Datum: 3. März 2019 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: 1. Mose 22,1-18
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Jahrzehntelang wartete Abraham auf den versprochenen Sohn und als er dann endlich kam, sollte er ihn auf einem Berg opfern. Isaaks Opfer lehrte Abraham, Gott mehr zu lieben als seinen Sohn. Es ist auch unser Problem, dass sich erfüllte Träume gerne zu Götzen erheben. Deshalb gilt es, sie immer wieder auf den Altar zu legen. Nur die Dinge können gefahrlos Teil unseres Lebens bleiben, die wirklich keine Götzenfunktion mehr innehaben..


Genau vor zwanzig Jahren schrieb ich an der Abschlussarbeit meiner theologischen Ausbildung. Ich konnte es kaum erwarten, endlich in einer Gemeinde meinen hohen Idealen nachzueifern. Ich wollte erfolgreich sein! Viele meiner Träume erfüllten sich in Form der dynamischen und schnell wachsenden Jugendbewegung JMS. Der Erfolg beglückte mich, ich fühlte mich geliebt und wertvoll. Eines Tages hatte jemand einen prophetischen Eindruck. Darin ging es um die Geschichte aus 1Könige 3,1ff von den zwei Frauen, die je ein Kind hatten. Eine Frau hat ihr Kind nachts so nahe an sich herangezogen, dass sie es erdrückte. Schnell realisierte ich, dass Gott durch dieses Bild zu mir redete. JMS war mein Kind und nahm eine zu hohe Priorität in meinem Leben ein. Ich definierte mich über das Glück, den Erfolg und die Macht, die JMS mir einbrachte, und steigerte meinen Selbstwert damit.

Die meisten Menschen leben für ihre Träume, alles dient dem Streben nach Glück. Unerschöpflich mühen wir uns ab und sind bereit, vieles zu opfern, um unsere Ziele zu erreichen. Doch keiner würde auf die Idee kommen, dass das Erreichen des grossen Zieles das Schlimmste ist, was uns passieren kann. Warum hat es so oft negative Folgen, wenn sich ein Traum erfüllt? Paulus kennt das Phänomen. Er schreibt an die römische Gemeinde: «Darum lieferte Gott sie ihren Begierden aus» (Römer 1,24 GN), und erklärt, dass dies eines der schlimmsten Dinge ist, die einem Menschen passieren kann. Das Problem ist nämlich, dass der erfüllten Traum gerne zum Götzen wird. Die begehrtesten Dinge sind die gefährlichsten. Im nächsten Satz fasst Paulus die Geschichte der Menschheit zusammen: «Sie tauschten den wahren Gott gegen ein Lügengespinst ein, sie haben die Geschöpfe geehrt und angebetet anstatt den Schöpfer» (Römer 1,25 GN). Jeder Mensch braucht etwas, wofür er lebt, das seine Gedanken erfüllt, ihn motiviert und Hoffnung gibt. Wer von selbst erschaffenen Wesen sein Glück erwartet, wird enttäuscht werden. Nur der Schöpfer kann uns wirklich ausfüllen.

Willkommen daheim! Wer ganz bei Gott heimisch geworden ist, hat Christus als Lebensmittelpunkt und alles andere muss sich darunter einordnen.

Erfüllung grosser Wünsche

Eine sehr wichtige Person in der Bibel ist Abraham. Wie viele Menschen seiner Zeit sehnte er sich danach, einen Sohn zu haben, der seinen Namen weitertragen und seinen Besitz erben würde. Bei Abraham wuchs diese Sehnsucht im Laufe vieler kinderlosen Jahre zum grössten Verlangen heran. Endlich, als er schon alle Hoffnung aufgegeben hatte, bekam seine Frau den langersehnten Sohn. Damit hatten sich alle seine Träume erfüllt. Doch dann forderte Gott ihn auf, ihn wieder loszulassen.

Auf seinem Lebensweg erlebte er zwei grosse Herausforderungen: Gott gab ihm ein grosses Versprechen. Wenn er Gott treu gehorchen würde, könnten alle Nationen der Erde durch ihn und seine Nachkommen gesegnet werden. Dass sich diese Verheissung erfüllen konnte, forderte ihn Gott auf, alles Vertraute zurückzulassen – seine Freunde und Verwandten und alles, was ihm bis anhin Sicherheit, Wohlstand und Frieden garantiert hatte. Er stand vor der Herausforderung, aus Gehorsam Gott gegenüber alles aufzugeben, worauf er bis dahin seine Hoffnung gesetzt hatte und was ihm bislang erstrebenswert erschienen war.

Und Abraham ging diesen Schritt: «Er brach auf … und verliess seine Heimat, ohne zu wissen, wohin er kommen würde» (Hebräer 11,8 GN). Doch Gott hatte ihm nicht nur seine bisherigen Ziele genommen, er schenkte ihm auch eine neue Hoffnung. Alle Völker der Erde sollten durch seine Nachkommen gesegnet werden (1Mose 12,3). Folglich konnte er davon ausgehen, dass er Kinder haben würde, obwohl Sarah – seine Ehefrau – bis dahin unfruchtbar gewesen war. Menschlich gesehen, war es für die beiden nicht möglich, Kinder zu bekommen. Aber Gott hatte Abraham einen Sohn versprochen.

Nach jahrzehntelangem Warten, als Abraham über hundert und Sarah über neunzig Jahre alt war (1Mose 17,17 und 21,5), wurde der versprochene Sohn geboren. Sie nannten ihn Isaak. Die Jahrzehnte der Kinderlosigkeit hatten den Wunsch nach einem Kind ins Unermessliche gesteigert. Niemals hatte sich jemand ein Kind mehr gewünscht als Abraham. Er hatte alles aufgegeben und wartet nur noch auf seinen Sohn. Als dieser endlich zur Welt kam, konnte Abraham triumphieren. Es war doch richtig gewesen, Gott zu vertrauen. Endlich hatte er einen Erben. Das Warten hatte sich gelohnt.

Den Berg besteigen

Doch nun musste sich zeigen, ob es Abraham während des Wartens mehr um den Sohn oder mehr um Gott gegangen war. Hatte er Gott nur als Mittel zum Zweck gebraucht? Wem gehörte Abrahams Herz wirklich? Hatte Abraham gelernt, ausschliesslich auf Gott zu vertrauen und Gott um seiner selbst willen zu lieben, statt nur nach den Segnungen Gottes zu streben? Nein, genau das musste Abraham noch lernen. Anstatt eines glücklichen friedlichen Lebens folgt die nächste Herausforderung: «Nimm deinen einzigen Sohn Isaak, den du so lieb hast, und geh mit ihm ins Land Morija. Dort werde ich dir einen Berg zeigen, auf dem du Isaak als Brandopfer für mich opfern sollst» (1Mose 22,2).

Das war die denkbar schwerste Prüfung für Abraham. Isaak war sein Ein und Alles. Gott wusste das, wie seine Wortwahl verrät. Er sagte nicht einfach: «Nimm Isaak und geh mit ihm…», sondern Gott sprach vom einzigen Sohn, den Abraham so liebhatte. Abrahams Liebe zu seinem Sohn hatte die Form der Verehrung, der Anbetung angenommen. Früher war das Reden Gottes für Abraham am wichtigsten gewesen. Doch nun waren die Sorge um das Wohlergehen seines Sohnes und die Sehnsucht nach dessen Liebe und Zuneigung an die erste Stelle getreten. Seine Prioritäten hatten sich verschoben. Es ist nicht falsch, wenn ein Vater seinen Sohn liebt, aber der geliebte Sohn darf nicht zu einem Götzen werden. Wer sein Kind mehr liebt als Gott, wird das Kind erdrücken und die Beziehung ersticken. Abraham liebte Isaak nicht zu viel, sondern er liebte Gott zu wenig, gemessen an der Liebe zu Isaak.

Als sich damals bei mir die Prioritäten verschoben und ich im Begriff stand, JMS zu erdrücken, musste ich ebenfalls einen Berg besteigen und meinen ‘Isaak’ opfern. Dieser Aufstieg war echt herausfordernd und bescherte mir schlaflose Nächte. Gemeinsam mit den Leitern der Mitgliedsgemeinden hörten wir auf Gott, um seine Meinung bezüglich Zukunft von JMS zu hören. Vergeblich wartete ich auf einen Ziegenbock, den ich als Stellvertreter opfern konnte. Ich musste loslassen und Gottes Reden gehorchen, dass JMS in der bisherigen Form nicht weitergeführt werden soll. Diese Erfahrung war wichtig für mein Wachstum. Dennoch stehe ich immer wieder in der Gefahr, ‘meine’ Kinder zu erdrücken.

Geläutertes Gold

Abraham vertraute Gott. Zu seinen Dienern sagte er: «Der Junge und ich werden noch ein Stück weitergehen. Dort oben werden wir Gott anbeten und dann zu euch zurückkommen» (5). Als der ahnungslose Isaak sich nach dem Lamm für das Opfer erkundigte, kriegte er die Antwort: «Gott wird für ein Lamm sorgen, mein Sohn» (8). Wie das geschehen sollte, wusste er nicht. Doch er war absolut sicher, einem heiligen und gnädigen Gott zu dienen. Deshalb konnte er einen Fuss vor den anderen setzen und diesen Berg erklimmen. Oben angekommen, baute Abraham einen Altar, schichtete die Holzscheite auf, legte den gefesselten Isaak auf den Holzstoss und fasste nach dem Messer. «In diesem Augenblick rief der Engel des Herrn ihn vom Himmel: ‘Abraham! Abraham!’ ‘Ja’, antwortete er. ‘Ich höre.’ ‘Lass es sein’, sagte der Engel. ‘Tu dem Kind nichts. Denn jetzt weiss ich, dass du Ehrfurcht vor Gott hast. Du hättest sogar deinen einzigen Sohn auf meinen Befehl hin geopfert’» (11-12).

Isaaks Opfer sollte Abraham lehren, Gott mehr zu lieben als seinen Sohn. Am Ende der Geschichte sagt der Engel des Herrn: «Nun habe ich erkannt, dass du Gott fürchtest!» (1Mose 22,12 Elb). Gott zu fürchten hat im biblischen Sprachgebrauch nichts mit Angst zu tun, sondern es beschreibt eher eine umfassende Hingabe an Gott. Es geht um eine liebevolle und freudige Ehrfurcht und Staunen angesichts der Grösse Gottes. Abraham hat bewiesen, dass er Gott mehr liebte als alles andere auf der Welt – das ist Gottesfurcht. Solange Abraham nicht gezwungen worden war, sich zwischen Gott und seinem Sohn zu entscheiden, war ihm vermutlich nicht aufgefallen, dass seine Vaterliebe allmählich zum Götzendienst geworden war. Von dieser Seite her gesehen war Gottes Handeln bei Abraham ein gnädiger Akt, auch wenn es von aussen betrachtet als sehr grausam erschien. Aus Abraham wurde ein bedeutungsvoller Mann.

Durch die Bergbesteigung wurde der Glaube Abrahams geläutert. Auch Hiob musste lange Zeit unermessliche Schwierigkeiten durchmachen, ohne eine befriedigende Antwort von Gott zu bekommen. Wie Abraham musste er vertrauen, ohne zu verstehen. Erst ganz am Ende konnte Hiob ausrufen: «Denn er kennt den Weg, der bei mir ist. Prüfte er mich, wie Gold ginge ich hervor» (Hiob 23,10 Elb). Die Läuterung Abrahams war genauso ein grosser Vorteil für Isaak. Erst nach seiner Erfahrung am Berg war Abraham in der Lage, seinen Sohn auf die richtige Art und Weise zu lieben. Nur die Dinge können gefahrlos Teil unseres Lebens bleiben, die wirklich keine Götzenfunktion mehr innehaben. Erst wenn wir bereit sind, ohne diese Dinge oder Personen weiterzuleben, wenn wir von ganzem Herzen sagen: «Gott, ich kann ohne das leben, solange ich nur dich habe», dann erst haben wir den Götzen von seinem Thron gestürzt.

Ähnlich kann es uns beispielsweise mit unserer Karriere ergehen. Erst wenn wir in eine Situation geraten, in der wir uns entscheiden müssen, ob wir ehrlich sind, selbst wenn dies berufliche Nachteile mit sich bringt, zeigt sich, was für uns Priorität hat. Wenn wir lieber lügen, als unserem beruflichen Fortkommen zu schaden, dann hat die Arbeit sich in unserem Herzen zu einem Götzen entwickelt. Bei vielen ist die Gesundheit zum ‘Isaak’ geworden. Zu unseren Gunsten kann dann Gott auch mal eine Krankheit zulassen, die uns herausfordert, Gott wieder an die erste Stelle zu setzen.

Wir müssen die «Isaaks» in unserem Leben opfern. Wir müssen sie loslassen, um nicht von ihnen versklavt zu werden. Die Bibel ist voller Geschichten von Männern wie Josef, David und Mose, bei denen es immer wieder den Anschein hatte, als hätte sie Gott verlassen, während er in Wirklichkeit gerade dabei war, sie von ihren Götzen zu befreien. Wir werden nicht immer verstehen können, warum der himmlische Vater manche Schwierigkeiten in unserem Leben zulässt, aber wir können ihm in den schweren Zeiten vertrauen.

 

Letztlich können wir die Tragweite dieses göttlichen Befehls nur verstehen, wenn wir uns mit den damaligen kulturellen Gegebenheiten beschäftigen. Immer wieder finden wir in der Bibel die Aussage, dass die Sünde des Volkes Israel den Erstgeborenen ihr Leben raubt. Der Erstgeborene war damals mit der ganzen Familie gleichzusetzen. Durch Mose hatte Gott dem Volk Israel mitgeteilt, dass das Leben aller Erstgeborenen ihm gehörte, solange sie nicht ausgelöst wurden (2Mose 34,20). Damit sagte er für das damalige Denken in anschaulicher Weise, dass jede Familie in Gottes Schuld steht – auch die Familie Abrahams. Isaak muss mit seinem Leben für die Sünde der ganzen Sippe bezahlen. Aber Gott ist auch gnädig. Durch Isaak will er alle Nationen der Erde segnen. Wie kann Gott gleichzeitig heilig und gerecht sein und dennoch sein gnädiges Versprechen erfüllen und allen Menschen Heil und Rettung anbieten? Der stellvertretende Ziegenbock war eine vorläufige Antwort. Viele Jahre später wurde exakt in diesem Bergland ein anderer Erstgeborener geopfert. Damals erklang keine Stimme aus dem Himmel, die einen Ersatz anbot. Der Sohn Gottes, Jesus Christus, ist der wahre Stellvertreter für Abrahams Sohn. «Gott hat nicht einmal seinen eigenen Sohn verschont, sondern hat ihn für uns alle gegeben. Und wenn Gott uns Christus gab, wird er uns mit ihm dann nicht auch alles andere schenken?» (Römer 8,32).

Wir müssen unsere Götzen, unsere ‘Isaaks’ in unserem Leben opfern, sie loslassen, um nicht von ihnen versklavt zu werden. Um dies zu tun, brauchen wir das tiefe Wissen, dass Gott uns liebt, wertschätzt und sich an uns freut. Wenn wir die Tragweite dieses Opfertodes erahnen, wird es uns möglich werden, diesem Gott mehr zu vertrauen als allem anderen auf Erden. Willkommen daheim!

 

Mögliche Fragen für die Kleingruppen

Bibeltext lesen: 1. Mose 22,1-18

  1. Warum gab Gott Abraham den Befehl, seinen einzigen Sohn zu opfern? Warum könnte dies auch ein Ausdruck von Gottes Gnade sein?
  2. Musstest du auch schon «den Berg besteigen», um einen «Isaak» zu opfern? Was war dieser Isaak bei dir?
  3. Was drängt in deinem Leben immer wieder in den Mittelpunkt (Arbeit, Gesundheit, bestimmte Menschen), von dem du dir Glück, Erfolg oder Macht erhoffst?
  4. Warum ist es so wichtig, dass Gott unangefochten Mittelpunkt in deinem Leben ist? Was bedeutet dies für die anderen Lebensbereiche?
  5. Wie stellst du dich persönlich zu folgender Aussage: «Gott, ich kann ohne das leben, solange ich nur dich habe!»