Werden wie Papa
Serie: Metamorphose | Bibeltext: Matthäus 5,48
Papa ist der Beste! Dies gilt vor allem für den himmlischen Daddy. ER ist barmherzig und von grosser Güte und vereint alle anderen hervorragenden Eigenschaften in sich. Die Berufung eines Menschen ist, diesem Gott ähnlicher zu werden. Lasst euch in eurem Wesen verwandeln! Unser Beitrag ist es, diesen Gott wertzuschätzen, Zeit mit ihm zu verbringen und auf Ihn zu hören. Alles andere läuft von selbst.
Mir liegt immer noch ein Satz von René Winkler in den Ohren, den er hier vor ein paar Wochen in seiner Predigt ausgesprochen hat: «Christen, die sich nicht verändern lassen, sind nicht neutral, sondern immunisieren gegen den Glauben an Jesus Christus.» Solche Christen werden komisch, hart, selbstgerecht und verurteilend. Sie bleiben Raupe und verpassen die Verwandlung zum Schmetterling. Ein riesiges Potenzial liegt brach. Anstatt ein «Wohlgeruch» (2Korinther 2,15) für die Welt zu sein, verbreiten sie einen Mief.
Das Potenzial, das in einem Nachfolger von Jesus liegt, heisst: «Ihr sollt aber vollkommen sein, so wie euer Vater im Himmel vollkommen ist» (Matthäus 5,48 NLB). Werden wie Papa. Der Apfel soll nicht weit vom Stamm fallen. Viele Jungs wollen den gleichen Beruf wie ihr Vater erlernen. Und weil Kinder je zur Hälfte die DNA ihrer Eltern haben, werden auch charakterliche Ähnlichkeiten oft sehr deutlich.
Wie ist er denn, der Papa?
Werden wie Papa lautet die Herausforderung der Bergpredigt. Wie ist denn, der Vater im Himmel? Die Tugenden Gottes werden in der Bergpredigt beschrieben. So deutet jede Seligpreisung auf eine solche hin: Demut, Leiden an der Not der Welt, Gewaltfreiheit, Sehnsucht nach Gerechtigkeit, Klarheit des Herzens, Versöhnungsbereitschaft und Wille zum Frieden sowie Bereitschaft, um der Gerechtigkeit willen Widerstand zu ertragen.
Die offizielle Jahreslosung dieses Jahres nimmt eine dieser Tugenden auf: «Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist» (Lukas 6,36 NGÜ). Unser Daddy ist barmherzig. Er hat ein Herz für die Armen. Er ist «Vater der Waisen und Helfer der Witwen» (Psalm 68,6 NLB). Die Reaktion von Jesus auf die Nöte einzelner Menschen wie z.B. eines Aussätzigen war: «Und es jammerte ihn» (Markus 1,41 LUT). Der griechische Begriff meint die Eingeweide umdrehen. Jesus wurde immer wieder von tiefem Mitleid ergriffen. Gott ist ein Vater, den unsere Not berührt.
Wenn man den Text weiterliest, wird die Barmherzigkeit konkretisiert: «Richtet nicht, und ihr werdet nicht gerichtet werden. Verurteilt nicht, und ihr werdet nicht verurteilt werden. Sprecht frei, und ihr werdet freigesprochen werden» (Lukas 6,37 NGÜ). Barmherzigkeit drückt sich in unserem Denken und Reden über andere Menschen aus. An der Olympiade motivierte ein deutscher Trainer seinen Schützling auf dem Rennrad in Einzelzeitfahren mit den Worten: «Schnapp die Kameltreiber vor dir!» Damit meinte er einen Eritreer und einen Algerier, die vor dem Deutschen gestartet sind. Der Trainer entschuldigte sich anschliessend. Dennoch wurde er wegen rassistischen Äusserungen entlassen. Unter Druck kommt das heraus, was im Denken vorliegt. Die Barmherzigkeit soll unser ganzes Wesen durchdringen. Als Jesus schmerzverzerrt, unter schlimmsten Umständen, am Kreuz hing, vergab er seinen Peinigern. «Sprecht frei!» fordert Jesus. Wir sollen so mit anderen Menschen reden, dass sie in eine Freiheit hineinfinden. David bezeugt: «[...] du stellst meine Füsse auf weiten Raum» (Psalm 31,9 LUT).
«Gebt, und ihr werdet bekommen. Was ihr verschenkt, wird anständig, ja grosszügig bemessen, mit beträchtlicher Zugabe zu euch zurückfliessen. Nach dem Mass, mit dem ihr gebt, werdet ihr zurückbekommen» (Lukas 6,38 NLB). Barmherzigkeit zeigt sich auch im Handeln. Sind wir grosszügige gebende Menschen oder defizitorientierte nehmende? Sind wir nur mit uns selbst grosszügig oder speziell auch mit anderen Menschen? In Matthäus 25,31-46 wird diese Tugend in den «sechs Werken der Barmherzigkeit» entfaltet und konkretisiert: Hungernden zu essen geben, Dürstenden zu trinken geben, Fremde aufnehmen, Nackte bekleiden, Kranke und Gefangene besuchen.
Unserem Daddy dreht es angesichts der Not auf dieser Welt die Eingeweide herum. Melanie hat vor einiger Zeit die Asylunterkunft in Hallwil besichtigt. Anschliessend war sie still und in sich gekehrt. Sie hatte tiefes Mitleid, das sie zum Handeln antrieb. Für mich war das ein eindrückliches Beispiel für das Wesen Gottes. Wir bekamen in letzter Zeit mehr Einblick in das Leben von Migranten um uns herum. Die Not ist gross. Wer seine Barmherzigkeit trainieren will, findet hier ein gutes Übungsfeld.
Ein weiterer Aspekt von Gottes Barmherzigkeit finden wir in den Psalmen: «Der HERR heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden» (Psalm 147,3 LUT). ER heilt und verbindet. Gott hat eine Schwäche! Und zwar insbesondere für verletzte Menschen und solche, die vom Leben benachteiligt sind.
Wie vollkommen darf es sein?
«Ihr sollt aber vollkommen sein, so wie euer Vater im Himmel vollkommen ist» (Matthäus 5,48 NLB). Was bedeutet vollkommen? Müssen wir den Charakter Gottes in Perfektion widerspiegeln? Wenn dem so wäre, könnten wir gleich ausstempeln. Es wäre auch demotivierend nach etwas zu streben, das wir bei weitem nicht erreichen können.
Das griechische Wort téleios, das hier für vollkommen gebraucht wird, bedeutet «ein Erwachsener, der seine volle Grösse erreicht hat». Ein Student, der in einem Fach reifes Wissen erworben hat, ist ebenfalls ein téleios. Die Griechen hielten jedes Objekt als vollkommen, das die Funktion, für die es entworfen und hergestellt wurde, vollständig erfüllte. Der Mensch ist vollkommen, wenn er den Zweck verwirklicht oder erfüllt, für den er geschaffen wurde.
Téleios beantwortet also die Frage, ob ein Mensch in seiner Berufung lebt oder nicht. Für was ist der Mensch geschaffen? Ganz am Schluss der Bibel wird ein Zustand beschrieben, auf den Gott schon immer gezielt hatte: «Ich hörte eine laute Stimme vom Thron her rufen: »Siehe, die Wohnung Gottes ist nun bei den Menschen! Er wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk sein und Gott selbst wird bei ihnen sein» (Offenbarung 21,3 NGÜ). Das Ziel des Heilprogramms ist es, mit den Menschen beziehungsweise in den Menschen zu wohnen. Das ist die erste und allgemeine Berufung, Gott Wohnraum anzubieten.
Als Gott seinem Volk gebot, die Stiftshütte zu bauen, sagte er: «Die Israeliten sollen mir ein Heiligtum errichten, damit ich bei ihnen wohnen kann» (2Mose 25,8 NLB). Es ist von Anfang an die wunderbare Idee Gottes, dass er unter den Menschen wohnen will. Später wohnte Gott im Tempel und manifestierte sich durch den Tempel in dieser Welt. Wie verwirklicht sich diese wunderbare Idee Gottes in unserer modernen Zeit, wenn wir in Jerusalem keinen Tempel mehr haben? Paulus beantwortet uns diese Frage: «Erkennt ihr denn nicht, dass ihr der Tempel Gottes seid und dass der Geist Gottes in euch wohnt?» (1Korinther 3,16 NLB).
Die zweite Berufung beantwortet die individuelle Frage, ob ein Mensch an dem Platz ist und das tut, wozu er vom Geist Gottes geführt wird. Im Bewerbungsprozess von Cédric B. bekamen wir alle den Eindruck, dass er von Gott zu uns geführt wurde. Bevor es darum geht, was er und auch unsere Praktikantin hier tun und wie gut sie es tun, sind die beiden aufgerufen, vollkommen zu werden, werden wie Papa. Was soll in ihrem Leben höchste Priorität haben? «[...] Und wie lautet dieses Geheimnis? ‘Christus in euch – die Hoffnung auf Gottes Herrlichkeit!’» (Kolosser 1,27 NGÜ). Bemüht euch nicht um die guten Tugenden, sondern darum, dass ihr selbst zu einem Heiligtum werdet, sodass Christus in euch wohnt und viel Raum hat. Und dann geschieht es von selbst: «Durch Jesus Christus möge er in unserem Leben das bewirken, woran er Freude hat. Ihm gebührt die Ehre für immer und ewig. Amen» (Hebräer 13,21 NGÜ). Lasst euch in eurem Wesen verwandeln! Das ist die beste Absicht, die ihr hier haben könnt.
Wie kommen wir dahin?
Wie werden wir nun wie der Papa? Tabea und Kusi waren beide längere Zeit bei uns im Angestelltenteam. Nun leiten beide selbst eine Kirchgemeinde. Immer wieder sind wir im Austausch und die beiden beteuern mir jeweils, wie sie vieles, das sie in der seetal chile gelernt haben, am jetzigen Ort umsetzen. Ein Teil unserer DNA lebt andernorts weiter. Tinu, unser Kidspastor, war eine Woche in Stein am Rhein und arbeitete dort mit Kusi zusammen. Nach seiner Rückkehr meinte er, dass die Art und Weise, wie Kusi die Gemeinde leite, ihn stark an meine Art erinnere. Hoffentlich kommt das gut! ;-) Warum ist das so? Weil wir uns wertschätzen und einige Zeit Seite an Seite für das Reich Gottes gekämpft haben. Zudem haben die zwei die Podcasts von Referaten zu unserem Relaunch gehört, die ich vor einigen Jahren an einer Konferenz gehalten habe.
Genauso werden wir wie der Papa! Es gegenseitige Anziehung und Wertschätzung, viel gemeinsame Zeit und das Hören auf Gottes Wort. So werden wir wie Papa – wir alle. Anlässlich der Feierlichkeiten dieses Tages will ich diese Gedanken auf unsere neuen Teammitglieder zuspitzen. Ihr beide wollt euch mit Inbrunst in die Gemeinde investieren und ihr Gutes tun. Nur – wie kann das geschehen? Am gewinnbringendsten für alle ist es, wenn ihr wie Papa werdet! Das geschieht nicht, indem ihr gute Predigten bzw. attraktive Kigo-Lektionen schreibt, sondern indem er euch dem Wesen Gottes aussetzt und seine Worte aufsaugt. Gegenseitige Anziehung und Wertschätzung, viel gemeinsame Zeit und das Hören auf Gottes Wort – viele denken, dass dies für Kirchenangestellte, die den ganzen Tag mit der Bibel in der Hand herumlaufen, von selbst geschehe. Tut es aber nicht! Kirchenangestellte kämpfen gegen die gleichen Widerstände wie alle anderen Menschen. Man kann die Beziehung mit Gott nicht professionell abhaken.
In einer Familie wachsen die Kinder von selbst in eine Ähnlichkeit zu ihren Eltern hinein. Wir können die Kinder mit Worten erziehen, aber am Ende spricht unser Vorbild viel lauter. Jemand sagte: «Das kräftigste Mittel der Kindererziehung ist das Vorbild der Eltern.» Das bringt uns in eine grosse Verantwortung. Es wäre nämlich erstrebenswert, wenn der Spalt zwischen dem Vorbild der Eltern und der Vollkommenheit Gottes möglichst gering wäre. Das bedeutet, dass wir Eltern nur schon der Erziehung wegen, uns in Richtung des Charakterbildes Gottes entwickeln würden. «Nicht das, was wir unseren Kindern sagen, prägt sie entscheidend, sondern die Art, wie wir sind, wie wir leben, wie wir mit ihnen und anderen Menschen umgehen und welche Dinge uns wichtig sind» (Irmela Hofmann).
«Ihr sollt aber vollkommen sein, so wie euer Vater im Himmel vollkommen ist» (Matthäus 5,48 NLB). Durch den Glauben an Jesus Christus werden wir zu Wohnräumen Gottes. Wenn wir Ihm diesen Raum schenken, wird er selbst uns in sein Bild verwandeln. Vollkommen wird, wer Gott im Herzen hat.
Mögliche Fragen für die Kleingruppen
Bibeltext lesen: Matthäus 5,48; Lukas 6,36-38
- Wie wird der himmlische Daddy in der Bibel beschrieben? Glaubst du, dass er wirklich einen so einwandfreien und guten Charakter hat?
- Was bedeutet es, vollkommen zu werden, wie der Vater im Himmel vollkommen ist?
- Wie können wir unsere Entwicklung in Richtung Vater im Himmel fördern?
- Was ist die allgemeine Berufung eines jeden Christen? Wie werden wir zur Wohnung Gottes?
- Für Eltern: Was hat dieses Thema mit der Erziehung zu tun? Wo wurden wir herausgefordert?