Körper & Glaube | Revolutionäre Sexualität

Datum: 16. März 2025 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: Römer 12,1+2; 1Korinther 7,4

Die Christen im 1. Jahrhundert lebten eine revolutionäre Sexualität. Die Grundlage dafür war das jüdisch-christliche Weltbild, welches Werte wie die Gleichwertigkeit von Mann und Frau, die Ehe zwischen Mann und Frau als Rahmen für das Ausleben der Sexualität, die Einvernehmlichkeit und der hohe Wert des Körpers beinhaltet. Gerade in der heutigen Zeit, in der die Einvernehmlichkeit unter Erwachsenen der oberste sexualethische Wert ist, könnten die christlichen Werte einen sehr positiven Einfluss auf die Gesellschaft haben.


Eine Studie der Ohio-State-University hat untersucht, ob Männer tatsächlich so viel mehr an Sex denken als Frauen. Das Resultat lautet: Männer denken 34-mal pro Tag an Sex, Frauen 19-mal. Aber: Männer denken auch häufiger ans Essen und ans Schlafen, was den Verdacht fördert, dass sich Männer generell häufiger mit ihren persönlichen Bedürfnissen beschäftigen, als dies Frauen tun. J. John (Autor und Evangelist) meint: «Das Problem in unserer sexgesättigten Gesellschaft ist nicht, dass wir zu viel an Sex denken, sondern dass wir so gering von Sex denken.» Wie aber sollen wir über die Sexualität denken?

«Ich bitte euch nun, liebe Brüder und Schwestern, bei der Barmherzigkeit Gottes: Bringt euren Leib (griech. Somata) dar als lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer – dies sei euer vernünftiger Gottesdienst! Fügt euch nicht ins Schema dieser Welt, sondern verwandelt euch durch die Erneuerung eures Sinnes, dass ihr zu prüfen vermögt, was der Wille Gottes ist: das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene» (Römer 12,1f ZB). Paulus fordert heraus, Gott mit dem Körper zu ehren, gerade auch durch unsere Sexualität. Das ist jedoch nur möglich, wenn wir nicht das Schema der Welt übernehmen, sondern gegenkulturell leben. Anstelle von Anpassung sollen wir uns durch die Erneuerung unseres Denkens durch den himmlischen Mentor verändern lassen. Gottes Wille ist das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene. Was die Bibel über den Körper, die Sexualität, die Identität und Beziehungen sagt, führt zu echtem, überfliessenden Leben.

Die revolutionäre Sexualität der ersten Christen

In der Zeit der ersten Christen wurden Männer und Frauen als nicht gleichwertig betrachtet. Der bekannteste und einflussreichste Philosoph der Antike, Aristoteles, sagte: «Der Mann ist naturgemäss der Frau überlegen. Der eine herrscht, der andere wird beherrscht. Dieses Prinzip gilt notwendigerweise in der gesamten Menschheit.» Sein Ziehvater Platon meinte gar: «Von den Männern, die in die Welt kamen, kann man mit Vernunft davon ausgehen, dass die Feigen oder Ungerechten in das Wesen von Frauen verwandelt wurden in der zweiten Generation.» Frau sein bedeutet, ein moralisch unterlegener oder minderwertiger Mann zu sein. Galenus (griech. Arzt; 129 n.Chr.) glaubte, dass die Frau Defekte in ihren reproduktiven Organen hat: «Die Frau ist weniger perfekt als der Mann in Bezug auf die reproduktiven Organe. Sie wurden in ihr gebildet, als sie noch ein Fötus war, doch wegen eines Defekts in der Hitze, welche sie nach aussen treiben, konnten sie nicht gebildet werden.» Die Fortsetzung ist dann etwas ‘seelsorgerlicher’: «Es muss aber Frauen geben. Wir sollten nicht denken, dass der Schöpfer absichtlich die Hälfte der Menschheit unperfekt liess, sozusagen verstümmelt, ausser dass diese Verstümmelung einen Vorteil hat.» Auch im religiösen Judentum wurde die Frau als minderwertig betrachtet. Rabbi Elieser ist der Meinung: «Lieber die Thora verbrennen, als sie den Händen einer Frau anzuvertrauen.»

Dieses doppelbödige Denken führte zu einer doppelbödigen Praxis – gerade auch in der Sexualität. Eine frisch verheiratete Frau wird von Plutarch unterrichtet: «Wenn dein Ehemann ein ‘peccadillo’ (Kavaliersdelikt) mit einer Geliebten oder Sklavin hat, sei nicht empört oder wütend, es ist sein Respekt für dich, der ihn dazu führt, seine Ausschweifung, Zügellosigkeit und Mutwilligkeit mit anderen Frauen zu teilen.»

Frauen mussten ihren Ehemänner treu sein. Das griech. Wort Monandros bezeichnete eine Frau und lässt sich mit nur einen Mann habend übersetzen. Für Männer gab es kein entsprechendes Äquivalent, sie konnten mit sehr vielen Partnern Umgang haben. Deshalb ist folgender Ausdruck revolutionär und kommt einer neuen Wortschöpfung gleich: «[...] Mann einer einzigen Frau [...].» (1Timotheus 3,2 LUT).

Im Gegensatz zur damaligen Kultur finden wir in der Bibel gleichwertiges Denken. In Korinth sind ehemalige Heiden zum Glauben an Jesus Christus gekommen. Zu denen sagt Paulus: «Die Ehefrau gibt ihrem Mann das Recht über ihren Körper, und ebenso gibt der Ehemann seiner Frau das Recht über seinen Körper» (1Korinther 7,4 NLB). Das erste, das auffällt, ist, dass die zugesprochene Rechte über den anderen Körper eine interne Ehesache ist. Und dann wird hier das Grundprinzip der Einvernehmlichkeit eingeführt. Dieser Grundsatz erstreckt sich über das ganze Kapitel 7. Niemand hat ein Anrecht auf ausgelebte Sexualität vom Ehepartner. Im Gegenteil, es soll ein Miteinander sein.

Bryan Chapell: «Indem das Christentum die Verbindung von Sex und sozialer Ordnung aufbrach, schützte es die Schwachen vor Ausbeutung. Kein Mann konnte Sex von einer Frau verlangen, ohne seine Unabhängigkeit aufzugeben, und sein ganzes Leben an sie zu binden. Kein Mann konnte mehr von seinen Bediensteten Sex verlangen. Die Schwächeren – Frauen, Sklaven, Kinder – wurden durch die Vorgaben geschützt, dass Sex nur im sicheren Rahmen eines Ehebundes stattfinden darf.»

Das Christentum war gleichzeitig konfrontierend und attraktiv, gegenkulturell und der Kultur dienend. Es ersetzte das doppelbödige Denken des Heidentums durch gleichwertiges Denken und löste dadurch eine sexuelle Revolution aus. Das Evangelium war auch gute Nachricht für das Schlafzimmer. Nicht zuletzt, deshalb war es attraktiv. Es kamen viele Menschen zum Glauben – zu Beginn vermutlich eher mehr Frauen.

Sexuelle Freiheit in der westlichen Welt

Zwei Begriffe kennzeichnen die sexuelle Revolution der heutigen westlichen Kultur: sexuelle Freiheit und Selbstbestimmung.

  • Ich liebe, wen und wie ich will
  • Ich bin das, was ich fühle

Diesen Statements liegt das Recht zugrunde, sich authentisch auszudrücken. Wenn ich mein Gefühl nicht ausleben kann, verleugne ich mich selbst. Der Körper hat sich dem Gefühl unterzuordnen. Das, was ich fühle, bin ich. Ich bin das, was ich mich fühle. Deutliches Zeichen dafür ist, dass ab 2014 auf Facebook ca. 60 Möglichkeiten zur Auswahl stehen, um das Geschlecht anzugeben. Weil der authentische Selbstausdruck so hoch gewichtet ist, werden andere Meinungen als direkten Angriff auf eine Person verstanden und als Diskriminierung gewertet.

Die Grenze und zugleich oberster Wert dieser sexuellen Freiheit ist die Einvernehmlichkeit unter Erwachsenen. Unsere Kultur zelebriert nur Einvernehmlichkeit und praktiziert Sexualpraktiken, die in der Bibel niemals gutgeheissen werden. Diese Kultur hält auch in Kirchen Einzug. So schreibt ein christliche Ratgeber in einem Blog: «Lieber Roland, herzlichen Dank! Mit Polyamorie, Selbstbefriedigung und allen einvernehmlichen Sexualpraktiken unter erwachsenen Menschen habe ich gar kein Problem.» Polyamorie meint ein Netzwerk von Sexualpartnern, wo man weiss, mit wem der andere auch sexuell intim ist. Alle müssen einverstanden sein.

Die sexuelle Revolution in der westlichen Gesellschaft soll zuerst gewürdigt werden. Drei positive Punkte sollen herausgegriffen werden: die Gleichberechtigung der Frauen, die Sensibilisierung betreffend Übergriffe und sexueller Grenzverletzung sowie die Integration von sexuellen Minderheiten. Das Anliegen, Menschen ungeachtet von ihrer Religion, Herkunft und sex. Orientierung in Gesellschaft und Kirche zu integrieren und mit Würde zu behandeln, ist etwas, das wir von Herzen unterstützen sollten. In der Kirche, die ich im Sommer 2023 in Kanada besuchte, sagte eine Transfrau, dass sie sich nirgends so sicher und angenommen fühle, wie in dieser Kirche.

Auf der andern Seite gibt es auch einige problematische Entwicklungen. Folgende Stichworte sollen hier erwähnt sein:

  • Ichbezogenheit statt Liebe (Selbstausdruck anstelle von Selbsthingabe)
  • Abwertung des Körpers (hohe Gewichtung des Gefühls)
  • Fragile Identität (der Körper ist nicht mehr fixe Orientierung – heimatlos im eigenen Körper)
  • Banalisierung von Sex (Sex ist nicht mehr eingebunden in das Konzept von Beziehung, es ist ein körperlicher Akt, der kaum mehr Bedeutung hat)

Die kollateralen Schäden dieser sexuellen Freiheit betreffen die ganze Gesellschaft, den Partner und die Kinder. Nochmals Bryan Chapell: «Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass die moderne Bewegung der sexuellen Befreiung in vielerlei Hinsicht ein Rückschritt ist. Sie dreht die Uhr zurück auf die zugrundliegende Logik Roms. Die moderne Kultur hat die Verbindung zwischen Sex und Gott aufgehoben und Sex wieder mit der sozialen Ordnung verknüpft.»

Gegenkulturell sein und der Kultur dienen

Vielleicht war der wichtigste Faktor der revolutionären Sexualität der ersten Christen die Einvernehmlichkeit. Doch es war ein Wert aus einem Gesamtpaket. Nebst der Einvernehmlichkeit gibt es in der christlichen Weltsicht weitere Aspekte: die Gleichwertigkeit, der hohe Wert des Körpers, die biblische Sicht auf die Ehe zwischen Mann und Frau, welche den Rahmen für das Ausleben der Sexualität bietet.

Im Gegensatz dazu ist die aktuelle sexuelle Revolution eine Revolution ohne Schöpfer und Erlöser – ohne Christus. Die Antwort auf die heutige säkulare sexuelle Freiheit ist eine neue Revolution mit Christus!

Was könnte es heute für Jesusnachfolger bedeuten, gleichzeitig konfrontierend und attraktiv, gegenkulturell und der Kultur dienend zu sein? Es braucht die Überzeugung, dass die biblische Moral in Wirklichkeit eine höhere Auffassung von Schöpfung und Körper zum Ausdruck bringt als die säkulare Moral. Gott ist keine Spassbremse, sondern gönnt uns das Leben im Überfluss. Sie gewährt dem Menschen mehr Würde und Wert und ist letztlich erfüllender. Und dann braucht es den Mut, sich nicht ins Schema dieser Welt einzufügen, sondern positiv und erfrischend anders zu leben.

Wichtig scheint mir zudem zu sein, dass Christen nicht einfach gegen die sexuellen Gewohnheiten der Gesellschaft reden, sondern konstruktiv und positiv für einen Lebensstil mit Christus propagieren. Ein hervorragender Ansatzpunkt, der sich anbietet, ist die Betonung des hohen Werts des Körpers.

Paulus sagt: «Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes in euch ist, der in euch lebt und euch von Gott geschenkt wurde? Ihr gehört nicht euch selbst, denn Gott hat einen hohen Preis für euch bezahlt. Deshalb ehrt Gott mit eurem Leib!» (1Korinther 6,19f NLB). Die Tatsache, dass unser Körper ein Tempel des Heiligen Geistes ist, misst ihm einen hohen Wert bei, zieht uns in die Verantwortung, unsere Sexualität im Einklang mit dem uns geschenkten himmlischen Mentor zu leben. Die Aussage, «Ihr gehört nicht euch selbst», ist ein direkte Antwort auf die zu dem säkularen Leitmotiv des authentischen Selbstausdrucks. Wir können und müssen uns nicht selbst definieren, sondern dürfen uns unsere Identität von Gott schenken und zusprechen lassen. Das biblische Konzept heisst nicht Selbstbestimmung, sondern Selbsthingabe. Das Wichtigste ist aber, dass ein Tempel des Heiligen Geistes nicht auf sich gestellt ist, sondern einen starken Unterstützer gerade auch für den Umgang mit dem Körper, mit der Sexualität hat. Das ist die Grundlage für: «Bringt euren Leib (griech. Somata) dar als lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer – dies sei euer vernünftiger Gottesdienst!» (Römer 12,1b ZB). Mit unserer Sexualität können wir Gott anbeten, ehren und würdigen oder auch das Gegenteil bewirken. Das Ausleben unsere Sexualität sagt viel über unsere Beziehung mit Gott aus, es ist eine geistliche Disziplin.

Nachfolger von Jesus sind nicht auf sich gestellt. Der Heilige Geist wohnt in ihnen. Er schenkt ihnen eine sichere Identität, führt in die Wahrheit, verändert uns und wird so zum Ermöglicher für einen Lebensstil nach Gottes Wille: das Gute, Wohlgefällige und Vollkommene.

 

Mögliche Fragen für die Kleingruppen

Bibeltext lesen: 1. Korinther 7,1-16

  1. Wie war der Stellenwert der Frau und des Mannes zurzeit Jesu? Wie wurde die Sexualität ausgelebt?
  2. Welche Werte führten zu einer regelrechten revolutionären Sexualität der ersten Christen?
  3. Was für Werte gelten heutzutage auf dem Gebiet der Sexualität? Was ist der Leitgedanke?
  4. Wie können Jesusnachfolger heutzutage gegenkulturell sein und doch der Kultur dienen? Wie können sie konfrontieren und doch attraktiv sein?
  5. Glaubst du zutiefst, dass die Sexualethik der Bibel zu wahrem Leben führt?