Datum: 13. November 2022 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: Philipper 2,1-5

Eine grosse Gemeinde erlebt viele Herausforderungen. Für ein gutes Miteinander braucht es alle, jung und alt!


 

Unsere Hoffnung bekommt Nahrung, wenn wir das ruppige Trainingsgelände in unserem Alltag annehmen und es in der Gemeinschaft mit andern meistern.

Das war der letzte Satz von Matthias‘ Predigt am vergangenen Sonntag. An diesem Satz möchte ich heute Morgen anknüpften.

Willkommen im Gottesdienst, dem wichtigen Gemeindeanlass, an dem Gemeinschaft ganz grossgeschrieben wird! Das kostbarste Eigentum von Jesus Christus ist seine Gemeinde. Sie ist ihm so wichtig wie einem Bräutigam seine Braut. Ein Christ sehnt sich nach Gemeinschaft. Er will seinen Glauben mit andern teilen. Er ist dankbar für ein Gegenüber, wenn Bedrängnisse und Nöte uns Schwierigkeiten machen. Jesus prägt, formt seine Gemeinde, sie soll Gestalt annehmen; er will sie ans Ziel bringen und vollenden.

Den Glauben mit andern teilen. Füreinander da sein, uns gegenseitig im Glauben unterstützen, das ist gar nicht so einfach. Es ist oft einfacher über Politik zu reden, über das Wetter oder einen coolen Film, den man reingezogen hat. Aber die Frage wie es einem geht im Unterwegssein mit Jesus ist schon fast ein Tabu. Kannst du deine Herausforderungen im Glauben in der Gemeinschaft mit andern meistern?

Oder musst du wie der Kranke am Teich Bethesda bekennen: «Ich habe keinen Menschen»?

Man sagt, folgende Geschichte habe sich vor langer Zeit in Amerika abgespielt: Eine Grundschullehrerin hat in einer Religionsstunde ihre Klasse gefragt: «Wer von euch möchte später mal in den Himmel kommen?» Alle Kinder streckten ohne zu zögern den Arm in die Höhe. Nur Charlie nicht! Die Lehrerin wendet sich ganz erstaunt an ihn: «Nun Charlie, möchtest du wirklich nicht?» Der Bursche antwortete: «Natürlich will ich in den Himmel kommen, aber doch nicht mit diesem Haufen da» und zeigte in die Runde!

Die Frage ist, gibt es für dich Leute hier in der Gemeinde, mit denen du lieber nicht die Wohnung im Himmel teilen möchtest? Jesus baut seine Gemeinde mit Menschen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Er liebt sie alle. Alle sind Jesus wichtig! Er will einmal alle bei sich haben, Nörgler, Motzer, Eigenbrötler, Grosse, Kleine, Schöne, weniger Schöne, Skeptiker, Positive, Zweifler, Optimisten, Querulanten, Aktive, Passive, Kontaktfreudige, Einsiedler… man könnte noch x-beliebig weiterfahren mit aufzählen. Wir haben ohne Ausnahme alle viel, viel Grund zum Danken, dass wir zur Gemeinde von Jesus gehören dürfen. Klaus Heizmann hat ein Dankeslied für Gott kreiert, in dem folgende Sätze vorkommen: «Bedenke, in Jesus vergibt er dir gern, du darfst ihm so wie du bist nah’n. Er liebt dich, auch wenn du ihm Kummer gemacht, ist näher als je du gemeint. Er hat dich in seine Gemeinde gestellt und macht dich zum Dienen bereit.»

Jesus streckt seine Hand aus und die Menschen dürfen zu ihm kommen und sich in seine Hand fallen lassen. Leider ist das Miteinander in einer Gemeinde nicht immer so angenehm, wie das in die Hand Gottes zu fallen! Es fordert uns heraus. Das ist aber verständlich, wenn sich so viele verschiedene Menschen zusammen tun in einer Gemeinde. Es kann einige Zeit dauern, bis man einige Leute kennt und das Vertrauen in sie so gross ist, dass man alles mit ihnen teilen kann.

Der Apostel Paulus hat viele Gemeinden gegründet. Er hat sich um sie gekümmert. Er hat für sie unaufhörlich gebetet und hat ihnen Briefe geschrieben.

In seinem Brief an die Philipper gibt es im zweiten Kapitel einen Abschnitt, in dem er dieser Gemeinde vor die Augen hält, was zu einem gelingenden Miteinander in der Gemeinde gehört: «Nicht wahr, es ist euch wichtig, einander im Namen von Christus zu ermutigen? Es ist euch wichtig, euch gegenseitig mit seiner Liebe zu trösten, durch den Heiligen Geist Gemeinschaft miteinander zu haben und einander tiefes Mitgefühl und Erbarmen entgegenzubringen?» (Philipper 2,1 NGÜ).

Einander ermutigen, einander trösten. Den einen sieht man es von Weitem an, dass es ihnen nicht gut geht. Andere können das gut verstecken. Sie halten sich eher zurück und reden nicht gerne über sich selbst. Sie wollen selbst mit ihren Problemen fertig werden. Es braucht schon viel, bis jemand zugibt, dass er in einer Krise steckt. Viele sind eher zurückhaltend: «Vielleicht meine ich nur, es gehe dieser Person nicht gut? Wie soll ich sie ansprechen? Ich möchte sie nicht vor den Kopf stossen!»

Mit der ‘allerwelts’ Frage «Wie geht es dir?» machen wir meist schlechte Erfahrungen, denn sie verleitet das Gegenüber zu einem schnellen, unechten «Danke, gut!» Geh doch zunächst einfach mal mit viel Liebe auf dein Gegenüber zu: «Schön dich zu treffen. Ich freu mich, dass du auch da bist, wie war deine Woche?» bevor du sie konfrontierst mit dem, was dir auffällt: «Du siehst schrecklich aus. Geht es dir nicht gut. Hast du schlecht geschlafen?» Nein, bitte so nicht! Aber es ist wichtig, dass wir die Augen und die Herzen offen halten für unsere Nächsten hier. In einer so grossen Gemeinde wie wir sind, ist es schwieriger. Aber ich bin überzeugt, dass jedermann und jede Frau ihre vertrauten Personen hier finden kann. Renne nach dem Gottesdienst nicht gleich davon! Geh ins Bistro und trink oder iss noch etwas. Wenn ihr ein Ehepaar seid, dann trennt euch und sitzt allein an einen Tisch. Das weckt Anteilnahme unter uns. So bald der Partner Leute bei sich am Tisch hat, wechselst du zu ihm hinüber, wenn du immer noch allein bist. Schliesse dich einer Kleingruppe oder einer Interessengruppe an, und vor allem verpass das Gemeinde-Wochenende oder die Gemeindeferien nicht! Ich möchte uns allen einfach Mut machen, auf andere zuzugehen. Wenn Paulus hier in diesem Vers schreibt: «[...] durch den Heiligen Geist Gemeinschaft miteinander zu haben [...]», dann wird uns der Heilige Geist auch die richtigen Worte auf die Zunge legen, die zu einem offenen Gespräch führen!

Paulus ruft uns auf, uns auch gegenseitig zu trösten: «Es ist euch wichtig, euch gegenseitig mit seiner Liebe zu trösten.» Traurige zu trösten ist noch schwieriger. Da ringen wir manchmal um die richtigen Worte, sei es bei einem Todesfall oder einer schlimmen Krankheit. Andere trösten, das müsste man eigentlich von Jugend auf lernen. Ich erinnere mich: Ich habe mal im Religionsunterricht einer Klasse den Auftrag gegeben, einer Schulkameradin oder einem Schulkameraden, die zum Beispiel einen Elternteil verloren haben, ein kurzes Brieflein zu schreiben, um damit dem Mitleiden Ausdruck zu geben. Ich erwartete Sätze wie: «Das ist so schwer für dich. Du tust mir leid! Ich bin traurig mit dir! Ich denke an dich!» Aber alle standen wie vor einem Berg. Da war nur Verlegenheit zu spüren. Die Zettel blieben leer!

Es ist wichtig, dass wir genau lesen, wie Paulus hier schreibt: «Es ist euch wichtig, euch gegenseitig mit seiner Liebe zu trösten.» Du musst nicht stundenlang nach Worten ringen. Gottes Liebe in dir wird dich zu den richtigen, passenden und helfenden Worten führen.

Er schreibt hier «einander tiefes Mitgefühl und Erbarmen entgegenzubringen!» Wer das schon einmal bekommen und geschmeckt hat, weiss, wie wohltuend das sein kann! Das tut gut! Solche Liebe saugt man richtig auf!

Es hat noch nie einen so warmen Oktober wie in diesem Jahr gegeben, und doch wird es auf dieser Welt immer kälter. Nicht wegen der Energiekrise, sondern weil die Einsamkeit sich verbreitet. Füreinander da sein, einander ermutigen, einander trösten – danke Paulus, dass du uns darauf aufmerksam machst, und das müssen wir nicht aus der Tube drücken, Gottes Liebe und der Heiligen Geist sind am Drücker!

Wir kommen zum zweiten Vers: «Nun, dann macht meine Freude vollkommen und haltet entschlossen zusammen! Lasst nicht zu, dass euch etwas gegeneinander aufbringt, sondern begegnet allen mit der gleichen Liebe und richtet euch ganz auf das gemeinsame Ziel aus» (Philipper 2,2 NGÜ). Jesus und seine Gemeinde sind angefeindet. Jesus hat einen Gegenspieler. Dem gefällt es gar nicht, wenn wir uns zusammenhalten! Satan setzt sich entschlossen dafür ein, uns zu trennen, unsere Gemeinschaft zu zerstören. Er will uns gegeneinander aufreiben. Aber das soll ihm nicht gelingen.

Da kommt wieder Gottes Liebe in uns zum Zug: Begegnet einander mit dieser Liebe! Hier ist die Agape, die göttliche Liebe gemeint! «und richtet euch ganz auf das gemeinsame Ziel aus.» Da wären wir wieder beim Charlie! «Ich möchte schon in den Himmel, aber nicht mit diesem Haufen da!» Wenn ich euch so anschaue, dann muss ich sagen, ich freue mich riesig mit euch auch mal im Himmel zusammen zu sein! Schaut doch mal einander an hier im Saal und freut euch auf den Himmel! Paulus erwähnt noch einiges in diesen ersten 5 Versen von Kapitel 2. Die Zeit reicht nicht, um auf alles noch einzugehen.

Im 5. Vers schreibt er zusammenfassend: «Das ist die Haltung, die euren Umgang miteinander bestimmen soll; es ist die Haltung, die Jesus Christus uns vorgelebt hat» (Philipper 2,5 NGÜ). Nach dem Lesen dieser 5-Vers-Liste haben mich zwei Sachen bewegt.

Einerseits hat es mich traurig gestimmt, dass Paulus anscheinend in den Gemeinden, die er auf seinen Missionsreisen gegründet und dann wieder besucht hat, solche Mängel festgestellt hat: Liebloser Umgang miteinander; es fehlt an Ermutigung, Trost, Mitgefühl und Erbarmen. Es gibt Trennung, Streit, etc. Andrerseits hat es mich richtig gefreut, aus diesem Brief zu spüren, dass es Jesus selbst ist, der dieses wohltuende Miteinander in einer Gemeinde möglich macht. Miteinander so umzugehen ist keine Illusion, sondern es ist möglich! Dank Jesus ist das möglich! Im Vers 13 im selben Kapitel 2 schreibt Paulus: «Gott selbst ist ja in euch am Werk und macht euch nicht nur bereit, sondern auch fähig, das zu tun, was ihm gefällt» (Philipper 2,13 NGÜ). (Andere Übersetzungen: schenkt das Wollen und Vollbringen.) Gott selbst bevollmächtigt uns dazu und rüstet uns dazu aus.

Das befreit uns zu einem echten Miteinander! Das bindet uns zusammen! So werden wir als seetal chile zu einer Familie, zu einem Ort, wo man zu Hause sein kann.

Wir dürfen als einzelne Glieder dieser Familie nicht geringschätzig von uns selbst und von andern denken, weil Gott einen anderen Massstab hat! Gott sieht alles ganz anders! «In Wirklichkeit sind oft gerade die scheinbar schwächeren oder unwichtigeren Körperteile besonders notwendig. Auf diese Weise kommt keine Spaltung im Leib zustande, sondern alle Glieder sorgen in gleicher Weise füreinander. Wenn eines leidet, leiden alle anderen mit, und wenn eines geehrt wird, freuen sich alle anderen mit. So bildet ihr gemeinsam den Leib von Christus, und jeder Einzelne gehört als ein Teil dazu» (1. Korinther 12,22-27 NLB). Paulus sagt deutlich: Am geistlichen Leib von Jesus Christus gibt es nichts Unnützes. Die kleinste Zelle ist gefragt; für einen vollkommenen Leib braucht es das kleinste Detail! Da kann ich zum Schluss nur sagen: Gut, dass es dich gibt und gut, dass du da bist!

Amen!

 

 

 

Mögliche Fragen für die Kleingruppen

Lest gemeinsam den Abschnitt Philipper 2,1-5!

  1. Was meint ihr, ist die Umsetzung dieser Ratschläge möglich? Was dünkt euch das Schwierigste dabei zu sein?
  2. Wie schafft man es, die Augen im Gottesdienst nicht nur auf bekannte Gesichter zu richten, sondern auch auf unbekannte?
  3. Gehst du auf Unbekannte zu? Wenn Ja, wie?
  4. Hast du Beziehung zu andern Generationen in der Gemeinde (Jüngere oder Ältere)
  5. «Alle Glieder sorgen in gleicher Weise füreinander.» (Ist das eine Illusion von Paulus)
  6. Habt ihr euch im Adventkalender eingetragen? Als Gäste und/oder als Gastgeber?
  7. Betet, dass neue Besucher in der seetal chile schnell und gut in die Gemeinschaft hinein finden!