Orientierung ist lebenswichtig

Datum: 18. Juni 2023 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: Römer 12,2

Jeder Menschen formt sich eine Weltanschauung, mit welcher er die Welt interpretiert. Vielfach wird diese unbewusst von der umliegenden Welt übernommen. Unsere Weltanschauung beeinflusst unsere Interpretation der Bibel und wie wir unser Glaubensleben ausleben. Gott möchte unser Denken verändern, damit wir uns auf Ihn ausrichten und nicht ein Produkt dieser Welt werden. Bin ich mir bewusst, wie ich denke und meine Meinung bilde?


Orientierung und Ziel

Mein erster Gleitschirmflug war so spannend, dass ich von dieser Sportart jahrelang fasziniert war. Mein damaliger Freund und ich nutzten jede Gelegenheit, um einen Flug zu absolvieren. So auch an einem nebligen Samstag, niemand dachte ans fliegen, wir aber konnten es nicht lassen und sind ins Engelbergertal gefahren. Am Landeplatz und bis etwa 200 Höhenmeter darüber bestand gute Sicht, weiter nach oben war jedoch eine dichte Nebeldecke. Der Plan war trotzdem zu starten und dass ich meinem Freund, welcher ein GPS hatte, nachfliege. Wir sind gestartet, doch innerhalb Sekunden ist er im Nebel verschwunden und ich befand mich orientierungslos im dichten Nebel. Darauf folgten lange Minuten mit der Angst, in den Berghang zu fliegen. Bei dieser Nebelschicht wäre nicht genügend Zeit zum reagieren gewesen und dem Hang auszuweichen. Plötzlich erschrak ich und realisierte, dass ich geradewegs in den Hang fliege. Nein, das darf nicht wahr sein. Etwas habe ich daraus gelernt: Sich gut orientieren zu können, ist lebenswichtig.

Wenn wir unsere Umgebung nicht erkennen, können wir uns nicht orientieren. Und wenn wir keine Orientierung haben, werden wir nie am Ziel ankommen. Im Leben ist die Orientierung das A und O. Nehmen wir zum Beispiel den Orientierungslauf. Die Läufer rennen nicht einfach los und erwarten, am Ziel anzukommen. Nein, sie orientieren sich zuerst, machen eine Standortbestimmung. Erst danach fokussieren sie sich am Ziel und wie sie dahin gelangen. Auf der ganzen Strecke müssen sie sich neu orientieren, um schnellstmöglich ans Ziel zu gelangen.

Was im Orientierungslauf Standard ist, sollte auch in unserem Glaubensleben die Regel sein. Unser Ziel kann noch so nobel sein, wenn wir uns jedoch nicht orientieren, werden wir es nicht erreichen. Wollen wir gottgefälliges heiliges Leben, müssen wir uns intellektuell damit befassen, in welcher Zeit wir uns befinden. Jesus sagte: «Und wenn der Südwind weht, sagt ihr: ›Es wird heiß.‹ Und auch das trifft ein. Ihr Heuchler! Ihr beobachtet die Erde und den Himmel und könnt so das Wetter beurteilen. Wieso könnt ihr dann nicht die gegenwärtige Zeit beurteilen?» (Lukas 12,55-56 NGÜ). Jesus meinte damit, dass sie sich im Wetter auskannten, aber die geistliche Zeit nicht erkennen konnten. Im Römerbrief lesen wir: «Passt euch nicht den Massstäben dieser Welt an, sondern lasst euch von Gott verändern, damit euer ganzes Denken neu ausgerichtet wird. Nur dann könnt ihr beurteilen, was Gottes Wille ist, was gut und vollkommen ist und was ihm gefällt» (Römer 12,2 HFA).

Wir sollen uns nicht an den Massstäben der Welt orientieren, sondern unser Denken neu ausrichten. Dazu müssen wir verstehen, an welchen Massstäben sich die Welt orientiert. Welche ist die führende Weltanschauung?

Eine Weltanschauung ist wie eine Computersoftware

Eine Weltanschauung ist das Gedankengerüst, mit dem wir die Welt um uns herum interpretieren. Wir alle haben eine Weltanschauung, wir brauchen sie, um die Welt um uns herum interpretieren zu können. Unsere Weltanschauung hat einen grossen Einfluss auf unseren Glauben. Vielfach benützen wir unsere Weltanschauung, um die Bibel zu interpretieren. Schauen wir uns kurz zwei dieser Weltanschauungen an.

Die Moderne

Das zwanzigste Jahrhundert wurde durch die moderne Weltanschauung geprägt. In dieser Anschauung ist die Wissenschaft das Zentrum. Die Wahrheit ist absolut und stammt von der Wissenschaft. Was nicht messbar ist, existiert nicht (Gott ist tot). Glauben und Gefühle zählen nicht. Die Moderne fühlt sich bemessend, kalt und unpersönlich an. Am Ende des 20. Jahrhunderts überholte eine neue Weltanschauung die Moderne: Die Postmoderne. 

Die Postmoderne

Das postmoderne Gedankengut hat seinen Ursprung in der Wissenschaft, in Einstein‘s Relativitätstheorie. Albert hat herausgefunden, dass die Zeit abhängig ist von der Geschwindigkeit, in der sich ein Objekt bewegt. Die Zeit ist nicht absolut, sondern relativ, abhängig vom Standort. Nicht nur Einstein, sondern viele Menschen realisierten, dass nicht alles linear ist, sondern relativ. Mit der Zeit sickerte diese Entdeckung in unsere Weltanschauung. Wahrheit wurde relativ, personenbezogen und gefühlsabhängig. Die individuelle Person ist das Zentrum, ihre Gefühle bestimmen die Wahrheit. Die Postmoderne fühlt sich warm und persönlich an.   

Es gibt einige Spielfilme, die diesen Wechsel in die Postmoderne veranschaulichen. Titanic, der Klassiker von 1997, verkörpert für mich den Abschied von der Moderne und der Anbruch der Postmoderne. Rose, die junge Hauptdarstellerin, ist zuerst hin- und hergerissen von den zwei Welten. Schlussendlich nimmt sie Abschied von der Fremdbestimmung der Mutter und der rationalen Entscheidung, sich für ihren reichen Cal zu entscheiden, mit dem sie verlobt ist. Sie pfeift auf die Klassengesellschaft und lässt sich alleine von ihren Gefühlen leiten. Jack und Rose leben die «wahre» Liebe und entscheiden sich für einander. Doch durch einen Schicksalsschlag werden sie getrennt. Im Film sinkt die Titanic, und mit ihr die kalte, unpersönliche Weltanschauung der Moderne. Die meisten Zuschauer stimmen der Perspektive von Rose zu, die neue Ideologie des gefühlvollen Individualismus hat gesiegt.

Unsere Weltanschauung beeinflusst unseren Glauben und die Interpretation der Bibel. In der Moderne orientierten sich die Gläubigen mehr am Apostel Paul und seinen klaren Anweisungen, wie man sich als Christ verhalten soll. Sich korrekt, sozusagen heilig, zu verhalten, war extrem wichtig, man tendierte zu Gesetzlichkeit (Legalismus). In der Moderne erklärt der Leiter der Kleingruppe, wie die Bibelstellen richtig zu verstehen sind. Dies hat sich in der Postmoderne geändert.

Es geht persönlicher zu und die Meinung jedes Einzelnen ist gefragt. Im Fokus sind nicht Gesetzlichkeiten, sondern Gottes Liebe. 

Dieses Jahr haben wir bereits viel über die Heiligkeit Gottes gehört. In zwei Predigten ging es um Gottes heilige Liebe, ein sehr schwieriges Thema. Viele Menschen, vorwiegend diejenigen, welche in der modernen Weltanschauung aufgewachsen sind, tun sich schwer damit, sich vorzustellen, dass der gefährliche heilige Gott auch ein liebender Gott sein kann. Oftmals versucht man die Heiligkeit Gottes und die Liebe auszubalancieren, um nicht in ein Extrem zu fallen. 

In der postmodernen Weltanschauung ist es einfacher, Heiligkeit und Liebe zu vereinbaren. In dieser Ideologie ist bereits alles relativ, da passt Vieles hinein. Doch das Verständnis für die Heiligkeit Gottes ist manchmal gar nicht da. Schwarz und weiss gibt es ja nicht wirklich, es ist alles ein wenig gemischt, wie im Yin Yang Zeichen.

Im Weiteren ist es schwierig, die biblische Liebe zu erfassen. Wir lesen im Galaterbrief: «Denn das ganze Gesetz ist in einem einzigen Wort zusammengefasst, in dem Gebot: Du sollst deine Mitmenschen lieben wie dich selbst» (Galater 5,14 NGÜ). Wenn alles in einem Wort zusammengefasst wird, ist es um so wichtiger, genau zu verstehen, was mit Liebe gemeint ist. Garantiert ist es nicht das, was die Beatles im Song «All you need is Love» besingen. Sicher ist auch, dass wir von Hollywood auch nicht lernen, was richtige Liebe oder Heiligkeit sind.

Abgesehen von der Weltanschauung, ist eine weitere Schwierigkeit, die wirkliche Liebe zu verstehen, unsere Sprache. Im Deutschen, wie auch im Englischen, haben wir zu wenig Wörter, um die Nuancen der verschiedenen Ausprägungen von Liebe auszudrücken. Neulich habe ich gelesen, dass es in Tamil mehr als fünfzig verschieden Wörter für das englische Wort Liebe gibt. Ich hatte Mühe, dies zu glauben und fragte einen tamilischen Arbeitskollegen, doch dieser bestätigte mir, was ich gelesen hatte.

Zu guter Letzt noch die biblischen Weltanschauung. Hier stammt die Wahrheit von Gott, sie ist dualistisch und absolut. Es gibt richtig und falsch, Licht und Dunkelheit. Unser Glauben ist persönlich, unser Leben hat Bedeutung und ein Ziel. In der Bibel lernen wir Gott kennen, der heilig, heilig, heilig und die Liebe ist Teil seiner Heiligkeit.

Gott muss seine Liebe nie mit seiner Heiligkeit ausbalancieren. Er muss sich nie fragen, ob es weniger Heiligkeit und mehr Liebe sein soll oder umgekehrt. Nein, die Liebe Gottes, ist immer eine heilige Liebe. Gottes Heiligkeit ist der Kern und die Liebe ist ein Teil davon. Wie wir bereits in Predigten von der Vision des Hesekiels gehört haben, fliesst Leben aus der reinen Heiligkeit Gottes. «Denn der Fluss, der ihren Wurzeln Wasser gibt, kommt aus dem Heiligtum. Monat für Monat bringen sie neue, wohlschmeckende Früchte hervor, und ihre Blätter dienen den Menschen als Heilmittel» (Hesekiel 47,12 HFA).

Im Weiteren lesen wir, dass überall wo dieses Wasser hin fliesst, es Leben bringt. Aus dieser Heiligkeit fliesst Leben. Nur aus dem Heiligtum kommt richtiges Leben. Alles Gute kommt aus dem Heiligtum.

Welche Software habe ich geladen?

Ich bin mir bewusst, dass dies heute waren sehr viele Gedanken in kurzer Zeit waren. Für Einige sind diese Überlegungen nichts Neues, für Andere mag es schwierig sein, Alles nachzuvollziehen. Meine Hoffnung für diese Predigt ist, dass wir nicht einfach dahin schlummern, sondern uns Gedanken machen, wie wir unsere Meinung formen. Ich möchte, das wir mit einer Frage in diese Woche gehe:

 

Wie gut orientiere ich mich in der Welt? Vielleicht fragen sich Einige, wie die Geschichte mit dem Gleitschirmflug zu Ende ging. Was ist nach dem Schreck passiert, als ich feststellte, dass ich geradeaus in den Hang fliege? Eins vorab, ich stehe heute hier, so kann ich ja nicht gestorben sein. Spass beiseite. Ich riss die Steuerleine des Gleitschirmes mit Kraft herunter, dieser drehte rechtzeitig und glücklicherweise ohne einen Strömungsabriss. Ich bin mit einem Schrecken davongekommen. Darauf schwor ich mir, mich nie wieder in eine solche Situation zu bringen. Orientierung ist im täglichen Leben, wie auch im Glauben, überlebenswichtig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Mögliche Fragen für die Kleingruppe

Bibeltext lesen: Römer 12,2

  1. Hast du dir schon Gedanken über die Verschiedenen Weltanschauungen gemacht?
  2. Überlegst du dir nach einem Spielfilm, welches die Botschaft des Filmes ist?
  3. Kennst du Fernsehserien, die eine ganz klare Ideologie vertreten? Es ist möglich, dass sie auf den ersten Blick nicht offensichtlich sind. Zum Beispiel die «Modern Familie» Seri,e welche eine ganz klare westliche, weltliche und postmoderne Botschaft vermittelt.
  4. Machst du dir aktiv Gedanken über die verschiedene Weltanschauungen?
  5. Wählt man heute einen Beruf oder eine neue Kirche anders aus als vor fünfzig Jahren?
  6. Wie beeinflusst dich die Weltanschauung wie du die Liebe und Heiligkeit Gottes verstehst?