Heiligung – Gottes Herrlichkeit anschauen
Serie: Heilig - Heilig - Heilig | Bibeltext: Johannes 17,20-26; 2. Korinther 3,18
In der Bibel werden wir immer wieder herausgefordert, heilig zu sein. Heilig zu leben bedeutet, ein wahrhaft erfüllendes Leben zu führen. Menschen stehen dann im Prozess der Heiligung, wenn sie immer mehr dem verliehenen Status als «Heiliger» entsprechend leben. Je mehr wir die Herrlichkeit Gottes kontemplativ betrachten, umso mehr sehen wir die gewaltige Liebe und umso mehr werden wir heilig.
Der HERR spricht: «Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig» (3Mose 19,2 LUT). Ist «heilig sein» überhaupt erstrebenswert? Oder ist das altbacken, überholt, nicht kompatibel zu einer modernen Welt? Leider ist das Wort in unserem Sprachgebrauch abgewertet und negativ besetzt. Heilig zu leben, heisst zuallererst: unserem Wesen und unserer Bestimmung entsprechend zu leben. Ich muss nicht heilig sein, um Gott zu gefallen, sondern ich darf ein heiliges Leben finden, um so glücklich zu sein, wie Gott es ist. In seiner Heiligkeit besitzt Gott die höchste, Freude spendende und begeisterndste Qualität des Lebens. Dieses Leben möchte er mit uns teilen und aus diesem Grunde ruft er uns dazu auf, die Freiheit der Heiligkeit zu geniessen. Nathan Söderblom: «Heilige sind Menschen, durch die es andern leichter wird, an Gott zu glauben.»
Durch Berührung
Menschen, die Jesus nachfolgen, werden im Neuen Testament entweder Jünger, Christen oder Heilige genannt. Mit dem Ausdruck «Heilige» will uns die Bibel klarmachen: Wir sind durch die Entscheidung zur Nachfolge und durch den Glauben an Jesus Christus vollkommen anders geworden. Etwas völlig Neues hat begonnen, denn durch die Gnade Gottes sind wir fähig geworden, ein neues, anderes Leben zu führen als bisher. Im berühmten Gebet für seine Jünger sagt Jesus: «Sie gehören genauso wenig zu dieser Welt wie ich» (Johannes 17,16 NLB). Heilig sein bedeutet, in dieser Welt zu sein, ihr aber nicht zu gehören.
Der Aufruf zum Heiligsein bedeutet, immer mehr dem verliehenen Status als «Heiliger» entsprechend zu leben, die vorhandenen PS auf den Boden zu bringen. Insgesamt achtmal finden wir diese Worte als direkten Aufruf in der Heiligen Schrift, fünfmal im Alten Testament und dreimal im Neuen. Einer dieser Aufrufe steht in der Bergpredigt: «Ihr sollt aber vollkommen sein, so wie euer Vater im Himmel vollkommen ist» (Matthäus 5,48 NLB). Für den jüdischen Zuhörer war klar, dass sich Jesus auf die Forderung aus 3. Mose 19,2 nach dem Heiligsein bezieht. In der Bergpredigt setzt Jesus einen sehr hohen Massstab für seine Nachfolger, so dass die Reaktion fast nur lauten kann: Das schaffe ich nie!
Unmittelbar nach dieser Lehreinheit verrät Jesus anhand einer Geschichte das Geheimnis des Heiligwerdens. Zur Zeit Jesus war es durch das Gesetz untersagt, einen Aussätzigen zu berühren. Wer dies tat, wurde selbst als aussätzig angesehen und zumindest für eine Zeit aus der Gemeinschaft der Gesunden ausgeschlossen. Die Aussätzigen mussten damals ausserhalb der Ortsgrenze leben und mit dem Ausruf «Aussätzig, aussätzig» auf sich aufmerksam machen, wenn ich ihnen jemand näherte. Das Reine durfte das Unreine nicht berühren. Als der aussätzige Mann Jesus um Heilung bittet, kippt Jesus kurzerhand die Vorschrift: «Jesus berührte ihn. ‘Ich will es tun’, sagte er. ‘Sei gesund!’ Und im selben Augenblick war der Mann von seiner Krankheit geheilt» (Matthäus 8,3 NLB). Jesus ist das menschliche Angesicht des heiligen Gottes. Durch die Berührung mit Jesus wird ein Mensch heil, integer, vollständig und heilig. Sören Kierkegaard: «Es gilt, Gott so nahe zu kommen wie möglich.»
Durch Liebe
Kurz vor seinem Tod am Kreuz hat Jesus gebetet: «Ich bete nicht nur für diese Jünger, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben werden» (Johannes 17,20 NLB). Jesus betet nicht nur für seine anwesenden Freunde, sondern für alle, die in Zukunft ihr Vertrauen auf Ihn setzen. «Ich bete für sie alle, dass sie eins sind, so wie du und ich eins sind, Vater – damit sie in uns eins sind, so wie du in mir bist und ich in dir bin, und die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast. Ich habe ihnen die Herrlichkeit geschenkt, die du mir gegeben hast, damit sie eins sind, wie wir eins sind – ich in ihnen und du in mir, damit sie alle zur Einheit vollendet werden. Dann wird die Welt wissen, dass du mich gesandt hast, und wird begreifen, dass du sie liebst, wie du mich liebst.» (Johannes 17,21-23 NLB).
Jesus erwähnt in seinem Gebet zwei Schlüssel für die Heiligung: Herrlichkeit und Liebe. Es ist schier unglaublich, aber wahr: Gott liebt alle Nachfolger von Jesus – in Quantität und Qualität – exakt in dem Masse, wie Er seinen einzigen Sohn Jesus geliebt hat! Wenn wir an Jesus Christus glauben, liebt uns Gott nicht so, wie wir es verdient hätten, sondern wie Jesus es verdient.
Martin Lloyd Jones sagte einmal: «Im christlichen Leben gibt es viele Probleme und Schwierigkeiten. Mehr und mehr scheint es mir, dass die meisten davon aus der einfachen Tatsache ergeben, dass wir nicht erkennen, verstehen und schätzen, was die wirkliche Wahrheit über uns Christen ist.» Oder anders ausgedrückt: Wenn wir die Wahrheiten der Bibel wirklich in der Tiefe unserer Herzen begreifen, würde unser ganzes Leben revolutioniert werden. Dass die Liebe Gottes zu uns unendlich, ewig, unfehlbar und unveränderlich ist, ist nicht bloss abstrakte Wahrheit, sondern kann zur lebensverändernden Kraft werden.
John Owen, Dekan der First Church in der Universität Oxford, war der Überzeugung, dass wir uns nicht durch eigene Kraft, durch intensivere Bemühung, durch Willenstraining transformieren können. Niemand wird ehrlich, grosszügig, vergebungsbereit oder mutig allein durch Probieren. Immer, wenn wir etwas tun, weil wir es müssen, ernten wir eine oberflächliche Veränderung, die nicht andauert. Wenn ein Arzt den eifrigen Geschäftsmann ermahnt, aus gesundheitlichen Gründen weniger zu arbeiten, wird das wenig Früchte tragen. Der Mann bleibt ein Workaholic, bis er etwas mehr liebt als Geld, Erfolg und Macht.
Gewisse Leute kommen kaum über Ablehnung oder Betrug hinweg. Immer wieder kommen Scham und Wut hoch. Solange uns unser Ansehen und die menschliche Zustimmung das Wichtigste ist, wird sich das nicht ändern. Es geht nur, wenn wir beginnen, Jesus mehr zu lieben. Wenn wir Jesus mehr lieben als Geld, werden wir grosszügig. Wenn wir Jesus mehr lieben als Macht, beginnen wir zu dienen. Wenn wir Jesus mehr lieben als unseren Ruf, werden wir vergeben können. In Israel herrschte seit Jahren ein Machtkampf zwischen den Politikern Netanjahu und Gantz. Nun, nach dem Terrorangriff, rauften sie sich zusammen, um sich geschlossen dem Feind entgegenzustellen. Es musste etwas geschehen, das grösser als ihre Differenzen war, um eine Einheit zu finden.
Wenn uns Gottes Liebe wirklich berührt, müssen wir uns nicht mehr verändern bzw. heiligen, sondern wollen es, wir wünschen es mit allen Fasern unseres Seins. Dann wird es dauerhaft geschehen.
Durch Anschauen
Mit dem zweiten Schlüsselwort in seinem Gebet zeigt uns Jesus, wie wir diese Liebe empfangen können: «Vater, ich möchte, dass die, die du mir gegeben hast, bei mir sind, damit sie meine Herrlichkeit sehen können […]» (Johannes 17,24 NLB).
Herrlichkeit kommt vom hebr. Wort kabod und umfasst folgendes Bedeutungsspektrum: Gewicht, Stärke, Kraft, Fähigkeit, Ehre, Ruhm, Herrlichkeit, Würde, Pracht. Herrlichkeit ist manifestierte Heiligkeit, die Ausstrahlung und der Geschmack der Heiligkeit. Jesus in seiner Herrlichkeit zu sehen, transformiert uns schlagartig in die vollkommene Neuschöpfung: «Meine lieben Freunde, wir sind schon jetzt die Kinder Gottes, und wie wir sein werden, wenn Christus wiederkommt, das können wir uns nicht einmal vorstellen. Aber wir wissen, dass wir bei seiner Wiederkehr sein werden wie er, denn wir werden ihn sehen, wie er wirklich ist» (1Johannes 3,2 NLB). Dann wird es ein Vollbad in Gottes Herrlichkeit sein. Doch Jesus sagt, dass wir bereits in diesem Leben seine Herrlichkeit sehen können! «Ich habe ihnen die Herrlichkeit geschenkt, die du mir gegeben hast […]» (Johannes 17,22 NLB). Deshalb sagt John Owen: «Das letztendliche Ziel des Menschseins ist, Seine Herrlichkeit zu sehen.»
Wir werden geheiligt, wenn Gottes Liebe uns durch das Anschauen Seiner Herrlichkeit erreicht. Die Herrlichkeit Gottes lässt sich nicht mit unseren natürlichen Augen sehen. Dazu müssen uns die Augen des Herzens geöffnet werden. Es ist ein geistlicher Vorgang in der Kraft des Heiligen Geistes. Deshalb betet Jesus dafür. Paulus tut es ihm gleich. Er betet dafür, dass die Gemeinde in Ephesus die Breite, Länge, Höhe und Tiefe der Liebe Gottes erfassen können (Epheser 3,18). Das ist die Grundlage für Gottes Werk in uns: «Durch die mächtige Kraft, die in uns wirkt, kann Gott unendlich viel mehr tun, als wir je bitten oder auch nur hoffen würden» (Epheser 3,20 NLB).
Selbst das Marketing macht sich die Tatsache zunutze, dass wir das, was wir sehen, schlussendlich auch wollen. Unsere Heiligung, die Veränderung in das Vorbild Jesu Christi, schreitet dann voran, wenn wir Gottes Herrlichkeit betrachten. «Von uns allen wurde der Schleier weggenommen, sodass wir die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel sehen können. Und der Geist des Herrn wirkt in uns, sodass wir ihm immer ähnlicher werden und immer stärker seine Herrlichkeit widerspiegeln» (2Korinther 3,18 NLB).
Ein bekannter New York Pastor erzählte die Geschichte von C.H. Spurgeon, der Gottes Liebe und Herrlichkeit so intensiv erlebte, dass er Gott manchmal bitten musste, Seine Herrlichkeit zurückzunehmen, weil er sie nicht mehr aushielt. Und dann sagte der Pastor: «Und wenn das Spurgeon als Calvinist erleben konnte, dann können wir das alle erleben.» Der Calvinismus gilt als sehr rational und doktrinär.
Je mehr wir die Herrlichkeit Gottes kontemplativ betrachten, umso mehr sehen wir die gewaltige Liebe und umso mehr werden wir verändert. Gerhard Testeegen sagte: «Beten ist, den allgegenwärtigen Gott ansehen und sich von ihm besehen lassen.» Gott ansehen ist keine verschwendete Zeit, sondern das Geheimnis der persönlichen Umgestaltung in sein Bild.
Die grosse Frage lautet: Nehmen wir uns die Zeit, den allgegenwärtigen Gott anzusehen? Ein hilfreiches Angebot ist das Pray23, das nächste Woche in der Lounge des Jugendhauses stattfindet. Wir müssen uns darin üben, über längere Zeit still zu werden und Gottes Herrlichkeit anzuschauen.
Das Gebet von Jesus in Johannes 17 macht eines klar: Der Zugang zu diesen unbezahlbaren Schätzen der Herrlichkeit und Liebe Gottes ist Jesus. Das Versprechen, Seine Herrlichkeit zu sehen, Seine Liebe zu erfahren und Veränderung in das Bild Jesu, gilt jenen, «die an mich glauben» (Johannes 17,20). Glaube meint nicht lediglich etwas für richtighalten, sondern das Gewicht seines Lebens auf Jesus Christus zu setzen. Es ist das Beste, was du tun kannst!
Mögliche Fragen für die Kleingruppe
Bibeltext lesen: Johannes 17,20-26
- Was für Gefühle löst die Aufforderung, heilig zu sein, bei dir aus?
- Was bedeutet es, heilig zu sein? Wie werden wir es?
- Gott liebt Jesu Nachfolger in der gleichen Quantität und Qualität, wie Er Jesus liebt. Was bedeutet das?
- Durch das Anschauen der Herrlichkeit Gottes erfahren wir diese Liebe. Was bedeutet es, Gottes Herrlichkeit zu sehen? Was braucht es dazu? Was geschieht dadurch?
- Betet füreinander um die Kraft des Heiligen Geistes, dass ihr die Breite, Länge, Höhe und Tiefe der Liebe Gottes erfahren könnt!