Nach der Musik Gottes tanzen

Datum: 14. Februar 2021 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: Psalm 1-3

Die Zuhörer hörten die Bergpredigt mit jüdischen Ohren. Darin enthalten sind viele Bilder, die das Kopfkino der Anwesenden in Gang setzte. Wir nähern uns vom Alten Testament an die Bergpredigt heran. In den Psalmen entdecken wir den Dreischritt: Tugend- und Charakterbildung, Verwirklichung von Gottes Herrschaft sowie Gottvertrauen und Gebet. Die Metamorphose soll dazu führen, dass wir lernen nach der Musik Gottes zu tanzen.


Es war einmal ein kleiner Bub. Sein Vater sass in der gleichen Stube und wollte Zeitung lesen. Unmöglich. Zu viel Lärm. Da kam dem Vater ein rettender Gedanke: Er greift aus dem Gestell ein altes Buch, schlägt es auf und reisst ein Blatt mit der Abbildung einer Weltkarte heraus. Er zerstückelt es und ruft dem Buben: «Hej, Tim, ich habe ein interessantes Spiel für dich! Setz die Fetzen dieser Weltkarte richtig zusammen. Wenn es dir gelingt, bekommst du einen Franken.» Und schon sitzt Tim in einer Ecke und arbeitet still. Der Vater freut sich über die Ruhe. Sie wird lange dauern bei dieser schwierigen Aufgabe. Weit gefehlt! In wenigen Minuten hält der kleine Junge dem erstaunten Vater die fehlerlose Arbeit unter die Nase. Kopfschüttelnd fragt dieser: «Wie konntest du nur die Weltkarte, die du gar nicht kennst, in dieser kurzen Zeit zusammensetzen?» - «Ganz einfach!» Tim zeigt dem Vater die andere Seite des Blattes, wo ein grosses Menschengesicht abgebildet ist. «Ich habe einfach das Menschenbild zusammengesetzt und dann stimmte es auf der anderen Seite auch mit der Welt!» Der Vater schweigt lange. Dann sagt er nachdenklich: «Ja wirklich so ist’s: Stimmt’s mit dem Menschen, dann stimmt’s auch mit der Welt.»

 

In dieser Welt stimmt vieles nicht, weil es mit dem Menschen nicht stimmt. Die Metamorphose soll unser Wesen in die ursprünglich von Gott gewollte Charakterstärke verwandeln. Die Bergpredigt (Matthäus 5-7) beinhaltet die entsprechende Charakterbildung, dass jemand zu einem aufblühenden Menschen wird und einen wichtigen Beitrag leisten kann, dass es mit der Welt wieder stimmt.

Die erste Information, die wir aus dem Neuen Testament bekommen, lautet: «Dies ist das Buch der Geschichte Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams» (Matthäus 1,1 Lut). Diese Überschrift für alles, was nun kommt, weist auf die Familie Jesu hin. Damit wissen wir, dass Jesus ganz und gar jüdisch ist. Auch seine Jünger sind jüdisch und hören mit jüdischen Ohren. Sie hören, dass Jesus ganz und gar mit Abraham und David verbunden ist. Paulus sagt in Römer 10, dass Jesus das Ziel der Thora (5 Bücher Mose) sei. Warum ist die Thora gegeben? Damit die Menschen werden wie Gott und nach seiner Musik tanzen. Das heisst: demütig, leidvoll, sanftmütig, gerecht, barmherzig, herzensrein und friedfertig sein – alles Dinge, die wir aus der Bergpredigt wissen.

Wir müssen die Bergpredigt vom Alten Testament her verstehen. Die gesamte biblische Erzählung kann unter die Überschrift «Reich Gottes» oder «Königsherrschaft Gottes» betrachtet werden. Gottes Herrschaft bedeutet, dass er die Musik macht, und sein Reich realisiert sich in dem Masse, wie wir Menschen nach dieser Musik tanzen. Oder mit den Worten von Peter Kuzmic: «Hoffnung heisst, die Musik der Zukunft zu hören. Glaube heisst, in der Gegenwart danach zu tanzen.» Von Anfang an war es Gottes Plan, dass Er mit dem Menschen zusammen über die Schöpfung regiert. «So schuf Gott die Menschen nach seinem Bild, nach dem Bild Gottes schuf er sie, als Mann und Frau schuf er sie» (1Mose 1,27 NL). Der Mensch ist dazu geschaffen, sich am Schöpfer zu orientieren, in seiner Lebensgestaltung den Rhythmus des Schöpfers aufzunehmen. Auf diese Weise nimmt Gott seine Herrschaft über seine Schöpfung wahr. Er hat alles aus nichts erschaffen. Dem Menschen hat er die Rolle als Gottes Statthalter zugedacht. So wie ein Grosskönig sein Standbild in den Regionen platziert, um seinen Herrschaftsanspruch zu dokumentieren, so platziert der Schöpfer den Menschen in seiner Schöpfung. Er soll «herrschen», indem er ordnet, benennt, bebaut, bewahrt, sich mehr und die Erde füllt. Er ist sozusagen «Weltverwalter».

Das Projekt Gottes, seine Königsherrschaft über seine Schöpfung zusammen mit einem Menschen als seinem Statthalter zu verwirklichen, ist risikoreich. Hätte sich Gott einen Roboter geschaffen, hätte er sich viel Kummer und Ärger ersparen können. Gott aber hat sich ein Gegenüber geschaffen. Ein Wesen, mit dem er in eine persönliche Beziehung treten kann. Ein Wesen, das er liebt und das ihn lieben kann. Der Mensch kann selbst entscheiden, nach wessen Musik er tanzen will. Und – der Gottestänzer wurde zum Stolperer und reisst die ganze Schöpfung mit ins Elend. Man spricht vom Sündenfall. Sünde meint: Der Mensch hört nicht mehr auf die Musik des Himmels. Die Folge davon sind verwerfliche und zerstörerische Handlungen. Ohne den Schöpfer ist das Geschöpf bald erschöpft. Gott ergreift die Initiative. Er gibt den Stolperer nicht auf. Er sehnt sich nach Wiederherstellung. Diese Grundmusik durchklingt die ganze biblische Erzählung. Jemand hat es treffend formuliert: «Gott sucht uns – das ist das Drama der Bibel». In der ganzen Bibel geht es um die Frage, wie der Mensch wieder zum Gottestänzer werden kann – auch in der Bergpredigt!

Die Psalmen sind die Mitte der alttestamentlichen Tanzschule. Hier geht es darum, wie Menschen wieder in den Rhythmus der Musik Gottes hineinfinden, so dass es mit ihm und dann auch mit der Welt wieder stimmt.

Psalm 1: Grundentscheidung

Psalm 1 ist das Eingangstor in die weisheitlich-geistliche Charakterbildung:

«Glücklich zu preisen ist, wer nicht dem Rat gottloser Menschen folgt, wer nicht denselben Weg geht wie jene, die Gott ablehnen, wer keinen Umgang mit den Spöttern pflegt. ‘Glücklich zu preisen ist`, wer Verlangen hat nach dem Gesetz des Herrn und darüber nachdenkt Tag und Nacht. Er gleicht einem Baum, der zwischen Wasserläufen gepflanzt wurde: zur Erntezeit trägt er Früchte, und seine Blätter verwelken nicht. Was ein solcher Mensch unternimmt, das gelingt. Ganz anders ist es bei den Gottlosen: Sie gleichen der Spreu, die der Wind wegweht. Darum können sie auch nicht bestehen, wenn Gott Gericht hält. Wer Gott ablehnt, hat keinen Platz in der Gemeinde derer, die nach seinem Willen leben! Der Herr wacht schützend über dem Weg der Menschen, die seinen Willen tun. Der Weg aber, den die Gottlosen gehen, führt ins Verderben» (Psalm 1 NGÜ).

Das menschliche Leben wird hier im Bild des Baums dargestellt und es werden zwei Entwicklungsmöglichkeiten vorgestellt: aufblühen und Früchte tragen oder verwelken und vom Wind verweht werden. Der Mensch muss sich entscheiden, wo er sein Leben ‘verorten’ will. Glücklich zu preisen sind die Menschen, die sich nach den Weisungen Gottes sehnen, diese meditieren und ihr ganzes Leben daran ausrichten wollen. Jeder Mensch wird beim Eingangsportal vor eine Grundentscheidung gestellt: Nach wessen Musik willst du tanzen? In welche Gemeinschaft willst du dich ‘einpflanzen’ lassen. Erst nach dieser Entscheidung folgt die Metamorphose – das Tanzen nach der Musik Gottes. Das Bild des Baumes machen den Prozess deutlich. Tugenden und Charakterzüge, die der Gottesebenbildlichkeit Gottes gerecht werden, reifen wie Früchte an einem Baum. Dieser Umwandlungsprozess kann der Mensch nicht selbst tun. Aber – wir entscheiden uns, wo wir unser Leben einpflanzen lassen.

Psalm 1 gratuliert denen, die eine gute Grundentscheidung treffen und verspricht: Wer sein Leben fernab von Gottes Musik lebt, wird stolpern und scheitern. Wer aber sein Leben in der Gemeinschaft derer einpflanzt, die auf Gottes Musik hören, wird ins Glück tanzen. Spätestens bei Psalm 73 wird dann offenbar, dass diese Rechnung nicht ganz aufgeht – zumindest nicht in jedem Zeitabschnitt. Die Glückseligpreisungen in Psalm 1 werden später in den Eröffnungsworten der Bergpredigt wieder aufgegriffen.

Psalm 2: Königsherrschaft Gottes

In Psalm 2 geht es um die Königsherrschaft Gottes: «Weshalb geraten die Nationen in Aufruhr? Warum schmieden die Völker Pläne, die doch zum Scheitern verurteilt sind? Die Könige dieser Welt stehen zum Angriff bereit, und die Machthaber verbünden sich miteinander zum Kampf gegen den Herrn und gegen den König, den er gesalbt hat» (V.1f NGÜ). «Er spricht: ‘Ich selbst habe meinen König eingesetzt hier auf dem Zion, meinem heiligen Berg!’ Dann spricht der König: ‘Ich gebe den Beschluss des Herrn bekannt; er hat zu mir gesagt: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt’» (V.6f NGÜ).

Er ist sprachlich und thematisch eng mit Psalm 1 verknüpft. Dass es mit dem Menschen und dass es mit der Welt wieder stimmt, gehört offensichtlich zusammen. Umwandlung unseres Wesens und Reich Gottes sind aufeinander bezogen. Gott will sein Reich aufrichten und dies mit uns tun! Konkret heisst das: Die Umwandlung unseres Wesens (Kultivierung von Tugenden und Charakter) und die Verwirklichung von Gottes Herrschaft gehören zusammen. Psalm 1 ist dann nicht nur das Eingangstor zu individuell-privater Frömmigkeit, sondern gehört zum Grundlagenstudium für Führungskräfte in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Nicht umsonst sagte Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der USA: «Eine Bibel und eine Tageszeitung in jedem Haus. Und wenn diese ordentlich gelesen werden ist das die Grundlage, das Fundament eines ganzen Staates.»

Vom Neuen Testament her wird deutlich, dass Psalm 2 auch messianisch gedeutet werden will. Z.B.: «Da rief Natanaël: ‘Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König von Israel!’» (Johannes 1,49 NGÜ; vgl. auch Lukas 1,32; Matthäus 3,17; Lukas 3,22). Das Projekt der Königsherrschaft Gottes wird im gesalbten «Sohn Gottes» zum Ziel kommen. Deshalb ist es nicht überraschend, dass im Matthäusevangelium die Einsetzung des Messiaskönigs als «Sohn Gottes», die Proklamation des anbrechenden Gottesreichs und die weisheitlich-geistliche Charakterbildung der Bergpredigt in engem Zusammenhang stehen. Die Verwirklichung der Gottesherrschaft ist wesentlich mit der Bildung von Tugenden und Charakter verbunden. Wie gesagt: Wenn es mit der Welt stimmen soll, muss es mit dem Menschen stimmen.

Psalm 3: Gebet und Gottvertrauen

Der dritte Grundpfeiler der weisheitlichen Charakterbildung wird in Psalm 3 thematisiert: Gottvertrauen und Gebet. Bei Menschen, die im Tanz nach Gottes Musik immer wieder mal stolpern, haben Gottvertrauen und Gebet eine wichtige Bedeutung. Der Imperativ bei «Lasst euch in eurem Wesen verwandeln» kann auch als aktives vertrauen interpretiert werden. Gott vertrauen, dass er auch mit mir zum Ziel kommt, dass auch ich in sein Bild umgestaltet werde und bei der Verwirklichung seines Reiches auf Erden beitragen kann.

Im Gebet schauen wir Jesus an. Dabei geschieht das Wundersames: «Von uns allen wurde der Schleier weggenommen, sodass wir die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel sehen können. Und der Geist des Herrn wirkt in uns, sodass wir ihm immer ähnlicher werden und immer stärker seine Herrlichkeit widerspiegeln» (2Korinther 3,18 NL). Im aktiven Vertrauen auf Gott und im Gebet liegt unsere Verantwortung bei der Verwandlung unseres Wesens. Es ist wohl kein Zufall, dass in der Mitte der Bergpredigt das Gebet thematisiert wird und im Unser-Vater seinen Höhepunkt findet.

Zum Schluss schauen wir noch den Prototyp eines Nachfolgers von Jesus an, der nach seiner Musik tanzt. In Psalm 15 werden die Tugenden genannt. Sie können in heutiger Sprache so zusammengefasst werden: Geradlinig, ehrlich, wahrhaftig, in der Sprache kontrolliert, fair, gewaltfrei, mutig, an der Wahrhaftigkeit orientiert, Versprechen einhaltend, korruptionsfrei, standfest.

Die Bergpredigt lädt uns ein, durch Verwandlung unseres Wesens zu Menschen zu werden, die Gottes Herrschaft auf dieser Erde repräsentieren. Was für eine Ehre!

 

 

 

 

Mögliche Fragen für die Kleingruppen

Bibeltext lesen: Psalm 1

  1. Bist du einverstanden mit der Aussage: Wenn es mit der Welt stimmen soll, muss es mit dem Menschen stimmen?
  2. Was meint der Ausdruck «Nach Gottes Musik zu tanzen»? Wo überall in der Bibel siehst du Einladungen von Gott, dies zu tun?
  3. Die Kultivierung von Tugenden und Charakter geschieht durch Einpflanzung in die Gemeinschaft derer, die sich an Gottes Weisung orientieren (Psalm 1). Wie erlebst du deine Einpflanzung?
  4. Gott wird seine Herrschaft verwirklichen (Psalm 2). Wie tut er das? Was ist die Rolle der Menschen?
  5. Gottvertrauen und Gebet (Psalm 3) sind im Wesentlichen unsere Aufgabe in der Metamorphose. Wie lebst du das?