Hoffen – und Wunder erleben

Datum: 30. Oktober 2022 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: Hebräer 11,8-19

Abraham wird uns in der Bibel als grosses Vorbild in Sachen Glauben vorgestellt. Und es stimmt, er tat aus dem Vertrauen auf Gott heraus wirklich erstaunliche Dinge. Der Brief an die Hebräer verrät sein Geheimnis. Abraham vertraute auf eine zukünftige von Gott erbaute Stadt, er vertraute darauf, dass der Tod nicht das Ende ist und dass dereinst alle Verheissungen erfüllt werden. Diese Sicht von zukünftigen Dingen liess ihn in der Gegenwart kühn und vertrauensvoll handeln.


Hoffnung ist die Fähigkeit, die Musik der Zukunft zu hören. Glaube ist der Mut, in der Gegenwart danach zu tanzen. Jede lebendige Hoffnung gestaltet die Gegenwart. Anfang 1990 neigte sich meine Studienzeit am Neu Technikum in Buchs dem Ende zu. Ich lebte mit der Hoffnung, dass ich ab dem Sommer eine Ingenieurstelle mit fettem Lohn haben werde. Diese Hoffnung führte dazu, dass ich mir ein teures Rennrad mit Triathlonlenker kaufte, obwohl ich gar kein Geld hatte. Die Aussicht, in der Zukunft ‘Grossverdiener’ zu sein, gestaltete die Gegenwart. Ich war bereit, mutige Schritte zu tun.

Abraham, der Vater der drei grossen monotheistischen Weltreligionen, wird uns in der Bibel als Vorbild für einen Mann des Glaubens präsentiert. Dies war er allein deshalb, weil er die ausserordentliche Fähigkeit besass, durch den Horizont zu schauen.

Nach der Musik der Zukunft tanzen

Christen wird hin und wieder eine billige Jenseitsvertröstung unterstellt. Eine solche zeigt sich darin, dass ein Mensch weltabgewandt und weltverneinend lebt. Er fühlt sich genötigt, die Zeit auf dieser Welt abzusitzen, um nachher endlich bei Gott zu sein. Echte Hoffnung ist anders; sie treibt uns zu Höchstleistungen in dieser Welt an und sieht die Erdenzeit als Tanzbühne. Hoffnung ist die Fähigkeit, die Musik der Zukunft zu hören. Glaube ist der Mut, in der Gegenwart danach zu tanzen. In der heutigen Zeit ist die Jenseitsvertröstung eher selten. Die grössere Gefahr ist die Perspektive auf die neue Welt aus den Augen zu verlieren. Jesus wird dann zum Coach, der uns helfen muss, das jetzige Leben gut zu meistern.

Abrahams Tanz auf dieser Welt hat folgende Ausprägung:

Aufbruch zu neuen Ufern: «Durch den Glauben gehorchte Abraham, als Gott ihn aufforderte, seine Heimat zu verlassen und in ein anderes Land zu ziehen, das Gott ihm als Erbe geben würde. Er ging, ohne zu wissen, wohin ihn sein Weg führen würde» (Hebräer 11,8 NLB).

Ohne einen Businessplan oder einen Garantieschein in der Tasche zu haben, verliess Abraham mit Familie und ganzem Besitz seine Heimat. Man könnte ihm Naivität und Leichtfertigkeit unterstellen. Da jedoch Gott der Initiator ist, behalten wir diese Gedanken für uns. Auf uns übertragen könnte es bedeuten, dass wir eine Arbeitsstelle ohne Anschlusslösung kündigen, weil Gott uns dazu auffordert. Oder dass wir einem Eindruck folgend uns zum Nachbarhaus aufmachen, um sie mit einer Aufmerksamkeit zu beschenken. Für mich persönlich bedeutete es vor vielen Jahren ebenfalls einen Aufbruch aus der Heimat, mit zitternden Knien und der Ungewissheit, ob Gott mich rechtzeitig mit dem beschenkt, was ein Pastor in seinem Berufsfeld braucht.

Unabhängig und frei von Besitz und Status: «Und selbst als er das Land erreichte, das Gott ihm versprochen hatte, lebte er dort aus der Kraft des Glaubens – denn er war in dem Land wie ein Fremder, der in einem Zelt wohnte [...]» (V.9 NLB).

Abraham wurde im Land Kanaan nicht sesshaft, sondern lebte in einem Zelt. Er blieb für Gott verfügbar, weil er sich nicht an Land und Besitz band. Wir manövrieren uns gerne in Situationen, in denen wir wegen unseren finanziellen oder ideellen Verpflichtungen kaum mehr bewegen können. Wohnst du unabhängig von weltlichem Besitz in einem Zelt oder hast du dich sesshaft gemacht?

Wunder erleben: «Durch den Glauben konnte Sara mit Abraham ein Kind bekommen, obwohl beide zu alt waren und obwohl Sara unfruchtbar war. Denn er glaubte, dass Gott sein Versprechen halten würde» (V.11 NLB).

Es sprach nichts dafür, dass die beiden Greise noch ein Kind bekommen würde. Sara trug den Stempel «unfruchtbar» und beide waren in ihrem Alter weit jenseits der Empfängnisfähigkeit. Das Einzige, was sie an der Hoffnung festzuhalten liess, war die Verheissung Gottes. Manchmal geraten wir auch in Situation, in denen rationell gesehen nichts für eine positive Wende spricht; z.B. in einer Krankheit, in einer schwierigen Beziehung. Wider alle ärztlichen Prognosen und Erfahrungen dürfen wir an der Verheissung festhalten, dass Jesus alle Krankheiten für uns getragen hat.

Bereit, Liebgewonnenes loszulassen: «Durch den Glauben war Abraham bereit, Isaak als Opfer darzubringen, als Gott ihn auf die Probe stellte. Abraham, der Gottes Zusagen empfangen hatte, war bereit, seinen einzigen Sohn Isaak zu opfern, obwohl Gott ihm versprochen hatte: ‘Nur die Nachkommen Isaaks sollen als deine Nachkommen bezeichnet werden.’» (V.17f NLB).

Wenn man bedenkt, dass Gott selbst bereit war, seinen einzigen Sohn zu opfern, könnte man diesen Glaubensakt von Abraham als ‘göttlich’ bezeichnen. Das Opfern von Kindern war im kulturellen Kontext von Abraham nicht aussergewöhnlich. Doch die Tatsache, dass Abraham 25 Jahre nach Gottes Versprechen einen Sohn bekam, macht die Geschichte so speziell. Abraham war bereit, seinen Sohn loszulassen. Das Loslassen ist eine Erfahrung, die wir Menschen immer wieder machen müssen. Wir werden herausgefordert, Kinder, Eigenständigkeit, Fähigkeiten, Gesundheit, etc. loszulassen. Kürzlich erzählte mir eine Frau einige Jahre nach dem Umzug ins Altersheim, dass sie nun mit ihrem Haus abgeschlossen habe. Sie strahlte dabei.

Die Musik der Zukunft hören

Zu neuen Ufern aufbrechen, unabhängig und frei von Besitz und Status leben, Wunder erleben, Liebgewonnenes loslassen können – Abraham hatte in der Tat ein gutes und abenteuerliches Leben! Willst du das auch? Ulrich Zwingli sprach den berühmten Satz: «Tut um Gottes Willen etwas Tapferes!» Warum konnte Abraham ein so erstaunliches Leben führen? Antwort: Weil er die Musik der Zukunft hörte!

«Abraham konnte so handeln, weil er auf eine Stadt mit festem Fundament wartete, deren Bauherr und Schöpfer Gott selbst ist» (V.10 NLB). Abraham sah schon vor 4000 Jahren die Stadt Gottes, das himmlische Jerusalem vor seinen inneren Augen. Dies – und nur dies – war der Grund für seine Unabhängigkeit und Freiheit von weltlichem Status und Besitz. Durch diese Freiheit werden wir für Gottes gute Führungen verfügbar.

«All diese Menschen glaubten bis zu ihrem Tod, ohne erhalten zu haben, was Gott ihnen versprochen hatte. Doch sie sahen das, was ihnen zugesagt war, von Weitem und freuten sich darauf, denn sie hatten erkannt und bezeugt, dass sie hier auf der Erde nur Gäste und Fremde waren. Und sie bekannten damit, dass sie auf der Suche waren nach einem Land, das sie ihre Heimat nennen konnten» (V.13f NLB).

Menschen wie Abraham haben auf dieser Erde nicht alles erhalten, was ihnen versprochen wurde. Ein Mensch der Hoffnung rechnet die ewige Herrlichkeit dazu. Der Tod ist nicht das Ende, sondern lediglich eine Zäsur vor dem grossen Finale. Abraham und Co. konnten durch den Horizont sehen. Möchtest du auch grosse Wunder mit Gott erleben? Der Schlüssel ist das Grundgefühl und die Denkweise eines Gastes auf der Erde und das Miteinbeziehen des Lebens nach dem Tod in der Neuschöpfung. Wenn es keine Ewigkeit in der Gegenwart Gottes gäbe, dann gibt es auch keine Gerechtigkeit und viele von Gottes Verheissungen sind nicht mehr als fantastische Ideen.

«Abraham ging davon aus, dass Gott Isaak wieder zum Leben erwecken konnte, wenn er gestorben war. Und in gewisser Weise bekam Abraham seinen Sohn tatsächlich von den Toten zurück» (V.19 NLB). Das ist erstaunlich: Abraham traute Gott alles zu; auch dass er Isaak von den Toten auferwecken kann. Wir haben einen grossen Vorteil: Und zwar wissen wir, dass Jesus leibhaftig von den Toten auferstanden ist. Es besteht kein Zweifel, dass Jesus den Tod besiegt hat. Fast schon spöttisch schreibt Paulus: «Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?» (1Korinther 15,55 NLB). Diese Realität können wir in unsere Lebensgestaltung miteinbeziehen.

Abraham hatte eine sehr konkrete Zukunftshoffnung bestehend aus Auferstehung, einer Stadt von Gott gebaut und die Erfüllung der kühnsten Träume und Verheissungen. Dies ist der Schlüssel zu einem heldenhaften Leben im Glauben auf dieser Erde.

Sich der Hoffnung nicht schämen

In unserem Bibeltext steht ein interessanter Satz über Gott: «Aber sie suchten nach einem besseren Ort, einer Heimat im Himmel. Deshalb schämt Gott sich nicht, ihr Gott genannt zu werden, denn er hat ihnen eine Stadt im Himmel gebaut» (V.16 NLB). Gott würde sich schämen, als Gott Abrahams zu gelten, wenn Abrahams Hoffnung ins Nichts laufen würden. Gott würde sich auch schämen, dein Gott genannt zu werden, wenn deine Hoffnung nicht erfüllt würden. Er verbindet sich mit deinem Schicksal. Aber Gott hat uns eine Stadt im Himmel gebaut. Weil Er es getan hat, braucht er sich nicht zu schämen, selbst wenn Menschen des Öfteren mit unerfüllten Hoffnungen sterben. Das ist keine billige Jenseitsvertröstung, sondern fundierter Trost aus dem Jenseits.

Stimmt das alles? Auferstehung von den Toten, eine von Gott gebaute Stadt, die Erfüllung aller Verheissungen? Manchmal erscheinen mir diese Dinge zu fantastisch, um wahr zu sein. Ich zweifle und schäme mich meiner Hoffnung. Frederik Büchner hat einen für mich wichtigen Satz gesprochen: «Zweifel sind die Ameisen in den Hosen des Glaubens. Sie halten ihn wach und in Bewegung.» Zweifel können den Glauben genauso in Schwung bringen, wie Bedrängnis die Hoffnung. Wenn ich Biografien wie die von Abraham lese, stärkt das den Glauben. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass die Hoffnung Abrahams auf die von Gott gebaute Stadt enttäuscht wurde. Gott schämt sich nicht, ihr Gott genannt werden. Gott selbst bürgt sich für die Wahrheit der Bibel. «Deshalb wollen wir weiter an der Hoffnung festhalten, die wir bekennen, denn Gott steht treu zu seinen Zusagen» (Hebräer 10,23 NLB).

Dietrich Bonhoeffer dreht den Spiess um: «Nicht unserer Hoffnungen werden wir uns einstmals zu schämen haben, sondern unserer ärmlichen und ängstlichen Hoffnungslosigkeit, die Gott nichts zutraut.» Und so will ich weiterhin auf die Musik des Himmels hören und versuchen in meinem Leben danach zu tanzen. Ich will die Zukunft antizipieren und heute Glaubensschritte tun, die ich ohne Ewigkeitsperspektive nicht tun würde.

 

Mögliche Fragen für die Kleingruppen

Bibeltext lesen: Hebräer 11,8-19

  1. Es lohnt sich, den Bibeltext miteinander laut zu lesen!
  2. Welche kühnen Glaubenstaten von Abraham kennst du?
  3. Warum konnte er laut Hebräer 11 solch mutige Dinge tun und solche Wunder erleben?
  4. Was ist der Unterschied zwischen einer Jenseitsvertröstung und echter christlicher Hoffnung am Beispiel von Abraham?
  5. Hypothetisch: Was wäre in unserem Alltag anders, wenn wir dieselbe lebendige Hoffnung wie Abraham hätten?
  6. Bist du einverstanden, dass Menschen mit lebendiger Hoffnung mehr Wunder erleben als andere? Warum?