Ostern – mehr als ein spiritueller Gedanke
Ostern bedeutet, dass Jesus der Sieger über den Tod ist, der damals im Garten Eden als Folge beim Fall über die Menschheit kam. Jesus ist nicht nur geistig, ideell auferstanden, sondern körperlich, materiell. Entsprechend gilt seine angebotene Erlösung nicht nur der menschlichen Seele, sondern auch dem Körper, ja der ganzen Schöpfung. Das ist das sehr gute Evangelium, das die Antwort auf die sehr gute Schöpfung ist.
Vor zwei Wochen sind wir in unser neues Heim eingezogen. Uns kam zu Ohren, dass die Seoner Bevölkerung sich dahingehend geäussert habe, dass sie erstaunt seien, was aus diesem Haus geworden ist. Vor dem Umbau war es ein 35-jähriges Haus. Klar, dass der Zahn des Alters daran genagt hat. Heute ist es viel heller, moderner und grosszügiger. Wenn man dann etwas genauer hinsieht, entdeckt man jedoch alte Spuren. Beispielsweise sieht man an der Decke den Verlauf der alten Mauer zwischen Küche und Stube. Diese Spuren erzählen uns die Geschichte des Hauses. Mit dem Körper von Jesus geschah bei der Auferstehung Ähnliches. Auch er trug Spuren des vorherigen Lebens an sich.
Von der Auferstehung Jesu gibt es keine Augenzeugen, dafür aber hunderte von Menschen, die den Auferstandenen gesehen, ihn berührt oder mit ihm gegessen haben. Von Beginn an war die Botschaft, dass Jesus leibhaftig auferstanden sei. Von Anfang an gab es aber auch Zweifel an der Auferstehung. Auch heute noch ist es für viele Menschen unvorstellbar und seltsam, dass Jesus tatsächlich mit seinem Körper zurück von den Toten gekommen ist.
Lieber früher als später
Im apostolischen Glaubensbekenntnis heisst es «Am dritten Tag auferstanden von den Toten.» In der Erzählung von Johannes erfahren wir eine genauere Zeitbestimmung: «Früh am ersten Tag der Woche, als es noch dunkel war, kam Maria Magdalena zum Grab und fand den Stein vom Eingang weggerollt» (Johannes 20,1 NLB; vgl. Markus 16,2). Die Auferstehung von Jesus geschah früh zu Beginn dieses dritten Tages. Jesus lässt sich nicht länger als unbedingt nötig, vom Tod zurückhalten. So früh, wie es irgendwie geht, kommt er zurück ins Leben. Aufgrund der Prophezeiungen, an denen er sich orientiert, konnte die Auferstehung nicht vor dem dritten Tag sein. Zudem war dies ein realistischer Zeitraum, dass kein Mensch behaupten konnte, dass Jesus gar nicht tot war. Für Jesus ist das Leben so wertvoll, dass er keinen Moment davon verschenken will.
Die Auferstehung von Jesus bringt genau diese Qualität von Leben hervor, welche der Mensch beim Fall in Genesis 3 verloren hat. Es ist das unvergängliche, ewige Leben, versöhnt mit Gott, mit sich selbst, mit den Mitmenschen, mit dem anderen Geschlecht, mit der Schöpfung, etc. Es ist das üppige Leben, das die Hebräer mit dem Wort Shalom umschreiben.
Ostern bedeutet, dass Jesus der Sieger über den Tod ist, der damals im Garten Eden als Folge beim Fall über die Menschheit kam. «[...] Der Tod wurde verschlungen vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?» (1Korinther 15,54f NLB). Wer dieses Auferstehungsleben von Jesus annimmt, der bekommt den Shalom sofort und später ebenfalls einen unvergänglichen, himmlischen Körper (V.54a). Wer Jesus Christus vertraut, der hat das ewige Leben! Wo Christus mit seinem Leben nicht ist, ist auch das Leben in Ewigkeit nicht.
Mit Haut und Haar
Manche Menschen glauben, dass es nicht wichtig sei, ob Jesus körperlich auferstanden sei. Sie vertreten die These, dass der Körper von Jesus im Grab verweste und nur sein personaler Kern in die Gegenwart Gottes entrückt wurde. Es ist hochgradig relevant, dass Jesus leibhaftig auferstanden ist. «Wenn aber Christus nicht auferstanden ist, dann ist euer Glaube nutzlos, und ihr seid nach wie vor in euren Sünden gefangen» (1Korinther 15,17 NLB).
Nach seiner Auferstehung taucht Jesus völlig unerwartet im Kreis seiner Freunde auf. Jesus drängt es als Sieger über den Tod konkret und sehr schnell ins Leben zurück, weil da Menschen sind, die seine Nähe und seinen Zuspruch in besonderer Weise nötig haben. Seine Schüler waren nämlich voller Zweifel, panischer Angst und Hoffnungslosigkeit. Sie hatten ihr Leben an die Wand gefahren. Erschwerend kam hinzu, dass sie sich in der abgelaufenen Geschichte nicht mit Ruhm bekleckert, sondern ihren Lehrer völlig im Stich gelassen haben. Sie fühlten sich schuldig.
In einer solch misslichen Lage braucht ein Mensch den leibhaftigen Trost, Zuspruch und Vergebung durch die Person, die Dreh- und Angelpunkt der ganzen Situation ist. Lediglich eine geistige Idee reicht nicht aus! Aus der körperlichen Begegnung mit Jesus Christus wird aus der Gruppe von ängstlichen und hoffnungslosen Jüngern, die kurze Zeit später aufstehen und gegen allen Widerstand den gekreuzigten und auferstandenen Christus predigen. Für diese Botschaft sind sie bereit, ihr Leben zu lassen.
Wenn wir in hoffnungslosen, verzweifelten und panischen Situationen stecken, will Christus uns ebenfalls leibhaftig als der Auferstandene begegnen und nicht nur in der Vorstellung, nicht einfach metaphysisch nicht vorstellbar, sondern sehr konkret.
Dabei spricht Jesus vier einprägsame Worte aus: «Friede sei mit euch» (Johannes 20,19 NLB). Eine Woche später bestätigt Er diese Worte (V.26). Jesus hat den Frieden nicht allgemein und diffus gebracht, sondern sehr handfest, sehr konkret, körperlich greifbar und begreifbar. In Originalton: Shalom alechem! Shalom – da ist er wieder, dieser Begriff aus Eden. Durch seine Auferstehung stellt Jesus den Shalom aus der Schöpfungsgeschichte wieder her. «Durch ihn (Jesus) hat er (Gott) alles mit sich selbst versöhnt. Durch sein Blut am Kreuz schloss er Frieden mit allem, was im Himmel und auf der Erde ist. Darin seid auch ihr eingeschlossen, obwohl ihr früher so weit von Gott entfernt wart» (Kolosser 1,20f NLB). Viele Christen glauben, dass Jesus durch seinen Tod und seine Auferstehung die Menschen mit Gott versöhnt hat. Stimmt, auch wir sind eingeschlossen. Die Wirkung der Auferstehung ist jedoch viel Gigantischer! Nicht weniger als der Shalom der ganzen Schöpfung soll wiederhergestellt werden. Alle zerstörten Beziehungsebenen können neu werden. Dietrich Bonhoeffer: «In der Auferstehung erkennen wir, dass Gott die Erde nicht preisgegeben, sondern sich zurückerobert hat.»
Die Philosophen der Antike trennten die Wirklichkeit in das niedere Material und das höhere Geistige. Erlösung bedeutete etwa für Platon, das Leibliche hinter sich zu lassen und ganz im Geist zu leben. Für ihn ist die Welt der geistigen Ideen das Eigentliche, der Körper nur das zu überwindende Gefängnis. Diese Materie-ist-doof-Weltsicht prägt das christliche Denken bis heute. Sie wurde zum Nährboden einer ungesunden Durchreise-Spiritualität. Man erwartet keine Neuschöpfung mehr, sondern fokussiert sich auf die Entrückung als erlösende Befreiung von allem Leiblich-Irdischen. Wer so glaubt, dem ist die Zukunft der Schöpfung egal. «Lasst doch. Je schneller die Erde vergeht, desto besser!» Christliche Zukunftshoffnung ist keine geistige Verjenseitigung. Ganz im Gegenteil: Christen hoffen und beten, dass Gottes Reich komme, wie im Himmel so auf Erden.
Jesu Erlösung ist nicht Lösung vom Leib in eine geistige Metaphysik, sondern Rückführung des Materiellen in die versöhnte Wirklichkeit Gottes. Das ist die Grundlage, um sich im Just People-Kurs Gedanken über die Umwelt und die Gerechtigkeit auf dieser Welt zu machen.
Aus alt wird neu
Nach seiner Auferstehung kann Jesus mit seinem Körper durch Wände gehen. Plötzlich stand er da. Ebenso plötzlich verschwand er. Als Maria Magdalena weinend das leere Grab betrachtet, wendet sie sich ab und sieht eine Gestalt. Es ist Jesus, sie meint aber, es sei der Gärtner (Johannes 20,15). Ein anderes Mal gesellt sich Jesus zu zwei Jüngern, die nach Emmaus unterwegs sind. Sie merken nicht, dass es Jesus ist. Erst als Er in Emmaus angekommen das Brot bricht, erkennen sie Ihn. Doch dann ist er auch schon wieder weg. So ganz wiederzuerkennen ist er nicht und trotzdem ist er der Gleiche.
Als Jesus seinen Leuten den Shalom zugesprochen hat, heisst es: «Und nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Freude erfüllte die Jünger, als sie ihren Herrn sahen» (Johannes 20,20 NLB). Jesus trägt die Wunden der Kreuzigung auch am Auferstehungsleib. Thomas macht das Berühren der Wunden zur Bedingung, um an den auferstandenen Christus glauben zu können. Aufgrund dieser Berührung fällt er vor Ihm nieder und ruft: «Mein Herr und mein Gott!» (Johannes 20,28 NLB).
Das neue Auferstehungsleben ist nicht der Abbruch vom Bisherigen, sondern hat einen Rückbezug und eine Weiterführung von ganz wichtigen Elementen dessen, was vorher geschehen war. Das Alte wird ins Neue verwandelt – wie unser Haus am Mostereiweg. Für Jesus war sein irdischer Körper kein Kostüm, das er für die Zeit auf Erden angezogen hat, und dann glücklich war, als er es endlich loswerden konnte. Damit bejaht Jesus, als der Auferstandene, seine bisherige Körperlichkeit. Nicht nur unsere Seele, sondern auch unser Körper ist wichtig. Frühe Theologen sagten: «Was nicht angenommen wurde, wird auch nicht erlöst.» Wer seine Körperlichkeit als Mensch ablehnt, der kann nicht damit rechnen, dass der ganze Mensch mit seinem Körper auch erlöst werden kann.
Es ist wie bei unserem Haus; obwohl es neu ist, trägt es noch die Spuren des Bisherigen. Manche Christen berufen sich auf 2Korinther 5,17: «Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden» (LUT). Und dann denken sie, dass für Menschen, die wirklich an Jesus glauben, Krankheit, schlechte Gedanken, Depression oder Armut keine Rolle mehr spielen. Wir leben im neuen Leben und alles ist neu. Christus beweist anhand seines eigenen Körpers, dass das nicht stimmt. Da sind die Wundmale, die aber keinen Schmerz mehr verursachen, sondern die Zeichen seines Sieges sind.
Vielleicht tragen auch wir Wunden mit uns herum, die immer noch da sind. Dennoch haben sie ihre bedrückende und erdrückende Macht im Leben verloren. Sie sind Zeichen des Sieges, weil wir uns auf die körperliche Auferstehung berufen. Kreuz und Auferstehung, Vergängliches und Unvergängliches gehören für uns zusammen. Genau wie Jesus in seinem neuen Körper gleichermassen himmlisch-erneuert und sichtbar von Narben gekennzeichnet war, so ist auch die Neuschöpfung der Welt zu denken: Erneuert unter Einbezug alles bisher Gewordenen. Dieses Wissen setzt uns in eine grosse Verantwortung gegenüber Gottes Schöpfung.
Zum Schluss gebe ich den gleichen Tipp weiter, wie ihn Paulus seinem Sprössling Timotheus gegeben hat: «Denke an Jesus Christus, der als Mensch aus dem Geschlecht Davids stammte und von den Toten auferstanden ist. Das ist die Botschaft, die ich predige» (2Timotheus 2,8 NLB). Christus ist leibhaftig auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!
Fragen für die Kleingruppen
Bibeltext lesen: Johannes 20,1-29
- Was ist der Unterschied, ob Jesus leibhaftig oder nur seelisch immateriell auferstanden ist?
- Warum ist er bereits früh am Morgen auferstanden?
- Was umfasst die Versöhnung, die durch Jesu Tod und Auferstehung geschaffen wurde?
- Was gehört zum Verantwortungsbereich von uns Menschen in der Neuschöpfung?
- Jesus war in seinem neuen Körper gleichermassen himmlisch erneuert und sichtbar von Narben gekennzeichnet. Was könnte das für uns selbst und für die neue Schöpfung bedeuten?