Herausforderung in der Wüste

Datum: 23. Juni 2024 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: 2. Mose 15,22-27; Jakobus 1,2-4

Gott führt sein Volk mit voller Absicht durch die Wüste, um sie zu prüfen. Die Prüfung kommt nicht aus Böswilligkeit, sondern um den Glauben und das Vertrauen des Volkes zu stärken. Ein Stück Holz macht bitteres Wasser süss. Diese Erfahrung weist auf das Holz des Kreuzes hin, an dem Jesus die Bitterkeit unseres Lebens, unserer Verlassenheit, Verlorenheit und sogar die Bitterkeit des Todes überwunden hat. Zudem wird die Frage beantwortet, wie wir zu einer Eiche der Gerechtigkeit anstelle eines verbitterten Menschen werden können.


Nach dem Durchzug durch das Schilfmeer, welches Paulus später als Bild für die Taufe benutzen wird, folgt das Triumphlied von Mirjam über Gott (2Mose 15,1-21). Die erste theologische Botschaft jüdischer und christlicher Tradition kommt aus dem Munde einer Frau. Nach dem grossartigen Wunder des Durchzugs durch das Wasser beginnt für das Volk Israel eine Reise durch die Wüste. Die Wüste stellt in der Bibel oft einen Ort der Prüfung und der Läuterung dar. Hier, fernab von den Ablenkungen und Sicherheiten des Lebens, werden die Israeliten mit ihrer Abhängigkeit von Gott konfrontiert. Sie haben keine Ressourcen, um sich selbst zu versorgen, und müssen lernen, auf Gottes Fürsorge zu vertrauen.

Gottes Prüfungen und unser Vertrauen

«Danach führte Mose die Israeliten vom Roten Meer fort und sie zogen in die Wüste Schur. Drei Tage lang wanderten sie durch die Wüste, ohne Wasser zu finden. Als sie nach Mara kamen, fanden sie schliesslich Wasser. Doch sie konnten es nicht trinken, denn es war bitter. Deshalb erhielt der Ort den Namen Mara» (2Mose 15,22-23 NLB).

Es war kein eigensinniger Weg, den das Volk ging. Nein, Gott führte sie geradewegs in diese schwierige Wüstensituation mit dem bitteren Wasser. Sein Navigationsgerät, bestehend aus Feuersäule und Wolke, hat sie in diese unbequeme Lage gebracht.

Jüdische Ausleger sind überzeugt, dass es im Unservater-Gebet ursprünglich nicht geheissen hat: «Führe uns nicht in Versuchung», sondern eher in die Richtung «führe uns in der Versuchung». Die Genfer Übersetzung lautet: «Lass uns nicht in Versuchung geraten». Damit ist gemeint, dass wir in schwierigen Lebenslagen nicht versagen oder murren. Aber – es ist wahr, Gott führt sein Volk mit voller Absicht durch die Wüste, um sie zu prüfen. Die Prüfung kommt nicht aus Böswilligkeit, sondern um den Glauben und das Vertrauen des Volkes zu stärken. Gott will die Israeliten für das Leben im Land Kanaan vorbereiten.

Manche glauben fälschlicherweise, dass Jesus aus der Ferne zynisch beobachtet, wie wir Menschen mit der Unwirtlichkeit der Wüste zurechtkommen. Vor vielen, vielen Jahren haben wir Forellen in einem Brunnen beim Reservoir in Romanshorn ausgesetzt. Am Jungscharnachmittag gab es dann vor dem Verspeisen der Fische eine Stafette. Die schlüpfrigen Fische entglitten immer wieder aus den Händen der Kinder. Wir ergötzten uns daran, wie die Fische auf dem Kies zappelten und sich in ihrer aussichtsloser Lage wehrten. Es war jugendlicher Übermut, über den ich mich heute schäme. Manche denken, dass Gott so ist: Er führt uns in schwierige Situationen und schaut zynisch zu, wie wir uns darin schlagen. Nein, wenn Gott einen Nachfolger in die Wüste führt, begleitet Er ihn voller Empathie und gibt alles dafür, dass er siegreich bleibt und dass das Vertrauen in Ihn gestärkt wird.

Drei Tage kein Wasser, die Stimmung am Tiefpunkt. Dann – plötzlich Wasser in Sicht. Jubelnd mobilisieren die Leute ihre letzte Kräfte, nur um festzustellen, dass das Wasser ungeniessbar ist. Bitter, was für eine emotionale Achterbahnfahrt! Auch in unserem Leben stossen wir manchmal auf «bittere Wasser» – Herausforderungen und Prüfungen, die unser Vertrauen in Gott auf die Probe stellen. Scheitern bei der Arbeit, in Beziehungen, physische oder psychische Krankheit, Schmerzen. Es gibt auf unserem Weg manche bittere Pille zu schlucken.

Ein wahrhaftiges Karfreitagsgefühl. Ein Gefühl der Jünger, die sich nach der Festnahme und Hinrichtung Jesu verlassen und betrogen fühlen. Ein Gefühl, mit dem Jesus in der Nacht in Gethsemane auch kämpfen musste.

Die Versuchung des Murrens

«Da murrte das Volk wider Mose und sprach: Was sollen wir trinken?» (2Mose 15,24 LUT).

Statt auf Gott zu vertrauen, murrt das Volk gegen Mose. Murren ist ein Zeichen des Misstrauens und der Undankbarkeit. Es ist naheliegend und leicht, angesichts von Schwierigkeiten zu klagen und die Führung Gottes in Frage zu stellen. Es gibt den Satz, dass die Wüste einen Menschen bitter or better (bitter oder besser) macht. Murren macht definitiv bitter.

In solchen Situationen stehen wir in der grossen Versuchung, dass alles Schuld der anderen ist – Schuld Mose, unserer Partnerin oder unseres Partners, unserer Eltern, unserer Mitmenschen und in erster Linie die Schuld Gottes, dem wir nachfolgen. Wir stehen bloss da, ohne Hoffnung, ohne Glauben, dass der Weg noch weiterführt, dass wir noch weitergehen könnten, dass Gott noch etwas tun könnte.

Aus diesem Karfreitagsgefühl heraus fangen wir an zu murren, zu schimpfen – gegen Mose, gegen den Pfarrer, gegen Gott. Dies hilft uns zwar nicht weiter und ändert unsere Lage nicht, aber es ist menschlich. Im Grunde genommen ist es nichts anderes als Ausdruck unserer Ohnmacht, Enttäuschung und Verbitterung.

Gottes Fürsorge und Heilung

«Mose rief den HERRN um Hilfe an. Da zeigte der HERR ihm ein Stück Holz. Nachdem Mose das Holz in das Wasser geworfen hatte, wurde das Wasser trinkbar. [...]» (2Mose 15,25 NLB).

Mose demonstriert, was uns in Wüstenzeiten nicht bitter, sondern better macht. Mitten in der Bitterkeit und Hoffnungslosigkeit wendet er sich an Gott. An den lebendigen Gott, der Leben bringt – auch an solche Orte, wo nach der menschlichen Wahrnehmung nur Tod, Chaos und Bitterkeit herrschen. Gott bleibt nicht fern und stumm, sondern er antwortet, hilft und heilt. Er zeigt Mose ein Holz, welches er ins Wasser wirft, und das Wasser wird süss. Gott antwortet und gibt eine Lösung in der hoffnungslosen Situation. Und was vielleicht noch wichtiger ist: Mose tut, was ihn Gott sagt. Trotz der Verbitterung um ihn herum und vielleicht auch in ihm. Das bittere Wasser wird durch das Holz süss. Was normalerweise Tod und Verderben verursacht hätte, erfrischt nun ein erschöpftes Volk und wird zum Zeichen der lebenspendenden und errettenden Macht Gottes. Das Holz ist ein Symbol für Gottes Heilung und Fürsorge.

Als Nachfolger Jesu lesen wir diesen Text im Lichte des Karfreitags. Uns weist Gott heute auf das Holz des Kreuzes hin, an dem Jesus die Bitterkeit unseres Lebens, unserer Verlassenheit, Verlorenheit und sogar die Bitterkeit des Todes überwunden hat. Das Holz des Kreuzes wird uns zum Zeichen der Hoffnung und steht für den Sieg Jesu über unser Bitterkeit, die wir in unseren Lebenskämpfen und Prüfungen erleben. Aus Jesu Leiden entspringt uns Heil, Kraft, Hoffnung und Leben – auch das ewige – mitten der Bitterkeit des irdischen Lebens.

Gottes Weisungen als Lebensquelle

«[...] In Mara gab der HERR ihnen Vorschriften und Gesetze und stellte sie auf die Probe, indem er sagte: ‘Hört auf mich, den HERRN, euren Gott, und lebt so, wie es mir gefällt: Befolgt meine Gebote und Vorschriften! Dann werde ich euch nicht an den Krankheiten leiden lassen, die ich über die Ägypter gebracht habe, denn ich bin der HERR, der euch gesund macht.’» (2Mose 15,25-26 NLB).

Wir wollen nicht bitter, sondern better werden. Der Weg dorthin ist, dass die Menschen ihr Leben nach Gottes Weisungen ausrichten. Gott stellt sich hier mit dem Namen Jahwe Rapha vor (der HERR, der heilt). Der Weg zu einer tiefergehenden, übernatürlichen Heilung nach Leib, Seele und Geist führt über das Befolgen von Gottes Wort. Jesus verspricht: «Doch wenn ihr mit mir verbunden bleibt und meine Worte in euch bleiben, könnt ihr bitten, um was ihr wollt, und es wird euch gewährt werden!» (Johannes 15,7 NLB). Es ist der Weg zu Jahwe Rapha, der Ort der Heilung von jeglicher Verbitterung.

Der nächste Station der Wüstenwanderung hat tiefe symbolische Bedeutung: «Dann zogen sie weiter nach Elim, wo es zwölf Quellen und 70 Palmen gab. Dort am Wasser schlugen sie ihr Lager auf» (2Mose 15,27 NLB). Gott führt das Volk zu einem Ort namens Elim, wo es zwölf Wasserquellen und 70 Palmbäume gibt – ein Ort der Erfrischung und des Überflusses. Dies zeigt, dass Gott nicht nur für die unmittelbaren Bedürfnisse sorgt, sondern auch langfristige Versorgung und Segen bereithält.

Im Wort Elim steckt das hebräische Wort für Gott (el). Elim ist der Ort der Gegenwart Gottes. Die Zahl der göttlichen Vollkommenheit ist sieben. Die 70 Palmen weisen somit ebenfalls auf Gott und seine Versorgung hin. Die zwölf Quellen, für jeden der zwölf späteren Stämme Israels eine, zeigen, dass Gott jeden Menschen Seines Volkes im Blick hat. Lasst uns gemeinsam in Elim lagern!

Interessanterweise begegnet die Wortwurzel el auch im hebräischen Wort für Eiche (elon). Das Ziel der Nachfolge ist: «[...] und dass man sie ‘Eichen der Gerechtigkeit’ und ‘Pflanzung zur Verherrlichung des HERRN’ nennen kann» (Jesaja 61,3 NLB). Als Nachfolger sollen wir nach Elim, in die Gegenwart Gottes kommen, und selbst zu Eichen der Gerechtigkeit werden. Das El (Gott) soll Bestandteil unseres Namens, unserer Identität werden. Wir kommen nach Elim bzw. werden zu Eichen der Gerechtigkeit, wenn wir in den Prüfungen der Wüste nicht murren, sondern uns nach Gott und seinem Wort ausrichten. Eiche der Gerechtigkeit oder verbitterter Mensch – grösser könnte der Unterschied nicht sein. In der Wüste entscheidet es sich, zu was für einem Nachfolger wir uns entwickeln.

«Liebe Brüder, wenn in schwierigen Situationen euer Glaube geprüft wird, dann freut euch darüber. Denn wenn ihr euch darin bewährt, wächst eure Geduld. Und durch die Geduld werdet ihr bis zum Ende durchhalten, denn dann wird euer Glaube zur vollen Reife gelangen und vollkommen sein und nichts wird euch fehlen» (Jakobus 1,2-4 NLB). Entscheidend dabei ist das Holz, das Kreuz Jesu, welches Bitterkeit süss macht. So wie Gott Israel durch die Wüste führte und ihnen in Elim Erfrischung schenkte, so wird er auch uns durch unsere Herausforderungen führen und uns an Orte der Erneuerung und des Segens bringen. Gott führt nicht in, sondern durch die Versuchung.

 

Mögliche Fragen für die Kleingruppe

Bibeltext lesen: 2. Mose 15,22-27; Jakobus 1,2-4

  1. Wo stehst du aktuell (oder in der Vergangenheit) an einem Ort der Bitterkeit?
  2. Gibt es Erfahrungen, die dich bitter, oder andere, die dich better gemacht haben? Warum ging es in die eine oder andere Richtung?
  3. Warum gibt es in dieser Welt überhaupt bitteres Wasser? Wer ist Verursacher davon? Warum führt Gott in solche Engpässe?
  4. Was liegt zwischen Mara und Elim? Was bedeutet das umgesetzt in unser eigenes Leben?
  5. Welcher konkrete Schritt in Richtung Elim ist für dich dran?