Die Schöpfung als Augenöffner

Datum: 12. Juni 2022 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: Hiob 38,1ff; 42,5

Hiob erlebt eine handfeste Krise. Sein ganzes Leben zerbricht. Leidend in der Asche sitzend erlebt er einen regelrechten Blindflug. Dieser dauert bis Elihu den Blick von Hiob auf die Wunder der Schöpfung richtet. Im weiteren Verlauf stellt Gott selbst Hiob Frage um Frage über die Natur, die er alle nicht beantworten kann. Dieser Blick in die Schöpfung wird für Hiob zum Augenöffner. Zwar erhält er keine Antworten auf sein Leiden, aber es bringt ihn in die richtige Position zu Gott. Voller Ehrfurcht betet er Ihn an. In unseren kleineren und grösseren Krisen ist es wichtiger und heilsamer, dass wir Gottes Heiligkeit begegnen, als dass wir sofort von unseren Leiden befreit werden.


 

Die Schöpfung ist beides: ein hervorragender Medizinschrank und ein Augenöffner für Gott. Als ich in jungen Jahren gegen Hüftarthrosen kämpfte, las ich ein Buch über Ernährung. Dort fand ich heraus, dass Getreide ein wichtiges knorpelbildendes Vitamin enthält. Leider geht es im Verarbeitungsprozess, welcher das Korn haltbar macht, verloren. Seit dem Tag an schroten wir die Roggen für unser Frühstücksmüesli immer frisch am Vorabend. Meine Beute aus der Lektüre des Buches war: Je näher an der Natur, desto gesünder und reichhaltiger. Ein anderes Mal hörte ich in einem Vortrag darüber, dass es einen Volksstamm gibt, bei dem Leinsamen auf dem täglichen Speisezettel stünde. Bei diesen Leuten träten keine Krebserkrankungen auf. Also wurden Leinsamen Bestandteil meines Frühstücksmüesli… Gottes Schöpfung beinhaltet alles, was wir für ein gesundes Leben brauchen. Hiob hat durch das Betrachten der Schöpfung innere Heilung erfahren und ist Gott begegnet.

Blind

Hiob erlebte einen regelrechten Blindflug. Es geht ihm miserabel. Soeben hat er seinen ganzen Besitz, seine Kinder und seine Gesundheit verloren. Nun sitzt er mitten in der Asche und kratzt sich mit einer Tonscherbe (Hiob 2,8). Er hat keinen Durchblick über das, was sich hinter den Kulissen abspielt. Es ist ein geistlicher Blindflug. Es ist so schlimm, dass seine Frau ihm empfiehlt, sich von Gott loszusagen und zu sterben. Eine typisch menschliche Reaktion in Zeiten der Not. Daraufhin antwortet Hiob: «Du sprichst wie eine Frau, die dumm und gottlos ist. Sollen wir das Gute aus Gottes Hand nehmen, das Schlechte aber ablehnen?» (Hiob 2,10 NLB). Vermutlich hat Hiob in guten Zeiten die Gewissheit konditioniert, dass Gott gut ist. Das hält ihn nun. Es steht nämlich im Text, dass sich Hiob im Durchleben dieser schlimmen Krise nicht versündigt hat.

Kürzlich besuchte ich eine Person, die ebenfalls leidet. Sie brachte unmissverständlich zum Ausdruck, dass sie mit Gott überhaupt nicht einverstanden sei. Deshalb klage sie Ihn an. Auch sie befindet sich im Blindflug und kann das Geschehen geistlich nicht einordnen. Ihre Überzeugung ist, dass Jesus, weil er alle Krankheit getragen hat (Jesaja 53,4), sie heilen müsste.

Als Hiobs drei Freunde von dem Übel erfahren, besuchen sie ihn. Sie tun das Beste, was Freunde angesichts des Unglücks tun können: sie weinen, zerreissen ihre Kleider und halten es aus, sieben Tage einfach bei Hiob zu sein, ohne etwas zu sagen. Grossartig!

Anschliessend reden sie über Gott und suchen nach Erklärungen für das Leid. Sie wenden das Kausalitätsprinzip an und suchen nach der Ursache für das Leid. Dabei scheitern sie – wie alle ihre Nachahmer – kläglich. Sie befinden sich im Blindflug. Hiob unterscheidet sich von seinen drei Freunden, indem er Gott 58-mal Gott persönlich anspricht. Obwohl er nichts verstehen und einordnen kann, bleibt er mit Gott im Gespräch. Darin kann Hiob uns zum Vorbild werden.

Betrachtend

Elihu hatte bis dahin geschwiegen, weil er jünger war als die drei Freunde von Hiob. Doch nun legt er seine Meinung dar. Im Laufe seiner Rede fordert er Hiob hinaus: «Hör dir das an, Hiob! Steh still und betrachte, was Gott Wunderbares tut!» (Hiob 37,14 NLB). Er verweist ihn auf die Schöpfung. Und als Hiob seine Aufmerksamkeit auf die Schöpfung richtet, geschieht Entscheidendes: «Da antwortete der Herr Hiob aus dem Sturm: ‘Wer ist es, der Gottes weisen Plan mit Worten ohne Verstand verdunkelt? Tritt vor mich hin wie ein Mann! Ich will dir Fragen stellen und du sollst mich belehren. Wo warst du, als ich die Grundfesten der Erde legte? Sag es mir, sofern du Bescheid weisst!’» (Hiob 38,1-4 NLB).

Bis anhin war Gott für Hiob gefühlt weit weg, nun kommt es zur Begegnung. Der HERR spricht typischerweise aus dem Sturm. Das Wort für Sturm heisst ruach (Geist Gottes). Gott offenbart sich in seiner Schöpfung, offensichtlich besonders gern im Wind. Zu David redete Gott durch das Rauschen in den Bakabäumen (2Samuel 5,24), Elia hörte Gottes Stimme aus dem leisen Säuseln (1Könige 19,12) und am Pfingstfest «ertönte vom Himmel ein Brausen wie das Rauschen eines mächtigen Sturms» (Apostelgeschichte 2,2 NLB). Analog der Luft ist Gott durch seinen Geist in der Schöpfung präsent. Deshalb heisst es: «Die Winde hast du zu deinen Boten gemacht und Feuerflammen zu deinen Dienern» (Psalm 104,4 NLB).

Der HERR fordert Hiob ebenfalls heraus, seinen Blick auf die Schöpfung zu richten, indem er ihm viele Fragen stellt: Wo warst du, als ich die Grundfesten der Erde legte? Wer hat das Meer mit Toren verschlossen? Hast du jemals in deinem Leben den Morgen herbeigerufen? Bist du bis zu den Quellen vorgedrungen, aus denen die Meere entspringen? Wo ist der Weg zur Wohnung des Lichts? Wer hat dem Regenguss eine Rinne gegraben? Kannst du die Blitze aussenden? Wer gibt den Raben das Futter?

Nach zwei Kapiteln solcher Fragen antwortet Hiob: «Ich bin ein Nichts - wie könnte ich dir etwas erwidern? Ich lege mir die Hand auf den Mund. Ich habe einmal geredet und werde nicht wieder damit anfangen, ein zweites Mal und ich will es nicht mehr tun» (Hiob 40,4-5 NLB). Hiob erkennt durch das vertiefte Auseinandersetzen mit der Schöpfung Gottes Grösse und Majestät. Die angemessene Reaktion auf die Heiligkeit Gottes ist Staunen und Sprachlosigkeit, das Schweigen in Ehrfurcht. Hiob betet nicht die Schöpfung, sondern Gott an.

Offensichtlich ist Hiob durch die Begegnung mit dem Heiligen Gott so beeindruckt, dass sein bisheriges Gottes- bzw. Weltbild völlig durcheinandergeworfen und neu geordnet wird: Wer bin ich, dass ich Gott anklage und in Frage stelle?! Das ist der entscheidende Durchbruch in der Biografie Hiobs. Gott kann sich von Hiobs Anklagebank erheben.

Sehend

Nach dieser Erkenntnis wird Hiobs Therapie mit Fragen aus der Natur zwei Kapitel lang fortgesetzt. Das neue Gedankengut soll sich im Herzen Hiobs tief verankern. Als dann Hiob ein zweites Mal antwortet, spricht er die bedeutungsvollen Worte aus: «Bisher kannte ich dich nur vom Hörensagen, doch jetzt habe ich dich mit eigenen Augen gesehen. Darum widerrufe ich, was ich gesagt habe, und bereue in Staub und Asche» (Hiob 42,5f NLB).

Nachdem Hiob lange Zeit blind gelitten hat, wird er nun sehend. Seine Beziehung mit Gott wird auf ein noch nie dagewesenes Level gehoben. Vom Hörensagen zum Sehen – und das nur durch die Konfrontation mit den Wundern der Schöpfung. Sein Welt- und Gottesbild verändert sich elementar. Wie gross muss dieser Gott sein, der solch grosse Dinge tut! Hiob findet sich in Gottesfurcht und Demut wieder. Gott gehört nicht auf die Anklagebank, sondern muss angebetet werden. Das ist der Sinn des Lebens. Gott ist Gott, wir sind Menschen. Er ist der Schöpfer, wir sind seine Geschöpfe. Auch David fand den Grund für die Anbetung in der Schöpfung: «Dein, HERR, ist die Grösse und die Macht und die Herrlichkeit und der Ruhm und die Hoheit. Denn alles im Himmel und auf Erden ist dein» (1Chronik 29,11 NLB).

Das «neue» Gottesbild, das Hiob geschenkt bekam, hat tiefe Heilkraft. Zwar hat sich Hiobs Situation vorerst nicht verändert. Er bekommt auch keine Erklärung für sein Leiden. In unseren kleineren und grösseren Krisen ist es wichtiger und heilsamer, dass wir Gottes Heiligkeit begegnen, als dass wir sofort von unseren Leiden befreit werden. Das Betrachten und Studieren der Schöpfung kann zu diesem Durchbruch verhelfen und aus Menschen im Blindflug, sehende Anbeter Gottes machen. Von Hiob können wir enorm viel lernen. Eine Lektion ist eben auch, dass wir uns gerade angesichts von Schwierigkeiten im Leben der Schöpfung zuwenden. Gott offenbart sich in seiner Schöpfung. Paulus schreibt: «Seit Erschaffung der Welt haben die Menschen die Erde und den Himmel und alles gesehen, was Gott erschaffen hat, und können daran ihn, den unsichtbaren Gott, in seiner ewigen Macht und seinem göttlichen Wesen klar erkennen. Deshalb haben sie keine Entschuldigung dafür, von Gott nichts gewusst zu haben» (Römer 1,20 NLB). Leidest du? Geh hinaus in die Schöpfung, betrachte sie und finde den heiligen Gott. Er macht dich sehend und heilt gerne!

Die Spannung von Leiden und Gott dennoch vertrauen und anbeten finden wir auch bei Asaf: «Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil» (Psalm 73,26 LUT). Wenn ich leide, ist es wichtiger, dass ich Gott begegne, als dass ich sofort geheilt werde! Richten wir uns doch in unseren Nöten danach aus!

 

Ja, durch das Beobachten der Schöpfung werden wir mit der Majestät Gottes konfrontiert. Wir können vom Geschaffenen Rückschlüsse auf den Schöpfer schliessen. Doch damit stehen wir noch lange nicht in einer persönlichen Beziehung mit Gott. Gott offenbart sich nicht nur in der Schöpfung, sondern auch in seinem Sohn Jesus Christus. Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes (Kolosser 1,15). Und dieser Zugang zu Gott ist der Schlüssel dazu, dass wir das Recht bekommen, diesen heiligen Gott mit der familiären Anrede «unser Vater» zu bezeichnen. «All denen aber, die ihn aufnahmen und an seinen Namen glaubten, gab er das Recht, Gottes Kinder zu werden» (Johannes 1,12 NLB). Heiligkeit und Vertrautheit, Majestät und Intimität finden zusammen. Die Schöpfung ist ein Augenöffner zu Gott. Doch der persönliche Zugang zum himmlischen Vater ist nur in Jesus Christus zu finden.

 

 

 

 

Fragen für die Kleingruppen

Bibeltext lesen: Hiob 38,1ff; 42,5

  1. Gibt es in deinem Leben Situationen, bei denen dir der Durchblick abhandengekommen ist?
  2. Welches Potenzial liegt im Erkunden und Betrachten der Schöpfung?
  3. Bist du auch schon dem heiligen Gott in der Schöpfung begegnet, so dass du in Ehrfurcht geschwiegen hast?
  4. Was sagst du zur Aussage, dass es in unseren Krisen wichtiger und heilsamer sei, dass wir Gottes Heiligkeit begegnen, als dass wir sofort von unseren Leiden befreit werden?
  5. Kennst du Gott nur vom Hörensagen oder hat dein Auge ihn gesehen? Woran machst du deine Antwort fest?
  6. Geh hinaus und betrachte einige Wunder der Schöpfung Gottes etwas genauer!