Staat | Salz und Licht im säkularen Staat
Serie: EIFACH muetig – mit Jesus als Vorbild | Bibeltext: Römer 13,1-7 & Johannes 4,7&19
Als Jesusnachfolger bin ich in dieser Welt, aber versuche mich nach Gottes Massstäben auszurichten. Soweit möglich ordne ich mich freiwillig in das staatliche Gefüge ein und bete für die Regierung. Jesusnachfolger sind das Salz und Licht der Welt, daher ist es ein Anliegen die Kultur zu prägen – doch wie soll dies geschehen? Welcher Weg ist der Richtige? Das entscheidende Merkmal und Kriterium ist die Liebe zu Gott, zu den Mit-Jesusnachfolgern und zu den Mitmenschen.
Der Staat und ich
Jesusnachfolger sind in einer besonderen Situation. Einerseits sind sie in dieser Welt und ein Teil davon. Andererseits versuchen sie sich nach Gottes Massstäben auszurichten. In der Textlesung haben wir Römer 13,1-7 gehört. Dieser Text bietet uns einige Grundlagen, wie sich Jesusnachfolger zu verhalten haben. Das Erste, was sich sagen lässt, ist, dass es sich um ein freiwilliges, willentliches Einordnen handelt. Mich sollte niemand dazu zwingen müssen! Es geht dem Verfasser dieses Briefes, Paulus, nicht um einen blinden Gehorsam. Er selbst zog die Regierung zur Rechenschaft, wenn sie gegen ihn im Unrecht war (Apostelgeschichte 16). Auch die Geschichte des Volkes Israels ist eine Geschichte mit Aufs und vor allem vielen Abs. Diese war Paulus sehr wohl bekannt. Das Volk wurde in die Verbannung geführt nach Babylon. Auch dort in der Fremde, sollte sich das Volk für das Wohl dieser Stadt einsetzen. «Setzt euch ein für den Frieden und das Wohlergehen Babels, wohin ich euch als Verbannte geschickt habe. Betet für das Wohlergehen der Stadt – denn wenn die Stadt, in der ihr gefangen gehalten werdet, Frieden hat, habt ihr auch Frieden» (Jeremia 29,7 NLB). Hier steht im Urtext nur Stadt, wobei aber im Kontext klar wird, dass es sich um Babylon handelt, welches im hebräischen Babel heisst. Babel/Babylon ist denn auch ein Bild für das Machtzentrum, welches sich gegen Gott aufstellt. Im Gegensatz dazu das himmlische Jerusalem als Stadt Gottes (Hebräer 12,22). Doch auch hier in der Gegenwart des Gegenpools Gottes, sind die Israeliten aufgefordert für diese Stadt und insbesondere ihr Wohlergeben zu beten.
Der Römerbrief sagt auch etwas zu den Steuern. Weshalb soll ich denn Steuern zahlen? Auch unter uns löst dieses Thema unterschiedlichste Reaktionen aus. Ich habe einen Kollegen, welcher sich selbst als Anarchokapitalist bezeichnet. So wie dies auch der argentinische Präsident Javier Milei ist. Diese sehen den Staat als Feind. So bezeichnet mein Kollege denn auch Steuern als Raub. Doch wie sollen sich Jesusnachfolger verhalten? Paulus spricht positiv davon. Wer Steuern bezahlt, hilft mit, dass die Regierung die Ordnung aufrechterhalten kann. Er spricht aber auch einen damals aktuellen Umstand an. Die Menschen in Rom mussten keine Grund- & Kopfsteuer bezahlen. Daher war der Umzug nach Rom auch eine Möglichkeit vor den Steuern zu fliehen. Um dem entgegenzuwirken, gab es das System der «idia». Dieses bezeichnete den fiskalischen und legalen Wohnort einer Person. Um 49. n.Chr. wurden die Juden aus Rom vertrieben. Nach 54 n.Chr. kamen sie wieder zurück. Waren aber immer noch verpflichtet dort die Steuern zu bezahlen, wo sie während der Zählung von 54/55 n.Chr. gewohnt hatten. Es geht Paulus hier also drum, dass sie nicht betrügen. Jesusnachfolger, sollen Steuern bezahlen, weil sie Steuern schuldig sind. Auch Jesus selbst wurde mit der Frage konfrontiert, ob es richtig ist, dem Kaiser Steuern zu bezahlen. Dadurch wurde auch immer der Kaiserkult mitfinanziert, welcher im Kontrast zu den jüdischen und biblischen Werten stand. «’Zeigt mir eine römische Münze, mit der die Steuern zu bezahlen sind.’ Als sie ihm die Münze reichten, fragte er sie: ‘Wessen Bild und Titel sind hier eingeprägt?’ ‘Das Bild und der Titel des Kaisers’, antworteten sie. ‘Nun’, sagte er, ‘dann gebt dem Kaiser, was ihm gehört. Und gebt Gott, was Gott gehört.’» (Matthäus 22, 19-21 NLB). Was sind wir den Gott schuldig? Unsere Anbetung (Römer 12,1).
Doch gibt es denn auch Grenzen des Gehorsams in der Jesusnachfolge? Hier kommen sicher einige Beispiele in den Sinn. Besonders häufig wird auf folgenden Vers verwiesen: «[…] Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen» (Apostelgeschichte 5,29 NLB). Ich hörte den Verweis darauf besonders während der Corona Pandemie als Begründung sich nicht an Massnahmen halten zu müssen. Allerdings würde ich behaupten, dass ein aktiver Gebrauch in unseren Breitengraden eher eine Randerscheinung ist. Häufig ist eher das Problem, dass wir zu angepasst sind und mit dem Zeit- und Kulturgeist einfach mitgehen. Bspw. in Freizeit, Ethik, Handygebrauch, Ruhetag und Konsum. Häufig liegt das Problem der falschen Anwendung dieses Verses in einem falschen Verständnis von Verfolgung. Nicht alles, was ich als Jesusnachfolger erleide, ist Verfolgung! Es gibt einen wichtigen Unterschied: Es gibt Leiden und Verfolgung. Dies lehrte mich ein weiser Mann, welcher in einem Land in Südostasien lebt, in der eine akute Christenverfolgung herrscht. Der Unterschied ist: Von der Verfolgung kann ich mich jederzeit abwenden. Nicht aber von persönlichem Leid.
Wenn wir einen Blick auf die ersten Jesusnachfolger werfen, dann sehen wir, dass sie aufgrund ihres Glaubens verfolgt wurden, Gott aber treu blieben. Dies hatte eine grosse Ausstrahlungskraft und Wirkung. Es gibt unzählige Beispiele aus der Kirchengeschichte. Im römischen Reich identifizierten sich die Bischöfe von Rom so sehr mit den Armen und Schwachen, dass sie schlussendlich zum Sprachrohr in der Allgemeinheit wurden – obwohl sie damals einer Minderheit angehörten. Auch an anderen Orten pflegten Jesusnachfolger Kranke. Oftmals sogar unter dem Einsatz des eigenen Lebens. Sie kümmerten sich um diese Leute, gerade dann, wenn sich ihre Angehörigen schon längst aus Angst vor einer Ansteckung aus dem Staub machten. Jesusnachfolger kümmerten sich um die Bedürftigen. Im römischen Reich durfte ein Kind bis es zehn Tage alt war auf der Strasse ausgesetzt und so dem Tode übergeben werden. Diese Babys wurden aufgenommen und grossgezogen. Die Obrigkeit hatte aber ihre grosse Mühe mit der neuen Religion – da die Jesusnachfolger nur einen Gott akzeptierten. Dies sahen sie als eine Auflehnung gegenüber dem römischen Staat, da der Polytheismus als staatstragend angesehen wurde. Daher wurden die Jesusnachfolger immer wieder erbittert verfolgt. Doch viele bekannten sich zu Jesus und weigerten sich auch anderen Göttern zu opfern. Dies führte schlussendlich Tausende in den Tod. Ihre Hoffnung dabei waren Worte Jesus wie: «Wer sich hier auf der Erde öffentlich zu mir bekennt, den werde ich auch vor meinem Vater im Himmel bekennen» (Matthäus 10,32 NLB).
Jesusnachfolge und Kultur
Der Staat repräsentiert in gewissem Masse auch immer die Kultur, resp. ist geprägt von dieser. Die aktuelle Kultur im Westen ist gut umschrieben mit folgenden Jesusworten: «Die Gesetzlosigkeit wird immer mehr überhandnehmen und die Liebe wird bei vielen erkalten» (Matthäus 24,12 NLB). Unsere Kultur will immer weniger wissen von christlichen Werten und stellt diese zunehmend in Frage. Ich möchte nochmals auf die Kernaussage der letzten Predigt zurückkommen. Das Problem ist nicht der Staat, der seine Aufgabe nicht erfüllt, sondern Jesusnachfolger, welche ihre Aufgabe in und an der Welt nicht mehr wahrnehmen. «Ihr seid das Salz der Erde. Doch wozu ist Salz noch gut, wenn es seinen Geschmack verloren hat? Kann man es etwa wieder brauchbar machen? Es wird weggeworfen und zertreten, wie etwas, das nichts wert ist. Ihr seid das Licht der Welt – wie eine Stadt auf einem Berg, die in der Nacht hell erstrahlt, damit alle es sehen können. Niemand versteckt ein Licht unter einem umgestülpten Gefäss. Er stellt es vielmehr auf einen Lampenständer und lässt es für alle leuchten. Genauso lasst eure guten Taten leuchten vor den Menschen, damit alle sie sehen können und euren Vater im Himmel dafür rühmen» (Matthäus 5,13-16 NLB). Das Jesusnachfolger Licht und Salz sein sollen ist klar. Doch es gibt unterschiedliche Verständnisse, wie sich dies in der Kultur zeigt.
Hierbei möchte ich kurz auf vier theologische Modelle eingehen, wie sich Christen und Kultur zueinander verhalten können. Diese sind geprägt von Timothy Kellers Buch «Center Church». Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Religion immer in irgendein Verhältnis zur Kultur tritt. Dabei ist die Gefahr für einige einerseits in Bequemlichkeit zu verfallen und für einige andererseits Zwang auszuüben. Wichtig ist auch, dass Jesusnachfolger nicht nur von der Kultur beeinflusst werden, sondern sie die Kultur auch selbst verändern.
Das erste Modell ist das Transformationsmodell. Jesusnachfolger üben darin ihren Beruf aus einer christlichen Weltanschauung heraus aus und verändern so die Kultur. Diese Sicht vermittelt ein starkes Bewusstsein für die Auswirkungen des Sündenfalls (Trennung des Menschen von Gott) auf die menschliche Kultur. Daher liegt der Schwerpunkt darauf, in allen Lebensbereichen auf eine spezifisch christliche Weise zu denken und zu leben. Das Problem dieser Sicht ist, dass man sich leicht selbst überschätzt, zu überheblich ist und selbstgerecht auftritt, d.h. überzeugt ist immer richtig zu handeln.
Das Relevanzmodell sieht den Geist Gottes in der Kultur am Wirken, um sein Reich auszuweiten. Die Kultur ist die Verbündete Gottes. So kann sich die Kirche an Realitäten anpassen und dem anschliessen, was Gott anscheinend in der Welt tut. Diese Sicht ist inspiriert durch den zukünftigen Schalom (Frieden) und die Wiederherstellung aller Dinge. Der Schwerpunkt liegt auf der Kirche, die für andere da ist und sich für das Gemeinwohl einsetzt. Das Problem hierbei ist, dass eine zu starke Anpassung an die Kultur zu Irrelevanz führt und solche Kirchen schlussendlich von der Kultur abgehängt werden.
Das Modell der Gegenkultur sieht das Reich Gottes als Opposition zum Reich dieser Welt und sieht den Moment, als das Christentum Staatsreligion wurde als kritisch an. Diese Sicht lenkt den Blick auf Gottes heilsgeschichtliche Strategie, sich ein auserwähltes Volk zu schaffen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Kirche als neue Gemeinschaft und Zeichen für das kommende Reich Gottes. Das Problem hierbei ist, dass gesellschaftliche Veränderungen zu kritisch gesehen werden. Und die Geschäftswelt, Regierungen und Kapitalmärkte zu fest kritisiert und dämonisiert werden.
Das letzte Modell ist die Zwei-Reiche-Lehre. Dabei wird Gottes Herrschaft im weltlichen und geistlichen Reich unterschieden. Es ist nicht die Aufgabe die Gesellschaft zu verändern, sondern Kirche zu sein! Der Staat ist die von Gott gewollte Ordnung in der Welt. Diese Sicht vermittelt Freude an Gottes guter Schöpfung und würdigt die Arbeit in säkularen Berufen und den Wert echter, sichtbarer Qualitätsarbeit. Hierhinein lässt sich auch die Bezeichnung Beruf als Berufung in dieser Welt verorten. Das Problem hierbei ist, dass die allgemeine Gnade wichtiger ist als das biblische Zeugnis davon. Gottes Offenbarung in der Welt wird gelöst von der biblischen Lehre.
Die Herausforderung ist, dass jedes Modell in der Kerndiagnose richtig liegt, aber unvollständig ist. Was sollen wir nun tun? Den Mittelweg suchen? Von allem das Beste nehmen? Die Schwierigkeit ist, dass wir alle unterschiedlich geprägt sind. Daher gilt es einander in der Unterschiedlichkeit anzunehmen und das Gute zu übernehmen. Dabei ist wichtig vier Dinge zu vermeiden: Arroganz, Schuldzuweisungen, Frustration und Naivität.
Ich und der Staat
Wie verhalte ich mich nun «richtig». Ich möchte nochmals kurz einen Blick auf die ersten Jesusnachfolger werfen. Diese veränderten die Welt durch ihr Zeugnis. Allerdings haben wir nicht mehr die gleichen Voraussetzungen wie damals. Timothy Keller spricht von vier Jahreszeiten einer Kirche. Der Winter ist die vorchristliche Kultur, welche den Jesusnachfolgern feindlich gegenübersteht. Im Frühling wird die Kirche von der vorchristlichen Kultur bekämpft, aber sie wächst. Im Sommer ist die Kirche in der Öffentlichkeit hoch angesehen und Jesusnachfolger fühlen sich in der Kultur zu Hause. Es gibt einen grossen Konsens, wie menschlies Wohl aussieht. Im Herbst der Kirche, wird dem Glauben die Relevanz für das Leben zunehmend abgesprochen. Im Westen befinden wir uns im Herbst der Kirche. Daher sieht die Art und Weise hier anders aus als im Frühling.
Um die Kultur zu beurteilen, gibt es ein gutes Tool aus der Missionswissenschaft. Es handelt sich um das Beyerhaussche Tripolare Schema. Anhand dessen lässt sich jede Kultur in drei Sphären einteilen und so zeigt sich, wo es als Jesusnachfolger dran ist einen Unterschied zu machen. Jede Kultur hat eine göttliche Sphäre, d.h. Dinge, welche dem Willen Gottes entsprechen. Diese sollen bejaht werden. Weiter hat jede Kultur einen neutralen Bereich, welcher weder gut noch schlecht ist. Diese Dinge können einfach mitgemacht werden. Drittens hat aber auch jede Kultur einen dämonischen Pol. Dies sind Dinge, welche dem Willen Gottes widersprechen. Hier könnte bspw. angefangen werden Licht und Salz zu sein in meinem Umfeld.
Die Liebe ist das entscheidende Merkmal des Salzes und Lichts seins! Der ganze Abschnitt von 1. Johannes 4,7-21 geht um die Liebe. Ich möchte zum Schluss kurz auf zwei Verse eingehen: «Liebe Freunde, lasst uns einander lieben, denn die Liebe kommt von Gott. Wer liebt, ist von Gott geboren und kennt Gott. Wir wollen lieben, weil er uns zuerst geliebt hat» (1. Johannes 4,7 & 19 NLB). Die Liebe zu Gott, der christlichen Gemeinschaft und zu Menschen ist der Schlüssel zur Kultur. Es fängt mit der Liebe Gottes zu mir an und strömt von da an zu mir und in mein Umfeld hinein!
Mögliche Fragen für die Kleingruppe
Bibeltext lesen: Römer 13,1-7 & 1. Johannes 4,7-21
- Wie sieht dein Verhältnis zum Staat aus? Zahlst du gerne Steuern?
- Ein wichtiger Bestandteil eines Bürgers zu sein ist, für das Wohlergehen dessen zu beten. Betet daher gemeinsam für die Regierung.
- Als Nachfolger von Jesus sind wir nicht zu blindem Gehorsam gegenüber dem Staat aufgefordert. Wo gibt es Grenzen des Gehorsams? Inwiefern hilft die Unterscheidung von Leiden und Verfolgung dabei?
- In der Predigt wurden die vier theologischen Modelle zum Thema Christ und Kultur kurz skizziert. Welches liegt dir am nächsten? Was könntest du von einem anderen Modell lernen?
- Wie beurteilst du unsere westliche, schweizerische Kultur anhand des tripolaren Schemas von Beyerhaus? Was sind göttliche, neutrale und dämonische Bereiche? Wie kannst du mit deiner Jesusnachfolge Salz und Licht im dämonischen Bereich sein?