Der Hoffnungskreislauf
Wie kann aus wenig Hoffnung viel Hoffnung werden? Ein Mensch hat durch den Glauben an Jesus Christus Friede mit Gott, Zugang zur Gnade und Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes. Wenn ein solcher Mensch sich den schwierigen Herausforderungen im Leben positiv stellt, setzt sich eine starke Dynamik in Gang, die zu grösserer Hoffnung führt. Diese Hoffnung wird niemals enttäuscht werden, weil eine Anzahlung dafür garantiert.
Mitten in London auf der Nordseite der Themse stehen die Worte «Nichts kann uns trennen» aus Römer 8 auf dem Dach einer U-Bahn-Station. Die Künstlerin Lakwena Maciver hat eine versteckte und vernachlässigte Dachterrasse über der 1870 erbauten U-Bahn-Station Temple in einen lebensbejahenden Ort verwandelt. Die farbenfrohe Installation bedeckt den grauen Beton auf 1400 Quadratmetern. Der Satz «Nichts kann uns trennen» ist eine kraftvolle spirituelle Botschaft mit einer hoffnungsvollen Bedeutung. Die U-Bahnstation heisst Temple, weil sie sich auf einem ehemaligen Grundstück der Tempelritter befindet. Ein Tempel ist der Ort, an dem sich Himmel und Erde treffen. Maciver: «Man sagt, dass der Garten Eden der erste Tempel war. Die Geschichte besagt, dass wir aus dem Garten vertrieben wurden und uns seither danach sehnen, den Weg zurückzufinden.» Diese Vorstellung einer unbewussten Sehnsucht nach dem Paradies war der Anstoss für diese öffentliche Intervention.
Am letzten Sonntag lernten wir aus dem Leben von Abraham, dass wir dann Wunder erleben, wenn wir hoffnungsvoll leben. Heute geht es um die Frage, wie Hoffnung in uns entstehen und wachsen kann.
Hoffnungsvolle Ausgangslage
«Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus. Durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung auf die Herrlichkeit, die Gott geben wird» (Römer 5,1-2 LUT).
Wenn ein Mensch zu einer persönlichen Beziehung mit Jesus Christus findet, ist das, wie wenn ein junger Servicemonteur am ersten Arbeitstag ein Fahrzeug mit den wichtigsten Werkzeugen zum Reparieren einer Waschmaschine erhält. Es kann losgehen!
Zur Grundausstattung eines Christen gehört Friede (Shalom)mit Gott. Das ist eine Aussage von unfassbarer Tragweite, gerade für die römischen Christen der damaligen Zeit. In der Stadt waren sie angefeindet und hart verfolgt. Doch wie im Auge eines Hurrikans erfuhren sie übernatürliche Ruhe und Frieden. Shalom bedeutet eine ausgeglichene versöhnte Beziehung mit Gott, ein umfassender Zustand von Glück und Wohlergehen. Es geht ihnen gut.
Ein solcher Friede wird an dem Tag freigeschaltet, an dem ein Mensch Ja zu Jesus Christus sagt und sich mit Ihm verbindet. In diesem Frieden haben wir Zugang zu der Gnade. Gnade ist die Gunst, mit der Gott uns ansieht. Wir dürfen reingehen in die Gegenwart Gottes und Er tut nicht, was wir eigentlich verdient haben, sondern heisst uns willkommen. «Lasst uns deshalb zuversichtlich vor den Thron unseres gnädigen Gottes treten. Dort werden wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden, die uns helfen wird, wenn wir sie brauchen» (Hebräer 4,16 NLB). Wir dürfen in die Gunst des Vaters eintreten, dort stehen und zuhause sein.
Das ist aber nicht nur ein Jetzt-Zustand, sondern es öffnet sich die Zukunft. «Wir rühmen uns der Hoffnung auf die Herrlichkeit, die Gott geben wird.» Rühmen bedeutet: wir geben an damit, wir freuen uns und machen richtig Propaganda für die Zukunft, die Gott uns schenken will. Herrlichkeit ist in der Bibel immer die Beschreibung für die Wirklichkeit Gottes, wenn Er sich zu erkennen gibt. Hoffnung auf die Herrlichkeit bedeutet, ich gehe in die Zukunft und werde Gott sehen, wie Er ist. Wir haben jetzt ein privilegiertes Leben, wenn wir Frieden mit Gott haben, wenn wir in der Gunst Gottes stehen dürfen, zuhause sein dürfen, aber das Beste kommt noch. Es gibt eine Hoffnung der Herrlichkeit, darauf gehen wir zu, weil Jesus für uns gestorben und auferstanden ist.
Hoffnungsvolle Dynamik
Wenn man im Frühling mit dem Bike die Saison eröffnet, ist man voller Hoffnung auf schöne Ausfahrten. Bereits in den ersten ruppigen Steigungen beginnt diese Hoffnung zu bröckeln. Anstatt, dass man «Chef» über die Widerstände ist, ist es umgekehrt. Sofort wird einem klar, dass man, um diesen Zustand zu verbessern, noch manchen Hügeln geduldig erleiden muss. Ja, bei den ersten Ausfahrten tut es weh, man möchte aufgeben. Doch wenn man durchhält, wird man stärker und belastbarer. Die Hoffnung auf genussvolle und spektakuläre Rides wächst. Hoffnung – Leiden – Geduld – Ausdauer – mehr Hoffnung und Freude; so sieht der Kreislauf erfolgreichen Bikens aus.
Paulus sieht diese hoffnungsvolle Dynamik generell im Leben: «Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse (thlipsis), weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden [...]» (Römer 5,3-5 LUT).
Was nur ist mit Paulus los, dass er sich der Bedrängnisse rühmt? Und es ist nicht etwa so, dass dieser Mann nicht wüsste, was Leiden sind! In 2Korinther 11 zählt er auf: Oft ins Gefängnis geworfen, in Lebensgefahr, fünfmal neununddreissig Hiebe, dreimal ausgepeitscht, einmal gesteinigt, Schiffbruch, einen Tag und eine Nacht auf dem Meer treibend, unzählige Male in grosser Gefahr, Erschöpfung, Schmerzen, schlaflose Nächte, etc. Warum rühmt er sich dieser Dinge?
Er sieht ein Trainingspotenzial in den Bedrängnissen! Ich habe mal gelesen, dass schwierige Erfahrungen im Leben uns bitter or better (bitter oder besser) machen. Unser Talkgast Stefan Schüpbach erzählte in seinem Steckbrief, dass sie zwei Kinder hätten, die beide schon bei Jesus sind. Im persönlichen Gespräch erfuhr ich etwas mehr und sie bezeugten, dass sie diese Erfahrung better gemacht hätte. Warum zerbrechen Menschen am Leid und andere wachsen daran? Die Fähigkeit mit schwierigen Lebenssituationen umzugehen, nennt man Resilienz. Die Resilienz ist bei Menschen, die in tragende Gemeinschaften eingebunden sind, höher. Das ist ein grosser Vorteil der christlichen Gemeinschaft. Eine Katze, die angefahren wurde, verkriecht sich gerne. Den gleichen Instinkt findet sich auch bei den Menschen. In unserer Bedrängnis ist es entscheidend wichtig, dass wir die Gemeinschaft suchen.
Weiter sagt Paulus, «dass Bedrängnis Geduld bringt». Mit dieser Denkweise und dem Eingebunden-Sein in die Gemeinde können wir Widerstände im Leben als Trainingshügel betrachten. Unsere Muskeln wachsen und die Standhaftigkeit wird erhöht. Bedrängnis im Alltag sollte uns nicht überraschen. Jesus hat es angekündigt: «Ich habe euch das alles gesagt, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt werdet ihr hart bedrängt (thlipsis). Doch ihr braucht euch nicht zu fürchten: Ich habe die Welt besiegt» (Johannes 16,33 NGÜ). Leider hat Luther «In der Welt habt ihr Angst» übersetzt. Viele Christen nehmen dies als Rechtfertigung für ihre Ängste. Nein, es wird enge Situationen geben, doch fürchten sollen wir uns eben gerade nicht. Bedrängnisse sind ruppige Hügel, die unsere innere Muskulatur stärken wollen. Wenn wir uns im Vertrauen auf Gott, eingebunden in die Gemeinschaft, dem Leid stellen, werden wir geduldiger. Geduld bringt Bewährung. Das bedeutet, dass wir zäher werden und sogar Freude an der Herausforderung bekommen. Menschen, die mit Gott zusammen viele «Trainingshügel» gemeistert haben, werden zu Vorbildern. Eines meiner Vorbilder ist E.M., der zu meiner Jugendzeit Pastor in Romanshorn war. Dieser Mann musste enorme Schmerzen ertragen und seine Sehkraft ging teilweise gegen Null. Dennoch strahlte er selten gesehener Friede und Freude aus. Er war ein Mann voller Hoffnung.
Bewährung führt zu mehr Hoffnung. Das Ziel der ganzen Dynamik ist eine wachsende Hoffnung. Wie kann unsere Hoffnung zunehmen? Wenn wir ein Ja zum Trainingsprogramm mit den ruppigen Hügeln haben. Wie der Servicemonteur im Laufe seiner Zeit seine Werkzeugkiste individualisiert, ergänzt und verbessert, so wird unsere Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes individualisiert, ergänzt und verbessert.
Laut Paulus entscheidet sich an unserer Haltung zu den Bedrängnissen im Leben, ob wir in einen Teufelskreis oder in eine Aufwärtsspirale der Hoffnung gelangen. Wenn wir sie als ruppiges Trainingsgelände nutzen, werden wir stärker und erleben mehr Freude und Hoffnung. Wenn wir uns gegen sie verschliessen bzw. auflehnen, werden wir bitter. Wir Christen können einander helfen. Gerade wenn es uns unverdient gut geht, können wir anderen helfen, durchzuhalten, denen es nicht gut geht.
Hoffnungsvolle Anzahlung
Diesen Herbst verkauften wir unseren Zweitwagen auf Tutti. Da er im Laufe der letzten Jahre den einen oder anderen Kratzer abbekommen hatte, war ich gespannt, ob wir das Auto für den angegebenen Preis verkaufen könnten. Lange meldete sich niemand. Doch plötzlich kam Bewegung ins Spiel. Ein Autoverkäufer kam vorbei und bot ohne lange Umschweife per Handschlag einen sehr guten Preis an. Würde er das wirklich bezahlen, wenn es drauf ankommt? Als er dann eine 1000er-Note aus der Tasche zog und mir die Note als Anzahlung in die Hand drückte, hatte ich volles Vertrauen, dass die restlichen CHF 7000.- bei der Übergabe bestimmt folgen werden. Und so war es dann auch.
Warum wusste Paulus, dass «Hoffnung aber nicht zuschanden werden lässt»? Weil die Anzahlung gemacht ist: «[...] denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist» (Römer 5,5 LUT). Die Liebe Gottes ist ausgegossen, der Heilige Geist ist uns gegeben. Der Heilige Geist ist wie die Versiegelung unserer Hoffnung. «[...] Er hat uns einen Auftrag erteilt und bestätigt, dass wir zu ihm gehören, indem er uns den Heiligen Geist ins Herz gab. Dieser ist eine Sicherheit für alles, was er uns noch schenken wird» (2Korinther 1,21f NLB). Menschen, die zu Jesus gehören, erhalten das Geschenk des Heiligen Geistes als Sicherheit für weitere CHF 7000.-. Die göttliche und vollkommene Zahl 7 soll eine symbolische Bedeutung haben. Die Anzahlung des Heiligen Geistes in Form von ausgegossener Liebe ist bereits göttlich. Auf das Vollkommene warten wir und ist Teil unserer Hoffnung auf die Herrlichkeit Gottes.
Die Künstlerin, die das Dach der U-Bahnstation Temple gestaltet hat, schrieb: Nichts kann uns trennen. Ja, nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes. Jeder Mensch trägt tief in sich die Sehnsucht nach einer Liebe, die niemals aufhört. Charles de Foucauld sagt: «Hoffnung ist nichts anderes als der Glaube an Gottes unendliche Liebe.» Diese Hoffnung bekommt Nahrung, wenn wir das ruppige Trainingsgelände in unserem Alltag annehmen und es in der Gemeinschaft mit anderen meistern.
Mögliche Fragen für die Kleingruppen
Bibeltext lesen: Römer 5,1-5
- Was ist die Ausgangslage eines Christen nach Römer 1,1-2? Versuche diese mit eigenen Worten zu beschreiben!
- Welche Bedeutungen haben Bedrängnisse im Leben? Was ist die Gefahr? Was ist das Potenzial?
- Was für bedrängende Situationen gibt es momentan in deinem Leben? Wie willst du dich ihnen entgegenstellen?
- Bedrängnis – Geduld – Bewährung – Hoffnung; dies beschreibt die Dynamik im Leben eines Christen. Welche Erfahrungen machst du damit?
- Warum ist es wichtig und hilfreich, wenn die Hoffnung auf die Herrlichkeit wächst?