Brennender Dornbusch
Serie: Heilig - Heilig - Heilig | Bibeltext: 2. Mose 3,1-6
Mose hütet in der Wüste die Schafe seines Schwiegervaters, als er plötzlich auf einen brennenden, aber nicht verbrennenden Dornbusch aufmerksam wird. Diese Begegnung mit dem heiligen Gott verändert sein Leben grundlegend. Von nun lebt er mit dem leidenschaftlichen Wunsch, diesen geheimnisvollen Gott zu sehen und sein Leben wird in neue Bahnen gelenkt. Das Erlebnis von Mose ist ein Beispiel dafür, wie ein Mensch dem ganz Anderen begegnen kann und was die Folgen daraus sind.
Unterdessen sind unsere Kinder erwachsen. Doch ich erinnere mich gut an die Besuche in Toni’s Zoo oder im Wildpark Roggenhausen. Alle Tiere in einem Streichelzoo sind lieb und völlig harmlos zugleich. Was die Kinder entzückt, langweilt die Eltern eher. Die Entzückung der Eltern wird primär durch die Freude der Kinder geweckt und weniger durch die überfütterten Ziegen oder Hasen. Als Erwachsene ziehen uns wilde, gefährliche Tiere weit mehr an. Ziegen sind zwar nett, aber was sind sie schon im Vergleich zu einem Elefanten, Tiger oder Adler. Wenn wir Gott in unserem Denken und Handeln von seiner Heiligkeit trennen, wirkt Gott auf uns wie ein langweiliger Redner oder wie eine gezähmte Ziege im Streichelzoo. Er weckt keine Emotionen mehr in uns und somit auch keine Faszination. Ohne das Erkennen von Gottes gewaltiger Heiligkeit, gibt es auch keine echte Faszination.
Unser Jahresthema lautet: «Heilig, heilig, heilig – die Begegnung mit dem ganz Anderen.» Wie kann ein Mensch diesen faszinierenden heiligen Gott erfahren? Die Geschichte von Mose gibt uns darüber Aufschluss.
Ort des Geschehens
Mose wuchs als Adoptivsohn von Pharaos Tochter am Hof des Pharaos in Ägypten auf. Dort genoss er eine Elite-Ausbildung. Die Türen zu einer grossen Karriere in der Schaltzentrale der Weltpolitik standen weit offen. Doch dann liess er sich zu einer tragischen Affekthandlung hinreissen: Er prügelte einen Sklaventreiber, welcher seine Landsleute, die Israeliten, unterjochte, zu Tode. Als Folge davon flüchtete Mose nach Midian und fand dort bei einem Priester namens Jitro Unterschlupf. Dieser gab ihm Zippora, eine seiner sieben Töchter, zur Frau.
«Mose hütete die Herde seines Schwiegervaters Jitro, des Priesters von Midian. Eines Tages trieb er die Tiere durch die Wüste und kam zum Horeb, dem Berg Gottes» (2Mose 3,1 NLB). Was für ein sozialer Abstieg: Vom Präsidentenberater zum Hirten der Schafe des Schwiegervaters! Hirten hatten keinen guten Ruf und galten als Aussenseiter der Gesellschaft. Der Vorteil: Mose verlor die ganze Isolierschicht gegen Gott. Bei den Stolzen, Arroganten und Elitären perlen die Versuche Gottes, sie zu erreichen, gern ab.
Im Orient gibt es zwei wichtige Landschaften: Kulturland sowie Steppe und Wüste. Diese zwei unterschiedlichen Landschaften liegen gleich nebeneinander. Das Buch mit dem Titel «Wir amüsieren uns zu Tode» beschreibt den postmodernen Menschen im Kulturland. Er lebt in einer Multioptionsgesellschaft und gibt alles, um Spass zu haben, und muss nie über sich selbst nachdenken. Die Wüste ist der Ort, wo wir uns selbst nicht ausweichen können, wo wir die Signale aus der Tiefe unserer Seele hören. Der Status, das Gehalt, der Titel aus dem Kulturland zählt hier nicht. In der Wüste wird man realistisch und bescheiden. Man freut sich über etwas Schatten, einen Schluck Wasser. Dabei merken wir, dass wir nicht aus uns herausleben, sondern ganz und gar abhängig sind. Mose befindet sich in der Wüste, als er eine eindrückliche Gotteserfahrung macht. Wann warst du das letzte Mal in der Wüste? Es ist guter Boden, um dem ganz Anderen zu begegnen.
Vermutlich steht Mose auch innerlich in einer Steppenlandschaft, hat er doch einen Mord auf dem Gewissen. Das ist bestes Gelände, um dem Heiligen Gott nahe zu kommen. «Denn so spricht der Hohe und Erhabene, der in der Ewigkeit wohnt, der, dessen Name der Heilige ist: Ich wohne an der hohen, heiligen Stätte und bei denen, die einen zerschlagenen und gedemütigten Sinn haben, um die Gedemütigten neu zu beleben, und die zerschlagenen Herzen wieder aufleben zu lassen» (Jesaja 57,15 NLB).
Initiative des Heiligen
«Da erschien ihm der Engel des HERRN in einer Feuerflamme, die aus einem Dornbusch schlug. Mose sah, dass der Busch zwar in Flammen stand, aber nicht verbrannte» (2Mose 3,2 NLB). In der Negev kann es passieren, dass durch einen Steppenbrand bei Wind sich ein Dornbusch entzündet. Speziell hier ist, dass der Busch brennt, aber nicht verbrennt. Mose erlebt etwas Unerwartetes, etwas, das nicht zu seiner bisherigen Lebenserfahrung passt. An den Dornen, die bis zu 8cm lang werden, kann man sich übelste Verletzungen zuziehen. Niemand schmiegt sich an einen Dornbusch oder kann sich wohnlich in einem Dornbusch einrichten. Das Feuer steht für die Heiligkeit Gottes. «Denn unser Gott ist ein verzehrendes Feuer» (Hebräer 12,29 NLB). Ein Feuer wärmt, fasziniert, schafft Atmosphäre und ist gleichzeitig gefährlich. Nie kämen wir auf die Idee, uns selbst mitten ins Feuer zu begeben, weil wir wissen, dass wir Menschen zwar die Kraft und Schönheit des Feuers geniessen können, den Flammen selbst jedoch nichts entgegenzusetzen haben. Gott kommt oft ganz anders, als wir denken. ER lässt sich nicht ausrechnen. Oft beginnt es mit Merkwürdigkeiten und Unerwartetem, die nicht in unsere Schublade passen. In allem ist und bleibt er der Unverfügbare.
Jemand forderte mich mit folgender Aussage heraus: Die Qualität einer christlichen Gruppierung hängt wesentlich davon ab, wie ernst sie es mit dem heiligen Gott nehmen. Spürt man bei uns eine Ehrfurcht vor dem fremden, geheimnisvollen, unverfügbaren Gott oder haben wir ihn zu einem onkelhaften Über-Gutmenschen degradiert?
Wer dieser Heiligkeit, dieser Schönheit und Majestät begegnet, will es immer wieder erleben. Auch Mose wurde von einer Sehnsucht erfasst, die ihn nicht mehr losliess. Es gibt nichts Grösseres als in Seiner Nähe, vor Seinem Angesicht, zu sein und Ihn mit den Augen des Herzens anzuschauen. Später bittet Mose: «Lass mich deine Herrlichkeit sehen» (2Mose 33,18 NLB). Die Antwort Gottes lautet: «Ich will meine Güte an dir vorüberziehen lassen und will meinen Namen ›der HERR‹ vor dir ausrufen. Ich schenke meine Gnade und mein Erbarmen, wem ich will. Mein Gesicht kannst du jedoch nicht sehen, denn jeder Mensch, der mich sieht, muss sterben» (V.19f NLB). Gott ist zu heilig, zu andersartig, als dass unsere Sinne ihn fassen und wir als menschliche Wesen vor seiner Reinheit bestehen könnten.
Das ist wohl der Grund, dass Mose weder eine Gestalt noch ein Gesicht von Gott sieht, sondern nur eine Stimme hört: «Mose, Mose!» Mose wird gleich doppelt mit seinem Namen gerufen. Der fremde, unbegreifliche Gott kennt seinen Namen, bevor Mose den Namen dessen kennt, der hier mit ihm spricht (2Mose 3,13). So ist Gott: einerseits heilig, unverfügbar, geheimnisvoll, aber auch persönlich, barmherzig und nah. Die doppelte Namensnennung ist typisch dafür, wenn Gott mit einem Menschen eine neue Geschichte zu schreiben beginnt. Wenn Er ruft, dann geschieht etwas. Wenn Er nicht ruft, geschieht nichts. Am Anfang jeder Geschichte eines Menschen mit Gott steht immer der heilige Gott, der die Initiative ergreift.
Reaktion des Menschen
Mose spricht zu sich selbst: «Das ist ja seltsam. [...] Warum verbrennt dieser Busch nicht? Das muss ich mir näher ansehen» (2Mose 3,3 NLB). Mose lässt sich auf das Unerwartete ein. Auch in unseren Leben gibt es brennende Dornbüsche am Wegrand. Die Frage ist, ob wir sie uns näher ansehen. Lassen wir uns aus der Alltagsroutine oder aus unseren eigenen Plänen herauslocken? Am 13. August 2006 entdeckte ich während eines normalen Gottesdienstes im jetzigen Jugendhaus einen brennenden Dornbusch. Einige Zeit davor wurden wir angefragt, ob wir die Stelle als Pastor in dieser Kirche besetzen würden. Diese Aufgabe übte damals keinen Reiz auf uns aus. Wir hatten völlig andere Pläne. Doch dann sprang das Feuer des Dornbusches in mein Herz und setzte es in Brand. Es brennt bis heute. Achte auf die ungewöhnlichen Vorkommnisse in deinem Umfeld und verpasse die Dornbüsche nicht.
«’Komm nicht näher!’, befahl Gott ihm. ‘Zieh deine Sandalen aus, denn du stehst auf heiligem Boden. Ich bin der Gott deiner Vorfahren – der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs’ [...]» (2Mose 3,5f NLB). Gerade in der düsteren Winterzeit freuen wir uns auf jeden Sonnenstrahl. Die Sonne übt eine Faszination auf uns aus. Sie wärmt, spendet Licht und ermöglicht Leben. Doch wenn wir uns der Sonne zu sehr nähern, wird es gefährlich. Genau das Gleiche gilt bei Gott. Seine Schönheit, seine Andersartigkeit und Reinheit ziehen in den Bann, erfordern aber einen Abstand.
Der Boden, auf dem Mose steht, ist nur deshalb heilig, weil er gerade durch den heiligen Gott geheiligt wird. Alles, was mit Gott in Berührung kommt, wird heilig. Unser Jahresvers lautet: «Ihr sollt heilig sein, weil ich, der HERR, euer Gott, heilig bin» (3Mose 19,2 NLB). Der einzige Weg dazu ist, diesem heiligen Gott zu begegnen. Der Ort, an dem dies geschehen kann, ist ein besondere Ort. Es muss uns klar sein, dass wir dem Schöpfer gegenübertreten, dem HERRN der Galaxien. Er überragt alles bei Weitem. Im Vergleich mit Ihm bin ich ein kleiner – allerdings von Gott geliebter – Wurm. In dieser Haltung kann ich Gott begegnen.
Mose soll seine Schuhe ausziehen. Ohne Schuhe verbrennt man sich in der Wüste die Füsse oder man schneidet sich an scharfen Steinen. Nur Sklaven müssen barfuss gehen. Schuhe meint das, mit dem wir unser Leben meistern und die Schwierigkeiten unter die Füsse kriegen. Schuhe ist alles Angelernte, auf das wir uns etwas einbilden, unser Status. Es ist angemessen, das alles wegzulegen, wenn wir Gott begegnen wollen.
«Als Mose das hörte, verhüllte er sein Gesicht, denn er hatte Angst, Gott anzuschauen» (2Mose 3,6b NLB). Die adäquate Reaktion des Menschen auf Gottes Heiligkeit ist Ehrfurcht, Respekt und Anbetung. Die Begegnung mit Gottes Heiligkeit löst nicht zuallererst Freude oder Begeisterung in uns aus, sondern die Erkenntnis, dass wir dem Heiligen gegenüber eigentlich nicht bestehen können. Die Gottesbegegnung am brennenden Dornbusch hat das ganze Leben von Mose in neue Bahnen gelenkt. Begegnung mit dem Heiligen hinterlässt Spuren.
Vielleicht fragst du dich nun, ob sich unsere Begegnungen mit dem heiligen Gott durch Jesus Christus nicht grundlegend verändert haben. Ist Distanz, Schuhe ausziehen und Ehrfurcht immer noch ein Thema? Wir können alle dankbar sein, dass durch den Opfertod Jesu der Graben zwischen uns und dem heiligen Gott zugeschüttet wurde und wir uns Ihm als dem liebenden Vater nähern können. Doch bei diesem wichtigen Schritt, den wir auf Gott zumachen dürfen, übersehen wir manchmal, dass nicht Gottes Heiligkeit zugeschüttet wurde. Er hat sich nicht verändert, sondern uns wurde ein Zugang zu Ihm eröffnet, um Ihm in seiner Heiligkeit zu begegnen, aus der auch seine Vaterschaft entspringt. Der Schrecken der Konfrontation mit dem Heiligen wird durch das grosse «Fürchte dich nicht» Jesu zum lebensverändernden Staunen über seine Schönheit. «Darum knie ich nieder vor Gott, dem Vater, und bete ihn an» (Epheser 3,14 Hfa). Ich rede mit meinem liebenden Vater und verstumme vor dem heiligen Gott.
Mögliche Fragen für die Kleingruppe
Bibeltext lesen: 2. Mose 3,1-6
- Redet über die Lebensphase, in der Mose vor dem Dornbusch-Erlebnis steckte.
- Gott hat durch den brennenden Dornbusch auf sich aufmerksam gemacht. Hast du auch schon Dornbuscherfahrungen gemacht? Was könnten «Dornbüsche» im Alltag sein?
- Was sagen die Elemente «Dornbusch» und «Feuer» über Gott aus?
- Warum soll Mose nicht nähertreten und die Schuhe ausziehen? Was lehrt uns dies für unseren Umgang mit Gott?
- Was hat sich durch den Opfertod Jesu verändert? Was ist gleichgeblieben? Was bedeutet dies für unsere Gemeinschaft mit Gott?