Jesus weinte – komm mit und überzeuge dich selbst
Serie: Folge du mir nach | Bibeltext: Johannes 11,1-45
Als Nachfolger ist es wichtig zu wissen, wem denn genau nachgefolgt wird. Nachfolge hat immer zum Ziel seinem Vorbild ähnlicher zu werden. Doch was bedeutet dies, wenn wir jemandem nachfolgen der nicht nur sagt «Folge du mir nach», sondern über den gesagt wird: «Da weinte Jesus»? Diese Bibelstelle zeigt uns viel über das Wesen von dem, der sagt «Folge du mir nach».
Viele Menschen stellen sich die Frage nach dem, was passiert wäre, wenn sie dieses und jenes gemacht hätten. Auch ich habe mich gefragt. Was wäre, wenn ich am Hochzeitstag meiner Kindergartenfreundin mit unserem Vertrag aus dieser Zeit aufgetaucht wäre und darauf bestanden hätte, dass wir uns doch mit Unterschrift bestätigt haben, dass wir einmal heiraten wollen? Was wäre, wenn mein Vater das Stellenangebot in den Neunzigerjahren in den USA angenommen hätte? Wäre der amerikanische Traum in Erfüllung gegangen? Würde ich jetzt Trump wählen? Was wäre, wenn ich am 1. März 2013 auf dem Weg nach Hause vom Militär noch kurz beim Altersheim vorbeigeschaut hätte? Hätte ich meine Grossmutter noch gesehen? Was wäre, wenn ich im Juli 2017 keine Kopfschmerzen gehabt hätte und daher den Termin mit einem meiner besten Freunde wahrgenommen hätte? Hätte ich mich von ihm noch gebührend verabschieden können, bevor er in den kurz darauffolgenden Ferien bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist? Was wäre, wenn…
Was wäre, wenn…?
Kennst du diese Frage? Stellst du dir diese Frage auch ab und an? Oft stellen wir uns diese Fragen und einerseits sind wir froh, dass es teilweise nicht so gekommen ist. Denn der Status Quo ist sehr angenehm und schön. Anderseits sind wir auch sehr wehmütig, dass es nicht so gekommen ist, wie es hätte kommen können. Zumindest bei negativen Auswirkungen. Tief dahinter liegt der Wunsch in der Vergangenheit die Gegenwart dementsprechend zu verändern, dass es einen positiven Einfluss auf das Hier und Jetzt hat.
Wir befinden uns am Start des Jahresthemas Nachfolge mit den Worten Jesu «Folge du mir nach». Wir machen uns gemeinsam als Kirche auf den Weg der Frage nachzugehen, was es bedeutet, Jesus Christus nachzufolgen. Wer ist denn derjenige, dem wir nachfolgen? Was hat er gemacht, getan, gedacht? Heute Morgen möchte ich den Fokus auf eine Geschichte legen, in der eine Bibelstelle liegt, welche mir sehr viel bedeutet und viel mit dem «Was wäre, wenn…» zu tun hat.
Jesus Christus war gegen Ende seines Wirkens auf der anderen Seite des Jordans. Ein paar Tage zuvor war er noch in Jerusalem gewesen, wo ihn die Menschen steinigen wollten. Er zog sich nun dort zurück. An diesem Ort erhält er eine Nachricht von zwei befreundeten Schwestern. Maria und Marta lassen ihm mitteilen, dass ihr Bruder Lazarus sehr krank ist und er so schnell wie möglich kommen soll. Jesus war gut mit diesen dreien befreundet -nichtsdestotrotz bleibt er noch für zwei Tage dort. Er macht nicht den Anschein, als hätte er es eilig. Der Weg dauert zu Fuss ca. einen Tag, bis Jesus dort ankommt. Die Geschwister lebten in Bethanien. Dieses Dorf war nur wenige Kilometer von Jerusalem entfernt und der Name bedeutet «Haus der Armen». Es kann gut sein, dass dieser Name sprichwörtlich war, denn Jesus hatte stets ein Herz für die Armen und Ausgegrenzten. Es war aber wie gesagt gefährlich nahe an Jerusalem. Alles, was dort in Bethanien geschah, wurde in Jerusalem schnell wahrgenommen. Lazarus war mittlerweile schon vier Tage verstorben. Als Marta hörte, dass Jesus auf dem Weg zu ihnen war, eilte sie Jesus entgegen. Ihre Schwester Maria blieb im Haus. Marta war schon immer die aktivere der beiden. «Marta sagte zu Jesus: Herr, wärst du hier gewesen, wäre mein Bruder nicht gestorben» (Johannes 11,21 NLB). Wie ist diese Aussage zu verstehen? War es ein Vorwurf an Jesus? Oder spricht vielmehr die Verzweiflung aus ihr? Oder ist es ein Statement: Was wäre, wenn Jesus hier gewesen wäre? Martha macht dort eine persönliche Begegnung mit Jesus. Er führt sie in diesem Gespräch von der Annahme, dass Jesus ein bedeutender Mensch ist, hin zu, Jesus ist der verheissene Retter der Welt – der Christus. Mit dieser Erkenntnis kehrt Marta zurück zu Maria und erzählt ihr womöglich auch davon. Eilig macht sich nun auch Maria auf zu Jesus. Die Menschen, welche bei ihr waren und mit ihr trauerten, folgen ihr. «Als Maria nun an die Stelle kam, wo Jesus war, und ihn sah, warf sie sich ihm zu Füssen und sagte: Herr, wärst du hier gewesen, wäre mein Bruder nicht gestorben» (Johannes 11,32 NLB). Ist dies erneut ein Zeichen des Vorwurfs, der Verzweiflung oder bloss ein Statement? Es bleibt die Frage offen, was wäre, wenn Jesus früher gekommen wäre? Doch etwas ist bei Maria anders, sie fällt auf die Füsse vor Jesus. Diese tiefe Trauer gemischt mit Vertrauen zu Jesus löst eine Reaktion aus. «Als Jesus die weinende Maria und die Leute sah, die mit ihr trauerten, erfüllten ihn Zorn und Schmerz. ‘Wo habt ihr ihn hingelegt?’, fragte er. Sie antworteten: ‘Herr, komm mit und sieh’» (Johannes 11,33-34 NLB). Jesus war erschüttert. Es traf ihn zutiefst. Einerseits Wut, andererseits Schmerz. Wieso war Jesus wütend? Er war selbst noch jenseits des Jordan geblieben.
Jesus weinte
Wir kennen den genauen Grund nicht, aber gleich anschliessend folgt ein Bibelvers, der wohl so seelsorgerlich ist wie kein anderer. «Da weinte Jesus» (Johannes 11,35 NLB). Jesus weinte. So schnell wie möglich möchten wir ergänzen: Jesus weinte, weil… Ich möchte hier innehalten und uns dies vor Augen führen. Derjenige, welchem Christen nachfolgen, war ein Mann der Tränen. Nirgendwo in der Bibel lesen wird, dass Jesus lachte. Aber wir lesen, dass er weinte. Dies bedeutet nicht, dass Spass fehl am Platz ist. Zeigt aber viel mehr auch den Charakter von Jesus. Weinen war damals, wie heute für einen Mann praktisch undenkbar – sprich denn für einen Gott.
Doch in dieser Geschichte ist Jesus nicht der einzige, welcher weinte. Uns begegnen viele trauernde Leute. Die weinende Maria wird mit dem griechischen Wort «klaio» beschrieben. Dies heisst so viel wie weinen/beweinen. Das Substantiv davon bedeutet Heulen. «Klaio» ist der gewöhnliche Ausdruck des Weinens. Maria weinte, heulte, aufgrund ihres Schmerzes. Auf der anderen Seite steht Jesus. Tief betroffen von ihrer Trauer beginnt er selbst zu weinen. Doch hier steht nicht das Wort «klaio», sondern das griechische Wort «dakryo». Dies heisst zwar auch weinen, aber hat noch einen erweiterten Bedeutungszusammenhang. Es heisst zwar weinen, aber auch in Tränen ausbrechen oder die Augen gingen über. Es drückt Mitgefühl aus und wird im gesamten Neuen Testament nur einmal verwendet – und dies hier. Doch dass Jesus weinte, ist nicht nur ein Beweis, dass Jesus Gott, sondern tatsächlich auch ein Mensch war. Zu Beginn des Johannesevangeliums wird Jesus als das Wort beschrieben, welches Mensch wurde (Johannes 1,14). «Erst wenn wir unsere verknöcherten Vorstellungen von Gott zur Seite legen und gegen Bilder eintauschen, in denen das Wort, das Gott ist, mit den Weinenden dieser Welt weinen kann, werden wir entdecken, was das Wort ‘Gott’ wahrhaftig bedeutet» (N.T. Wright). Jesus Christus bricht in dem Augenblick in Tränen aus, als er sieht, wie Maria und alle Menschen weinen, welche bei ihr waren. Jesus ertrug die Voraussagen alttestamentlicher Schriften viel wörtlicher, als dies meistens gedacht wird. «Dennoch: Er nahm unsere Krankheiten auf sich und trug unsere Schmerzen. […]» (Jesaja 53,4 NLB).
In keinem Moment wusste aber Jesus nicht, was er tat. Er wusste bereits bevor sie von jenseits des Jordans aufgebrochen sind, dass Lazarus tot war. «Da sagte er ihnen offen: Lazarus ist tot. Euretwegen bin ich froh, dass ich nicht dort war, weil ihr so einen weiteren Grund haben werdet, an mich zu glauben. Kommt, wir wollen zu ihm gehen» (Johannes 11,14 NLB). Er wusste in dem Moment der Tränen genau, dass er Lazarus von den Toten auferwecken würde. «Da rollten sie den Stein beiseite. Dann blickte Jesus zum Himmel auf und sagte: ‘Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Ich weiss, dass du mich immer erhörst, doch ich sage es wegen der vielen Menschen, die hier stehen, damit sie glauben können, dass du mich gesandt hast.’ Dann rief er mit lauter Stimme: ‘Lazarus, komm heraus!’ Und Lazarus kam heraus. Er war in Grabtücher gewickelt und sein Kopf war mit einem Tuch verhüllt. Jesus sagte: ‘Löst die Binden und lasst ihn gehen!’ (Johannes 11,41-44 NLB). Marta warnte Jesus vor dem Gestank. Denn Lazarus war bereits vier Tage tot und im Klima von Israel verwesen die Toten schnell. Doch wenn wir uns Jesus vor Augen halten, worauf bezieht sich wohl sein Dank an den Vater? Es gibt einige Vermutungen, dass Jesus in den zwei Tagen, in denen er noch wartete, mit Gott rang, bis er sich auf den Weg machte. Denn als das Grab geöffnet wurde, kam ihnen kein Gestank entgegen. Gott hatte demnach Jesus erhört. Ausserdem wusste Jesus genau, dass die Auferweckung des Lazarus seinen eigenen Tod einleiten würde. Dies wiederum verweist auf seinen eigenen Tod. Jesus stand nach drei Tagen auf, Lazarus nach vier. Doch dass Jesus und Lazarus nicht verwesten, also kein Gestank vorhanden war, deutete schon das Alte Testament an. «Denn du wirst deinen Heiligen nicht im Grab verwesen lassen und wirst nicht dulden, dass dein Gottesfürchtiger im Grab verwest» (Psalm 16,10 NLB). Es waren so viele Menschen anwesend, dass sich das Auferweckungswunder von Lazarus wie ein Lauffeuer verbreitete. Es sprach sich schnell herum und viele begannen aufgrund dieses Wunders an Jesus zu glauben. Daher fassten die religiösen Führer den Entschluss Jesus zu töten.
Nochmals: Jesus wusste genau, was er tat. Im Augenblick, als er weinte, wusste er, dass er Lazarus von den Toten auferwecken wollte. Doch diese Bibelstelle zeigt uns einen Mann der Schmerzen. Einen Mann, der mit unserer Trauer und unserem Schmerz vertraut ist. Sie zeigt uns einen Mann, der bis zum Weinen alles mit uns teilt und mitträgt.
Komm mit und überzeuge dich selbst!
Was hat diese Geschichte uns zu sagen? Was hat dies mit unserem Jahresthema zu tun? In dieser Geschichte verwoben und vielleicht auch ein wenig verborgen finden wir einen Fokuswechsel. Was wäre, wenn…. Was wäre, wenn der Tod nicht das Ende ist? Als Jesus das persönliche, seelsorgerische Gespräch mit Marta führte, machte er folgende Aussage. «Jesus sagte zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt» (Johannes 11,25 NLB). Marta fragte sich, was wenn Jesus rechtzeitig, also zu Lebzeiten des Lazarus, da gewesen wäre. Die Antwort von Jesus lautet: Was wäre, wenn ich die Auferstehung und das Leben bin? Dieser Fokuswechsel fand auch bei Marta statt. Anstatt des, was wäre, wenn ihr guter Freund Jesus rechtzeitig gekommen wäre, kommt eine umfassende Erkenntnis. Was wäre, wenn Jesus der Christus ist? « […] Ich bin zu dem Glauben gekommen, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll» (Johannes 11,27 NLB). Marta kam vom negativen was wäre, wenn… zum positiven, was wäre, wenn das letzte Wort noch nicht gesprochen ist! Sie kam zu dieser Erkenntnis, noch bevor Jesus Lazarus von den Toten auferweckte.
Doch etwas weiteres können wir mitnehmen. Nachfolge heisst Nachahmung. Wenn wir etwas nachfolgen, dann bestimmt dies vieles. Von unserer Agenda, über unsere Verhaltens- und Denkweisen bis zu unserem Portemonnaie. Im Neuen Testament wir ein Ratschlag für Nachfolger gegeben. «Sind andere Menschen glücklich, dann freut euch mit ihnen. Sind sie traurig, dann begleitet sie in ihrem Kummer» (Römer 12,15 NLB). Unser Jahresthema «Folge du mir nach» ist eine Einladung mitzukommen, und sich selbst zu überzeugen. Jesus sagte zu einem Mann, dass er ihm nachfolgen solle (Johannes 1,43). Dieser hatte erkannt, dass Jesus der ist, welcher im Alten Testament angekündigt wurde. Er erzählte dies seinem Freund Nathanael, dass der verheissene Retter Jesus aus Nazareth sei. «’Aus Nazareth!’, rief Nathanael aus. ‘Kann denn aus Nazareth etwas Gutes kommen?’ Philippus antwortete: ‘Komm mit und überzeuge dich selbst’» (Johannes 1,46 NLB). Nathanael hatte klare Vorstellungen, was wie zu laufen hat. Sein «was wäre, wenn der Retter der Welt kommt» war ganz klar abgesteckt. Sein Retter konnte nicht aus Nazareth kommen. Doch nun folgt die Einladung des Philippus «Komm mit und überzeuge dich selbst». Wir stehen alle an einem unterschiedlichen Punkt der Nachfolge von Jesus Christus. Heute erfolgt eine Einladung an dich «Komm mit und überzeuge dich selbst!» Lerne den kennen, der weinte, aufgrund der Trauer, die ihn umgab. Bist du bereit, dein «Was wäre, wenn…» neu definieren zu lassen?
Mögliche Fragen für die Kleingruppe
Bibeltext lesen: Johannes 11, 1-45
- Was hältst du von Jesus seinem Verhalten, dass er noch zwei Tage länger jenseits des Jordans blieb, als er müsste?
- «Was wäre, wenn…» Welche Frage diesbezüglich beschäftigt dich am meisten? Wo hast du eine grosse «Was wäre, wenn…» Frage? Bist du bereit dir eine neue Perspektive schenken zu lassen?
- «Da weinte Jesus» (Johannes 11,35 NLB). Was löst diese Bibelstelle bei dir aus? Was sagt dies über Jesus aus? Was sagt dies über deinen Gott, wenn seine Augen übergehen, aufgrund der Trauer, die er um sich herum sieht?
- Jesus wusste genau, was er machen würde. Was sagt dies über Jesus aus, dass er weinte, obwohl er wusste, dass er Lazarus von den Toten auferwecken würde?
- Marta kam vom «Was wäre, wenn dies oder jenes sich ändern würde» zum «Was wäre, wenn Jesus grösser ist als der Tod». Wie sieht dies bei dir aus? Wo würdest du dich einordnen?
- Bist du bereit zu kommen und dich selbst überzeugen zu lassen (Johannes 1,46). Was braucht es für dich, dass du dich überzeugen lässt, Jesus Christus nachzufolgen?