z. dass ihr Sohn, ein Familienvater mit drei Kindern, gestorben ist. Auf die Frage, was der Wert und Sinn des Lebens sei, antworteten sie: «Lehre uns zu bedenken, wie wenig Lebenstage uns bleiben, damit wir ein Herz voll Weisheit erlangen!» (Psalm 90,12 NGÜ). Mit anderen Worten: Der Weg zur Weisheit führt über das Bewusstsein, dass unsere Zeit begrenzt ist.
Was würdest du tun, wenn du wüsstest, dass du nur noch ein Jahr zu leben hast? Eine Weltreise? Eine Kreuzfahrt? Eine Absprung aus dem Flugzeug mit dem Fallschirm? Bei einem Hausbau mit begrenzten Finanzen muss man vereinfachen und sich aufs Wesentliche konzentrieren. In der Tat bedeutet Weisheit nicht Addition, sondern Subtraktion. Es geht darum, dass man unnötige Zeitfresser aus dem Alltag entfernt und sich auf das Wesentliche fokussiert.
C.S. Lewis schrieb im Jahr 1938 das Buch «Dienstanweisung an einen Unterteufel». Dabei spricht der Oberteufel mit dem Unterteufel, seinem Neffen Wormwood, darüber, wie man Menschen davon abhalten kann, in Verbindung mit Gott zu treten. Die Antwort ist sehr einfach: Wir machen so viel Lärm und Ablenkung in der Welt, dass sie die Stimme Gottes nicht mehr hören können. Es ist gelungen! Hier ein paar Fakten: Ein Wissenschaftler führte einen Untersuchung der Lebenstempi in verschiedenen Ländern durch und erstellte ein Ranking: 1. Schweiz, 2. Irland, 3. Deutschland, 4. Japan. Vor 130 Jahren, als es in den meisten Häusern noch kein elektrisches Licht gab, schliefen die Menschen durchschnittlich drei Stunden länger als heute. Zudem ist während dieser Zeitspanne die Lebenserwartung um 34 Jahre gestiegen. Obwohl uns heute viel mehr Zeit zur Verfügung steht, sind wir voll beschäftigt, abgelenkt und gestresst. Vor 130 Jahren gab es in einem Haushalt durchschnittlich 400 Gegenstände. Heute sind es 10’000. Diese Gegenstände müssen angeschafft, unterhalten, repariert, genutzt und verkauft werden. Ein Pendler, der in New York arbeitet, sieht an einem einzigen Tag mehr Menschen als ein jemand im Mittelalter während seines ganzen Lebens. Die Informationsmenge, die uns heute an einem einzigen Tag überschwemmt, entspricht der Menge, die einen Menschen im Mittelalter während seines ganzen Lebens von etwa 35 Jahren erreichte. Diese Fakten lenken uns vom Wesentlichen ab und machen uns schläfrig für die wirklich wichtigen Dinge.
«[...] Wacht auf, denn wir sind unserer Rettung jetzt näher als zu Beginn unseres Glaubens» (Römer 13,11 NLB). Paulus spricht hier Nachfolger Jesu an, die die Erlösung durch Jesus Christus bereits ergriffen haben. Zur Errettung gehört, dass ein Nachfolger Christi jetzt schon die Wahrheit erkennt, frei ist und Sohn bzw. Tochter von Gottes Familie ist. Das alles ist ein Vorgeschmack auf die ultimative Erlösung in Vollendung, auf die Offenbarung der personifizierten Erlösung Jesus Christus. Wenn der Autor davon spricht, dass «wir unserer Rettung jetzt näher sind» spricht er vom zweiten Kommen Christi. Der Tag, an dem der Vorhang zwischen der sichtbaren und unsichtbaren Welt fällt und die Neuschöpfung entsteht.
Heute ist der erste Advent. Advent bedeutet Ankunft. Damals warteten die Menschen auf Christus. Er kam als unscheinbares Baby im Hinterland von Palästina zur Welt. Die allermeisten Menschen nahmen keine Notiz von diesem Ereignis. Die diesjährige Vorweihnachtszeit möchte in uns die Erinnerung wachhalten, dass Jesus wiederkommt, und zwar so, dass jeder Mensch Ihn sofort erkennt.
Paulus fordert uns auf, aufzuwachen. Sind wir denn eingeschlafen, wie die fünf Frauen im Gleichnis, denen das Öl ausgegangen ist (Matthäus 25,1ff)? Wir unterscheiden manchmal zwischen der verfolgten und der verführten Kirche. Die westliche Wohlstandskirche steht in der grossen Gefahr, einzuschlafen. Gerade in Bezug auf das Wiederkommen von Jesus Christus heisst es in der Bibel immer wieder: «Seid nüchtern und wachsam!» Meine Predigt vom letzten Sonntag ist als ein Weckruf zu verstehen, so dass wir nicht in einer falschen Selbstsicherheit die Ankunft von Jesus Christus verschlafen.
Die Morgendämmerung bricht an
Wann wird Jesus wiederkommen? Die Antwort von Paulus lautet: «Die Nacht ist fast vorüber; der Tag der Erlösung kommt bald. Deshalb lebt nicht in der Finsternis mit ihren bösen Taten, sondern greift zu den Waffen des Lichts!» (Römer 13,12 NLB). Die Nacht ist bald vorüber, die Morgendämmerung wird anbrechen.
Als Jesus damals im Stall von Bethlehem geboren wurde, kam er als Licht in die Finsternis (Johannes 1,4). Die Dunkelheit wollte das Licht auslöschen, konnte es aber nicht (V.5). Leider liegen grosse Teile dieser Welt noch immer in der Dunkelheit. Darüber hören wir in den täglichen Nachrichten zur Genüge.
Wenn Jesus wiederkommt, richtet er gleichzeitig die Neuschöpfung auf, eine neue Erde und einen neuen Himmel (Offenbarung 21). Dort wird alles von Gottes Licht hell erstrahlt sein. «Und die Stadt braucht keine Sonne und keinen Mond, damit es in ihr hell wird, denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet die Stadt, und das Lamm ist ihr Licht» (Offenbarung 21,23 NLB). Die Morgendämmerung kommt, der Tag bricht an! Mit anderen Worten: wir leben in der Endzeit. Nur ist das nichts Neues. Das war schon damals so, als Paulus vor bald 2000 Jahren den Römerbrief verfasste. Und doch ist die Zeit deutlich fortgeschritten. Es gibt viele Anzeichen dafür, dass der Tag von Jesu zweitem Kommen nahe ist. An anderer Stelle sagt Paulus: «Ihr wisst ja selbst genau, dass der Tag des Herrn unerwartet kommen wird wie ein Dieb in der Nacht» (1Thessalonicher 5,2 NLB). Die Gefahr – gerade bei unserem Lebenstempo – ist nicht unerheblich, dass wir den Moment von Jesu Wiederkunft verpennen. Deshalb: Wachen wir auf, denn die Zeit ist begrenzt.
Zieh ein neues Gewand an
Unsere Wachsamkeit zeigt sich an einem bestimmten Lebensstil: «Lasst uns ein einwandfreies Leben führen, mit dem wir im Licht des Tages bestehen können, ein Leben ohne Schlemmen und Saufen, ohne sexuelle Ausschweifung und ohne Streit und Rechthaberei. Legt das alles ab, und zieht ein neues Gewand an: Jesus Christus, den Herrn. Beschäftigt euch nicht länger damit, wie ihr die Begierden eurer eigenen Natur zufrieden stellen könnt» (Römer 13,13f NGÜ).
Paulus benutzt mehrmals die Terminologie des Anziehens, wenn er von einem vorbildlichen Lebensstil spricht. Wir sollen aufhören, die Begierden unsere eigenen Natur zufriedenzustellen, und sollen stattdessen das neue Gewand, Jesus Christus, anziehen. Es ist die passende «Kleidung» für den Zutritt in die Stadt des Lichts. Jesus erzählte einmal ein Gleichnis von einem Hochzeitsfest, bei dem ein Gast kein Hochzeitskleid anhatte. Dieser Mann wurde schnurstracks weggeschickt (Matthäus 22,11-13). Ohne neues Gewand gibt es für uns am Hochzeitsfest in der neuen Welt keinen Platz.
Jesus Christus ist die personifizierte Erlösung, die wiederkommt. Doch die Erlösung geschieht nicht nur in der Zukunft, sondern glücklicherweise jetzt schon. Deshalb müssen wir nicht aus eigener Kraft unsere egoistischen Handlungen abstellen und sie mit tugendhaftem Verhalten ersetzen. Die Erlösung beinhaltet, dass wir als Alternative zu sündigem Verhalten den Gang ins Ankleidezimmer antreten dürfen. Diese Wahrheit trieft nur so von Gnade. Wir müssen uns nicht aus eigener Kraft und mit viel Disziplin bessern und das Gute tun, sondern Jesus Christus anziehen. Anschliessend durchdringt Jesus uns und handelt durch uns. Unsere Front ist also nicht das ethische Handeln, sondern die Herausforderung, uns so zu organisieren, dass wir Jesus im Ankleidezimmer begegnen. Letzten Sonntag habe ich davon gesprochen, dass wir in Jesus bleiben (wohnen, aufhalten, verweilen) sollen. Der Ankleideraum ist ein Ausdruck dieses Bleibens. Die Frucht im Leben entsteht durch das Bleiben an Jesus (Johannes 15,5).
«Denn wir sind Gottes Schöpfung. Er hat uns in Christus Jesus neu geschaffen, damit wir die guten Taten ausführen, die er für unser Leben vorbereitet hat» (Epheser 2,10 NLB). Aber den Gang ins Ankleidezimmer müssen wir tun. Und hier schliesst sich der Kreis. In einer Zeit der vielen Ablenkungen und des grossen Lebenstempos ist das schon richtig herausfordernd. Deshalb müssen wir Wege finden, um unser Leben zu entschleunigen und zu vereinfachen. Das Bewusstsein, dass unsere Zeit begrenzt ist, macht uns weise. Weisheit ist nicht Intelligenz, sondern das Setzen der richtigen Prioritäten im Leben. Jim Elliot, ein amerikanischer Missionar, der in Ecuador im Alter von 29 Jahren ermordet wurde, sagt: «Der ist kein Narr, der loslässt, was er nicht behalten kann, um zu gewinnen, was er niemals verlieren kann.»
Mögliche Fragen für die Kleingruppen
Bibeltext lesen: Lukas 21,25-28.34-36; Römer 13,11-14
- Was hat das Bedenken der begrenzten Zeit mit Weisheit zu tun?
- Einerseits ist unsere Zeit durch unser Leben begrenzt und andererseits durch die Wiederkunft von Jesus Christus. Was denkst du, dass in deinem Leben zuerst kommt? Warum?
- Wie können wir unserem enormen Lebenstempo und den vielen Ablenkungen trotzen?
- Was ist der Schlüssel zu einem Verhalten, das nicht vom eigenen Egoismus getrieben ist, sondern von Gottes Taten?
- Was heisst es konkret, das Ankleidezimmer zu beschreiten und Jesus Christus anzuziehen? Wo in der Bibel kommt das Gewand, welches Jesus Christus ist, auch noch vor?