Lot – der Abdriftende
Serie: Wie du und ich | Bibeltext: 1. Mose 13-14+19
Es scheint so, wie wenn Lot keinen ethischen Kompass gehabt hätte, sich einfach dahintreiben liess und den Weg des geringsten Widerstandes einschlug. Dementsprechend gleicht sein Leben einer Serie von Unglücksfällen. Wie können wir in unserem Leben weise und nachhaltige Entscheidungen treffen? Trotz allem geht Lot als «gerechter Mann» in die Geschichte ein. Das hat viel mit dem Gebet seines Onkels Abraham zu tun.
Bei Lot, dem Neffen von Abraham, war vieles nicht im Lot. Es gibt aber kein Beispiel, das zu schlecht wäre, um etwas daraus zu lernen – auch wenn es nur ist, was wir nicht tun sollten. Lot hilft uns durch seine Lebenserfahrungen auf die Sprünge, wie wir im Leben gute Entscheidungen treffen können.
Egoistische Entscheidungen
Abraham und Lot waren Nomaden, die beide ihr eigenes Unternehmen bestehend aus Tieren und Menschen aufzogen. Abraham hatte zu jener Zeit bereits 318 kampferprobte Männer an seiner Seite (1Mose 14,14), dazu Frauen, grosse Vieherden und viel Silber und Gold (1Mose 13,2). «Auch Lot, der mit Abram zog, besass viele Schafe, Kühe und Zelte, sodass es nicht genügend Weideplätze für all die Tiere gab. Ihr Besitz war zu gross, um zusammenzuwohnen» (13,5f NL). Weil sich die Hirten der beiden CEO’s auf den Füssen herumstanden, stritten sie miteinander. «Abram beredete die Sache mit Lot. ‘Dieser Streit zwischen dir und mir und zwischen deinen Hirten und meinen Hirten muss ein Ende haben’, sagte er. ‘Schliesslich sind wir miteinander verwandt! Es ist besser, wenn wir uns trennen. Das ganze Land liegt vor dir. Wenn du nach links ziehen willst, werde ich nach rechts ziehen. Gehst du jedoch nach rechts, werde ich mich nach links wenden.’» (13,8f NL).
Auf der einen Seite lag das Jordantal, gut bewässert und fruchtbar wie der Garten Eden oder Ägypten. Auf der anderen Seite das karge Bergland des Negevs. Lot brauchte keine Bedenkzeit, er entschied sich für die fruchtbare Ebene des Jordantals. Das Kriterium für seine Entscheidung war einzig und allein Egoismus und eigener Vorteil. Er hätte genauso gut nach dem Prinzip des Alter-Ehrens seinem Onkel das gute Land überlassen können. Was ist die Grundlage unserer Entscheidungen?
Lot wählte also das Jordantal, genau jenes Gebiet, um das heute heftig gestritten wird. Am 1. Juli will Premierminister Benjamin Netanjahu jene Gebiete in der Westbank annektieren, die Donald Trumps sogenannter Jahrhundertplan Israel zuschlägt. Allerdings gibt es gegen die Einverleibung des Gebietes, das Israel seit 1967 besetzt hält, massiven Widerstand – auch von israelischen Sicherheitsexperten. Vielleicht müssten die Politiker von Abrams Weitherzigkeit lernen.
Sobald Lot mit seinem Tross gegen Osten gezogen war, bekam Abram von Gott einen Händedruck in Form einer Segensverheissung für das Land Kanaan, in dem er blieb (13,14ff). Die weitere Geschichte zeigt eindrücklich, dass es besser ist, an dem Ort zu sein, wo Gott segnet, anstelle des Ortes, von dem wir uns persönlich die grössten Vorteile versprechen.
Bald darauf geriet Lot und seine Leute in Kriegsgefangenschaft. Als Abram davon hörte, zog er mit seinen 318 kampferprobten Männern aus und befreite seinen «Neffen und dessen ganzen Besitz, alle Frauen und alle anderen Gefangenen» (14,16 NL). Wieder einige Zeit später bekommt Lot Besuch von zwei Engeln. Er nötigte sie bei ihm zu übernachten. Zwischen einem köstlichen Nachtessen und dem Zähneputzen macht ein Mob Radau vor Lots Haustür. Sie fordern die zwei Gäste, damit sie sich an ihnen befriedigen können. Lot verhandelt: «‘Meine Brüder’, bat er, ‘begeht doch kein solches Verbrechen! Seht doch, ich habe zwei Töchter, die noch mit keinem Mann geschlafen haben. Die kann ich zu euch herausbringen. Tut mit ihnen, was ihr wollt’» (19,7f NL). Die orientalische Gastfreundschaft wiegt bei Lot schwerer als die Sorge um die eigenen Kinder. Er hätte seine Töchter seinem Ruf geopfert. Zum Glück konnten die zwei Engel den sexuellen Missbrauch verhindern. Anschliessend kam es zur Flucht der Familie von Lot weg von Sodom, da die Engel die Stadt dem Erdboden gleichmachten. «Da liess der HERR Feuer und Schwefel vom Himmel auf Sodom und Gomorra regnen» (19,24 NL).
Zu diesem Zeitpunkt blieb von seinem ganzen Besitz nur noch Lot und seine zwei Töchter übrig. Aus Angst zog er sich mit ihnen in eine Höhle oben im Bergland zurück. «Eines Tages sagte die ältere Tochter zur jüngeren: ‘Hier gibt es weit und breit keinen Mann, mit dem wir schlafen können, und unser Vater ist alt. Komm, wir machen ihn mit Wein betrunken und schlafen dann mit ihm. So werden wir durch unseren Vater zu Kindern kommen’» (19,31f NL). Gesagt getan. Neun Monate später kamen zwei Söhne auf die Welt, die auf die Namen Moab und Ben-Ammi hörten. Sie wurden die Stammväter der Moabiter und Ammoniter. Diese zwei Völker sollten später dem Volk Israel das Leben schwermachen.
Es scheint so, wie wenn Lot keinen ethischen Kompass gehabt hätte, sich einfach dahintreiben liess und den Weg des geringsten Widerstandes einschlug. Es scheint, als ob er nie mit schwierigen Fragen gerungen hat wie: Was sind die zukünftigen Folgen meiner Entscheidung? oder Ich frage mich, was Gott will, dass ich tun soll. Stattdessen lebte er für den Augenblick.
Gute Entscheidungen
Eine Führungspersönlichkeit sagte einmal: «Niemand wird zufällig in eine Richtung getrieben, die Gott ehrt.» Lot ist ein Beispiel dafür, wie wir nicht leben sollten. In keiner Phase seines Lebens war er ein Segen für sein Umfeld. Weit und breit kein Salz und Licht, ausser seiner Frau, die bei der Flucht aus Sodom zur Salzsäule ;-) erstarrte, weil sie gegen die Anweisung der Engel zurückblickte (19,26).
Wie können wir in unserem Leben gute Entscheidungen fällen, so dass wir nicht immer nur um unsere Reputation und unser Vergnügen vor Augen haben, sondern das Wohl der anderen Menschen? Genau das ist nämlich der Sinn des Lebens. Monika Deitenbeck-Goseberg: «Wir sind auf dieser Erde, damit es anderen durch unser Dasein leichter wird zu leben, zu lieben, zu leiden, zu glauben. Das ist der Sinn unseres Lebens.»
- Einer der weltweit wichtigsten Management-Denker ist Clayton Christensen, ein Harvard Professor, führt sein Leben mit Gelübden – ein alter Begriff für ein nicht zu brechendes Versprechen. Man kann dies auch ein «absolutes Commitment». In seinen jungen Jahren beobachtete Christensen viele Manger, die den ersten Teil ihres Lebens ausschliesslich ihrer Karriere opferten, um sich dann in der zweiten Lebenshälfte – mittlerweile finanziell unabhängig – ganz ihrer Familie widmen zu können. Blöd war nur, dass diese Familien dann oft entweder zerbrochen oder schon längst ausgeflogen waren. Also legte Christensen ein Gelübde ab und versprach Gott, an den Wochenenden nicht zu arbeiten und an Werktagen zum gemeinsamen Abendessen zu Hause zu sein. Was bedeutete, dass er manchmal um drei Uhr morgens zur Arbeit fuhr. Warum nicht von Fall zu Fall entscheiden?
- Im Jahr 1519 erreichte der spanische Eroberer Hernan Cortés die Küste Mexikos. Kurzerhand erklärte er Mexiko zur spanischen Kolonie und sich selbst zum Gouverneur derselben. Daraufhin liess er seine Schiffe versenken und nahm sich und seiner Truppe die Möglichkeit zur Rückkehr. Warum gab Cortés seine Wahlfreiheit preis?
- Immer wieder fragen mich Leute, ob ich denn bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit mit dem Velo zur Arbeit fahre. Ja, dies gehört zu meinem Gelübde und ich muss mich nicht von Fall zu Fall entscheiden.
- Ich erinnere mich an einen meiner Jugendleiter von früher. Er erzählte uns, dass er nach Hiob 31,1 leben will. «Ich habe einen Bund mit meinen Augen geschlossen, dass ich keine Jungfrau mit begehrlichem Blick anschauen will» (NL). Warum nicht von Fall zu Fall entscheiden?
- Aufgrund einer Erfahrung integrierte ich kürzlich zu meinem inneren Commitment, dass ich Personen, bei denen ich den Eindruck habe, dass sie etwas gegen mich haben, ansprechen will.
- Seit Lehrlingszeiten gehört zu meinem Gelübde, dass ich monatlich den Zehnten von meinem Lohn in die Sache Gottes investieren will.
Es ist gut, in den grossen Lebensthemen wie Geld, Sex und Macht einen klaren Wertekompass zu haben. Wer von Situation zu Situation stets neu entscheiden muss, büsst Willenskraft ein. Decision Fatigue («Entscheidungsmüdigkeit») ist der wissenschaftliche Begriff dafür. Ein von vielen Entscheidungen müdes Hirn wird sich für die bequemste Variante entscheiden – und das ist nicht selten die schlechteste. Haben wir ein Commitment abgelegt, müssen wir nicht jedes Mal Vor- und Nachteile abwägen. Die Entscheidung steht bereits und kostet uns wenig Energie.
Dann gibt es aber noch die Entscheidungen, die damit nicht abgedeckt sind. Dort halte ich es mit dem amerikanischen Präsidenten Harry Truman (1884-1972). Wenn ein Mitarbeiter ihm eine Entscheidung vorlegte, lautete seine Standardfrage: «Wie viel Zeit habe ich? Eine Woche, zwei Tage, eine Stunde oder fünf Minuten?» Sein Motto: Nie früher entscheiden als nötig. Jeden vorhanden Freiraum zur Klärung nutzen. Wenn es aber soweit ist, zuschlagen und entscheiden. Die gegebene Zeit nutzen heisst nicht, passiv sein und auf den berühmten Brief vom Himmel warten. Es ist ein lebendiger Freiraum voll innerer Arbeit, sachlicher Klärung und Dialog mit Gott.
Wenn wir schnell entscheiden, dann spielen die Gefühle eine zu grosse Rolle. Entweder trifft es einen «guten» Nerv und wir sind sofort Feuer und Flamme. In diesem Zustand entscheiden wir Dinge, die wir später vielleicht bereuen. Oder die Anfrage geht uns ‘gegen den Strich’ und wir entscheiden uns dagegen, obwohl eine mutige Entscheidung richtig wäre und Gott dadurch «unser Gebiet vergrössern» will.
Lot war weder Salz noch Licht für sein Umfeld. Völlig überraschend geht er dennoch als «gerechter Mann» in die Geschichte. Der Grund: Er verliess Sodom und liess sich retten (2Petrus 2,7f). Im Gegensatz dazu braucht Jesus Lots Frau als warnendes Beispiel. Sie hängte am alten Leben und konnte sich von der bisherigen Heimat und ihrem Besitz nicht trennen. Deshalb ging sie mit Sodom unter. Jesus macht die Geschichte brandaktuell: «Und es wird in der Welt zugehen wie zur Zeit Lots. Die Menschen gingen alltäglichen Dingen nach - sie assen und tranken, kauften und verkauften, pflanzten und bauten -, bis zu dem Morgen, an dem Lot Sodom verliess» (Lukas 17,28f NL). Laut Jesus funktioniert die heutige Welt im Sodom-Style: Essen, trinken, kaufen, verkaufen, pflanzen, bauen. Wer sich zufällig durchs Leben treiben lässt, dessen Leben erschöpft sich in Trivialitäten und Eigensinn. Das Feuer, das auf Sodom fiel, setzt Jesus mit seinem Wiederkommen gleich. Und dann steht nur eine Frage im Raum: Hast du die richtige Entscheidung getroffen und Sodom hinter die gelassen? Wie kann es sein, dass Lot so viel verbockt hat und am Schluss doch gerettet wird? Das Geheimnis war Abrahams Gebet: «Doch Gott hatte Abrahams Bitte erhört: Er hatte zwar die Städte zerstört, in denen Lot gewohnt hatte, Lot selbst aber in Sicherheit gebracht» (1Mose 19,29 NL). Das ist ein Mutmacher für alle Menschen, die um Rettung und Erlösung ihrer Angehörigen beten. Dein Gebet hat Wirkung, auch wenn das Gegenteil der Fall zu sein scheint.
Mögliche Fragen für die Kleingruppen
Bibeltext lesen: Lukas 17,20-37
- Stehst du aktuell in einer Entscheidungsphase? Wie triffst du deine Entscheidungen?
- Mit welchen Gelübden führst du dein Leben? Erläutere deinen inneren Wertekompass!
- Was hältst du vom Truman-Prinzip? Was sind die möglichen Vorteile davon?
- Jesus vergleicht das Leben in Sodom mit der Situation in der Endzeit. Inwiefern dient uns Lot als Vorbild?
- Was für Gefühle löst der Gedanke bei dir aus, dass Jesus wiederkommt?