Advent – wachen, nicht schlafen

Datum: 3. Dezember 2023 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: Markus 13,33-37, Matthäus 25,14-30, Römer 13,13-14

«Advenire» bedeutet ankommen. In der Adventszeit erinnern wir uns und freuen uns auf die Ankunft von Jesus Christus. Es ist gleichermassen ein Rück- wie auch ein Ausblick. Wir schauen zurück auf das erste Kommen und blicken auf das zweite Kommen. Weil wir nicht wissen, wann Jesus Christus zurückkommt, gilt es zu wachen und nicht zu schlafen. Es gilt sich bereit zu machen und bereit zu sein. In dieser Zeit des Wartens sollen wir uns an Jesus Christus halten und unser Leben von ihm bestimmen lassen.


Als ich ganz klein war, hatte ich es nicht so gerne, wenn meine Eltern weggingen. Besonders bei meiner Mutter fiel es mir sehr schwer. Einmal war ich so verzweifelt und wollte, dass sie unbedingt dableibt, so dass ich ihr sogar ihre Schuhe versteckte – leider vergass ich dann wo. Aber dies war nicht immer so. Als ich älter wurde, genoss ich es sehr, wenn ich zusammen mit meinen Schwestern oder auch ganz allein zu Hause war. Oftmals lud ich mir Freunde ein oder genoss es einen Abend lang zu tun was ich wollte. Oftmals kochte ich etwas Feines, räumte eine Matratze ins Wohnzimmer, damit ich bequemer Filme schauen konnte. Ich betrieb einiges an Aufwand. Was ich aber sicher nicht machte, war aufzuräumen. Daher gab es stets eine Ungewissheit, nämlich wenn meine Eltern nach Hause kommen. Dann sollten sie ja nicht gleich direkt merken, dass ich nur Filme geschaut hatte und sonst nichts tat. Mit der Zeit entwickelte ich einen Trick. Damit ich nicht überrascht wurde, rief ich irgendwann im Verlauf des Abends an. Dabei gab ich immer an, dass ich etwas suche und sie mir doch bitte kurz sagen sollen, wo dies sei. Und bei dieser Gelegenheit konnte ich jeweils noch beiläufig fragen, wann sie denn nach Hause kommen. So hatte ich immer genügend Zeit, um die Wohnung wieder ordentlich zu machen.

Jesu zweites Kommen knüpft am ersten an

Heute ist der erste Advent. Advent kommt vom lateinischen «advenire» und bedeutet ankommen. Die Adventszeit steht unter diesem Zeichen. Zum einen ist es das Rückbesinnen auf die erste Ankunft von Jesus Christus auf dieser Welt. Zum anderen erinnert uns diese Zeit auch insbesondere an das zweite Kommen von Jesus Christus, welches uns noch bevorsteht. Bevor wir uns dem zukünftigen Advent zuwenden wollen, blicken wir nochmals zurück. Jesus Christus kam zu einer unruhigen Zeit auf diese Welt. Die Nation, in die er hineingeboren wurde, stand unter einer feindlichen Macht, welche eine andere Kultur und Religion besass. Auf der einen Seite tolerierten sie die Gewohnheiten der Juden, auf der anderen Seite beanspruchten sie uneingeschränkten Gehorsam. Viele Menschen zu dieser Zeit sehnten sich nach Veränderung. Sie wünschten sich eine politische Umwälzung. Hierfür griffen sie auf eine Vorstellung zurück, welche sie im Alten Testament fanden. Sie wünschten sich einen gesalbten Retter, hebräisch «Messias» oder griechisch «Christus» herbei. In der Vorstellung war dies vor allem ein militärischer Kämpfer. Die Person Jesus passte daher für viele nicht ins Bild und so wurde er zu seiner Zeit nur von wenigen als der verheissene Retter wahrgenommen.

Das erste Kommen, die allererste Weihnacht sprengte alle Vorstellungskraft. Denn Jesus kommt ganz anders als erwartet. Anstatt als mächtiger Herrscher, kommt er als kleiner Junge auf die Welt, welcher völlig auf Hilfe angewiesen ist. Anstatt in Prunk, kommt er zwischen Tieren in einem Stall zur Welt. Anstatt in einer hochangesehenen Familie, geht sein Vater der Tätigkeit eines Zimmermanns nach. Jesu Kommen hätte sich niemand so vorgestellt. Auch beim zweiten Kommen gibt es viele Unbekannte, aber dennoch ein paar Parallelen zum ersten Advent. Es ist ohne Zweifel, dass der versprochene Retter kommt. Jesus Christus kam ein erstes Mal und er wird es auch ein zweites Mal tun. Ebenso ist der genaue Zeitpunkt nicht bekannt. Vielmehr kommt er dann, wenn es am wenigsten erwartet wird.

Der Text der heutigen Predigt steht in Markus 13,33-37 und ist der Perikopenordnung des reformierten Pfarrvereins entnommen. Vor diesem Abschnitt spricht Jesus Christus von seinem zweiten Kommen. Diesem gehen einige Zeichen vorab. Es wird Krieg, Seuchen, Erdbeben und Hungersnöte geben. Auch momentan sind all diese Dinge zu finden. Gemäss einem Bericht des IKRK gab es im November letzten Jahres weltweit über 100 bewaffnete Konflikte. Der Konflikt um Israel hat sich in den letzten Monaten neu zugespitzt. Aktuell gibt es in Samoa, Madagaskar und der DR Kongo eine seit ein paar Jahren anhaltende Masernepidemie und in Jemen wütet seit über fünf Jahren die Cholera. Am. 6. Februar erschütterte ein Erdbeben die Türkei und Syrien und am 8. September dieses Jahres gab es ein verheerendes Erdbeben in Marokko. Bei beiden starben tausende von Menschen. Schenkt man dem Bericht des global Hunger Index glauben, so ist der Hunger in mind. sechs Ländern sehr ernst. Nebst den kurz ausgeführten Übeln wird gegen Ende auch der Verrat um Jesu willen überall zunehmen. Eltern werden ihre Kinder verraten und Kinder ihre Eltern. Alle, welche Nachfolger von Jesus Christus sind, werden gehasst werden.

Hierzu möchte ich eine persönliche Anmerkung machen. Einige Menschen tendieren aufgrund all dieser Ereignisse dazu, das Kommen von Jesus als unmittelbar bevorstehend zu betrachten. Dies finde ich insbesondere problematisch, weil dahinter auch die Tendenz liegt, die eigene Zeit als zu wichtig zu nehmen. Es gab auch schon wesentlich schlimmere Zeitalter auf der Erde. Ausserdem handelt es sich bei der Auflistung bloss um den Anfang der künftigen Schrecken (Markus 13,8). Doch eines ist sicher: Wir sind dem zweiten Kommen von Jesus Christus jetzt näher als jemals zuvor. Jesus selbst sagt: «Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden ewig bleiben» (Markus 13,31 NLB). Wichtig erscheint mir auch die Intention von Jesus Christus selbst. Er sagt uns dies nicht um uns Angst zu machen, sondern er will uns dadurch beruhigen: Egal was kommt, Jesus steht über allem! Der Abschnitt, welche für die heutige Adventspredigt vorgesehen ist, beginnt mit einer Aufforderung. Doch diese gilt nicht bloss für die aktuelle Adventszeit, sondern für das gesamte Leben eines Nachfolgers von Jesus Christus. «Und weil ihr nicht wisst, wann dies alles geschieht, bleibt wachsam und seht euch vor» (Markus 13,33 NLB).

Jesu Advent kommt überraschend

Zu Beginn der Predigt habe ich euch von meinem Trick erzählt, den ich angewendet habe, wenn meine Eltern weg waren. Ich wollte bereit sein für das Kommen meiner Eltern. So wie ich bereit sein wollte, so sollen auch Nachfolger von Jesus bereit sein für das Kommen von Jesus. Er selbst drückt dies durch eine Geschichte aus. «Das Kommen des Menschensohnes lässt sich mit der Rückkehr eines Mannes vergleichen, der sein Haus verliess, um auf Reisen zu gehen. Er gab allen seinen Bediensteten Anweisungen, was sie arbeiten sollten, und wies den Türhüter an, in der Zwischenzeit nach ihm Ausschau zu halten» (Markus 13,34 NLB). Am liebsten würden wir doch Jesus kurz anrufen und fragen «wann kommst du?» Dann könnten wir uns gebührend auf seine Ankunft vorbereiten – und vielleicht in der Zwischenzeit noch anderen Dingen nachgehen. Doch dies ist bei Jesus nicht der Fall. Jesus kommt dann, wenn wir es am wenigsten erwarten.

Diese Bild des verreisenden Hausherrn kommt in der Bibel noch an anderen Stellen vor. Im Matthäusevangelium verreist er ebenfalls (Matthäus 25,14-30). Doch anstatt nur eine Anweisung zu geben, verteilt er unterschiedlich viel Säcke Gold an seine Diener. Dieses sollen sie verwalten und guten Ertrag erwirtschaften. Dabei werden drei Diener erwähnt. Der Erste erhält fünf Säcke Gold, der Zweite zwei Säcke und der dritte erhielt noch einen Sack. Je nach den unterschiedlichen Fähigkeiten. Danach verreiste der Mann und kam nach einiger Zeit zurück. Alle drei kamen wieder zu ihm. Der erste war sehr erfolgreich. Er verdoppelte sein Gold und der Hausherr verhiess ihm noch mehr Verantwortung. Ebenso machte es der Zweite. Er verdoppelte sein Geld und auch ihm wurde grössere Verantwortung übertragen. Doch der dritte ging mit seinem anvertrauten Gold nicht so um wie die anderen beiden. Weil er unzufrieden war mit der Art und Weise des Hausherrn, versteckte er das Geld. Dies machte den Hausherrn sehr wütend und er nahm das Geld dem dritten weg und gab es dem ersten. Alle drei hatten die gleiche Aufgabe, dabei spielt es nicht eine Rolle, ob man viel erhalten hat oder wenig. Die Hauptsache ist, dass es gut eingesetzt wird. Dies ist eine Geschichte, welche wir nicht so gerne haben. Denn sie widerspricht dem Gerechtigkeitsverständnis von vielen. Wie kann Gott jemandem mehr anvertrauen als anderen? Behandelt er denn nicht alle gleich? Der Hausherr steht für Jesus. Nachfolger von Jesus haben unterschiedliche Begabungen erhalten, doch alle haben die gleiche Aufgabe, nämlich diese treu auszuführen. Dabei ist aber wichtig zu sagen, dass dieses Bild der Diener nicht nur für den Einzelnen zu verstehen ist. Sondern auch für die gesamte Kirche gedeutet werden muss. Als Kirche haben wird den Auftrag, mit dem was Gott uns gegeben hat, würdevoll und vertrauensvoll umzugehen. Und dies hoffentlich besser als ich in meinen Teenie Jahren allein zu Hause.

Aber nicht unvorbereitet

Wenn wir dies tun, dann kommt zwar Jesus Christus überraschend, aber trifft uns nicht unvorbereitet. Denn nebst den Dienern gibt es auch noch den Türsteher. «Genauso sollt auch ihr wachsam sein! Denn ihr wisst nicht, wann der Herr des Hauses wiederkommt – […]. Sorgt dafür, dass er euch nicht schlafend findet, wenn er ohne Vorwarnung kommt. Was ich euch hier sage, das sage ich allen: Seid bis zu seiner Rückkehr wachsam!» (Markus 13,35-37 NLB). Petrus einer der Nachfolger von Jesus Christus beschreibt in einem Brief, was es bedeutet, wachsam zu sein. «Bemüht euch deshalb darum, liebe Freunde, ein reines und tadelloses Leben im Frieden mit Gott zu führen, während ihr auf dies alles wartet» (2. Petrus 3,14 NLB).

Eine der besten Vorbereitungen ist es vorbildlich zu leben. In Römer 13,13, welcher ebenfalls in der heutigen Perikopenordnung vorgesehen ist, steht: «Unser Leben soll vorbildlich und ehrlich sein, damit es vor den Augen anderer Anerkennung findet. Wir wollen nicht an ausschweifenden Festen und Trinkgelagen teilnehmen, keinen Ehebruch begehen, nicht in sexueller Zügellosigkeit leben und uns auch nicht auf Streit und Eifersucht einlassen» (Römer 13,13 NLB). Dies ist zwar ein zweitausendjähriger Text, dennoch ist er nach wie vor aktuell und das, was angeprangert wird nach wie vor brandaktuell. Doch es geht noch weiter. «Legt das alles ab, und zieht ein neues Gewand an: Jesus Christus, den Herrn. […]» (Römer 13,14 NGÜ). Jesus Christus anziehen. Dieses Bild der Kleider anziehen, haben wir bereits in einer Predigt vor ein paar Wochen von Matthias Altwegg gehört. Wenn wir Jesus Christus anziehen, dann geht es nicht bloss darum etwas überzustülpen. Sozusagen ungewaschen, verschwitzt in neue Kleider zu steigen. Sondern es geht darum Christus anzuziehen. Die Bibelübersetzung «Das Buch» übersetzt dies sehr schön. «[…] schlüpft sozusagen in den Herrn, den Messias Jesus, wie in eine Kleidung hinein! […]» (Römer 13,14 DBU). Also nicht bloss anziehen, sondern in Jesus hineinschlüpfen. Ich habe euch zur Veranschaulichung Elysia mitgebracht. Elysia heisst zum Familiennamen Chlorotica. Sie ist eine Schneckenart, welche im Meer lebt. Die Besonderheit dieser Schnecke ist diese, dass sie als Larve Algen frisst. Dabei verdaut sie praktisch die ganze Pflanze – ausser den Farbkörperchen. Dies klingt bis jetzt noch nicht spannend, aber dann passiert etwas Gewaltiges. Denn Elysia verleibt sich diese Farbkörperchen ein und diese ermöglichen es ihr Fotosynthese zu betreiben. Was eigentlich nur Pflanzen können. Die Schnecke lebt nun frisch fröhlich 8-9 Monate weiter und stirbt schlussendlich. Ohne wieder Nahrung zu benötigen. Denn diese Schnecke wird sozusagen zu einer Pflanze. Sie zieht sich die Algen mehr oder weniger an und verändert sich dadurch. Elysia bleibt aber eine Schnecke. So wie sich Elysia die Algen einverleibt und sich verändert, so sollen auch Nachfolger von Jesus Christus in ihn hineinschlüpfen und sich im Lebenswandel durch ihn verändern lassen. Wenn dies geschieht, dann ist man durch das zweite Kommen von Jesus zwar überrascht, aber nicht unvorbereitet.

Mögliche Fragen für die Kleingruppe

Bibeltext lesen: Markus 13,33-37 (Evtl. Markus 13)

  1. Wie stehst du zum ersten Kommen von Jesus Christus? Welche Bedeutung hat dies für dich?
  2. Was machen die Zeichen der Zeit (Hungersnot, Erdbeben, Seuchen, Krieg) mit dir? Verstehst du die tröstende Absicht der Worte Jesu in Markus 13?
  3. Was löst das Gleichnis der drei Diener in dir aus (Matthäus 25,14-30)? Was macht dich wütend? Wo hast du eine offene Frage? Was hat dich angesprochen?
  4. Würdest du deinen aktuellen Zustand der Nachfolge als wachsam, schlafend oder irgendwo dazwischen einordnen? An was machst du dies fest?
  5. Was löst die Vorstellung bei dir aus, dass Jesus Christus bald kommt? Welche Emotionen empfindest du?