Wiederherstellung mit sich selbst!
Serie: CREATIO | Bibeltext: 1. Mose 3,7-12, Markus 15,37-38
Seit Adam und Eva von der Frucht der Erkenntnis von Gut und Böse gegessen haben, kam Scham in ihr Leben. Bis heute beherrscht Scham unser Leben und stört die Beziehungsfähigkeit der Menschen untereinander. So wie Adam und Eva sich aus Feigenblättern Kleidung machten, so bedecken auch wir unsere innere Scham auf verschiedene Art und Weise. Dabei geraten wir schnell in eine Scham-Schuld Spirale. Doch Jesu sein Tod am Kreuz hat den Weg zu mir selbst frei gemacht. Er will mich von der Scham befreien. Da Scham einen Keil zwischen menschliche Beziehungen schlägt, ist der einfachste und effektivste Weg diesen zu entfernen, indem anderen Menschen die eigene Scham kundgetan wird.
Ich mag mich noch gut an die Hochzeit von meinem Gotti erinnern. Ich weiss zwar nicht mehr genau in welchem Jahr sie geheiratet hat, aber ich war so um die 11 Jahre alt. Ich hatte zu meinem Gotti eine sehr enge Beziehung und habe es sehr genossen, Zeit mit ihr zu verbringen. Als ich älter wurde, war ihr Besuch für mich jeweils ein riesen Higlight. Ich legte mich ins Zeug und half meiner Mutter beim Kochen. Es gab immer das gleiche Menu – Partyfilet. Ja mein Gotti war etwas spezielles und so freute ich mich auf ihren grossen Tag. Damals zog ich noch nicht so gerne Hemden an, aber ich weiss noch, wie ich extra ein Hemd für diesen Anlass gekauft hatte.
Doch an diesem Abend geschahen gleich zwei Dinge, welche für mich unendlich peinlich waren und für die ich mich sehr schämte. Das Gastgeschenk an diesem Abend bestand aus selbstgemalten kleinen Bildern. Da ich gerne malte, konnte ich es mir nicht nehmen lassen, meinen Beitrag zu leisten. Doch es kam, wie es kommen musste und aufgrund meines grossen Eifers landete ein wenig dieser gelben Acrylfarbe auf meinem Hemd. Dies war mir unendlich peinlich und liess sich leider an diesem Abend auch nicht restlos entfernen. Doch damit nicht genug. An dieser Feier war es so, dass sich jeder selbst vorstellen musste. Dabei sollte man jeweils auch die Beziehung zum Brautpaar benennen. Ich sass noch mit weiteren Gottikindern zusammen. Ich überlegte mir extra meinen Satz was ich sagen wollte. Ich ging diesen innerlich auf und ab. Vor mir war ein Mädchen dran, welches so etwas wie «Mein Name ist XY und ich bin das Gottimeitschi von Mirjam» sagte. Und als ich an die Reihe kam, stand ich auf und sagte «Mein Name ist Cédric und ich bin das Gottimeitschi von Mirjam» und Zack – alle Leute lachten und ich versank fast im Erdboden. Mir war dies so peinlich und ich schämte mich so sehr, dass ich nicht einmal diese einfache Vorstellung ohne mich zu blamieren hinbekommen habe.
1. Scham – die unsichtbare Barriere in deinem Leben
Alle Dinge, welche im Leben Scham hervorrufen, stellen eine unsichtbare Barriere im Leben dar. Denn man muss sich anderen gegenüber abgrenzen, damit diese ja nicht diese Bereiche sehen. So kann es leider vorkommen, dass uns Scham teilweise Beziehungsunfähig macht. Wir haben Angst, diese Seite bekannt zu geben. Das Paradoxe an der ganzen Geschichte mit der Scham ist, dass sich niemand gerne schämt, aber bei peinlichen Situationen von anderen gerne bereit ist darüber zu lachen.
Gerne möchte ich zu dieser unsichtbaren Barriere, welche Scham in unserem Leben spielen kann eine Geschichte erzählen. Im August 2020 heiratete eine gute Freundin von Andreina. Da sie die Trauzeugin war, war ich auch beim ganzen Fest eingeladen und durfte mit dem Brautpaar am gleichen Tisch sitzen. Aufgrund der Pandemie und da ich Andreina noch nicht so lange kannte, kannte ich praktisch keine Leute auf dieser Hochzeit. Dies ist für mich grundsätzlich kein Problem. Als zu späterer Stunde getanzt wurde, kam eine Kollegin von Andreina auf mich zu und forderte mich zu einem Dance-Battle heraus. Ich kann zwar nicht Tanzen – aber rumblödeln geht immer. Also lies ich mich darauf ein. Als ich gerade in die Hocke gehen wollte, da Riss meine Hose von hinten bis in die Mitte an der Naht und gab von hinten den Blick frei auf meine Unterwäsche. Zum Glück hatte Andreina Nähzeug von der Braut dabei. So zogen wir uns in einen Nebenraum zurück. Also stand ich dort in meinen Boxershorts und hielt die Hose Andreina hin, damit sie diese flicken konnte und gerade in diesem Moment kam ein Kellner hinein.
Ich fühlte mich an dieser Hochzeit entblösst. Und auch in der Bibel begegnet uns eine Geschichte, in der sich die Protagonisten aufgrund ihrer Nacktheit schämten. Als Gott die Erde schuf, machte er einen Garten und setzte Adam und Eva hinein. Sie durften von allen Früchten, bis auf diejenigen von einem bestimmten Baum, essen. Lange Zeit ging dies gut und sie hielten sich daran. Doch eines Tages kam die Schlange und überredete Eva von der Frucht zu essen. Sie lockte sie damit, indem sie ihr das Versprechen gab, dass sie dann wie Gott wären und Gut und Böse unterscheiden könnten. Dieses Argument überzeugte sie und so assen Adam und Eva von dieser Frucht. «In diesem Augenblick wurden den beiden die Augen geöffnet und sie bemerkten auf einmal, dass sie nackt waren. Deshalb flochten sie Feigenblätter zusammen und machten sich Lendenschurze. Als es am Abend kühl wurde, hörten sie Gott, den Herrn, im Garten umhergehen. Da versteckten sie sich zwischen den Bäumen. Gott, der Herr, rief nach Adam: ‚Wo bist du?‘ Dieser antwortete: ‚Als ich deine Schritte im Garten hörte, habe ich mich versteckt. Ich hatte Angst, weil ich nackt bin‘» (1. Mose 3,7-10 NLB). Durch das Essen der Frucht lehnten sich die Menschen gegen das einzige Gebot auf, welches Gott ihnen gegeben hat. Und dieses Bewusstsein gegen ein göttliches Gebot zu verstossen, führte bei beiden zu Scham. Dies zeigte sich bei ihnen darin, dass sie sich ihrer Nacktheit schämten. Bis jetzt lebten die Menschen mit Gott zusammen, doch nun kam Scham in ihr Leben und setze einen Keil zwischen sie.
Die erste Reaktion von Adam und Eva nach dem Essen der Frucht war, dass sie sich Feigenblätter nahmen und sich provisorische Kleider daraus machten. Obwohl sie nur unter sich waren, ertrugen sie es nicht und schämten sich dafür. Analog wie Adam und Eva ihre Scham bedeckten so tun auch wir dies. Wir weihen nur sehr wenige Menschen in die Bereiche in unserem Leben ein, für die wir uns schämen. Wir bedecken unsere Scham durch Humor, Narzissmus, dumme Sprüche oder was auch immer. So ist die Scham nicht nur eine Barriere zu Gott, sondern auch zu anderen Menschen. So kann ein Gefühl vorhanden sein, welches sagt «Wenn mich die Menschen wirklich kennen, dann haben sie mich nicht mehr lieb». Daher gilt es sich bedeckt zu halten. Für was schämst du dich in deinem Leben? Für welche Tatsache in deinem Leben schämst du dich so sehr, dass sie eine Barriere in deinem Leben darstellt, um mit anderen Menschen in Beziehung zu treten?
2. Scham-Schuld Spirale
Doch in unseren Leben gibt es nicht nur die Scham, welche eine innere Barriere darstellen kann. Es gibt auch noch die Schuld. Ich kann mich entweder an Menschen oder aber auch an Gott schuldig machen. Häufig tendieren wir dazu, diese beiden Dinge als eines abzutun. Doch dies ist nicht der Fall. Scham und Schuld hängen zwar zusammen, aber sie sind nicht identisch. Scham betrifft das Sein des Menschen und hat mit der Identität zu tun. Adam und Eva waren nackt und dies führte bei ihnen zu Scham. Ein Teil ihrer Identität empfanden sie als schamvoll und wollten sie verstecken. Schuld hingegen ist immer aktiv. Entweder tue oder lasse ich etwas. Schuld hängt oftmals mit einer Tat zusammen. Adam und Eva assen aktiv von der Frucht. Dadurch wurden sie schuldig gegenüber Gott, weil sie von der einzigen Frucht, von der sie nicht essen sollten, gegessen haben. Auch die Reaktion Gottes zeigt, dass die Dinge wofür man sich schämt, nicht per se schlecht sind. «Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist?, fragte Gott, der Herr. Hast du etwa von den verbotenen Früchten gegessen?» (1. Mose 3,11 NLB). Gott stellt nicht die Frage nach der Scham, sondern nach der Schuld. Adam und Eva versteckten sich, weil sie nackt waren. Sie schämten sich aufgrund ihrer Nacktheit. Wenn Scham im Spiel ist, fühlt man sich oftmals für etwas schuldig, obwohl man dies gar nicht müsste. Das Problem von Adam und Eva ist nicht die Nacktheit, sondern ihre Tat.
Doch so schnell kann aus Scham eine Scham-Schuld Spirale entstehen. Wer kennt es nicht. Wenn kleine Kinder Geschwister bekommen, dann geschieht plötzlich etwas ganz Besonderes. Die älteren Geschwister entdecken plötzlich, wie praktisch es in einem bestimmten Bereich ist, kleinere Geschwister zu haben – denn diese können sich nicht wehren. Wenn sie etwas machen, was sie nicht sollten, dann führt dies bei ihnen zu Scham. Doch dies ist sehr schwer händelbar, daher schieben sie es oft den kleinen Geschwistern in die Schuhe. Diese können sich ja nicht wehren. Und wenn ich ganz ehrlich bin, dann muss ich immer wieder aufpassen, nicht wieder in ein solches Verhaltensmuster zu fallen. Denn Scham lässt sich schnell überspielen, in dem ich jemanden anderen beschuldige oder auf seine Defizite hinweise. Hier setzt dann auch die Scham-Schuld Spirale ein. Zuerst steht die Scham, doch diese ist schwerer zu ertragen als eine aktive Schuld. Also macht man sich absichtlich schuldig, man tut oder lässt etwas. Dies wiederum führt zu mehr Scham und man stellt sich die Frage «Zu so was bin ich fähig?». Damit dann diese Scham aufgrund der Schuld wieder besser zu ertragen ist, macht man sich erneut absichtlich schuldig. So geht die Scham-Schuld Spirale weiter.
So ging es auch Adam. Dieser wurde von Gott zur Rede gestellt. Und was war seine Antwort? Eine aus meiner Sicht zutiefst menschliche. «Die Frau, antwortete Adam, die du mir zur Seite gestellt hast, gab mir die Frucht. Und deshalb habe ich davon gegessen» (1. Mose 3,12 NLB). Adam redet sich aus der Sache raus. Ja, Eva gab die Frucht Adam zu essen. Doch er hatte die Wahl. Er hätte Nein sagen können. Daher ist es nicht in Ordnung, wenn er danach Eva die Schuld in die Schuhe schiebt. Darüber hinaus macht er noch fast Gott verantwortlich. Die Frau, die du mir gegeben hast, hat mich verführt. Wenn du mir sie nicht gegeben hättest, dann wäre dies nicht passiert! Adam wollte sich vollkommen aus der Verantwortung ziehen. Doch er hat Schuld auf sich geladen und daher muss er auch dafür geradestehen. Als Konsequenz für ihr Handeln müssen Adam und Eva den Garten Eden verlassen. Die Schuld, die sie auf sich geladen hatten, trennt die Menschen seit jeher von Gott. Doch Gott sah auch ihre Scham und daher machte er ihnen aus einem Fell Kleidung.
Es ist entscheidend den Unterschied zwischen Scham und Schuld zu kennen. Denn bei der Scham ist meine Identität betroffen. Bei der Scham stehen Sätze über dem Leben wie «Ich bin nicht würdig!» oder «Ich bin nicht liebenswert!». Diese haben keinen realen Ankerpunkt. Bei der Schuld hingegen ist mein Tun oder Lassen betroffen. Hier mache ich mich sehr wohl schuldig, denn ich könnte auch anders. Der Sündenfall führte dazu, dass Scham und Schuld in das Leben der Menschen kamen.
3. Der Vorhang der Scham ist zerrissen
Da Scham unsere Identität betrifft, macht dies auch etwas mit uns. Wir fühlen uns nicht vollwertig, nicht geliebt. Daher versuchen wir unser Innerstes gegen aussen abzuschirmen. Doch es gibt einen Weg, wie ich wieder einen positiven Zugang zu mir selbst bekommen kann. Jesus Christus möchte die Beziehung zu dir selbst wiederherstellen.
Jesus Christus starb am Kreuz und nach drei Tagen stand er wieder auf von den Toten. Doch das entscheidende für die Wiederherstellung zu dir selbst geschah im Moment seines Todes. Jesus wurde ans Kreuz genagelt. Links und rechts von ihm waren zwei weitere Menschen. Der Tod am Kreuz ist einer der schmerzhaftesten. Dadurch, dass man am Kreuz hängt, ist man zusammengesackt. Um aber atmen zu können, muss man sich mit den Beinen aufdrücken. Irgendwann schwindet aber die Kraft und man erstickt. Über die letzten Sekunden von Jesus steht folgendes geschrieben: «Da schrie Jesus laut auf und starb. In diesem Augenblick riss der Vorhang im Tempel von oben nach unten entzwei» (Markus 15,37-38 NLB). Leicht kann man diese Notiz überlesen. Doch im Zerreissen des Vorhangs liegt eine extrem grosse symbolische Bedeutung.
Der Tempel war das kultische Zentrum der jüdischen Religiosität. Dieser war vereinfacht gesagt in vier Bereiche unterteilt. Das eine war ein Bereich, zu dem auch Nichtjuden zutritt hatten. Danach folgte ein grosser Vorhof, in dem die Opfer dargebracht wurden. In diesem Vorhof stand der Tempel Dieser wiederum war in zwei Bereiche unterteilt. Zuerst kam das Heiligtum, dort durften die Priester regelmässig hinein, um gewisse kultische Handlungen zu vollziehen. Anschliessend kam das Allerheiligste. Dort durfte nur der Hohepriester einmal im Jahr hinein. Dort musste er das Volk wieder mit Gott versöhnen. Das Heiligtum und das Allerheiligste waren durch einen Vorhang getrennt. Der Weg zu Gott war nur durch einen Mittler, den Hohepriester, möglich. Im Vorhang zeigt sich die Trennung von Mensch und Gott, welche im Garten Eden stattgefunden hat.
Genau dieser Vorhang riss zum Zeitpunkt von Jesu Tod. Dadurch wurde sichtbar, dass die Trennung von Gott und Mensch durch Jesus Christus überwunden wurde. Jesus trug all deine Scham und Schuld mit sich am Kreuz und starb dafür. Dadurch nahm er alles Trennende weg und machte den Weg frei zum Vater. Am Kreuz wird die Nacktheit von Adam und Eva im übertragenden Sinn überwunden. Die Feigenblätter und die Kleidung die Gott für sie machte, zeigten, dass sie den direkten Zugang zu Gott verloren hatte. Statt einem Leben geprägt von der Nähe Gottes, war ihr Leben geprägt von Schuld und Scham. Dies gilt für alle Menschen. Doch durch Jesu Tod am Kreuz ist die Distanz überwunden. Der Vorhang der Scham ist zerrissen. Ich kann ganz in Gottes Gegenwart treten und muss mich nicht schämen. Doch nicht nur meine Identität ist wiederhergestellt, auch alles was ich tue oder lasse, ist durch Jesus vergeben. Schuld und Scham haben keine trennende Funktion mehr gegenüber Gott.
Doch obwohl Scham nicht mehr zwischen Gott und mir steht, kann sie leider immer noch eine innere Barriere zu anderen Menschen darstellen. Ein Weg, um die Macht der Scham im eigenen Leben zu überwinden ist, indem sie anderen mitgeteilt wird. Such dir eine Person deines Vertrauens und versuche diesen Vorhang der Scham zu zerreissen, indem du über deine Scham sprichst. Dies hat eine ungemein heilsame Wirkung. Denn Scham betrifft wie gesagt die Identität. Als Kirche bieten wir zwei gute Möglichkeiten dies zu tun. Zum einen im Anschluss der Predigt im Gebet. Eine andere Möglichkeit sind die Kleingruppen. Dort ist man gemeinsam über eine längere Zeit unterwegs und tauscht sich aus. Du hast noch bis Ende März Zeit dich anzumelden.
Mögliche Fragen für die Kleingruppe
Bibeltext lesen: 1. Mose 3
- Wie reagierst du, wenn du dich schämst? Was sind deine Abwehrmechanismen, damit andere Menschen deine Scham nicht entdecken?
- Für was schämst du dich in deinem Leben? Für welche Tatsache in deinem Leben schämst du dich so sehr, dass sie eine Barriere in deinem Leben darstellt, um mit anderen Menschen in Beziehung zu treten?
- Nimmst du die Scham-Schuld Spirale in deinem eigenen Leben auch wahr?
- Siehst du den Unterschied von Scham und Schuld? Was ist dir neu aufgefallen?
- Welcher «Schamsatz» steht über deinem Leben?
- Was hindert dich daran, offen über deine Scham zu reden?