Körper & Glaube | Der hohe Wert des Körpers

Datum: 9. März 2025 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: 1. Mose 2,7; Johannes 1,14; Römer 8,23

Den Wert, den wir dem Leiblichen und Materiellen beimessen, hat eine riesigen Einfluss auf Fragen der Ethik, der Sexualität und der Bewahrung der Schöpfung. Nebst dem Schöpfungsbericht zeigt auch die Menschwerdung Gottes in der Person von Jesus und seine leibliche Auferstehung, dass der Körper in der Bibel grosse Bedeutung hat. Letztendlich wird es einen neuen Himmel und eine neue Erde geben, wo Menschen mit neuen Körpern in naher Gemeinschaft mit Gott leben werden.


Welchen Wert hat der Körper eines Menschen. Von den chemischen Bestandteilen her besteht der Erwachsene Mensch aus 68 Prozent Wasser, 20 Prozent Kohlenstoff, 6 Prozent Sauerstoff, 2 Prozent Stickstoff und 4 Prozent Aschenbestandteile. Der Wert der Rohstoffe liegt bei vielleicht – je nach Körpergrösse – CHF 10. Wenn du deine Organe verkaufen würdest, bekämst du etwas 250’000 Euro. Die Transfersumme für Neymar betrug bei seinem Wechsel vom FC Barcelona zu PSG 222 Mio. Euro. Was ist der Wert des Menschen?

Geringschätzung des Körpers

Typischerweise wurde der Körper eines Menschen, ja Materie an und für sich, durch die Geschichte hindurch geringgeschätzt. Es gibt Schöpfungsbericht aus der Antike, in denen die Welt als ‘Abfallprodukt’ eines Kampfes zwischen den Göttern entstand oder allgemein als schlechter, böser Ort gesehen wurde.

Auch zur Zeit der ersten Kirchen wurde das Physische sehr negativ bewertet. Es gab die Irrlehre der Gnosis (=Erkenntnis), die davon ausging, dass ein zweitrangiger Gott, ein Dämon, die Physis geschaffen hat. Der Körper wurde als Gefängnis für die Seele gewertet, etwas von dem wir fliehen und aus dem wir erlöst werden müssen. Dieses Denken ist stark vom griechischen Philosophen Platon (427 bis 347 v. Chr.) beeinflusst. Er lehrte, dass die sinnlich wahrnehmbare Welt nur eine Welt der Abbilder der ewigen, unveränderlichen Ideen ist.

Diese Geringschätzung des Körpers wirkt bis heute nach. Ein Beispiel dafür ist ein Entscheid des obersten amerikanischen Gerichtshofs aus dem Jahr 1973 zur Legalisierung von Abtreibungen. Damals wurde gesagt, dass ein Fötus zwar menschlich, aber noch keine Person ist. Sprich: Es ist ein Zellklumpen aber noch keine Person und darf daher abgetrieben werden. Hier wird ein Dualismus benutzt, bei dem der Körper der Seele untergeordnet wird.

Auch unsere Jenseitshoffnungen sind leider oft platonischer als wir denken. Viele meinen, dass unsere Seele dereinst einmal gerettet wird und in einem fernen körperlosen Himmel ewig existieren wird. Dass der Bewahrung der Schöpfung in vielen christlichen Ethiken kaum Raum gegeben wird, zeugt ebenfalls von einer Geringschätzung der Materie. Da viele Christen denken, dass die sichtbare Schöpfung sowieso vergeht, erscheinen Themen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit kaum auf ihrem Radar.

René Descartes fasst die Periode der Aufklärung in einem Satz zusammen: «Ich denke, als bin ich.» In der heutigen Zeit gilt: «Ich fühle, also bin ich.» Oder: «Ich bin, was ich fühle.» Der Körper wird dem Gefühl untergeordnet, was in der Genderideologie massgeblich ist.

Hochachtung des Körpers

Im Gegensatz dazu wird dem Körper und der Materie in der Bibel ein hoher Wert beigemessen. Bereits in den ersten Kapiteln wird beschrieben, wie Gott die sichtbare Welt, also alle Materie, das Land, das Wasser, die Tiere, die Fische, die Bäume usw. erschafft. Nach jedem Schöpfungstag heisst es, dass Gott es ansieht und es war gut. Als Abschluss und Krönung der Schöpfung erschafft Gott den Menschen: «So schuf Gott die Menschen nach seinem Bild, nach dem Bild Gottes schuf er sie, als Mann und Frau schuf er sie» (1Mose 1,27 NLB). Die Menschen bekommen den Auftrag, die materielle Schöpfung zu bewahren und zu bebauen. Die schlussendliche Bewertung der materiellen Schöpfung bekommt das Prädikat sehr gut: «Danach betrachtete Gott alles, was er geschaffen hatte. Und er sah, dass es sehr gut war [...]» (1Mose 1,31 NLB). Gott hat die materielle, sichtbare Welt sehr gut und mit Absicht geschaffen.

Im zweiten Kapitel wird die Erschaffung des Menschen noch etwas genauer beschrieben. «Da bildete der HERR, Gott, den Menschen aus Staub vom Erdboden und hauchte in seine Nase Atem des Lebens; so wurde der Mensch eine lebende Seele» (1Mose 2,7 ELB). Interessant ist, dass Gott mit dem Körper beginnt. Es gibt nicht zuerst eine körperlose Seele oder einen Geist, der noch eine Hülle braucht. Nein, zuerst ist der Körper und mit dem Atem oder Geist Gottes, wird der Mensch zu einer lebenden Seele. Das zeugt davon, mit wie viel Würde und Absicht Gott den Körper des Menschen geschaffen hat.

Doch dann brach eine Katastrophe auf die Welt ein. Durch die Sünde der Menschen hielt die Macht des Bösen Einzug. Das hatte starken Einfluss auf die ganze Schöpfung, nicht zuletzt auf den Körper des Menschen. Von nun an gab es Krankheit, Missbildung und Schwäche. Herze versagen, Kniegelenke müssen ersetzt werden, Zellen wachsen unkontrolliert. Das alles ändert aber nichts an der Hochachtung des Körpers und der Materie. David schreibt: «Du hast alles in mir geschaffen und hast mich im Leib meiner Mutter geformt. Ich danke dir, dass du mich so herrlich und ausgezeichnet gemacht hast! Wunderbar sind deine Werke, das weiss ich wohl» (Psalm 139,13f NLB). David sagt dies, obwohl es in seinem Umfeld einen Mann namens Mefi-Boschet gegeben hat, der an beiden Beinen verkrüppelt war (2Samuel 9). David hat diesen Mann geehrt und gewürdigt.

Das sollten wir auch: Die Schöpfung, die Materie und unsere Körper sind weder schlecht noch ein Problem. Unsere Körper sind nicht immer optimal, aber das mindert den Wert und die Würde unseres Körpers nicht.

Ein starker Hinweis, dass unser Körper mit Haut und Haaren und allen kleineren und grösseren Originalitäten gut ist, zeigt sich darin, dass Gott selbst in Jesus Mensch wurde. In der Antike war auch die Auferstehung von Jesus ein Skandal, aber der noch fast grössere Skandal war die Menschwerdung. Johannes beschreibt es so: «Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit» (Johannes 1,14 LUT). Viele Philosophen und Religionsführer lehrten, dass man vom Körper fliehen muss, doch Gott ist ausgerechnet Mensch geworden. Auch nach der Auferstehung hatte er Leib, den Auferstehungsleib, mit welchen er selbst bei der Himmelfahrt behält. Das Christentum schätzt den Körper sehr hoch ein.

Die Erlösung und das Heil, die ein Mensch durch den Glauben an Jesus Christus erfahren wird, beinhaltet nicht nur die Rettung unserer Seelen, sondern auch das Geschenk eines neu geschaffenen Körpers: «Und selbst wir, obwohl wir im Heiligen Geist einen Vorgeschmack der kommenden Herrlichkeit erhalten haben, seufzen und erwarten sehnsüchtig den Tag, an dem Gott uns in unsere vollen Rechte als seine Kinder einsetzen und uns den neuen Körper geben wird, den er uns versprochen hat» (Römer 8,23 NLB). Sowieso wird Jesus bei seiner Wiederkunft die ganze materielle Schöpfung wieder herstellen (Kolosser 1,15-20).

Den Höhepunkt der Würdigung unseres Leibes finden wir bei Paulus. Und zwar steht er vor der Herausforderung, Männern, die zum Glauben an Jesus Christus gekommen sind, einen neuen Umgang mit der Sexualität zu lehren. Bis anhin waren sie sich gewohnt, zu Prostituierten zu gehen. Auch sonst gab es viele Ausschweifungen auf dem Gebiet der Sexualität. Interessanterweise gibt Paulus nicht einfach ein Gebot, sondern fördert ein neues Denken. Männer sollen lernen höher von ihrem Körper zu denken: «Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes in euch ist, der in euch lebt und euch von Gott geschenkt wurde? Ihr gehört nicht euch selbst, denn Gott hat einen hohen Preis für euch bezahlt. Deshalb ehrt Gott mit eurem Leib!» (1Korinther 6,19f NLB). Unser Körper hat eine intrinsische Würde und die ist bedeutsam für die Sexualität. Das Christentum heiligt und würdigt den Körper als sakralen Ort, ein Tempel Gottes im Kosmos. Darauf gründet sich die revolutionäre Sexualität der ersten Christen.

C.S. Lewis: «Das Christentum ist nahezu die Einzige unter den grossen Religionen, die den Körper durch und durch bejaht. Aus christlicher Sicht ist Materie etwas Gutes. Gott selbst hat einen Leib angenommen, und wir werden auch im Himmel einen irgendwie gearteten Körper bekommen, der dann ein wesentlicher Teil unserer Seligkeit, unserer Schönheit und unserer Kraft sein wird.»

Praktische Folgen

In biblischer Hinsicht sind Körper und Seele gleichwertig, an vielen Stellen sind es sogar austauschbare Begriffe. Deshalb gilt es der Pflege des Körpers die gleiche Aufmerksamkeit zu schenken wie der Seele. Die Pflege der Gemeinschaft mit Gott ordnen wir eher der Seele zu. Was wir als Seelen brauchen, sind immer wieder Zeiten der Stille und Zeiten, in denen wir zur Ruhe kommen. In dieser Stille begegnen wir dann auch Gott. Auch hinsichtlich seiner Körperlichkeit braucht der Mensch Aufmerksamkeit:

Dankbarkeit für unsere Originalität. Es liegt eine grosse Kraft darin, dass wir ein volles Ja zu unserem Körper haben und Gott von Herzen dafür danken. Das tut auch der Seele gut! Danken wir Gott insbesondere auch für die «Originalitäten», die uns beim ersten Hinsehen gar nicht gefallen. Sie machen uns originell und einzigartig.

Unser Körper ermöglicht Nähe. Bis zu 20 Millionen empfindliche Sinneszellen stecken in unserer Haut, die blitzschnell Signale ans Gehirn senden.  Berührungen haben nicht nur Einfluss auf unser Seelenleben. Wir brauchen sie auch, um körperlich gesund zu bleiben. Ein Mangel an Umarmungen und Nähe führt zu Stress, hohem Blutdruck und schwächt das Immunsystem. Dauern Umarmungen länger als fünf Sekunden, hat dies einen grösseren Einfluss auf unser Wohlbefinden als jene, die drei Sekunden und weniger dauern. Wir atmen tiefer. Die Muskulatur entspannt sich. Der Blutdruck sinkt. Wir empfinden weniger Angst.

Unser Körper braucht Beachtung. Wir brauchen genügend Schlaf, gesunde Ernährung und genug Bewegung. Mancherorts kippt diese Beachtung in einen Körperkult. Kürzlich sah ich im Schweizer Fernsehen eine DOK-Sendung über Anhänger der Longevity-Bewegung. Diese Menschen möchten auch mit 100 Jahren körperlich gesund und geistig fit sein. Ihre WhatsApp-Gruppe trägt den Namen Don't die Switzerland (nicht sterben Schweiz). Longevity ist auf den sozialen Medien ein riesig grosser Trend. Grosses Vorbild dieser Bewegung ist Bryan Johnson. Sein grosses Ziel ist es, nicht sterben. Zu diesem Zweck spritzt er sich Blut von seinem 18-jährigen Sohn. Er erklärt seinen Tagesablauf: «Ich wache um 4:00 Uhr auf. Dann arbeite ich eine Stunde und nehme dann 60 Pillen zu mir, weitere 40 später über den Tag verteilt. Mein Frühstück ist ein Mix aus Broccoli, Blumenkohl, Pilzen und Knoblauch, am Vormittag nehme ich einen Pudding aus Nüssen und Beeren zu mir. Im Anschluss mache ich eine Stunde Sport, dann Rotlichttherapie. Meine letzte Mahlzeit, ein Mix aus Gemüse, Nüssen, Beeren und Samen, nehme ich um 11:00 Uhr zu mir.» Dann kommen noch ganz viele Therapien, Sporteinheiten und Besprechungen mit Ärzten. Und um 20:30 Uhr geht er schlafen.

Unser Körper darf nicht zu unserem Gott werden. Jesus hat schon erreicht, wovon Bryan Johnson träumt: Er hat den Tod überwunden. Er ist körperlich gestorben und körperlich auferstanden, um uns zu erlösen. Als Nachfolger von Jesus Christus ist auch unser Körper von der Neuschöpfung Gottes betroffen. Unser Auferstehungsleib wird makellos, kerngesund und unsterblich sein.

 

Mögliche Fragen für die Kleingruppen

Bibeltext lesen: Römer 8,18-23

  1. Was sagt dieser Text (Römer 8,18-23) zum Zusammenhang zwischen der Erlösung und der Materie?
  2. Wo in unserer Gesellschaft kommt zum Ausdruck, dass der Körper / das Materielle eine untergeordnete Rolle spielt?
  3. Was sind die Marksteine einer biblischen Leibestheologie? Woran merkst du, dass die Bibel dem Körper eine sehr hohe Bedeutung beimisst?
  4. Was könnte für Jesusnachfolger die Aufforderung, die Schöpfung zu bewahren und zu bebauen, bedeuten?
  5. Paulus begründet den Gedanken, dass der Sex zwischen Mann und Frau in den Rahmen der Ehe gehört, mit dem hohen Wert des Körpers? Was hat das eine mit dem anderen zu tun?
  6. Wie gehst du in Sachen Ernährung, Bewegung, Nähe und Pflege mit deinem Körper um? Inwiefern hat die Leibestheologie einen Einfluss darauf?