Die schöpferische Kraft des Heiligen Geistes

Datum: 20. Februar 2022 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: 1. Mose 1,2 + 2,7

Wer und was ist eigentlich der Heilige Geist? In der hebräischen Bibel wird er Ruach genannt und ist grundlegend in den Schöpfungstexten verortet. Die Ruach ist das, was Leben ermöglicht und schafft – sei es in der Schöpfung oder in der Neuschöpfung. Die Ruach verwirklicht sich in der Gesellschaft in Gerechtigkeit, Barmherzigkeit, Recht und Frieden.


Folgenden Witz habe ich gelesen: Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist wollen in Urlaub fahren. Sagt der Vater: «Fahren wir doch nach Pakistan.» Meint der Sohn: «Ich glaube, da sind wir nicht so erwünscht.» Sagt der Heilige Geist: «Fahren wir doch nach China.» Meint der Vater: «Da werden wir auch rausgeschmissen.» Darauf meint der Sohn: «Dann fahren wir halt nach Rom!» Erfreut spricht der Heilige Geist: «Das ist eine ganz grossartige Idee, da müssen wir unbedingt hinfahren, da war ich noch nie!» Diese Pointe deckt sich in keiner Weise mit meiner persönlichen Meinung! Was stimmt ist, dass sich Gott in den Personen Vater, Sohn und Heiliger Geist offenbart. Die Begriffe «Vater» und «Sohn» sind für uns leicht zugänglich. Mit beiden Ausdrücken verbinden wir Erinnerungen, Bilder und Gefühle. Es handelt sich um Sozialerfahrungen. Mit der dritten Person der Dreieinigkeit tun wir uns schwerer. Es fehlt uns schlicht der Erfahrungshintergrund. Kinder denken vielleicht an ein Gespenst. Erwachsene haben Assoziationen wie Geisteswissenschaften im Gegensatz zu den Naturwissenschaften. «Geist» meint den Intellekt einer Person. Leute, die mit den Händen arbeiten, sind Praktiker. Im Gegensatz dazu arbeiten die Theoretiker mit dem Kopf. «Geist» gehört also in die Kategorie «Theorie».

Im Ursprung des Begriffs war es komplett anders. Die Hebräer nennen die dritte Person der Gottheit «die Ruach». Um Ruach angemessen zu umschreiben, brauchen wir drei Wörter: Atem, Wind und Lebensenergie. Die Ruach ist immer in Bewegung und setzt andere in Bewegung. Für die Hebräer ist die Ruach zwar keine zwischenmenschliche, dafür aber eine Natur- und Körpererfahrung. Im Atem und dem Wind erlebt der Orientale das Geheimnis und das Faszinierende des Lebens. Beides sind natürliche Phänomene. Im Gegensatz dazu sind religiöse Menschen oft auf das Übernatürliche, auf Wunder, fixiert. Beim Heiligen Geist geht es jedoch um das Geheimnisvolle des Natürlichen. Ruach erinnert uns daran, schlicht, gesund und natürlich zu bleiben.

Für das Verständnis für den Heiligen Geist und seines Wirkens ist es von grösster Bedeutung, Ihn von der hebräischen Bibel her zu verstehen.

Die Ruach in der Schöpfung

Im zweiten Vers der Bibel erscheint die Ruach zum ersten Mal: «Die Erde aber war wüst und öde, finster war es über den Wassern. Und der Geist (ruach) Gottes schwebte über der Wasserfläche» (1Mose 1,2 NLB). Die Anwesenheit der Ruach ist die Bedingung für das, was nun kommt: «Da sprach Gott: ‘Es soll Licht entstehen!’, und es entstand Licht» (1Mose 2,3 NLB). Die Schöpfung vollzieht sich in engem Zusammenhang zwischen dem schöpferischen Wort und der Ruach, der dieses schöpferische Wort überhaupt ermöglicht. «Der Himmel ist durch das Wort des HERRN gemacht und all sein Heer durch den Hauch (ruach) seines Mundes» (Psalm 33,6 LUT). Der Atem hängt eng mit dem Reden zusammen. Wir verständigen uns mit dem Ausatmen. Ohne Luft in Bewegung gibt es keine Stimme, keinen Gesang und keinen Klang.

Im Religionsunterricht lernt Frederik, wie Gott alles erschaffen hat, auch die Menschen. Ganz genau hört er hin, als der Lehrer erzählt, wie Eva aus der Rippe von Adam geschaffen wurde. Ein paar Tage später merkt seine Mutter, dass es Frederik nicht besonders gut geht, und fragt: «Frederik, du wirst doch nicht krank?» Der Sohn antwortet: «Ich habe ganz schlimmes Seitenstechen. Ich glaub, ich bekomm’ eine Frau.» In der Schöpfungsgeschichte sehen wir, dass jeder Mensch durch die Ruach lebendig ist: «Da formte Gott, der Herr, aus der Erde den Menschen und blies ihm den Atem (ruach) des Lebens in die Nase. So wurde der Mensch lebendig» (1Mose 2,7 NLB).

Nachdem Gott aus dem Staub der Erde Adam gebildet hatte, kommt der entscheidende Schritt: Gott haucht dem Menschen Atem in die Nase. Der Mensch ist so geschaffen, dass er den Atem des Lebens hat, er ist ein Atemwesen. Atmen, ist das Bedürfnis, dass wir am wenigsten aufschieben können. Trinken, Essen und Schlafen tun wir bewusst in eigener Regie. Das Atmen geschieht automatisch. Nach hebräischem Denken ist der Mensch in höchstem Mass abhängig und nicht – wie wir im Westen oft glauben – autark. Die Bewegung des Lebens geschieht still und unaufdringlich.

Atmen ist viel mehr als das Aufnehmen und Abgeben von Luft. Es ist die Bewegung des Lebens. Wir hängen vom ersten bis zum letzten Atemzug am Tropf der Luft. Jeder Atemzug ist eine Art Vertrauensübung. Wir vertrauen uns der Luft an und gestatten ihr Einlass in unser Inneres. Es ist angemessen, Gott so zu vertrauen wie der Atemluft. Denn Gott ist mit unserem Leben so eng verbunden wie die Atemluft. ER ist so wichtig, wie die Luft zum Atmen. Beim Vergasen von Menschen wird die selbstverständlichste Grundlage unseres Lebens zum Feind. Deshalb ist das so abgrundtief böse.

Eine geheimnisvolle Heilkraft hat die bewegte Luft aus dem Mund der Mutter, wenn ihr Kind eine Blessur hat. Obwohl es naturwissenschaftlich nicht erklärbar ist, verschwinden die Schmerzen. Atemübungen überlassen wir leider gerne der Esoterik. Richtiges Atmen ist sehr gesund und hat eine heilende Kraft. Gesundes Atmen bewirkt eine leichte Dauermassage des Unterkörpers. Wenn wir nicht tief atmen, kann sich die Körpertemperatur bis zu einem halben Grad senken, was die Ursache vieler Erkrankungen ist. Genauso hat die Ruach eine heilende Kraft, wenn wir Ihn bewusst aufnehmen und Ihm Raum geben.

Der Begriff ruach ist im Hebräischen feminin. Das ist sehr bewusst gewählt. Es besteht ein enger Zusammenhang mit dem Gebärvorgang. Nichts ist so schöpferisch wie eine Geburt. Es gibt in der Bibel den mit ruach verwandten Begriff rewach, was Weite, Raum bedeutet. Bei einer Geburt geht es durch den Geburtskanal in die Weite. Das Volk Israel wurde in ein neues weites Land, Kanaan, geführt. Die Ruach führt nie in die Enge, in das Kleinkarierte. Wenn der Glaube an Jesus Christus zu einem engen Land wird, sind wir auf einem krankmachenden Holzweg. Übrigens wurde das ganze Volk Israel «windgeboren». Als sie aus Ägypten flohen, drohten sie in der Chaosmacht des Wassers vom Schilfmeer zu ertrinken. Doch der Wind trieb das Wasser auseinander und das Volk passierte den «Geburtskanal», um dann in Richtung Kanaan, dem verheissenen weiten Land, zu gehen.

Die Ruach in der Neuschöpfung

Die Ruach ist das, was Leben ermöglicht und schafft – sei es in der Schöpfung oder in der Neuschöpfung. In Hesekiel 37 steht der bekannte Text über die Totengebeine, die auf einem Feld herumliegen. Der Text spricht in eine Situation hinein, in dem das Volk Israel verdorrt und abgeschnitten vom pulsierenden Leben war. Fühlst auch du dich manchmal am Ende, vertrocknet und ohne Hoffnung? Leider gibt es solche Tiefs im Leben.

Und genau dann kommt das Geheimnis der Ruach ins Spiel. Hesekiel 37 ist der intensivste Text der Bibel über die lebendig machende Kraft der Ruach. Der Begriff erscheint allein in diesem Kapitel 9-mal! Hier ein Ausschnitt: «Da sagte er zu mir: ‘Weissage über den Atem, weissage, Menschenkind, und sag zu dem Atem: ‘So spricht Gott, der Herr: Komm, o Atem, aus den vier Winden! Hauche diese Erschlagenen an, damit sie wieder lebendig werden.’ Ich weissagte, wie er es mir befohlen hatte, und der Atem fuhr in sie hinein und sie wurden lebendig. Sie standen auf, und es war eine riesige Menschenmenge» (Hesekiel 37,9f NLB). Nur die Ruach kann nochmals einen neuen Anfang schenken.

Die ganze Erde seufzt und sehnt sich nach Erlösung. Sie ist schwer angeschlagen. Nur die Ruach, der Geist Gottes, kann die Welt neu schaffen. Es geschieht dann endgültig, wenn Gottes Reich als neues Jerusalem auf die Erde kommt.

Die Ruach beim Messias

Die Ruach ist auch in den messianischen Texten von Jesaja stark vertreten. «Auf ihm wird der Geist des Herrn ruhen - der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Macht, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn» (Jesaja 11,1 NLB). Zum ersten Mal heisst es über eine Person, dass die Ruach auf ihm ruhen wird. Der Messias ist der «Geistträger par excellence» und lebt in einer Dauerbeziehung mit ihm. Die Auswirkungen davon sind Weisheit, Erkenntnis und Gottesfurcht. Etwas später steht: «Er sorgt für Gerechtigkeit unter den Armen und verschafft den Unterdrückten Recht» (V.4 NLB). In einem weiteren Text steht: «[...] Ich habe ihm meinen Geist gegeben, damit er den Völkern das Recht bringt. [...] Er wird das geknickte Rohr nicht brechen und den glimmenden Docht nicht auslöschen. Er wird das Recht wahrheitsgetreu ans Licht bringen» (Jesaja 41,1-3 NLB). Das ist ein Bild der Barmherzigkeit.

Echtheitszeichen des Heiligen Geistes sind also nicht in erster Linie übernatürliche Phänomene oder Schwärmerei, sondern handfeste Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Recht. Was würde geschehen, wenn diese Ruach mit genau diesen Wirkungen auf jedem Menschen der Erde ruhen würde? Wir hätten den Garten Eden 2.0.

 

Gegen Ende des Alten Testaments begegnen wir folgender Verheissung: «In den letzten Tagen werde ich meinen Geist über alle Menschen ausgiessen. Eure Söhne und Töchter werden weissagen, eure alten Männer werden prophetische Träume und eure jungen Männer Visionen haben» (Joel 3,1 NLB). Es wird die Zeit kommen, da wird die Ruach über alle Menschen ausgegossen. In der Pfingstpredigt von Petrus wird dieser Text zitiert (Apg 2,17ff). Die Ruach als Atem ist in jedem Menschen. In ihm leben, weben und sind wir alle. Seit Pfingsten gibt es das Angebot von Gott, dass die Ruach in einem Menschen ruht. Bedingung dafür ist die persönliche Beziehung mit Jesus Christus, das bewusste Annehmen dessen, was Er für uns getan hat. Wer sein Herz für Jesus öffnet, auf dem ruht die Ruach. Eine solche Person wird Gott fürchten und sich in dieser Welt für Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Recht einsetzen. Genau das sind dann Vorboten der Neuschöpfung, die mit Jesus Christus begonnen hat!

 

 

 

Fragen für die Kleingruppen

Bibeltext lesen: Hesekiel 37,1-14; Jesaja 11,1-4; 42,1-4

  1. Was hast du heute über den Heiligen Geist erfahren, das dir bis anhin nicht bewusst war?
  2. Was assoziert der Begriff Ruach im Gegensatz zum Begriff Heiliger Geist?
  3. Hast du schon einmal über das Atmen nachgedacht? Führt eine Atemübung durch, bei dem ihr bewusst ein- und ausatmet. Was löst das aus?
  4. Was für eine Rolle hat die Ruach bei der Neuschöpfung?
  5. Was ist die hauptsächliche Stossrichtung des Heiligen Geistes in unserem Leben? Welche Auswirkungen könnte das auf die Gesellschaft haben?
  6. Wie und warum kannst du Vorboten der Neuschöpfung initiieren?