Der Gottesname am Dornbusch
Serie: Heilig - Heilig - Heilig | Bibeltext: 2. Mose 3,7-14
Die Begegnung von Mose mit dem heiligen Gott am Dornbusch hat sein Leben völlig umgekrempelt. Als Grundlage für seinen maximal herausfordernden Auftrag – ein Millionenvolk aus der Gefangenschaft in ein unbekanntes Land – führen, stellt sich der HERR mit seinem Namen vor. «Ich bin der, als den ich mich erweisen werde.» Der heilige Gott ist für uns Menschen nicht fassbar, ER ist aber auch nicht willkürlich. Seine Heiligkeit garantierte reinste Güte, Barmherzigkeit, Liebe und Empathie.
Die Qualität einer christlichen Gruppierung hängt primär davon ab, wie ernst sie es mit dem heiligen Gott nehmen. Wir wollen zu einer Kirche werden, welche über Gottes Erhabenheit, Schönheit und Unverfügbarkeit staunt und Ihn nicht zu einem onkelhaften Über-Gutmenschen degradiert. Aus dem brennenden Dornbusch ertönte es: «Mose, Mose!» (2Mose 3,4). Der heilige Gott kannte den Namen von Mose, bevor Mose den Namen Gottes kannte. Die Frage folgt aber: «Wenn ich zu den Israeliten gehe und ihnen sage: ›Der Gott eurer Vorfahren hat mich zu euch gesandt‹, und sie mich dann fragen: ›Wie heisst er denn?‹, was soll ich ihnen dann antworten?» (2Mose 3,13 NLB). Im jüdischen Kontext hat der Name noch grössere Bedeutung als bei uns. Es ist das Programm, das zu einer Person gehört. Deshalb ist es verständlich, dass Mose den Namen seines Auftraggebers wissen will.
Neuer Name
«Gott entgegnete: ‘Ich bin, der ich immer bin. Sag ihnen einfach: ›»Ich bin« hat mich zu euch gesandt.’» (2Mose 3,14 NLB). Luther übersetzt: «Ich werde sein, der ich sein werde.» In der hebräischen Bibel stehen für den Gottesnamen die Buchstaben J-H-W-H (6828-mal im Tanach). Der heilige Gott stellt sich also nicht mit einem ‘Namenswort’, sondern mit dem ‘Tunwort’ sein vor. Man könnte auch übersetzen: Ich bin der, als den ich mich erweisen werde. Es gibt keinen Namen, der die Grösse und Majestät Gottes einfangen könnte. Ein Substantiv wäre viel zu statisch, zu abgeschlossen.
Später wird Gott Mose zwei Tafeln mit den Weisungen Gottes geben. Auf einer steht, dass der Mensch sich kein Bild von Gott machen soll (vgl. 2Mose 20,4). Jedes Bild, das wir uns von Gott machen, greift zu kurz und beschneidet Ihn in seiner unvorstellbaren Grösse. Kein Bild – weder gedanklich noch materiell – kann Gott auch nur annähernd fassen. Es gehört zu Gottes Heiligkeit, dass Er für uns unverfügbar bleibt. Wir haben Ihn nicht im Griff. Er ist kein Maskottchen, das wir in die Hosentasche stecken können. Für die Juden ist der Gottesname JHWH so heilig, dass sie ihn gar nie in den Mund nehmen. Deshalb wusste man später, als die hebräische Bibel vokalisiert wurde, gar nicht, wie man den Namen ausspricht. Deshalb gibt es Kirchen, die Jehova sagen, andere bevorzugen Jahwe.
Bedeutet der Gottesname (Ich bin der, als den ich mich erweisen werde), dass Jahwe launenhaft, unberechenbar und willkürlich ist? Launenhaft und willkürlich – nein. Unberechenbar – ja! Jahwe ist heilig, so rein, voller Liebe, Barmherzigkeit und Güte, dass wir dies niemals berechnen können. Gott ist absolut rein und schön, in Ihm gibt es keine Schatten, deshalb können wir von Seiner Unberechenbarkeit nur positiv überrascht werden. Bevor Jahwe seinen Namen nennt, sagt Er zu Mose: «Ich habe gesehen, wie mein Volk in Ägypten unterdrückt wird. Und ich habe ihr Schreien gehört. Ich weiss, wie sehr es leidet. Ich bin gekommen, um sie aus der Gewalt der Ägypter zu retten und sie aus Ägypten zu führen in ein schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig überfliessen [...] Ich habe das Schreien der Israeliten gehört und ich habe gesehen, wie sie von den Ägyptern unterdrückt werden» (2Mose 3,7-9 NLB). Am letzten Sonntag hat mir eine Frau gesagt, dass Gott sie wohl vergessen habe. Vermutlich hat sich das Volk Israel während ihrer 400-jährigen Gefangenschaft auch so gefühlt. Jahwe hat gesehen, gehört, Er weiss um die Not, das Leiden und ist gekommen.
Jahwe hat gerade auf dem Boden Seiner Heiligkeit einen so reinen und vorzüglichen Charakter, dass Sein Name nur positive Erwartungen wecken kann.
Neue Gottesfurcht
Die adäquate Reaktion des Menschen auf Gottes Heiligkeit ist Ehrfurcht, Respekt und Anbetung. Die Juden tragen aus Ehrfurcht vor Gott eine Kippa, damit sie nicht direkt mit Gottes Heiligkeit in Berührung kommen. Mose zog die Schuhe aus und blieb auf Distanz zum brennenden Dornbusch.
Diese Woche wurde ich von Leuten gefragt, wie das Verhältnis von Distanz und Nähe zu Gott sei. Sollen wir Jahwe nun lieben oder fürchten? Jahwe fordert beides gleichzeitig: «Nun, Israel, was fordert der HERR, dein Gott, noch von dir, als dass du den HERRN, deinen Gott, fürchtest, dass du in allen seinen Wegen wandelst und ihn liebst und dem HERRN, deinem Gott, dienst von ganzem Herzen und von ganzer Seele, dass du die Gebote des HERRN hältst und seine Rechte, die ich dir heute gebiete, auf dass dir’s wohlgehe?» (5Mose 10,12f LUT). Wer Gott fürchtet, bringt damit zum Ausdruck, dass er über Gottes Schönheit, Erhabenheit und Heiligkeit staunt. Jahwe ist der Schöpfer, ich bin Geschöpf, Er ist der HERR, ich bin sein Diener. Aus dieser staunenden und demütigen Haltung heraus, kommt die Liebe auf die richtige Spur und bereitet der Dienstbereitschaft und dem Gehorsam den Weg. Gottesfurcht und Liebe widersprechen sich nicht.
Die Achtung, die Ehrfurcht und das Ernstnehmen von Gott ist die Grundlage für Freundschaft. David schreibt: «Die Freundschaft mit dem HERRN gebührt denen, die ihn ernst nehmen (fürchten)» (Psalm 25,14 NGÜ). Was wir in unserer Erfahrungswelt schlecht zusammenbringen, gehört bei Gott zusammen. Mose erlebte mehrfach die Heiligkeit Gottes, was seine Gottesfurcht förderte und Freundschaft mit Jahwe erst ermöglichte: «Der HERR sprach mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie einer, der mit seinem Freund redet [...]» (2Mose 33,11 NLB). Gottes Heiligkeit und Freundschaft mit Gott ist kein Widerspruch.
Als Jesus zu vor seinem Tod für seine Nachfolger betete, sprach er: «[...] Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind, so wie wir eins sind» (Johannes 17,11 NLB). Er bringt damit die Vaterschaft Gottes und seine Heiligkeit zusammen. Deshalb gefällt mir der Satz: Ich rede mit meinem liebenden Vater und verstumme vor dem heiligen Gott. Der Adressat ist der Gleiche. Für uns mag es ambivalent erscheinen, doch bei Gott erwächst die Vaterschaft aus seiner Heiligkeit. Das, was aus der Heiligkeit heraus geboren wird, ist absolut rein und gut.
Neues Lebenskapitel
Mose bekam von Jahwe einen Auftrag, den ihn – menschlich gesehen – einfach nur ängstigte. Die lebensbedrohende Berufung lautet: «Nun geh, denn ich sende dich zum Pharao. Du sollst mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führen» (2Mose 3,10 NLB).
Vier Eigenschaften fallen auf, die Mose vor die Begegnung mit Gottes Heiligkeit, nicht hatte:
- Mose war angstfrei: Vergessen wir nicht, Mose ist aus Ägypten geflüchtet, weil er um sein Leben fürchtete. Und jetzt soll er ein Millionenvolk aus der Gefangenschaft herausführen. Ein Zitat von Arno Backhaus lüftet das Geheimnis: «Je mehr Gottesfurcht, desto weniger Heidenangst.» Das beste Rezept gegen die Ängste in unserem Alltag – sei es vor Situationen oder vor Menschen – ist die Furcht des HERRN. Wer vor Gott knieen kann, kann vor den Menschen stehen. «Durch den Glauben verliess Mose das Land Ägypten. Er hatte keine Angst vor dem König, sondern ging unerschütterlich weiter, weil er den Blick fest auf den richtete, der unsichtbar ist» (Hebräer 11,27 NLB).
- Mose war gehorsam: Von Mose können wir auch lernen, uns auch dann an Gottes Wort zu halten, wenn wir es nicht verstehen. Jesus macht immer wieder auf den Zusammenhang zwischen Gott lieben und Seine Gebote halten aufmerksam (z.B. Johannes 14,21). Eine Liebe, die Gottes Heiligkeit nicht ernstnimmt, steht in der Gefahr, sich doch um sich selbst zu drehen.
- Mose suchte nicht die eigene Bequemlichkeit: Wer Gott ernst nimmt, nimmt Sein Wort ernst, selbst wenn die Umsetzung unbequem ist. Nach dem Dornbusch hat Mose zuerst gefragt: Was will Gott? Und nicht: Was ist für mich am bequemsten? Aus der Perspektive des Autors vom Hebräerbrief tönt das so: «Durch den Glauben weigerte sich Mose, als er erwachsen war, sich als Sohn der Tochter des Pharaos bezeichnen zu lassen. Er zog es vor, mit dem Volk zu leiden, anstatt sich dem flüchtigen Vergnügen der Sünde hinzugeben» (Hebräer 11,24f NLB). Mose hätte sein Leben bequem einrichten können. Am Hof des Pharaos winkte ein Leben im Luxus und an der Schaltzentrale der Weltpolitik. Später – nach seiner Flucht aus Ägypten heiratete er in Midian Zippora. Jetzt war ein beschauliches Leben als junge Familie in Griffnähe mit Kindern, die in sicherer Umgebung aufwachsen konnten. Doch Mose war bereit, die eigene Bequemlichkeit aufzugeben. Auch uns fordert Jesus heraus, das Kreuz auf sich zu nehmen, und Ihm nachzufolgen. Die Bedingung dafür ist die Begegnung mit der Heiligkeit Gottes.
- Mose war demütig: Die Gottesbegegnung am Dornbusch hievte das Leben von Mose auf ein bis anhin ungekanntes Niveau. Von nun hütete er nicht mehr die Schafe seines Schwiegervaters, sondern führte ein Millionenvolk in ein völlig unbekanntes, noch besetztes Land. Eine anspruchsvollere Aufgabe gibt es kaum. Trotz der riesigen Verantwortung und dem Erleben von vielen Wundern blieb Mose demütig. «Mose war sehr demütig, es gab niemanden auf der Erde, der demütiger war als er» (4Mose 12,13 NLB). Wer Gott fürchtet, bleibt schlicht und bescheiden – auch im grössten Erfolg.
Das Betrachten des Lebens von Mose rund um das Dornbusch Erlebnis löst in mir eine neue Sehnsucht aus. Kann es sein, dass das vertiefte Entdecken und Erfahren von Gottes Heiligkeit, meinen Hunger nach mehr von Gott stillen könnte? Sicher ist: Je mehr wir von Gottes Heiligkeit verstehen, desto wertvoller wird uns die Erlösungstat von Jesus Christus. ER hat den Graben zwischen uns und Jahwe zugeschüttet. Was Er jedoch nicht zugeschüttet hat, ist die Heiligkeit Gottes. Wir dürfen dank Jesus zuversichtlich vor den Thron unseres gnädigen Gottes treten. Tun wir es doch und staunen über die Schönheit, Erhabenheit und reine Liebe, in der Er sich gerne auch in deinem Leben erweist!
Mögliche Fragen für die Kleingruppe
Bibeltext lesen: 2. Mose 3,7-14
- Was braucht es, dass der Umgang mit dem Geheimnis der Heiligkeit Gottes zum Qualitätsmerkmal der seetal chile wird?
- Warum stellt sich der HERR nicht mit einem Nomen, sondern mit einem Verb vor? Was hat das damit zu tun, dass wir uns kein Bild von Gott machen sollen?
- Der HERR wird sich erweisen. Was gibt uns die Gewissheit, dass Er nicht willkürlich handelt?
- Wo gibt es einen Zusammenhang zwischen der Gottesfurcht von Mose und seinem Mut, den Auftrag anzunehmen, und der Demut, in der er ihn lebt?
- Was hat sich im Zusammenhang mit der Heiligkeit Gottes durch Jesus Christus verändert? Was ist gleichgeblieben?