Nachfolgen – vom Besten lernen
Serie: Folge du mir nach | Bibeltext: 1. Mose 22,1-19
Mit etwas Abstand ist es manchmal leichter zu sagen, was die entscheidenden Faktoren im Leben eines Menschen waren. Der Autor des Hebräerbriefs tut genau dies im Rückblick auf Abraham, dem Vorbild des Glaubens. Abraham wusste, dass seine Heimat nicht diese Welt ist, und er vertraute auf die Auferstehungskraft. Diese Denkweise war die Voraussetzung für seinen Gehorsam und echte Anbetung Gottes – und sie ist es heute noch für die Nachfolge Christi.
Abraham und Sarah hatten das Versprechen, dass durch sie und ihre Nachkommen die ganze Welt gesegnet werden soll. Doch ganze 25 Jahre lang funktionierte es in ihrer Ehe mit dem Kinderkriegen nicht. Da noch keine Fortpflanzungsmedizin zur Verfügung stand, halfen sie Gott beim Lösen des Problems, indem Abraham mit der Magd Hagar schlief. Obwohl ein solcher Weg zur damaligen Zeit gängig war, war es nicht Gottes Plan. Ehefrau Sarah soll die Mutter sein. Und tatsächlich im Greisenalter von 90 bzw. 100 Jahren kam ihr gemeinsamer Sohn Isaak zur Welt. Die Freude war unendlich riesig – währte aber nicht sehr lange.
Denn nach wenigen Jahren kam die grosse Ernüchterung: Gott fordert von Abraham, dass er Isaak auf dem Berg Morija als Brandopfer darbringen soll. Zu jener Zeit waren Menschenopfer in den ihn umgebenden Völkern üblich. Die Erstgeburt gehörte der jeweiligen Gottheit. Die Probe für Abraham bestand nicht darin, seinen Sohn zu opfern, sondern die langersehnte Verheissung aufzugeben. Was nun folgt, ist weder eine lange Diskussion noch ein Lamento, sondern: «Am nächsten Morgen stand Abraham früh auf. Er sattelte seinen Esel und nahm seinen Sohn Isaak sowie zwei seiner Diener mit. Dann spaltete er Holz für das Brandopfer und machte sich auf den Weg zu dem Ort, den Gott ihm genannt hatte» (1Mose 22,3 NLB).
Die Geschichte endet damit, dass er für das letzte Wegstück seine Begleiter zurückliess, um in der letzten Stunde von Isaak ganz allein mit ihm zu sein. Und dann, als Abraham bereits das Messer in der Hand hatte, kommt das Stoppsignal. «In diesem Augenblick rief der Engel des HERRN ihn vom Himmel: ‘Abraham! Abraham!’ ‘Ja’, antwortete er. ‘Ich höre.’ ‘Lass es sein’, sagte der Engel. ‘Tu dem Kind nichts. Denn jetzt weiss ich, dass du Ehrfurcht vor Gott hast. Du hättest sogar deinen einzigen Sohn auf meinen Befehl hin geopfert.’» (1Mose 22,11f NLB).
Abraham gilt – trotz einigen groben Schnitzern im Leben – als das grosse Vorbild für einen lebendigen Glauben. Warum war er sogar bereit, seinen langersehnten Sohn dem Gehorsam gegenüber Gott zu unterordnen?
Abrahams Denkweise
2000 Jahre später blickt der Autor des Hebräerbriefes auf das Erbe von Abraham zurück. Aus der Retroperspektive sind ihm zwei Punkte besonders wichtig und entscheidend dafür, dass Abraham ein Vorbild für alle Nachfolger Christi ist:
- Er wusste, dass seine Heimat nicht in dieser Welt ist: «Abraham konnte so handeln, weil er auf eine Stadt mit festem Fundament wartete, deren Bauherr und Schöpfer Gott selbst ist» (Hebräer 11,10 NLB).
- Er vertraute auf die Auferstehungskraft: «Abraham ging davon aus, dass Gott Isaak wieder zum Leben erwecken konnte, wenn er gestorben war. Und in gewisser Weise bekam Abraham seinen Sohn tatsächlich von den Toten zurück» (Hebräer 11,19 NLB).
Das Warten und die Hoffnung auf die kommende Stadt ist entscheidend für die Nachfolge. Wenn wir mit der Denkvoraussetzung unterwegs sind, dass diese Welt unsere tiefsten Sehnsüchte stillen muss, haschen wir nach Wind und setzen falsche Prioritäten. Leider nehmen wir die Zeit oft ernster als die Ewigkeit. Doch am besten setzt man sein Leben für etwas ein, das es überdauert. C.S. Lewis drückt in den folgenden zwei Zitaten ganz schön viel Wahrheit aus: «Ziele auf die nächste Welt, und du wirst diese Welt dazubekommen. Zielst du aber nur auf diese Welt, wirst du keine von beiden bekommen.» Und: «Gerade weil wir etwas anderes mehr lieben als diese Welt, lieben wir diese Welt mehr als jene, die nichts anderes kennen.» Die Blickrichtung von Abraham führt in eine riesige Freiheit von den Dingen dieser Welt. Es ist die Voraussetzung, um Jesus mutig und gehorsam nachzufolgen.
Der Tod ist die letzte Bastion des Feindes auf dieser Erde. Durch die Auferstehung von Christus wurde diese Festung gestürmt. Es gibt nichts, was für Gott unmöglich ist. Mit der genau gleichen Kraft wirkt Gott in seiner Kirche und in den Nachfolgern von Jesus (Epheser 1,19+20). Für einen Nachfolger von Jesus ist es entscheidend zu wissen, was seine Identität ist und was ihm zusteht.
Abrahams Gehorsam
Abraham wusste zwei Dinge: Gott kann alles und ER ist gut. Auf diesem Hintergrund konnte er sein ganzes Vertrauen auf Gott setzen und Ihm in allem gehorsam sein. Donald Trumps Vision lautet: America first. Der Grundgedanke von Nachfolge heisst: Jesus first. Nachfolge erfordert eine klare Priorisierung. Vor einer grossen Menschenmenge sagt Jesus: «Wer mir nachfolgen will, muss mich mehr lieben als Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern – ja, mehr als sein Leben. Sonst kann er nicht mein Jünger sein» (Lukas 14,26 NLB). Abraham hat uns vorgelebt, was das genau bedeutet.
In den Ohren einer individualistischen und hedonistischen (= Lust erhöhen, Schmerz verhindern) Gesellschaft tönen solche Sätze schon fast ketzerisch und kaum mehr umsetzbar. Kann man seine persönlichen Wünsche und «Lieblingskinder» derart zurückstellen? «Lieblingskinder» können Dinge sein wie Geld, Hobby, Beruf, Pläne, Beziehungen, Verhaltensweisen, Leidenschaften, Social Media, Kirche, Familie, etc.
Wären wir beispielsweise bereit, einen Wohnortwechsel vorzunehmen, wenn Gott in diese Richtung reden würde? Oder geben wir Gott vielleicht schon gar nicht die Möglichkeit, uns mit seinem Willen zu erreichen, weil wir selbst genau wissen, wie wir leben wollen? Nachfolge bedingt die Bereitschaft, die eigene Sicherheits- und Komfortzone zu verlassen. In meiner beruflichen Laufbahn ist es immer wieder passiert, dass ich eigene Pläne dem Willen Gottes unterordnen musste. Auch damals, als es darum ging, die Stelle in der Chrischona Seon anzutreten. Mein Plan war ein anderer und meiner Meinung nach wesentlich reizvoller. In der Nachfolge ist es notwendig, vom «hohen Ross» zu steigen und Gott in den vielen kleinen Alltagsentscheidungen die Priorität zu geben.
Ist eine solche Nachfolge, in der wir alles andere Gott unterstellen, nicht zu gefährlich? Könnte dies uns nicht zum Nachteil gereichen? Abraham schien tatsächlich alles zu verlieren: seinen Sohn und seine langersehnte Verheissung. Zumindest bei Abraham ist das Resultat eindrücklich: Er wurde zum Vater von drei Weltreligionen, gilt für Hunderte von Generation als Vorbild und hinterliess eine Nachkommenschaft wie Sand am Meer. Auch wir können nur gewinnen, wenn wir für Jesus alles verlieren (Lukas 9,24; 17,33; Johannes 12,24)!
Abrahams Anbetung
Abraham war unterwegs zum Berg Morija, auf dem sein Sohn geopfert werden sollte. Genau auf diesem Berg wird Jahrhunderte später Salomo den ersten Tempel bauen. Im Tempel berühren sich Himmel und Erde, Gott wohnt bei den Menschen. Genau darum geht es in der Nachfolge: das Himmlische soll jetzt schon auf Erden kommen und so auf die Neuschöpfung hinweisen. Jeder einzelne Nachfolger wird in der Bibel «Tempel des Heiligen Geistes» (1Korinther 3,16) genannt. Das Göttliche berührt das Irdische und erweckt es zu neuem Leben.
Der Tempel ist auch ein Ort der Anbetung. «Am dritten Tag erhob Abraham seine Augen und sah den Ort von fern. Da sagte Abraham zu seinen Knechten: Bleibt ihr mit dem Esel hier! Ich aber und der Junge wollen dorthin gehen und anbeten und zu euch zurückkehren» (1Mose 22,4+5 ELB). Abraham nennt das Opfern seines Sohnes anbeten. Es ist die allererste Stelle der Bibel, in der dieses Wort erscheint. Das hat tiefe Bedeutung und ist kein Zufall. Für Abraham ist der tätige Gehorsam Gott gegenüber Anbetung, selbst wenn er selbst durch ganz schwierige Zeiten geht. Letztendlich beten wir immer das an, was auf unserem Lebensthron sitzt. Anbetung hat mit dem heiligen Gott zu tun. Es geht primär nicht um schöne Gefühle oder Schwärmerei. Anbetung ist nicht ein Programm, das wir am Sonntagmorgen im Gottesdienst abspulen, sondern beantwortet die Frage, ob wir bereit sind, Gott unser Liebstes zu opfern, und ob Er zuoberst auf unserer Prioritätenliste steht.
Eine wichtige Aussage dieser Geschichte lautet: Gott will keine Menschenopfer! Durch die Bibel hindurch finden wir in Sachen Opfer eine Entwicklung. Die urzeitlichen Menschenopfer, denen wir bei Abraham und Isaak noch begegnen, werden Schritt für Schritt von Gott her überwunden; sie mussten Tier-, Rauch- und Brandopfern weichen, bis es schliesslich im Psalm heisst: «Mit Schlachtopfern bist du nicht zufrieden, sonst hätte ich sie dir gebracht und auch Brandopfer würdest du nicht annehmen. Das Opfer, das dir gefällt, ist ein zerbrochener Geist. Ein zerknirschtes, reumütiges Herz wirst du, Gott, nicht ablehnen» (Psalm 51,18-19 NLB). Gott will keine dinghaften Opfer, sondern einen zerbrochenen Geist, ein zerknirschtes und reumütiges Herz. Damit ist keine minderwertige Person gemeint, sondern ein Mensch, der demütig seinen Platz bei Gott findet. Paulus bringt Nachfolge und Opfer bringen zusammen, wenn er sagt: «Weil Gott so barmherzig ist, fordere ich euch nun auf, liebe Brüder, euch mit eurem ganzen Leben für Gott einzusetzen. Es soll ein lebendiges und heiliges Opfer sein – ein Opfer, an dem Gott Freude hat. Das ist ein Gottesdienst, wie er sein soll» (Römer 12,1 NLB). Wenn wir von ganzem Herzen Jesus nachfolgen, bringen wir ein Opfer, an dem Gott Freude hat. Gott sucht nicht Religion, sondern eine richtige Beziehung, wie sie Abraham gelebt hat.
Wir hören noch in die Konversation zwischen Isaak und Abraham hinein: «[...] Während die beiden zusammen auf den Berg stiegen, fragte Isaak: ‘Vater?’ ‘Ja, mein Sohn’, antwortete Abraham. ‘Wir haben Holz und Feuer’, sagte der Junge, ‘aber wo ist das Lamm für das Opfer?’ ‘Gott wird für ein Lamm sorgen, mein Sohn’, antwortete Abraham. So gingen sie zusammen weiter» (1Mose 22,6-8 NLB). Damals war es ein Schafbock, der sich mit den Hörnern in einem Busch verfangen hatte. Diese Geschichte ist eine prophetische Vorausdeutung des Opfers von Golgatha, da «Gott nicht einmal seinen eigenen Sohn verschont hat, sondern hat ihn für uns alle gegeben» (Römer 8,32 NLB). Diese Geschichte weist auf das göttliche Geheimnis der Stellvertretung – das Lamm Gottes, das die Schuld der ganzen Welt trägt. Gott sei Dank ertönt dieses Mal keine Stimme, die «Stopp» ruft. Jesus stirbt und schafft so für uns den Weg zu Gott. Er ist der geliebte Sohn Gottes und das Opferlamm in einer Person. Und ja, Er ist von den Toten auferstanden. Und das bedeutet neues Leben für uns – die Grundlage aller Nachfolge Christi.
Mögliche Fragen für die Kleingruppe
Bibeltext lesen: 1. Mose 22,1-19
- Welche Punkte gehörten laut Hebräerbrief zur Denkweise von Abraham. Welche Auswirkungen könnten diese auf unsere Nachfolge haben?
- Was denkst du über die Bereitschaft Abrahams, seinen Sohn zu opfern?
- Was sind deine Themen, die sich in der Prioritätenliste gerne vor Jesus schieben? Was hindert dich allenfalls am Motto Jesus first?
- Denkst du, dass es nachteilig sein könnte, ganz auf Jesus zu vertrauen und Ihm vollständig gehorsam zu sein? Was sind deine Bedenken und Erfahrungen? Was war das Resultat bei Abraham?