Den heiligen Gott als Vater erfahren

Datum: 1. Oktober 2023 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: Psalm 103,1-2; 8-18

Der heilige Gott ist von den Menschen Vater, die einen Bund mit ihm schliessen. Ein Kind Gottes lebt in völliger Sicherheit, profitiert vom mitfühlendem Zorn Gottes und bekommt ein ultimatives Zuhause. Diese Erfahrungen und das Erfassen dieser Wahrheit in der Tiefe des Herzens verändert uns für den Rest des Lebens.


 

In Action-Filmen werden Schauspieler oft wie Zeichentrickfiguren eindimensional als Helden oder Schurken dargestellt. Da wir keine persönliche Beziehung mit ihnen aufbauen können, stört es uns nicht, wenn sie weggeblasen werden. Vielen Menschen passiert genau das gleiche mit Gott, Er bleibt für sie eindimensional. Für manche ist Gott eine Energie, für andere ein wohlwollender Grossvater, ein strenger Richter, ein liebender Freund oder ein souveräner König. Und so haben wir einen Cartoon-Gott, zu dem wir keine persönliche Beziehung aufbauen können.

Die Bibel lehrt uns, dass Gott komplex ist. Er ist Vater, Freund, Richter, König. Wir werden dann als Christ wachsen, wenn wir die verschiedenen Arten der Liebe Gottes zusammenhalten, verstehen und darauf reagieren.

Gott ist Vater

Etwas von dieser Komplexität finden wir im Unservater-Gebet, wo es heisst: «Unser Vater im Himmel, geheiligt werde dein Name». Die Heiligkeit Gottes und seine Vaterschaft werden im gleichen Satz erwähnt. Diese sich gegenseitig befruchtenden und erstaunlichen Wesensarten mit ihren Folgen beschreibt König David in Psalm 103.

Völlige Sicherheit

«Wie sich ein Vater über seine Kinder zärtlich erbarmt, so erbarmt sich der HERR über alle, die ihn fürchten. Denn er weiss, dass wir vergänglich sind, er denkt daran, dass wir nur Staub sind» (Psalm 103,13+14 NLB).

Das hebr. Wort, das hier mit erbarmen übersetzt wird, ist ein tief emotionales Wort. Es meint viszeral (med.: die Eingeweide betreffend). Zwei Stellen aus dem Alten Testament belegen, dass diese Art von Liebe normalerweise für Mütter gebraucht werden. Der heilige Gott macht einen sehr kühnen Vergleich: «Kann eine Mutter etwa ihren Säugling vergessen? Fühlt sie etwa nicht mit dem Kind, das sie geboren hat? Selbst wenn sie es vergessen würde, vergesse ich dich nicht!» (Jesaja 49,15 NLB). Gott hat eine überwältigend viszerale Liebe, stärker noch als die Gefühle, die eine Mutter beim Stillen für ihr Kind empfindet.

In einem anderen Vergleich passiert es, dass eine Mutter nachts ihr Kind erdrückt. In ihrer Not stiehlt sie den Säugling einer anderen Mutter und behauptet, dass das Kind ihr gehöre. Richter Salomo soll den Konflikt lösen und schlägt vor: Teilt das Kind und gebt jeder Mutter eine Hälfte. «Da sagte die Frau, deren Sohn lebte, zum König – denn ihr mütterliches Herz entbrannte in Liebe für ihren Sohn – und sprach: Ach, mein Herr, gebt ihr das Kind lebendig und tötet es nicht!» (1Könige 3,26 LUT). Diese Frau begeht aus einer unglaublichen, überwältigenden, emotionalen, viszeralen Milcheinschuss-Liebe ein Kapitalverbrechen. Sie lügt vor dem König und bricht somit den Meineid. Diese Mutter ist bereit für ihr Kind ihr Leben herzugeben. Die Vaterliebe Gottes ist von diesem Kaliber.

Auf den ersten Blick denkt man, dass diese tief emotionale Liebe Gottes in V.13 damit begründet wird, dass Menschen Ihn fürchten. Das ist ein Missverständnis, denn hier liegt ein hebräischer Parallelismus vor. Der gleiche Inhalt wird mit verschiedenen Worten wiederholt. Gottes Kind sein und Ihn fürchten, ist das Gleiche. Nein, Gott liebt seine Kinder, weil sie vergänglich und Staub sind. Staub ist ein Gleichnis für Auseinanderfallen. Der himmlische Vater liebt, weil jemand gebrochen, mangelhaft und schwach. Als Kind Gottes kann man sich in dieser unauflöslichen emotionalen Verbindlichkeit absolut sicher fühlen.

Mitfühlender Zorn

«Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und voll grosser Gnade. Er wird uns nicht für immer Vorwürfe machen und nicht ewig zornig sein. Er bestraft uns nicht für unsere Sünden und behandelt uns nicht, wie wir es verdienen» (Psalm 103,8-10 NLB).

Es gibt zwei Sorten von Eltern, die das Leben der Kinder zerstören: alles erlaubende und missbräuchliche Eltern. Die alles erlaubenden Eltern legen keine Standards fest, sind nicht konfrontierend und werden nie zornig. Eigentlich müsste man von vernachlässigenden Eltern sprechen, die sich nicht für ihre Kinder engagieren. Missbräuchliche Eltern werden oft zornig und zahlen den Kindern ihr Fehlverhalten zurück. Du demütigst mich, ich demütige dich. Du verletzt meine Gefühle, ich verletze deine. Solche Eltern lassen die Kinder ihr Fehlverhalten deutlich spüren. Letzte Woche wurde von SRF eine DOK-Sendung über eine christliche Internatsschule ausgestrahlt. Einige ehemalige Schüler berichteten, dass sie missbraucht wurden und ihr Fehlverhalten mit Schlägen geahndet wurde. Bei beiden Sorten von Eltern wissen Kinder nicht, wer sie sind und ob sie geliebt werden.

Der himmlische Vater wird zornig, aber es ist kein vergeltender Rachezorn, sondern ein Zorn, der von Mitgefühl getrieben ist. Er ist langsam und immer unter Kontrolle. Das Mitgefühl und Erbarmen von Gott sind ewig, der Zorn hingegen ist temporär. Weil das viszerale Mitgefühl den Zorn treibt, ist er absichtlich und zielgerichtet. Wenn Gott nicht zornig darüber wäre, wie wir uns selbst zerstören, wäre er nicht gut und würde uns nicht lieben. Zorn ist nicht das Gegenteil von Liebe, Hass ist es. Und die ultimative Form vom Hass ist Gleichgültigkeit. Gottes Zorn ist immer ganz unter Kontrolle, weil Gott selbstlos ist. Durch seinen Zorn möchte Er uns zurück zum Leben führen. Er ist unser Vater, unser weiser Führer für unser Leben. In dunklen Momenten überlegen wir uns manchmal, ob Gott uns gerade etwas zurückbezahlt, was wir falsch gemacht haben. Nein, das tut Er niemals. Vielleicht will Er uns aber auf den richtigen Weg bringen.

Der himmlische Vater ist nur ein wohltätiger «Päppel», nein er ist – wie gesagt – der ganz Andere, der Heilige. Dass sein Zorn für uns ist, sehen wir auch hier: «Oh, wie könnte ich dich aufgeben [...]? Schon bei dem Gedanken daran bricht mir das Herz, und ich empfinde tiefstes Mitleid für dich. Ich will meinem glühenden Zorn nicht nachgeben. Ich will Israel nicht noch einmal vernichten, denn ich bin Gott und kein Mensch. Ich bin der Heilige, der mitten unter euch wohnt, und ich will nicht voller Zorn über euch herfallen» (Hosea 11,8-9 NLB).

Ultimatives zuhause

«Der Mensch – wie Gras sind seine Tage, wie die Blume des Feldes, so blüht er. Denn fährt ein Wind darüber, so ist sie nicht mehr, und ihr Ort kennt sie nicht mehr. Die Gnade des HERRN aber währt von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten, seine Gerechtigkeit bis zu den Kindeskindern, für die, die seinen Bund halten, die seiner Vorschriften gedenken, um sie zu tun» (Psalm 103,15-18 ELB).

Im Ausland geborene Amerikaner sollen jährlich 10 Billionen Dollars dafür ausgeben, um dorthin zurückzugehen, woher sie kommen. Auch für Adoptivkinder ist es so wichtig, ihre Eltern zu finden. Es gibt wohl kaum einen schlimmeren Albtraum, als dass der Platz des Aufwachsens sich nicht mehr an uns erinnert. Wir verlieren unsere Wurzeln. Zuhause ist der Ort, der zu uns passt. So viele Leute in der heutigen Zeit sind von ihrem Zuhause abgeschnitten. «Denn fährt ein Wind darüber, so ist sie nicht mehr, und ihr Ort kennt sie nicht mehr» (V.16) beschreibt einen Albtraum. Wir brauchen ein Zuhause, einen Ort, der uns kennt. Der Ersatz für das Nicht-mehr-Erinnern lautet: «Die Gnade des HERRN aber währt von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten». Die Liebe des HERRN ist die ultimative Heimat, der Ort, an dem das Feuer nie ausgeht. Jesus sagte: «Es gibt viele Wohnungen im Haus meines Vaters, und ich gehe voraus, um euch einen Platz vorzubereiten» (Johannes 14,2 NLB). Das ultimative Heim, nach dem sich unser Herz sehnt, ist im Hause des Vaters.

Unsere Antwort darauf

Es ist wichtig zu realisieren, dass wir nicht automatisch Gottes Kinder sind. Ein Bund muss geschlossen werden (V.18). Es gibt ein ausserhalb und ein innerhalb dieses Bundes. Jesus selbst verrät uns, wie wir in diese Beziehung mit Gott eintreten können: «All denen aber, die ihn aufnahmen und an seinen Namen glaubten, gab er das Recht, Gottes Kinder zu werden» (Johannes 1,12 NLB).

Jesus hatte kein Zuhause auf dieser Welt. «Füchse haben ihren Bau, und Vögel haben ihre Nester, aber der Menschensohn hat keinen Ort, wo er sich hinlegen kann» (Matthäus 8,20 NLB). Jesus sprach Gott immer mit Vater, mein Vater oder Abba an, nur einmal benutzte er eine andere Ansprache. Sterbend am Kreuz hangend schrie er: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?» (Matthäus 27,46 NLB). Was ist passiert? Jesus bezahlte die Schuld für unsere Sünden, für unser ausserhalb des Bundes sein. Am Kreuz verlor Er den Geist seiner Kindschaft, damit wir ihn haben können. Sein Platz kannte ihn nicht mehr, damit wir einen Platz haben können. Die Tür zu seinem ultimativen Zuhause war geschlossen, damit die Tür für uns offen ist. Jesus hat ausserhalb der Stadttore von Jerusalem gelitten (Hebräer 13,12), damit wir eine Zukunft im himmlischen Jerusalem – ein Bild für das ultimative Zuhause im Hause des Vaters – haben können.

David verrät uns das Geheimnis, was uns für den Rest des Lebens verändert: «Lobe den HERRN, meine Seele, und alles, was mich ausmacht, seinen heiligen Namen. Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss all das Gute nicht, das er für dich tut» (Psalm 103, 1-2 NLB). Das ist ein Selbstaufruf. Wir müssen diese Wahrheiten unbedingt begreifen. Bestaune, denke, lobe, meditiere und feiere die Vaterliebe in deinem Herzen. Alle unsere Probleme kommen daher, dass unsere Seele nicht weiss, dass wir ein Kind Gottes sind bzw. sein können.

Wenn diese Wahrheit tief in unser Herz gesunken ist, werden wir frei von der Suche nach Anerkennung, Bestätigung und mangelndem Selbstwert. Ebenso befreit dich der himmlische Vater von Bitterkeit gegenüber deinen Eltern oder zu grosser Abhängigkeit von ihnen. Weil der Vater im Himmel weiss, was wir benötigen, und Besitzer des ganzen Reichtums ist, befreit Er uns von allen Geldsorgen. Wir müssen nicht mehr wie verrückt für unser Traumhaus arbeiten.

Als Vater verbindet sich der heilige Gott, König und Richter viszeral emotional mit seinen Kindern. Kennt deine Seele diese Wahrheit?

 

 

Mögliche Fragen für die Kleingruppe

Bibeltext lesen: Psalm 103

  1. Wie bringst du die zwei Begriffe heilig und Vater zusammen?
  2. Was ist viszerale Liebe? Bringst du das mit deiner Vorstellung von Gott in eine Reihe?
  3. Was ist mitfühlender Zorn? Wie könnte sich dieser für uns anfühlen? Wozu ist er gut?
  4. Im Haus des Vaters findest du ein ultimatives Zuhause. Wie stellst du dir diese von Jesus vorbereitete Wohnung vor?
  5. Glaubst du, dass das Erfassen der Vaterliebe Gottes dein Leben auf den Kopf stellt? Wie kann das noch tiefer geschehen?