Abraham – Prototyp eines Nachfolgers

Datum: 18. Februar 2024 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: Hebräer 11,8-10; 1. Mose 12,1-2

Abraham hörte auf Gottes Reden und war bereit, sich auf den Weg zu machen. Er verliess das Gewohnte und suchte bisher unbekanntes Neuland auf. Diese Beweglichkeit bewahrte er sich, weil sich sein Nomadenleben in einer innerlichen Haltung der Freiheit niederschlug. Er wartete auf die neue Welt Gottes als ultimativen Ort der Glückseligkeit.


Das Ziel einer Kirche ist es nicht, attraktive Programm zu gestalten, sondern Nachfolger Jesu auszubilden. Doch aus irgendwelchen Gründen sind aus Nachfolgern bekehrte Christen geworden. Aus dem Tun ist ein Wissen, aus dem Gehen ein Sitzen geworden. Der christliche Glaube hat eine Weggestalt, alles Wesentliche geschieht auf dem Weg. Dies zeigt auch die Geschichte von Abraham, der in der Bibel als zentrale Figur des Glaubens gilt.

Hören auf Gott

«Durch den Glauben gehorchte Abraham, als Gott ihn aufforderte, seine Heimat zu verlassen und in ein anderes Land zu ziehen, das Gott ihm als Erbe geben würde [...]» (Hebräer 11,8 NLB). Sowohl in der hebräischen wie auch in der griechischen Sprache gibt es für hören und gehorchen nur ein Wort. Bezeichnenderweise finden wir den entsprechenden Wortstamm auch im griechischen Wort für nachfolgen (akolouthein). Ein Nachfolger von Jesus Christus ist jemand, der hört und gehorcht. Abraham vernahm Gottes Reden und reagierte darauf. Ohne lange Diskussionen war er bereit, seine Heimat zu verlassen.

Immer, wenn ich über diesen Auszug nachdenke, erinnere ich mich an die Szene, als Silvia und ich als junges Ehepaar mit einem Kloss im Hals und Tränen in den Augen unsere Heimat verliessen. Wir liessen unsere familiäres, berufliches und kirchliches Umfeld mit dem Wissen hinter uns, wohl nie dahin zurückzukehren. Wir haben diesen Entscheid für uns aus der Überzeugung getroffen, Gottes Stimme gehört zu haben. Dies geschah auf verschiedene Arten. Schon in jungen Jahren hat mich mein Pastor und die Kirchenleitung darauf angesprochen, dass sie glauben, ich sollte eine theologische Ausbildung machen. Tief in mir spürte ich den gleichen Eindruck, den ich trotz intensiver Bemühungen nicht eliminieren konnte. Der ultimative Anstoss war dann aber ein Bibeltext, den Silvia und ich nach unserer Heirat in einer gemeinsamen Zeit mit Gott gelesen haben. Von da an war klar, dass unser weiterer Lebensweg eine Frage des Gehorsams ist. Man kann nicht passiv auf der Kirchenbank sitzen und sich gleichzeitig in Richtung Jesus verwandeln. Jüngerschaft und Nachfolge fordern Gehorsam und betreffen den ganzen Menschen.

«Gott, der HERR, hat mir die Zunge eines Jüngers gegeben, damit ich weiss, wie ich den Müden ermutigen kann. Morgen für Morgen öffnet er mir das Ohr, damit ich höre, wie ein Jünger hört» (Jesaja 50,4 NLB). Es ist das Vorrecht, eines Jüngers von Jesus, Gottes Stimme zu hören. Typischerweise geschieht das «Morgen für Morgen», dann also, wenn alle anderen Stimmen sich noch nicht erheben.

In einer kürzlich hier von Nelia R. gehaltenen hervorragenden Predigt betonte sie, dass unsere erste Berufung ist, uns von Jesus lieben zu lassen und ihn zu lieben. «Wer meine Gebote kennt und sie befolgt, der liebt mich. Und weil er mich liebt, wird mein Vater ihn lieben und ich werde ihn lieben. Und ich werde mich ihm persönlich zu erkennen geben» (Johannes 14,21 NLB). Erkennungszeichen der Liebe zu Jesus ist der Gehorsam ihm gegenüber.

Abraham hat die Stimme Gottes gehört: «Dann befahl der HERR Abram: ‘Verlass deine Heimat, deine Verwandten und die Familie deines Vaters und geh in das Land, das ich dir zeigen werde! Von dir wird ein grosses Volk abstammen. Ich will dich segnen und du sollst in der ganzen Welt bekannt sein. Ich will dich zum Segen für andere machen’» (1Mose 12,1-2 NLB). Wenn Gott redet, geht es immer darum, in die ursprüngliche Berufung des Menschen zurückzukommen, nämlich Gottes Herrlichkeit in diese Welt zu spiegeln.

Unterwegs zu Neuland

«[...] Er ging, ohne zu wissen, wohin ihn sein Weg führen würde» (Hebräer 11,8 NLB). Ich bewundere Leute wie Abraham. Solche gibt es auch heute noch. Kürzlich hörte ich die Geschichte einer Familie aus Deutschland, die Gottes Stimme so klar zu vernehmen glaubten, dass sie ihr Haus verkauften. Gleichzeitig hatten sie den Eindruck, dass es in der Schweiz in einem kleinen Dorf, das sie noch nie gesehen hatten, weitergeht. Auf wunderbare Weise fanden sie tatsächlich am besagten Ort zur präzis richtigen Zeit eine Wohnung. Eine Nichte von mir bereitet sich auf einen längeren Einsatz in der arabischen Welt vor. Gleichzeitig hat sie auch einen starken Partnerwunsch. Obwohl sie weiss, dass ein solcher Weg ihre Chancen diesbezüglich mathematisch betrachtet, drastisch verkleinert, geht sie mutig voran. Vom Schulleiter des TSC habe ich folgenden weisen Satz mitgenommen: «Tue immer wieder mal etwas, wovor du etwas Angst hast.» Diese Herausforderung begleitet mich seitdem. Letztes Mal ernsthaft umgesetzt habe ich sie letzten Sommer, als ich mich für mein Sabbatical nach Kanada aufmachte.

Nachfolge beinhaltet die Bereitschaft, auf Gottes Reden hin die eigene Sicherheits- bzw. Komfortzone zu verlassen. Was bleibt, ist die Zusage, die Josua vor der Landeinnahme von Gott erhielt: «Sei stark und mutig! Hab keine Angst und verzweifle nicht. Denn ich, der HERR, dein Gott, bin bei dir, wohin du auch gehst» (Josua 1,9 NLB). Die eigene Sicherheits- und Komfortzone zu verlassen, bedeutet nicht ausschliesslich einen Aufbruch in ein geografisch fremdes Land! Aber Nachfolge ist in jedem Fall etwas für Pioniere, auch wenn Neuland etwas scheinbar Kleines wie ein ehrliches Gespräch, einen Liebesdienst am Nachbarn, die Mitarbeit in der Kirche, die Veränderung einer Lebensgewohnheiten, Hoffnung in düsterer Zeit oder das Aufsuchen von seelsorgerlicher Unterstützung bedeuten kann. Obenstehende Zusage Gottes gilt jedenfalls auch für das Betreten solchen Neulands.

Dass Abraham, der Prototyp des Glaubens, mit seiner Familie in ein neues Land aufbrechen musste, hat eine tiefe geistliche Bedeutung. Nachfolge Jesu ist nämlich konkret, materiell und gegenständlich. Es geht um Familie und neues Land und nicht nur um Sündenvergebung und das Ticket für einen vergeistigten Himmel. Wenn wir bei einem Evangelium der Rechtfertigung stehenbleiben, folgen daraus unzählige bekennende Christen, die vielleicht bereit sind zu sterben, aber nicht bereit zu leben. Jüngerschaft und Nachfolge bedeutet, von Jesus Christus zu lernen, wie man jetzt schon im Reich Gottes lebt, so wie Er es während seiner Zeit auf der Erde vorgemacht hatte. Rechtfertigung ist von Erneuerung untrennbar. Und die Erneuerung führt ganz natürlich zu Heiligung und Verherrlichung. Ein Evangelium der Rechtfertigung allein bringt keine Nachfolger hervor. Das Leben mit Jesus ist keine rein spirituelle, geistliche Angelegenheit. Man kann nicht passiv auf der Kirchenbank sitzen und sich gleichzeitig in Richtung Jesus verwandeln. Jüngerschaft und Nachfolge fordern Aktivität und betreffen den gesamten Menschen.

Am Ende der Zeit werden Nachfolger von Jesus nicht in einen fernen Himmel kommen, wo lauter Seelen herumschwirren. Nein, Gott schafft eine neue Erde und einen neuen Himmel, wo alle durch Jesus gerechtfertigten Menschen mit neuen Körpern zusammen mit Gott wohnen werden. Als Nachfolger antizipieren wir an dieser herrlichen Zukunft und üben uns darin, ganzheitlich erneuert zu leben.

Fremder im Zelt

«Und selbst als er das Land erreichte, das Gott ihm versprochen hatte, lebte er dort aus der Kraft des Glaubens – denn er war in dem Land wie ein Fremder, der in einem Zelt wohnte, ebenso wie Isaak und Jakob, denen Gott dieselbe Zusage gegeben hatte. Abraham konnte so handeln, weil er auf eine Stadt mit festem Fundament wartete, deren Bauherr und Schöpfer Gott selbst ist» (Hebräer 11,9-10 NLB).

Abraham war deshalb bereit, in der vergänglichen Welt Neuland zu betreten, weil er tief im Herzen auf das neue Jerusalem, die neue Welt Gottes, wartete. Er verstand sich als Pilger, als Bürger eines ultimativ besseren Ortes (Philipper 3,20). Ein Nachfolger von Jesus hat die tupf genau gleiche Perspektive. Es wartet einen neuen Himmel und eine neue Erde, wo er mit einem neuen Körper leben wird. Als Jünger von Jesus sollen wir im Wissen, dass wir für etwas ungleich Höheres bestimmt sind, ganz im Jetzt leben. Diese Aussicht verändert alles. Das Leben auf dieser Welt muss nun nicht mehr das ganze Glück bieten. Die ultimative Glückseligkeit kommt später. Im Zelt wohnen hat etwas Abenteuerliches, Vorläufiges und Befreiendes an sich. Eine indische Weisheit sagt: «Die Welt ist eine Brücke. Geh hinüber, aber bau nicht deine Wohnung dort.»

Mit der Aussicht auf «eine Stadt mit festem Fundament» werden wir anders leben, freier, mutiger, gehorsamer. Wenn wir unseren Anker in dieser Stadt gesetzt haben, werden wir hier auf Erden Neuland betreten, Schritte aufs Wasser wagen. Selbstkritisch frage ich mich, ob wir ernsthaft auf Gottes neue Welt warten oder eben doch vielmehr hoffen, dass sie noch lange nicht kommen mag. Aber – unserer Nachfolge wird ein gewaltiger Schub verliehen, wenn wir unser Herz jetzt schon unbeirrt auf die Stadt mit festem Fundament ausrichten.

Der Grund, dass wir uns so stark an die Sicherheiten dieser Welt klammern, sind falsche Vorstellungen der zukünftigen Stadt. Letztes Jahr starb Timothy Keller, ein New Yorker Pastor, dem ich liebend gern zuhöre. Angesichts seines Sterbens sagte er: «Das Einzige, was der Tod einem Christen antun kann, ist dessen Leben unendlich zu verbessern.» John Donne, englischer Theologe aus dem 16. Jahrhundert schrieb einmal: «Ich werde von den Toten auferstehen. Ich werde den Sohn Gottes, die Sonne der Herrlichkeit, sehen und selbst wie die Sonne scheinen. Ich werde mit den Menschen längst vergangener Zeiten vereint sein und auch mit Gott selbst, der keinen Morgen hatte, der nie begann. [...] Kein Mensch hat Gott je gesehen und ist am Leben geblieben. Und doch werde ich nicht leben, bis ich Gott sehe. Und wenn ich ihn gesehen habe, werde ich nie mehr sterben.» Worte werden nie ausreichen, um die herrliche Stadt mit festem Fundament zu beschreiben.

 

Wir müssen das Leben vorwärts leben, verstehen es aber oft erst beim Zurückschauen. Deshalb benötigen Aufbrüche zu Neuland so viel Mut. Was ist aus dem Aufbruch von Abraham geworden? Gott hat Sein Wort gehalten. Es ist ein grosses Volk entstanden – Gottes Volk. Was ist aus unserem Aufbruch vor 30 Jahren geworden? Gott hat Sein Wort gehalten. Als Familie leben wir in der tiefen Gewissheit, an dem Ort zu sein, wo Gott uns brauchen will.

 

Mögliche Fragen für die Kleingruppe

Bibeltext lesen: Hebräer 11,8-10; 1. Mose 12,1-2

  1. Stand heute: Wie würdest du Nachfolge Jesu in einem Satz definieren?
  2. Nachfolge beginnt immer damit, dass wir Gottes Stimme hören. Wie hörst du Gottes Stimme? Wie und wann gibst du Gott bewusst die Möglichkeit, zu dir zu reden?
  3. Nachfolge beinhaltet die Bereitschaft, in Neuland aufzubrechen. Was für Erfahrungen hast du damit gemacht? In welchem Lebensbereich könnte für dich ein mutiger Schritt dran sein?
  4. Was für Auswirkungen hat es, wenn jemand auf die Stadt mit festem Fundament wartet? Was ist diesbezüglich deine Erwartungshaltung? Wie könnte diese gefördert werden?
  5. Werdet stille und hört auf Gott. Fordert er dich an einem Punkt heraus?