Aus der Begegnung mit der Heiligkeit zur Heiligung
Serie: Heilig - Heilig - Heilig | Bibeltext: Matthäus 5,17, Johannes 8,1-12
Jesus Christus wurde herausgefordert von den religiösen Führern. Sie wollten ihm eine Falle stellen, wobei er sich entweder zur Gnade oder zum Gesetz stellen musste. Doch Jesus Christus geht einen anderen Weg. Er ertappt uns Menschen in unserem Umgang mit Vergehen, welche gegen Gottes Gesetz stehen. In seiner Gnade begegnet er dem einzelnen Menschen und richtet ihn wieder auf. Dadurch werden die Gebote Gottes nicht aufgehoben, sondern vielmehr bestätigt. Durch diese Begegnung mit dem heiligen Gott sind wir herausgerufen in und aus der Heiligung heraus zu leben.
Ertappt!
Seit nunmehr knapp zehn Monaten befassen wir uns mit unserem Jahresthema der Heiligkeit. Ich wurde bereits ein paar Mal darauf angesprochen, ob denn das Thema der Heiligung auch mal vorkommt – und ja, heute ist es so weit. Wir wollen uns gemeinsam auf den Weg machen, um zu entdecken, wie aus der Begegnung mit der Heiligkeit Gottes die Heiligung herausgeht. Ich werde dann die Bedeutung der Heiligung später noch genau darlegen.
Wir wollen diese Bewegung von der Begegnung zur Heiligung anhand einer Geschichte aus dem Neuen Testament betrachten. Wir finden sie im achten Kapitel des Johannesevangeliums. Jesus lehrte zu dieser Zeit im Tempel in Jerusalem. Es war die heiligste Stätte der Juden und dort ging Jesus hin. Da er Dinge sagte, welche den religiösen Führern der Stadt nicht passten, wollten sie ihn verhaften lassen. Doch die Soldaten konnten ihn nicht festnehmen, da sie noch nie einen Menschen so sprechen gehört haben (Johannes 7,46). Danach zog sich Jesus zurück und übernachtete ausserhalb der Stadt. Früh am nächsten Morgen kehrte er wieder zurück in den Tempel und lehrte die Menschen dort.
Was nun folgt lässt sich mit dem Schlagwort «ertappt» wiedergeben.
Ertappt – eine Ehebrecherin auf frischer Tat. Die religiösen Führer näherten sich Jesus mit einer Frau. «’Meister’, sagten sie zu Jesus, ‘diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ertappt worden’» (Johannes 8,4 NLB). Nun war Jesus in der Falle. Fertig mit Idylle. Fertig mit seiner Lehre. Doch nur eine kleine Bemerkung am Rande – wo war der Mann? Denn um auf frischer Tat beim Ehebruch erwischt zu werden, also beim Geschlechtsverkehr, sind immer zwei notwendig.
Ertappt – Jesus du musst Stellung beziehen! Denn die religiösen Führer brachten die Frau nicht ohne Hintergedanken zu ihm. So sagten sie: «Nach dem Gesetz Moses muss sie gesteinigt werden. Was sagst du dazu?» (Johannes 8,5 NLB). Dies war eine Falle. Sie wollten Jesus Christus testen. Denn es gab ein ganz klares Gesetz dafür, dass ein solches Vergehen mit dem Tod bestraft wird. «Wenn ein Mann mit der Frau eines anderen schläft, sollen sowohl der Mann als auch die Frau hingerichtet werden» (3. Mose 20,10 NLB). Nun war er in der Zwickmühle. Stimmte er der Strafe zu, so spricht das gegen sein sonstiges Handeln. Er, der gerade mit dem Abschaum der Gesellschaft verkehrte und ihnen liebevoll begegnete, würde sich nun gegen sie stellen. Wenn er sich aber für diese Frau einsetzte, dann stellte er sich ganz klar gegen das Gesetz. Hier folgt nun eine sehr spannende Reaktion von Jesus Christus. «[…] Doch Jesus bückte sich und schrieb mit dem Finger in den Staub» (Johannes 8,6 NLB). Er bückte sich und schrieb in den Sand. Dies ist die einzige Schrift, von der wir wissen, dass sie Jesus selbst geschrieben hat – und dies auf Sand. Was sagt aber diese Reaktion aus? Hat Jesus Angst vor der Konfrontation? Oder ist er gleichgültig?
Ertappt – alle Menschen haben Verfehlungen. Jesus Christus geht hier einen Mittelweg. «Aber sie liessen nicht locker und verlangten eine Antwort. Schliesslich richtete er sich auf und sagte: ‘Wer von euch ohne Sünde ist, der soll den ersten Stein auf sie werfen!’ Damit bückte er sich wieder und schrieb weiter in den Staub» (Johannes 8,7-8 NLB). Sünde heisst Verfehlung und meint in diesem Fall das Verstossen gegen ein Gesetz. Die Antwort hat es in sich. Denn nach jüdischem Recht mussten die Zeugen als erste die Steine werfen. Der Aufruf von Jesus hat seine Wirkung nicht verfehlt. «Als die Ankläger das hörten, machten sie sich einer nach dem anderen davon, die Ältesten zuerst. Schliesslich war Jesus allein mit der Frau, die noch immer an der gleichen Stelle in der Mitte stand» (Johannes 8,9 NLB). Die Männer gehen. Zuerst die angesehenen Führer, danach alle anderen. Diese Geschichte offenbart uns zutiefst den Charakter des Menschen. Wenn nämlich jemand etwas Schlimmes macht, dann zeigt man gerne auf diese Person. Denn im Kontrast dazu wird das eigene Vergehen nicht nur kleiner, sondern auch als ok angesehen. Allerdings verkennt man in diesem Moment eine wichtige Tatsache. Denn wenn ich mit dem Finger auf eine Person zeige, dann zeigen mindestens drei auf mich. Durch diese Frage wurden die religiösen Führer auch zu Sündern, also Menschen, welche gegen die Gebote Gottes verstossen.
Die Frage von Jesus Christus war aber nicht ganz ungefährlich. Stellt euch einmal vor, jemand hätte sich selbst als unschuldig angesehen und daher einen Stein auf diese Frau geworfen. Doch Jesus hat uns Menschen ertappt. Er weiss auch um deine und meine Verfehlungen.
Gnade hält Autorität des Gesetzes aufrecht
Nachdem die religiösen Führer gegangen waren, ging die Geschichte aber noch weiter. «Da richtete Jesus sich wieder auf und sagte zu ihr: ‘Wo sind sie? Hat dich keiner von ihnen verurteilt?’ ’Niemand, Herr’, antwortete sie. ‘Dann verurteile ich dich auch nicht’, erklärte Jesus. […]» (Johannes 8,10-11 NLB). Hier ist wichtig herauszustreichen, was Jesus Christus nicht sagte. Er sagte nicht, dass sie gut gehandelt hat. Er sagte nicht, dass das Handeln im Widerspruch zu Gottes Gesetz (Sünde) ok ist.
Es gibt grob gesagt zwei Stränge wie wir Menschen mit biblischen Geboten umgehen. Der erste sagt, dass wir die Gesetze und Gebote unbedingt einhalten müssen. Dazu ist einiges an Anstrengung von Nöten. Dazu kommt, dass ich andere natürlich auf ihre Vergehen hinweisen muss. Dies hat zum Glück den positiven Nebeneffekt, dass das eigene Fehlverhalten im Kontrast nicht so schlimm daherkommt. Der zweite besagt, dass die Gnade immer siegt. Es spielt daher keine Rolle wie das Verhalten aussieht, denn die Gnade überwindet alles. Das Gesetz ist aufgehoben, es herrscht eine «laissez-faire» Stimmung. Beides ist problematisch. Beim Einhalten der Gesetze brauchen wir die Gnade von Jesus Christus nicht, denn wir bringen ja vermeintlich alles selbst auf die Reihe (dies ist der Weg der religiösen Führer). Gibt es dagegen eine Gnade des «anything goes» ist es eine billige Gnade. Ohne einen Massstab wie ein Leben aussehen kann, wird es zu beliebig und es gibt kein richtig und falsch mehr.
Jesus Christus geht auch hier einen Mittelweg. Er hält das Gesetz aufrecht, weil er nirgendwo die Tat gutheisst. Er spricht vielmehr das Urteil der Gnade aus. Die Ehebrecherin hätte es vom Gesetz her verdient getötet zu werden. Sie hat die Gnade nicht verdient, er aber spricht sie frei vom Urteil – nicht von der Tat.
Zum Schluss dieses Punktes möchte ich nochmals kurz die religiösen Führer und Jesus Christus gegenüberstellen. Diese verurteilten die Frau schlussendlich nicht, weil sie es als die selbst Schuldigen nicht anders konnten. Er, weil er als der selbst Unschuldige und Reine verzeihen darf und kann. Diese hätten sich mit dem Urteil selbst verurteilt. Er verurteilte sie nicht, weil er gekommen ist, um nicht zu richten, sondern um zu retten. Die religiösen Führer brauchten selbst Gnade. Jesus Christus aber hat die Gnade, welche die Frau brauchte, und er kann sie geben.
Leben aus der Heiligung
Nun kommen wir zum Punkt des Lebens aus der Heiligung. Nachdem Jesus Christus die Frau nicht verurteilte folgt noch ein weiterer Satz. «[…] Geh und sündige nicht mehr» (Johannes 8,11 NLB). Er spricht sie zwar frei, ermahnt sie aber nicht mehr zu sündigen. Ich werde nun weiter von Sünde sprechen, dies meint immer ein Handeln im Gegensatz dazu, wie Gott es sich für uns Menschen gewünscht und gedacht hat. Die Sünde wird in keiner Weise entschuldigt. Denn Vergebung bedeutet nicht, dass Sünde egal ist. Vergebung bedeutet vielmehr, dass Sünde ein Thema ist. Gott hat sich aber dazu entschieden, das Urteil aufzuheben. Sehen wir bei anderen Menschen Verfehlungen, dann sollte unser erster Gedanke nicht sein, den anderen darauf hinzuweisen, sondern uns ermutigen in unserem Leben selbst genauer hinzuschauen. Es ist ein Hinweis darauf, dass jeder selbst Gnade benötigt.
An einer anderen Stelle sagt Jesus Christus, was sein Auftrag auf der Erde ist. «Versteht nicht falsch, warum ich gekommen bin. Ich bin nicht gekommen, um das Gesetz oder die Schriften der Propheten abzuschaffen. Im Gegenteil, ich bin gekommen, um sie zu erfüllen» (Matthäus 5,17 NLB). Dies hinterlässt Nachfolger von Jesus Christus in einer ungeheuren Spannung. Denn diese haben die Bibel als Leitschnur. Es ist eine Einladung zu einem Leben in Fülle. Dies widerspricht oftmals auf den ersten Blick den Vorstellungen um uns herum. Denn Nachfolger sollen heilig (abgesondert) sein. Dabei ist heilig keine Eigenschaft, sondern es ist ein Verhältnisbegriff. Es zeigt, wohin die Person gehört. Wenn nun also eine Person heilig ist, dann soll sie auch in der Heiligung leben. Dabei gibt es zwei Dimensionen und Bedeutungen der Heiligung. Erstens meint es das neue Leben des Christen. Glaubt jemand an Jesus Christus, dann wird er gerecht gesprochen. D.h. die Sünden werden vergeben. Das Urteil, welches jemand verdient hätte, wird auf Jesus übertragen. Das Leben eines Nachfolgers ist daher immer heilig. Zweitens wird Heiligung als das praktische Handeln und die persönliche Verantwortung eines Christen verstanden. Je nach Prägung wird der Schwerpunkt auf das eine oder andere gelegt. Ich bin aber überzeugt, dass beides zusammengehört.
Nochmals zurück zu unserer Geschichte. «Jesus sagte zu den Leuten: ‘Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, braucht nicht im Dunkeln umherzuirren, denn er wird das Licht haben, das zum Leben führt.’» (Johannes 8,12 NLB). Menschen, welche Jesus Christus nachfolgen, folgen dem Licht der Welt. Ja sie haben es sogar in sich. Und dieses Licht der Heiligung soll leuchten. «Ihr seid das Licht der Welt – wie eine Stadt auf einem Berg, die in der Nacht hell erstrahlt, damit alle es sehen können. Niemand versteckt ein Licht unter einem umgestülpten Gefäss. Er stellt es vielmehr auf einen Lampenständer und lässt es für alle leuchten. Genauso lasst eure guten Taten leuchten vor den Menschen, damit alle sie sehen können und euren Vater im Himmel dafür rühmen» (Matthäus 5, 14-16 NLB). Ziel des Leuchtens ist, dass Gott im Himmel gerühmt wird. Daher ist es wichtig, dass Nachfolger von Jesus Christus leuchten, aber nicht glänzen. Es geht nicht darum zu glänzen, den Schein zu waren. Es geht darum sich seiner Verfehlungen bewusst zu sein und gleichwohl dem Aufruf von Jesus Christus «Geh und sündige nicht mehr» nachzufolgen.
Als Kirche versuchen wir auch in dieser Spannung zu leben. Wir halten fest an gewissen moralischen und ethischen Grundsätzen, welche im Kontrast zu den gesellschaftlichen Ansichten stehen. Dies machen wir einerseits im Geist der Gnade «dir ist vergeben» und andererseits mit dem Hinweis Jesu «geh und sündige nicht mehr». Als Verantwortliche versuchen wir diesen schmalen Grat zu gehen. Einerseits wollen wir Dinge ansprechen, andererseits mit den Einzelnen ihren Weg gehen. Eine weitere Komponente ist der Heilige Geist. Wir trauen es ihm zu, dass er zu jedem einzelnen zu seiner Zeit spricht und ihn dazu bewegt, die Richtung zu ändern.
Die Geschichte, welche wir heute gemeinsam angeschaut haben, ist der Beginn eines sehr intensiven Kapitels. Zu Beginn steht die Forderung der religiösen Führer im Raum, diese Frau zu steinigen. Im Verlauf des Kapitels folgen einige der härtesten Worte Jesu, die überhaupt in der Bibel zu finden sind. Am Ende hat sich die negative Stimmung gegenüber Jesus so zugespitzt, dass sie ihn töten wollen. N.T. Wright weist auf den Kern des Kapitels hin. Er sagt «[…] dass die weitaus entscheidendere Sünde darin besteht, dass man das von Gott gegebene Gesetz als Mittel zur persönlichen Selbstgerechtigkeit gebraucht, obwohl das Gesetz doch eigentlich dazu gedacht ist, das Licht von Gottes Gericht in die dunklen Orte des Herzens hineinscheinen zu lassen» (N.T. Wright).
Die Reaktion auf Gottes Heiligkeit kann uns wütend machen und uns in die Abwehrhaltung gehen lassen. Wenn wir uns aber aus der Begegnung mit der Heiligkeit zur Heiligung führen lassen, ist dies sehr fruchtbar. Ich beende diese Predigt mit dem Aufruf von Jesus Christus. Zusammen mit der Ermutigung dir zu überlegen, wo es dran ist etwas zu ändern. Jesus Christus spricht: «[…] Geh und sündige nicht mehr» (Johannes 8,11 NLB).
Mögliche Fragen für die Kleingruppe
Bibeltext lesen: Johannes 8,1-12, Matthäus 5,17
- Wobei hat Jesus Christus dich «ertappt»? Welche Verfehlungen gibt es in deinem Leben? Wie gehst du damit um?
- Wie gehst du selbst mit biblischen Geboten um? Bist du eher beim «genauen Einhalten und Befolgen und andere darauf aufmerksam machen» oder bei «die Gnade gewinnt. Daher laissez-faire»? Wie geht Jesus in Johannes 8 damit um? Wäre dieser Weg auch etwas für dich? Was könnte dich herausfordern?
- «Geh und sündige nicht mehr». Was löst dieser Satz in dir aus?
- Wie sieht es mit der Heiligung in deinem Leben aus? Hast du dich für ein Leben mit Jesus Christus entschieden? Wie zeigt sich diese Nachfolge in deinem Leben?