Datum: 24. April 2022 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: Römer 8,19-22

24Der Mensch erhält ganz am Anfang den Auftrag, als Geschöpf die Beziehungen innerhalb der Schöpfung intakt zu halten. Allerdings wird dadurch, dass der Mensch im Garten Eden sein Vertrauen nicht auf Gott gesetzt hat, die ganze Schöpfung in Mitleidenschaft gezogen. Nun seufzt die ganze Schöpfung und wartet sehnsüchtig auf Erlösung. Das Königreich Gottes, das mit Jesus angebrochen ist, wird die Wiederherstellung der ganzen Schöpfung bringen.


 

In meiner Herkunftsfamilie sind wir sechs Geschwister. Wenn meine Eltern am Abend ausser Haus waren, übernahmen wir älteren Geschwister die Verantwortung für die jüngeren. Wir mussten schauen, dass sie ihre Ämtli erledigten und rechtzeitig ins Bett gingen. In der gleichen Weise beauftragte Gott die Menschen – die jüngsten Geschwister der Schöpfung – für die älteren Geschwister der Schöpfung zu sorgen. Es liegt in der Verantwortung des Menschen, die Beziehungen intakt zu halten.

Die Schöpfung wird arg in Mitleidenschaft gezogen

Unterdessen wissen wir es: Gott bezeichnete das Wohlbefinden aller Beziehungen, die er am Anfang geschaffen hatte, als sehr gut. Das beinhaltet auch die Beziehung zwischen den Menschen und dem Rest der Schöpfung. Die Natur dient der Menschheit, indem sie für sie den Lebensunterhalt bereitstellt. Die Sterne erzählten den Menschen, wann sie schlafen, aufstehen, säen und ernten sollen. Pflanzen dienten den Tieren, indem sie sich ihnen zum Essen offerierten. Wir sehen, wie der Mensch die Erde schützt und ihr dient. Gott hat den Menschen aufgerufen, die Erde zu bebauen und zu bewahren (1Mose 2,15) und den Tieren zu dienen (1Mose 2,19-20). Solange die Menschen ihren Geschwistern in der Schöpfung dienten, sie schützten und kultivierten, gab es Gerechtigkeit und Frieden, Wahrheit und Gnade, Ehre und Demut unter den Menschen.

Es gibt nur zwei Arten des Seins: Schöpfung und Schöpfer. Und wir Menschen sind – Schöpfung. Gott ist Gott. Deshalb können wir nicht so mit der Schöpfung umgehen, wie es uns gefällt. Unsere Herrschaft muss unter Gottes Willen stehen. Und wenn sie nach dem Bild Gottes geschehen soll, dann muss sie in Liebe gegründet sein. Liebe bindet die ganze Schöpfung zusammen. Gott setzte den Menschen im Garten Eden eine einzige Grenze, die eine Verbindung zur Natur hatte: Er durfte nicht vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen essen (1Mose 2,16f). Die Menschen bekamen die Chance, ihre Liebe zu Gott zu zeigen, indem sie Gottes Wort und seinen Absichten vertrauten. Sie entschieden sich anders und hörten auf die Schlange, die ihnen zuflüsterte: «Vertraut euch selbst und findet euren eigenen Weg zum Frieden!» Die Folge war, dass jede Beziehung, die Gott als sehr gut bezeichnet hatte, zerrüttet wurde, auch die Beziehung zwischen dem Menschen und dem Rest der Schöpfung.

Dann sprach Gott zu der Schlange: «Von nun an setze ich Feindschaft zwischen dir und der Frau und deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen. Er wird dir den Kopf zertreten und du wirst ihn in seine Ferse beissen» (1Mose 3,15 NLB). Dieser Vers wird meistens auf den Sieg von Jesus über Satan bei Seiner Auferstehung interpretiert. Aber ganz konkret ist es das erste Mal, dass ein Tier einen Menschen angreift.

Zu Adam sagt Gott: «Weil du auf deine Frau gehört und von der verbotenen Frucht gegessen hast, soll der Ackerboden deinetwegen verflucht sein. Dein ganzes Leben lang wirst du dich abmühen, um dich davon zu ernähren. Dornen und Disteln werden auf ihm wachsen, doch du musst dich vom Gewächs des Feldes ernähren» (1Mose 3,17f NLB). Der Ackerboden wurde verflucht, weil der Mensch Gott nicht vertraut hat. Weil wir unseren eigenen Frieden wählten und den über der ganzen Schöpfung nicht beachteten. Wenn wir heute Erdbeben und aufgedunsene Bäuche sehen, wissen wir, auf dieser Erde hat jemand gesündigt. Die Schäden an der Schöpfung sind ein Zeugnis unserer Rebellion.

Nachdem die Menschen die Wahl trafen, Gott nicht zu vertrauen, versuchten sie sich als Reaktion auf ihre Scham vor Gott zu verstecken. Als Folge davon musste das erste Tier sterben: «Und Gott, der Herr, machte Adam und seiner Frau Kleidung aus Tierfellen und zog sie ihnen an» (1Mose 3,21 NLB). Gott tötete sein eigenes Geschöpf, um die Scham des Menschen zu bedecken. Der Tod kam in die Welt. Die Sünde hat uns von Gott, vom Rest der Schöpfung und vom Leben an sich getrennt. Das sündige und egoistische Motto des Menschen lautet: Unser eigener Friede auf Kosten des Friedens der älteren Geschwister.

Die Schöpfung seufzt

«Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick mit uns seufzt, wie unter den Schmerzen einer Geburt» (Römer 8,22 NLB). Wo sehen wir dieses Seufzen?

Ein Zeitungsbericht zeigt schwarze Menschen in zerrissenen und dreckigen Kleidern. Sie suchen in einer verödeten Landschaft nach etwas. Die Bildunterschrift lautet: «In einer Mülldeponie in Port-au-Prince suchen Menschen nach Essbarem.» Es war das Jahr 2008, zwei Jahre vor dem verheerenden Erdbeben in Haiti. Warum mussten die Menschen ihr Essen auf einer Mülldeponie suchen? Der Grund sind starke Bodenerosionen, deren Ursache verheerende Abholzungen und massenhafte Monokulturen während der Kolonisation ist. Die Kolonialisten holzten riesige Wälder ab, um mehr Anbaufläche für Getreide zu haben. Nachdem Haiti die Unabhängigkeit von Frankreich erreicht hatte, forderte Frankreich Entschädigung in Form von Holz. Am Schluss blieben weniger als 4% des Waldes übrig. Zudem machte der Einfluss der Klimaveränderung die Arbeit der Landwirtschaft schwierig. Die reichen Nationen brachten subventionierte Lebensmittel nach Haiti zu einem Preis, der die lokalen Farmer vom Wettbewerb ausschloss. Dadurch wurde das Land mehr und mehr vom Lebensmittelimport abhängig. Während der Weltwirtschaftskrise 2008 kam es auf dem globalen Lebensmittelmarkt zu einem erheblichen Preisanstieg bei den Lebensmittelimporten aus den reichen Ländern. Diese Erhöhung löste in den Entwicklungsländern rund um die Erde Unruhen aus. Um etwas Essen zu kriegen, assen die Armen der Ärmsten Schlamm. Schlammfladen, Öl und Zucker beruhigt die Mägen von hungernden Menschen.

Die Schöpfung seufzt. Von 2006 bis 2009 erlebt Syrien die grösste Dürre der letzten Jahrhunderte, ausgelöst durch einen jahrhundertlangen Anstieg der Temperatur und Trockenheit in der Region. Die Wissenschaftler sagen, dass dies Klimaveränderung durch menschliche Aktivitäten verursacht sind. Studien zeigen, dass diese extreme Trockenheit zusammen mit anderen Faktoren, z.B. fehlgeleitete Landwirtschafts- und Wasserpolitik, grosse Ernteausfälle verursachte. Dies führte zu einer Migration von über 1,5 Millionen Menschen aus ländlichen Gebieten in die Städte. Das wiederum förderte den sozialen Stress, was der Grund für den Aufstand gegen Präsident Bashar al-Assad im März 2011 begünstigt oder verursacht hat. Sie versuchten al-Assad zu stürzen und fanden sich in einem mehrjährigen Krieg wieder. Dieser löste die grösste Flüchtlingswelle in Europa seit dem 2. Weltkrieg aus. All diese Bewegungen machten den Weg frei für den Aufstieg der ISIS in dieser Region.

Die Schöpfung wartet sehnsüchtig

«Denn die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf jenen Tag, an dem Gott offenbar machen wird, wer wirklich zu seinen Kindern gehört» (Römer 8,19 NLB). Die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf die wirklichen Kinder Gottes. Damit sind Menschen gemeint, die ihr Vertrauen ganz auf Gott setzen und ihren Grundauftrag, das Schützen, Bewahren und Verwalten der Erde, in Demut wahrnehmen. Wir sind aufgerufen, Herrschaft über den Rest der Schöpfung auszuüben, nicht über andere Menschen. Die Menschheit ist dazu bestimmt, Beschützer, Kultivator und Diener der Erde zu sein und nicht ihr Ausbeuter.

«Alles auf Erden wurde der Vergänglichkeit unterworfen. Dies geschah gegen ihren Willen durch den, der sie unterworfen hat. Aber die ganze Schöpfung hofft auf den Tag, an dem sie von Tod und Vergänglichkeit befreit wird zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes» (Römer 8,20f NLB). Das Königreich Gottes wird die Wiederherstellung der ganzen Schöpfung bringen. In der Person von Jesus Christus ist dieses Königreich in der Welt angebrochen. Dieser Jesus, der Kreator der Bäume, wurde an einen Baum genagelt. Die erste Sünde der Menschheit wurde im Zusammenhang mit einem Baum begangen, dem Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse. Nun geschieht die Erlösung der Menschheit und die Umkehrung des Falles auch in Beziehung zu einem Baum. Dann besiegte Jesus den Tod, indem er sein eigenes Grab öffnete. Am Ende wird es nur noch einen Baum, den Baum des Lebens, geben. Die Blätter dieses Baumes werden die Nationen heilen (Offenbarung 21,1-2).

Wie können Menschen sich als die wirklichen Kinder Gottes in dieser seufzenden Welt offenbaren?

Durch Demut: «Wenn ich den Himmel verschliesse, sodass kein Regen fällt, oder Heuschrecken sende, welche die Ernte auffressen, oder meinem Volk Seuchen schicke, und mein Volk, das meinen Namen trägt, dann Reue zeigt, wenn die Menschen zu mir beten und meine Nähe suchen und zu mir zurückkehren, will ich sie im Himmel erhören und ihnen die Sünden vergeben und ihr Land heilen» (2Chronik 7,13f NLB). Der geistliche Zustand des Volkes ist die Wurzel allen Übels. Mangel an Demut zeigt sich in der Art, wie wir mit anderen umgehen. Die erste Anforderung für die Wiederherstellung der Erde ist Demut.

Es gibt einen unreflektierten westlichen Stolz. Wir tun so, als ob die Welt durch die Übernahme der westlichen Kultur repariert werden könnte. Dieser Ansatz ist zum Scheitern verurteilt. Demut hilft uns anzuerkennen, dass Gott Weisheit in die Köpfe und Herzen aller Kulturen gelegt hat – und wir brauchen alle, um zu überleben. Der westliche Einfluss auf die verschiedenen Zivilisationen hat die Kolonisierung, die Monokultur, die Abholzung und viel Ungerechtigkeit eingeleitet. Unser Verhalten verrät uns, dass wir uns als Gott über die Schöpfung wähnen. Wir müssen dieses sündige Verhalten bekennen und umkehren. Wahre Demut begreift, dass die Tatsache, dass wir Geschöpfe sind, sehr gut ist. Demut anerkennt Gott als Schöpfer und den Menschen als Geschöpf. Wir gehören zur Familie der Schöpfung mit besonderer Verantwortung: den Rest der Schöpfung zur Blüte bringen, fördern und beschützen. Laufen wir doch im Bewusstsein durch die Natur, dass die Pflanzen, Bäume und Tiere unsere älteren Geschwister sind. Das tönt vielleicht etwas befremdlich, ist aber ungemein hilfreich für unsere Einstellung gegenüber der Mit-Schöpfung.

Nebst der Demut haben wir einen weiteren Hebel: Wir können für gerechte Systeme und Strukturen durch eine gerechte Politik eintreten. Speziell wir Schweizer mit einer ausgeprägten Demokratie bekommen immer wieder die Möglichkeit, für unsere älteren Geschwister in der Schöpfung Verantwortung zu übernehmen.

 

Der Schlüssel bei der Heilung des Landes sind aber die Kinder Gottes, die sich offenbaren werden. Viele von uns bezeichnen sich als Kind Gottes. «All denen aber, die ihn aufnahmen und an seinen Namen glaubten, gab er das Recht, Gottes Kinder zu werden» (Johannes 1,12 NLB). Ist uns bewusst, dass wir eine Vorreiterrolle in der Wiederherstellung der Schöpfung haben? Als Geschöpfe, die Gott ähnlich geschaffen wurden, lernen wir von Seiner Art Herrschaft, nämlich von der eines guten Hirten, der für seine Schafe sorgt. Nah bei Jesus gilt es diesen Ton abzunehmen und in dieser Welt zu spielen.

 

 

Fragen für die Kleingruppen

Bibeltext lesen: Johannes 20,1-29

  1. Was ist die Berufung des Menschen bezüglich gesamter Schöpfung? Was ist die Rolle des Menschen in der Schöpfung?
  2. Warum leidet die ganze Schöpfung? Welche Verantwortung trägt der Mensch, der sein Vertrauen nicht auf Gott setzte?
  3. Was ist die Lösung für die Erlösung der Schöpfung? Was bedeutet es in diesem Kontext, Kind Gottes zu sein?
  4. Was bedeutet Demut? Welche Möglichkeiten haben wir als einzelne Menschen bezüglich gerechter Strukturen auf dieser Welt?
  5. Was sind deine Learnings?