Zweiter Advent | Das Kommen des Geliebten
Serie: Folge du mir nach | Bibeltext: Hoheslied 2,8-13
Die Adventszeit ist eine Frühlingszeit für die Kirche. Sie erwartet das Kommen Jesu, wie eine Verliebte Person ihren Geliebten. Sie kann es kaum erwarten, ihn in die Arme zu schliessen. Der Geliebte überwindet jedes Hindernis, um seiner Geliebten nahe zu sein. «Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm!» Dies ist die Einladung Jesu an jeden Einzelnen und an die Kirche. Es ist Zeit ihm nachzufolgen und in den Frühling einzutauchen. Der Frühling ist dabei ein Zeichen der Vorfreude und der Vorbereitung auf den Sommer, der sicher kommen wird. Die Botschaft der Adventszeit ist diejenige der Liebe. Die Liebe Gottes ist unterwegs zu uns und lässt sich nicht aufhalten! Es ist die Einladung, sich von Gott in einen Menschen der Liebe hineinlieben zu lassen.
Heute Morgen befassen wir uns mit einer Textstelle aus dem Lied der Lieder. Dies ist der hebräische Titel für das Hohelied. Die Bedeutung dahinter ist, dass es das schönste aller Lieder ist. Es ist ein Hochgesang auf die Liebe zwischen einem Geliebten und einer Geliebten.
Spötter könnten sagen, dass es sich beim Hohelied um ein «Gottloses Buch» handelt. Denn der Name Gottes wird nicht einmal erwähnt. Doch die Bildsprache des Buches ist gewaltig und sagt viel über Gottes Liebe aus. Das Hohelied ist wohl das Buch, welches die unterschiedlichsten Deutungen hervorbringt. Diese reichen von einem weltlichen Liebeslied bis hin dazu, dass praktisch jedes Wort geistlich gedeutet wird. Der jüdische Religionsphilosoph Franz Rosenzweig macht eine wunderbare Aussage zum Verständnis des Hoheliedes. «Nicht obwohl, sondern weil das Hohe Lied ein ‚echtes‘, will sagen: ein ‚weltliches‘ Liebeslied war, gerade darum war es ein echtes ‚geistliches‘ Lied der Liebe Gottes zum Menschen. Der Mensch liebt, weil und wie Gott liebt. Seine menschliche Seele ist die von Gott erweckte und geliebte Seele» (Franz Rosenzweig). Für die heutige Predigt beschränke ich mich primär auf drei Deutungen. Erstens als ein Lied über zwei Verliebte. Zweitens als ein Bild für Jesus und seine Gemeinde. Drittens als ein Bild für Jesus und den einzelnen Nachfolger. Ich nehme an, dass gerade auch deshalb das Hohelied in der Adventszeit gepredigt wird. Die Geliebte (Gemeinde/Kirche) wartet auf ihren Liebhaber (Jesus).
Liebe überwindet jedes Hindernis
Der heutige Predigttext beginnt folgendermassen: «Da, ich höre ihn – meinen Geliebten! Da kommt er, er springt über die Berge und hüpft über die Hügel» (Hoheslied 2,8 NLB). Kannst du dich daran zurückerinnern, als du das letzte Mal verliebt warst? Wenn du Hals über Kopf verliebt bist, dann ist dir kein Hindernis zu gross. Du fühlst dich magisch zu einer Person hingezogen. In diesem Zustand des Verliebtseins macht man alles, um der Geliebten oder dem Geliebten nahe zu sein. Der Geliebte im Hohelied ist so verliebt, dass er jedes Hindernis überwindet. Der Geliebte ist ein Bild für Jesus Christus. Nachfolger von Jesus glauben, dass er jedes Hindernis überwunden hat. Nachfolger von Jesus glauben, dass kein Hindernis zu gross ist für ihn. Nachfolger von Jesus glauben, dass er wiederkommt, für alle gut hörbar. Die Geliebte im Hohelied wartet sehnsüchtig auf den Moment, bis der Geliebte endlich kommt. Dieser kommt mit einer grossen Leichtigkeit. «Mein Geliebter ist wie eine Gazelle, wie ein junger Hirsch. […]» (Hoheslied 2,9 NLB). Die Gazelle oder der junge Hirsch sind ein Bild für Agilität, Beweglichkeit und Ausdauer. Ein Verliebter überwindet nicht nur alle Hürden, sondern legt auch einiges an Ausdauer an den Tag.
Um in der Bildsprache des Hoheliedes zu bleiben. Für Jesusnachfolger ist er ihr «geliebter Jesus Christus». Doch wie zeigt sich denn diese Liebe zu uns? Jesus Christus hat uns von jeher geliebt aus reiner Gnade (Jeremia 31,3) und überwindet daher jeden Hügel und jedes Hindernis. Er will uns mit seiner Leichtigkeit Ruhe schenken (Matthäus 11,28).
Steh auf und komm!
Es gibt einen Unterschied zwischen dem Warten und dem Ankommen. Ein Sprichwort sagt so schön «Vorfreude ist die schönste Freude». Doch die Vorfreude ist auch immer gepackt mit Unsicherheit. Wenn ich mit Vorfreude auf die Person warte, in die ich verliebt bin, dann verursacht dies ein «Chribbeln im Bauch». Doch was macht es mit der Geliebten im Hohelied, wenn der Liebhaber plötzlich da ist? «[…]. Sieh, da steht er schon hinter unserer Mauer! Jetzt schaut er durchs Fenster herein, blickt durch die Gitter» (Hoheslied 2,9 NLB). Er steht vor der Tür! Diese Sicht auf den Geliebten wie durch ein Gitter hindurch, ist ein Bild für die Situation Israels zu Zeiten des Alten Testaments. Sie warteten, «plangten» auf Jesus. Sie konnten gewisse Dinge schon sehen. Aber nicht das ganze Bild. Aber nun ist der Geliebte da! «Mein Geliebter sagt zu mir: ‘Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm!’» (Hoheslied 2,10 NLB).
Wir Leben nach dem ersten Kommen Jesu auf dieser Welt. Wir müssen ihn nicht wie durch Gitter hindurchsehen. Sondern wir können in eine Liebes-Beziehung zu ihm treten. Denn das entscheidende ist die Liebe. Ist für dich Jesus dein Geliebter? Ich kann dir sagen, Jesus wünscht sich, dass du sein Geliebter/seine Geliebte sein willst! So wie der einzelne Jesusnachfolger, so ist die Gemeinde die Braut/die Geliebte von Jesus und er bezeichnet sie als «meine Schöne». Meine Frau und ich besuchten eine Ehevorbereitung. Dabei wurde uns eingebläut, dass es in einer Liebesbeziehung ungesund ist, mein Glück von meinem gegenüber abhängig zu machen. Meine Frau ist nicht für mein Glück verantwortlich! Doch in der Jesusbeziehung ist dies anders. Ich setze mein ganzes Vertrauen in ihn und erwarte von ihm, dass er sich für mein Glück verantwortlich zeichnet. Was verstehe ich unter Glück: ein Zustand des Wohlbefindens, der Freude und Zufriedenheit, es ist die Erfüllung meines innersten Wunsches, dem Angenommensein.
«Steh auf und komm». Als ich mich für meine Frau entschieden habe, habe ich mich gegen alle anderen Frauen auf dieser Welt entschieden! Das Aufstehen und Weg gehen mit Jesus Christus beinhaltet immer auch das Loslassen von einem alten Weg. Wenn die Kirche oder ein Einzelner diesem Ruf «[…] Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm!» (Hoheslied 2,10 NLB) antwortet, dann ist es auch ein Entscheid gegen etwas. Steh auf und komm ist die Einladung an alle Menschen – ganz besonders auch in der Adventszeit. So wie auch die Einladung an Jesus, an welchem sich unser Jahresthema orientiert: «[…] Folge du mir nach» (Johannes 21,22 NLB).
Der Winter ist vorbei!
Der Ausspruch «Steh auf, meine Freundin, meine Schöne und komm» erscheint in Hoheslied 2,8-13 insgesamt zweimal. Er bildet eine Klammer um eine Aussage. Nämlich, dass das Aufstehen damit zu tun hat, dass der Frühling gekommen ist. «Denn der Winter ist vorüber, die Regenzeit ist vorbei und vergangen. Die Blumen beginnen zu blühen, die Zeit des Singens ist gekommen: Überall in unserem Land hört man die Turteltaube gurren. Die Feigenbäume tragen Knospen, die Reben stehen in Blüte und verströmen ihren Duft. Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm![…]» (Hoheslied 2,11-13 NLB). Der Winter ist vorbei, der Frühling ist da! Der Frühling im Gegensatz zum Winter versprüht Aufbruch, Neuanfang, Leichtigkeit, Vorfreude und Verliebtheit. Es mag unglaublich klingen, aber die Adventszeit ist eigentlich eine Frühlingszeit. Die Kirche ist im Status zwischen «Jesus war schon mal da» und «Jesus wird wiederkommen». Es ist der Zustand des Jetzt und noch nicht. Verspürst du beim Gedanken an die Adventszeit ein «Chribbeln»? Nicht auf die Weihnachtsgeschenke, sondern auf das Kommen deines Geliebten – Jesus Christus?
Der Frühling hat eine ganz bestimmte Aufgabe. Er ist ein Vorgeschmack auf das, was noch kommt. Der Frühling schafft Vorfreude auf mehr. Denn der Sommer ist noch viel besser als der Frühling. Der Frühling ist die Vorbereitung für die Ernte im Sommer. Es wird gesägt, vorbereitet und bereit gemacht. Im Frühling bereitet man sich auf den kommenden Sommer vor. Der Sommer im Hohelied ist die Hochzeit der beiden Liebhaber. Was kommt denn am Schluss? Es ist die Hochzeit Jesu mit seiner Geliebten. Oder wie es die Offenbarung ausdrückt «Lasst uns fröhlich sein und jubeln und ihn ehren. Denn die Zeit für das Hochzeitsmahl des Lammes ist gekommen, und seine Braut hat sich vorbereitet. Sie darf sich in strahlend weisses Leinen kleiden. Denn das strahlende Leinen steht für die guten Taten der Menschen, die zu Gott gehören» (Offenbarung 19,7-8 NLB). In der Zeit des Frühlings, bereitet sich die Gemeinde auf das Kommen ihres Bräutigams, Jesus Christus, vor.
Aus der Aufzählung der Natur möchte ich besonders auf den Feigenbaum eingehen. Bei Jesus begegnet uns der Feigenbaum auf unterschiedlicher Art. Einerseits sind die Feigen für ihn ein Zeichen, dass der Sommer kommt (Matthäus 24,32). Es ist ein Zeichen der Zeit, dass Jesus wiederkommt. Mehr dazu findest du in der Predigt vom letzten Sonntag. Andererseits wird das Fehlen von Feigen als Zeichen der fehlenden Früchte Israels angesehen (Matthäus 21,18-22 & Lukas 13,6-9) und der Feigenbaum, resp. Israel dafür verurteilt. Beide Deutungsstränge liegen auch hier nahe. Es ist offensichtlich, der Sommer ist nahe. Im Frühling spriesst und blüht alles. Versteckt darin ist die Aussage, dass ein Frühling, welcher keine Früchte hervorbringt, eigentlich Winter ist. Der Frühling zeichnet sich dadurch aus, dass er im Sommer endet.
Wo stehst du in deiner Jesusnachfolge und wir als Gesamtkirche? Es kann auch in deinem Herzen Frühling werden! Ein Frühling mit einem «Chribbeln» auf das Kommen von Jesus Christus. Das tolle ist, Jesus als der Geliebte, möchte mich zu einem Menschen der Liebe hin lieben. Es gibt ein Sprichwort, welches besagt «Liebe macht blind», dies mag stimmen. Doch Liebe vermag vielmehr auch vieles zu verändern. Sie vermag mich in eine Frühlingszeit, eine Zeit des Aufbruchs und der Veränderung zu bringen. Gottes Liebe verändert mich in einen Frühling. Mein Leben soll voller blühenden Blumen, Freudengesang, Knospen und Blüten sein, welche anfangen Früchte zu tragen. Doch nicht aus mir heraus, sondern Jesus möchte mich zu diesem Menschen hin lieben. Die Botschaft des Hohelieds und der Adventszeit ist diejenige: Die Liebe Gottes zu uns Menschen lässt sich nicht aufhalten. «Grosse Wassermassen können die Liebe nicht auslöschen, Ströme sie nicht überfluten. Und wenn einer seinen ganzen Besitz hergäbe, um sich die Liebe zu erkaufen, so würde man nur über ihn spotten. […]» (Hoheslied 8,7 NLB). Jesus Christus, ist auf dem Weg zu uns. Wie ist deine Antwort? Bist du bereit dich zu einem Menschen lieben zu lassen, der aus dieser Liebe lebt? Wie lässt du dies an dir geschehen? In dem du der Einladung Jesu folgst bei ihm zu sein!
Mögliche Fragen für die Kleingruppe
Bibeltext lesen: Hoheslied 2,8-13
- «Steh auf und Komm». Dies ist die liebevolle Einladung des Liebhabers an seine Geliebte. Bist du bereit dieser Einladung zu folgen?
- Die Geliebte wird als «meine Schöne» bezeichnet. Wenn die Geliebte als Bild für die Gemeinde/Kirche verstanden wird, wo siehst du diese Schönheit?
- Wenn die beiden Geliebten zusammen sind, dann ist der Frühling angebrochen. Erlebst du ein Frühlingsgefühl, wenn du Zeit mit Jesus verbringst?
- Jesus möchte uns zu dem Menschen hin lieben, der aus dieser Liebe heraus lebt. Bist du bereit, dies an dir geschehen zu lassen? Dies geschieht, indem ich mit Jesus zusammen bin. Wie kann ich dies im Alltag einüben?