Pfingsten – das Fest der Ernte

Datum: 9. Juni 2019 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: Apostelgeschichte 1,3-8; 2,1-7.12-13
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Pfingsten ist aus dem jüdischen Fest Schawuot heraus entstanden, das auch «Fest der Ernte» genannt wird. Deshalb ist es naheliegend, dass Pfingsten wiederum eine Erntezeit einläutet. Durch den Empfang des Heiligen Geistes werden die Nachfolger von Jesus mit einer Kraft ausgerüstet, durch die sie Zeugen für die Sache Jesu bis in die hintersten Winkel der Erde sein können. Dadurch werden Menschen bei Gott heimisch. Willkommen daheim!


Als die Israeliten aus der Gefangenschaft auszogen, dauerte es genau sieben Wochen, bis sie den Berg Sinai erreichten und dort die «Zehn Gebote» erhielten. Die Befreiung aus der ägyptischen Knechtschaft und der Empfang der Zehn Worte haben einen engen inneren Zusammenhang und werden mit den Festen Pessach und Schawuot gefeiert. Der Auszug aus Ägypten bedeutete Freiheit. Durch die Gesetzgebung am Sinai erhielt das Volk Israel den Rahmen, in dem es ihre Freiheit leben konnte.

Die prophetische Erfüllung von Pessach ereignete sich an Ostern, als Jesus Christus den Tod besiegte und die Herrschaft der Sünde brach. Genau sieben Wochen nach Ostern feiern wir Pfingsten, die prophetische Erfüllung von Schawuot. Auch zwischen Ostern und Pfingsten gibt es einen engen inneren Zusammenhang. Pfingsten klärt nämlich die Frage, was das Geschehen von Ostern mit uns heute zu tun hat. Ostern beantwortet die Frage, wo wir die Ewigkeit verbringen. Es ist das Geschenk des ewigen Lebens. Pfingsten beantwortet die Frage, wie wir auf diese Erde leben.

Es gibt Wörter, die polarisieren. So lösen auch die Begriffe «Pfingsten» und «Heiliger Geist» ganz verschiedene Reaktionen aus. Einige haben um diese Begriffe herum Kirchgemeindeverbände gegründet, für andere bleiben sie eher suspekt.

Erwartungen revidieren

Was für Erwartungen verbindest du mit Pfingsten? Schon beim allerersten Pfingstfest wurden Erwartungen geäussert. Es musste sich herausstellen, ob diese der Wirklichkeit entsprachen. «In den vierzig Tagen nach seiner Kreuzigung erschien er den Aposteln immer wieder und bewies ihnen auf vielfältige Weise, dass er wirklich lebt. Und er sprach mit ihnen über das Reich Gottes. Bei einer dieser Begegnungen, als sie gerade assen, sagte er: ‘Bleibt hier in Jerusalem, bis der Vater euch sendet, was er versprochen hat. Erinnert euch: Ich habe schon mit euch darüber geredet. Johannes hat mit Wasser getauft, doch schon in wenigen Tagen werdet ihr mit dem Heiligen Geist getauft werden.’» (Apostelgeschichte 1,3-5).

Jesus erinnert seine Freunde an die Zusage, die er ihnen schon vor seiner Kreuzigung gemacht hat, dass er ihnen den Heiligen Geist senden wird (Johannes 14,16ff; 16,5ff). Offensichtlich verbanden sie damit bestimmte Erwartungen und Hoffnungen: «Wenn die Apostel mit Jesus zusammen waren, fragten sie ihn immer wieder: ‘Herr, wirst du Israel jetzt befreien und unser Königreich wiederherstellen?’» (6).

Aufgrund ihrer Prägung und der Atmosphäre, in der sie als gläubige Juden lebten, war die Person des Heiligen Geistes damit verbunden, dass Israel wieder zu früherer politischer, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher Grösse zurückgeführt wird.

Die Frage war berechtigt. Jesus erachtet die Erwartungen, Hoffnungen und Interpretationen nicht als Nonsens. Er erwiderte: «Die Zeit dafür bestimmt allein der Vater, es steht euch nicht zu, sie zu kennen» (7). Jesus macht deutlich, dass dies Sache seines Vaters sei. Er habe das gut geplant. Seine Freunde brauchten es nicht zu wissen.

Jesus möchte, dass seine Freunde ihre Erwartungen und Hoffnungen im Hinblick auf das Pfingstfest überprüfen. Auch uns lädt Pfingsten ein, unsere Erwartungen und Annahmen zu überprüfen. Was verbinden wir mit Pfingsten oder mit der Person des Heiligen Geistes?

Kraft empfangen

An Pfingsten geschahen bemerkenswerte Dinge (Apostelgeschichte 2,1-7 und 12-13). Das Rauschen eines mächtigen Sturmes, so etwas wie Flammen, die sich auf jeden einzelnen niederliessen, das Reden in bis anhin unbekannten Sprachen, das Hören von Fremdsprachigen in der eigenen Sprache waren eindrückliche Begleiterscheinungen. Manche verbinden mehr das Emotionale mit dem Heiligen Geist. Da geht die Post ab, da ist Freude und Begeisterung! Für einige ist es eine unkontrollierte Emotionalität, die Angst macht. Für andere hat es mehr mit dem Spektakulären, Aussergewöhnlichen, mit Sprachenrede, Wundern und tausendfachen Bekehrungen zu tun. All diese Dinge waren Begleiterscheinungen, aber nicht das Zentrale.

«Aber wenn der Heilige Geist auf euch herabkommt, werdet ihr mit seiner Kraft ausgerüstet werden […]» (Apostelgeschichte 1,8; NGÜ). Im Ausdauersport wird man manchmal vom «Hammermann» überfallen. Mir ist das schon beim Pässe fahren mit dem Bike passiert. Alles ist gut: Das Bike, die Muskeln, das Herz – aber es fehlt die Kraft. Man ist unterzuckert, fühlt sich ausgepowert, es geht nichts mehr.

So ist es, wenn wir Ostern ohne Pfingsten erleben. Mit Ostern war alles geregelt; der Weg zu Gott ist frei, aber es fehlt die Kraft. Deshalb waren die Freunde von Jesus so Feiglinge und zerstoben in alle Richtungen, als es rund um seine Kreuzigung brenzlig wurde. Nachdem die Jungs dann Pfingsten erlebt hatten, waren sie wie verwandelt. Nichts und niemand konnte sie nun stoppen. Mit Leichtigkeit erklommen sie fortan «ihre Pässe». Der Heilige Geist macht müde Christen munter, bringt Leben in die Bude. Der Heilige Geist möchte direkt in das Leben von Menschen hineinkommen. Er ist kein nebulöses Kraftfeld und keine esoterische Energie. Er ist eine Person, die mit anderen Personen ganz eng verbunden sein möchte.

Der Heilige Geist ist aber auch eine Kraft. Was immer wir ihm sonst noch für Fähigkeiten zumessen, er ist Kraft Gottes. Das klingt doch richtig gut. Was könnte uns Besseres passieren!? Das Wort für Kraft heisst auf Griechisch «Dynamis». Es ist die Macht oder Kraft, Wunder zu tun. Das gleiche Wort meint auch Talent, Können und Befähigung und in der Militärsprache «Truppen». Gott schickt mit dem Heiligen Geist eine Truppe seiner Armee in unser Leben. Diese Truppe will Besitz von uns ergreifen, so dass wir Entscheidungen treffen, Dinge auf den Weg bringen und etwas tun können. Es ist Gottes Kraft. Sie wird uns verliehen, nicht für eigene Anliegen, sondern dass wir in unserem Leben seine Dinge und Anliegen umsetzen können.

Maria hatte nicht den Wunsch schwanger zu werden. Es war Gottes Anliegen in ihrem Leben. Wie ist das möglich, wenn sie noch nie mit einem Mann geschlafen hat? Der Engel, der sie besuchte, erklärte es ihr: «Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Macht des Allerhöchsten wird dich überschatten. Deshalb wird das Kind, das du gebären wirst, heilig und Sohn Gottes genannt werden» (Lukas 1,35).

Jesus kommt aus einer Wüstenerfahrung, in der er massiv versucht in seiner Identität in Frage gestellt wurde, zurück nach Galiläa in sein ursprüngliches Umfeld. Dort kannten sie ihn als den Sohn des Bauhandwerkers. Vielleicht war er der, der nie richtig Fussball spielen konnte und der schon immer gerne aus Steinen etwas baute. Nun ist alles anders. Plötzlich spricht die ganze Gegend von ihm. Der Grund ist in Lukas 4,14 aufgeführt: «Danach kehrte Jesus, von der Kraft des Heiligen Geistes erfüllt, nach Galiläa zurück. Schnell wurde er in der ganzen Gegend bekannt» (Lukas 4,14). Gottes Geist, die Kraft Gottes, war so in seinem Leben wirksam, dass er sich als Sohn Gottes erwies.

Zeuge sein

«Aber wenn der Heilige Geist auf euch herabkommt, werdet ihr mit seiner Kraft ausgerüstet werden, und das wird euch dazu befähigen, meine Zeugen zu sein – in Jerusalem, in ganz Judäa und Samarien und überall sonst auf der Welt, selbst in den entferntesten Gegenden der Erde» (8; NGÜ). Die Kraft Gottes, der Heilige Geist, kommt aus einem ganz bestimmten Grund: Ihr werdet meine Zeugen sein. Im Kern geht es also nicht um die Geistesgabe des Redens und Betens in Sprachen. Auch wenn jeder, der mit Jesus unterwegs ist, mindestens eine vom Geist Gottes geschenkte Gabe, eine Geistesgabe, erhält, ist doch der Auftrag wesentlich, ein Zeuge für Jesus zu sein.

Dies soll an verschiedenen Orten sein:

  • In Jerusalem: Hier geht es um unser unmittelbares Umfeld, um unsere Familie und unsere Nachbarschaft.
  • In ganz Judäa: Nebst unserem Wohnort sollen wir den ganzen Kanton Aargau ins Visier nehmen. Immer noch geht es um Menschen, die uns irgendwie nahestehen und unsere eigene Sprache reden.
  • In Samarien: Das könnte der Kanton sein, den du am wenigsten magst. Die Samaritaner waren ein Mischvolk aus Juden und anderen Völkern. Rechtschaffenen Juden war es nicht erlaubt, Gemeinschaft mit Samaritanern zu haben, nicht einmal einen Fuss auf ihr Gebiet zu setzen. Der Auftrag, in Samarien ein Zeuge zu sein, ging so richtig ans «Eingemachte». Gerne teilen wir Menschen, die wir kennen, den Kategorien «nett» und «komisch» zu. Jesus fordert uns auf, gerade auch bei den «Komischen» Zeuge zu sein. Das ist eine Riesen Herausforderung. Der Heilige Geist lädt uns ein, unsere kategorischen Neins und Vorbehalte gegenüber gewissen Menschen aufzulösen.
  • In den entferntesten Gegenden der Erde: Als Jesus diese Worte aussprach, waren etwa 120 Menschen zusammen (Apostelgeschichte 1,15). Was für ein Ding der Unmöglichkeit! Jesus war sich dessen bewusst, deshalb brauchte es Pfingsten. Dank der Kraft des Heiligen Geistes wurde in wenigen Jahrzehnten die damals bekannte Welt mit dem Evangelium erreicht. Die Basis dafür bildeten die zwölf Männer, die erst noch ängstlich und feige zurückwichen, als Jesus verhaftet wurde.

 

Ein Zeuge ist nicht dasselbe wie ein Anwalt. Dennoch lassen wir uns manchmal in diese Rolle drängen und versuchen das Böse auf dieser Welt zu erklären oder weshalb gerade diese Person, die doch treu im Glauben steht, so schwer erkrankt. Ein Zeuge berichtet über Dinge, die sich mit ihm als Person in elementarer Weise verbindet. Er doziert nicht einfach irgendwelche platten Wahrheiten. Wenn jemand ein Konzert besucht hat, schwärmt er: «Es war ein wundervolles Konzert mit wundervoller Musik. Du hättest dabei sein sollen!» Ein Zeuge eines Autounfalls erzählt den Hergang so, wie er ihn beobachten konnte. Ein Zeuge Jesus drückt für andere Menschen aus, was er mit Jesus erfahren hat. Egal, wo er ist. Egal, ob ihm diese Menschen gewogen sind. Egal, ob er diese Menschen leiden kann.

Kürzlich erzählte mir jemand, wie schwierig es als Christ sei mit einer Krankheit zu leben. Die Leute spotten und sagen, dass nun Gott ja zeigen könne, was er kann. Gerne wären wir Zeugen von Wundern. Inwiefern können Christen Zeugen von Jesus sein, wenn sie selbst nicht unversehrt sind? Nick Vujicic wurde als Folge einer seltenen Fehlbildung ohne Arme und Beine geboren. In einem Vortrag sagte er einmal: «Wenn Gott kein Wunder tut, sei du das Wunder!» Ein geisterfüllter Zeuge, der davon berichtet, wie Gott sein Fels in stürmischen Zeiten ist, hat enorme Kraft. Wir sollten uns weniger auf die Heilung unserer Krankheiten konzentrieren als vielmehr auf unser Verhalten im Leiden. Wir müssen lernen, in schwierigen Zeiten an Jesus festzuhalten. Vielleicht ist der Inhalt deines Zeugnisses für Jesus Christus dies: Mit allem, was ich geben kann, halte ich in dieser Situation an Jesus fest. So wie es Asaf im Psalm sagt: «Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde» (Psalm 73,15). Oder Hiob in elendem Zustand: «Sollen wir das Gute aus Gottes Hand nehmen, das Schlechte aber ablehnen?» (Hiob 2,10).

Pfingsten macht uns sprach- und hörfähig. Es war nämlich nicht nur ein Sprachwunder, sondern ebenso ein Hörwunder! (vgl. Apostelgeschichte 2,4+6). Ein Zeuge muss nicht nur reden, sondern vor allem auch hören. Vielleicht ist dein Zeugnis dies, dass du gut zuhörst, Empathie zeigst und für Menschen betest. Thomas von Aquin sagte: «Predige das Evangelium, wenn nötig auch mit Worten.»

Schawuot hat eine historische und eine naturbezogene Bedeutung. Geschichtlicher Hintergrund ist der Empfang der Zehn Worte am Sinai. Gleichzeitig ist dieses Wochenfest aber auch das «Fest der Ernte». Denn es findet in der Zeit der Weizenernte statt. Diese Verbindung wird im Talmud formuliert: «Fünfzig Tage vergehen, bevor sich aus der Apfelblüte eine Frucht entwickelt, fünfzig Tage wartete das Volk Israel in der Wüste, bevor es die Tora aus der Hand des Herrn empfing.» Pfingsten bedeutet Ernte. Der Heilige Geist ruft dich nach Hause und macht uns zu Zeugen, dass wir durch unser Leben anderen zurufen können: Komm heim!

 

 

Mögliche Fragen für die Kleingruppen

Bibeltext lesen: Apostelgeschichte 1,8; 2,1-7 und 12-13

  1. Erklärt einander den Zusammenhang von Schawuot und dem Pfingstfest.
  2. Was ist der innere Zusammenhang zwischen Ostern und Pfingsten? Warum braucht es Pfingsten?
  3. Was bewirkt der Heilige Geist in den Menschen, die Jesus vertrauen?
  4. Was macht der Gedanke mit dir, dass du zum Zeuge sein berufen bist?
  5. Welche Art von Zeuge entspricht deiner Persönlichkeit und Begabung am besten?

Eine kleine Übung: Versuche in den nächsten zwei Wochen dich ganz bewusst als Zeuge zu verstehen und nutze die sich bietenden Gelegenheiten!