Furchteinflössende Heiligkeit

Datum: 12. Februar 2023 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: 1. Mose 28,17

Wir können die Begegnungen mit dem heiligen Gott nicht erzwingen. Wenn wir ihm aber begegnen, dann kann dies mitunter furchteinflössend sein. Dennoch müssen wir uns aber vor diesem Gott nicht fürchten. Denn wenn wir diese Furcht richtig benutzen, dann führt sie uns in Gottesfurcht. Diese wiederum führt uns zu einem Gottesdienst in Ehrfurcht, so wie es einem heiligen Gott gebührt.


Vor kurzem hatte ich ein Gespräch mit einer Person über den diesjährigen Teaser zum Jahresthema. Diese Person äusserte sich grundsätzlich positiv über den Teaser, allerdings haben ihr mindestens die beiden vorherigen besser entsprochen. Als ich nach dem Grund fragte, kam diese Antwort. Sie waren weniger furchteinflössend!

Begegnungen mit Gott kann ich nicht erzwingen

Heilig, heilig, heilig - Begegnung mit dem ganz Anderen. Dies ist unser diesjähriges Jahresthema. Wenn etwas heilig ist, dann ist es auch ganz anders. Heute wollen wir gemeinsam in eine Geschichte einsteigen, bei dem eine Gottesbegegnung ein gesamtes Leben auf den Kopf stellte. Es ist eine der ersten Gottesbegegnungen. Wir finden diese im ersten Buch Mose im Kapitel 28. Es ist die Geschichte von Jakob. Jakob lebt in der dritten Generation der Familie, welche sich Gott für seine Geschichte auf dieser Erde ausgesucht hat. Gott hat sich diese Familie nicht ausgesucht, weil sie heilig waren. Er hat sich diese Familie nicht ausgesucht, weil immer alles rund lief oder sie immer alles so machten wie sie sollten. Er hat sich diese Familie auserwählt, weil sie ihr Vertrauen immer wieder auf Gott setzten. Nur so ist es verständlich, weshalb Jakob in den biblischen Geschichten nicht nur positiv wegkommt, sondern teilweise auch sehr schlecht. Die Geschichten erzählen von den tiefsten Tiefen menschlichen Lebens.

Jakob hatte einen Zwillingsbruder namens Esau. Zu damaliger Zeit war es wichtig, der erstgeborene Sohn zu sein. Denn diesem stand der Grossteil des Erbes zu und er stand in besonderer Gunst seines Vaters. Jakob war der Zweitgeborene. Doch er tat so einiges, um diesen Zustand umzudrehen. Denn schliesslich hätte ja auch er der Erstgeborene werden können. So erpresste er in einer günstigen Situation seinen Bruder um sein Erstgeburtsrecht. D.h. um den Grossteil des Erbes. Doch dem nicht genug. Als sein Vater Esau segnen wollte, erschlich sich Jakob den Segen seines blinden Vaters. Dies sogar noch mithilfe seiner Mutter. Verständlicherweise war sein Bruder Esau wütend und trachtete ihm nach dem Leben. Daher flieht Jakob in das Land seiner Mutter. Unterwegs legt er sich schlafen und als Kissen nimmt er einen Stein. Um dieses Ereignis dort bei diesem Schlafplatz dreht sich die heutige Predigt.

Als nun Jakob dort schlief, fing er an zu träumen. In diesem Traum sah er eine Leiter vom Erdboden bis zum Himmel hinauf. Auf dieser Leiter gingen die Engel Gottes hinauf und herunter. Ganz oben auf der Leiter im Himmel stand Gott und sprach: « […] Ich bin der HERR, der Gott deines Grossvaters Abraham und der Gott deines Vaters Isaak. Das Land, auf dem du liegst, werde ich deinen Nachkommen geben. Deine Nachkommen werden so zahlreich sein wie der Staub der Erde. Sie werden sich ausbreiten nach Osten, Westen, Norden und Süden. Durch dich und deine Nachkommen sollen alle Sippen der Erde gesegnet werden. Mehr noch, ich werde bei dir sein und dich beschützen, wo du auch hingehst. Ich werde dich in dieses Land zurückbringen. Ich werde dich nie im Stich lassen und stehe zu meinen Zusagen, die ich dir gegeben habe» (1. Mose 28,13-15 NLB).

Diese Begegnung mit Gott ist exemplarisch für das Wirken Gottes und sein Reden. Denn Gott begegnet Jakob in seiner wohl schwächsten Stunde. Jakob begegnet Gott in seiner Schwäche. Dies ist bis heute häufig so. Wenn alles, was dem Menschen bisher vermeintlich Halt gab, wegbricht, ist er offener für Begegnungen mit dem Göttlichen. Solange alles rundläuft, vertraut man auf anderes bspw. die finanzielle Unabhängigkeit, Familie & Freunde, seine Gesundheit oder auf sonstige Dinge. Erst wenn alles wegbricht, merkt man häufig, wie wichtig sie einem waren. Und wie flüchtig das Ganze ist. Häufig kommt der Vorwurf, dass sich Menschen nur für Gott interessieren, weil sie schwach sind. Doch vielleicht könnte man vielmehr sagen, dass sich die Menschen dann für Gott interessieren, wenn sie merken, dass sie schlussendlich nichts mitnehmen können, wenn sie einmal sterben.

Ich möchte hier kurz einen Exkurs einfügen zu den Segnungen, welche Gott den Menschen zuteilwerden lässt. Gott begegnet Jakob zwar in seiner Schwäche, verheisst ihm aber einiges. Denn im Alten Testament sind die Segnungen immer auch mit irdischen Dingen verbunden. Doch dieser Fokus ist im Neuen Testament anders gelegt. Die irdische Familie, Partner und Kinder, sowie irdischer Besitz werden nicht mehr als Mittelpunkt der göttlichen Segnungen angesehen. Dies zeigt sich insbesondere deutlich an Paulus. Dieser war der grösste Kirchengründer seiner Zeit und massgebend für die Theologie. Er selbst lebte alleinstehend und propagierte dies als den erstrebenswertesten Zustand als Nachfolger von Jesus Christus. Dies wird heute schnell vergessen. Gehört es doch indirekt zum Bild, dass die Nachfolger von Jesus Christus verheiratet sind und mindestens drei Kinder haben. Aber Paulus malt ein ganz anderes Bild. Denn anstatt der Verheissung von vielen Kindern und viel Besitz ruft Paulus zum Verzicht von Familie und Kindern auf zum Wohl des Reiches Gottes. Denn Jesus sagte: «[…] Wer ist meine Mutter? Wer sind meine Brüder? […] Diese Leute hier sind meine Mutter und meine Brüder. Wer den Willen Gottes tut, ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter» (Markus 3,33-35 NLB). Verzicht auf einen irdischen Partner bedeutet nicht auf eine Familie zu verzichten. Denn wir als Kirche sind eine Familie. Denn diese Einstellung von Paulus gründet sich auf der Tatsache, dass das Reich Gottes unsere wichtigste Angelegenheit sein soll (Matthäus 6,33). Wenn man nun also verheiratet ist und Kinder hat, dann kann dies schneller aus den Augen verloren werden, als wenn man allein bleibt für das Reich Gottes.

Die Begegnung mit dem Gott der Bibel ist furchteinflössend!

Bist du bereit Gott in diesem Jahr zu begegnen? Dem Gott, welcher ganz anders ist? Doch eines zeigt uns die Geschichte Jakobs auch noch. Die Begegnung mit Gott ist unverfügbar, wir können sie nicht heraufbezwingen. So ist es auch mit jedem Gottesdienst. Es ist ein Zusammenkommen der Nachfolger von Jesus Christus, mit der festen Zuversicht, dass Gott sich der versammelten Gemeinschaft zeigt. Aber die Begegnung Gottes ist etwas, was er uns schenken muss. Wir dürfen aber in grosser Erwartungshaltung kommen, dass er uns begegnen will.

Doch wie reagierte Jakob auf diese Begegnung? «Als nun Jakob von seinem Schlaf aufwachte, sprach er: Fürwahr, der HERR ist an dieser Stätte, und ich wusste es nicht! Und er fürchtete sich und sprach: Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes als Gottes Haus, und hier ist die Pforte des Himmels» (1. Mose 28,16-17 LUT). Jakob war ganz erstaunt, dass Gott an diesem Ort war. Ich denke, dass es seine erste Gottesbegegnung war und er ihn nur vom Hörensagen und von der Frömmigkeit seines Vaters kannte. Die Ausübung des Glaubens war für ihn bisher vielmehr Tradition. Es war kein Ausdruck einer tiefen Beziehung und Überzeugung. Doch von nun an beschliesst er sein Vertrauen ganz auf ihn zu setzen. Wie sieht es bei dir aus? Kennst du Gott so wie Jakob nur vom Hörensagen oder der Frömmigkeit um dich herum? Hast du dir schonmal überlegt, dass der Gott deiner Freunde, Eltern oder was auch immer dein Gott sein könnte und du dich selbst für oder gegen ihn entscheiden musst? Denn nirgendwo in der Bibel steht, dass Gott Grosskinder hat. Er hat nur Kinder. Vielleicht gehörst du aber auch zu denen, welche ihre Distanz zu Gott auf das Hörensagen von anderen Menschen abstützen. Denn so hört man häufig, gibt es heutzutage keinen Grund mehr an einen Gott zu glauben. Weshalb glaubst du nicht? Aus eigener Überzeugung oder vom Hörensagen?

Wenn wir uns die Reaktion von Jakob vor Augen malen, dann hat dies wenig mit unserer Reaktion auf den Gottesdienst zu tun. Denn Jakob erschauerte angesichts Gottes Gegenwart und seines Traumes. Im hebräischen Urtext steht hier für heilig ein Wort, welches eigentlich nicht heilig bedeutet. Dort steht das Wort «yr'». Was so viel bedeutet wie sich fürchten. So steht denn auch in den meisten Übersetzungen hier anstatt heilig fürchten. Doch die Übersetzung mit heilig ist ebenso richtig. So wird das hebräische Wort insgesamt fünf Mal mit heilig wiedergegeben. Heilig und furchteinflössend liegen nahe beieinander. So wird dies auch in unserem Teaser deutlich, wenn die Worte wiedergegeben werden, welche Mose am brennenden Dornbusch hörte. Das Heilige, als etwas abgesondertes, nicht von dieser Welt, hat etwas furchteinflössendes. Dies zeigt sich durchwegs in der Bibel, dann wenn sich Gott den Menschen zeigt, ist dies nichts für schwache Herzen.

Gottesfurcht führt zu Gottesdienst in Ehrfurcht

In der Theologie spricht man hier von Gottesfurcht. Diese bezeichnet die Haltung gegenüber Gott und seinem Willen. Aber Gottesfurcht hat nichts mit Furcht im Sinne von Schrecken oder mit Einschüchterung zu tun. «Die Furcht des HERRN ist der Anfang der Erkenntnis. […]» (Sprüche 1,7 LUT). Die Gottesfurcht kann m.E. als die Erkenntnis angesehen werden, dass Gott und wir Menschen nicht gleich sind. Gott ist grösser, stärker, erhabener und deshalb trete ich in Ehrfurcht vor ihn.

Doch wie ging Jakob mit dieser Erkenntnis um? Früh am Morgen stand er auf und stellte sein steinernes Kopfkissen als Erinnerungszeichen auf. Er goss Öl darüber und nannte den Ort Bethel. Das heisst Haus Gottes. Danach versprach er Gott, dass wenn er ihn behütet auf dem Weg, ihm Essen und Kleider gibt, dann gibt er ihm den zehnten Teil von allem, was er hat. Dies gibt er als Dank für seine Fürsorge. Jakob sagt nicht, dass er Gott einen Teil von allem gibt, wenn er das Land hat und die Familie. Sondern er gibt ihm alles, wenn Gott ihn behütet und er genügend zu essen und Kleider hat - mehr nicht. Durch die Begegnung mit dem heiligen Gott ist Jakob mit viel weniger zufrieden. Hatte er doch noch ein paar Momente vorher seinen Bruder betrogen, um gesegnet zu sein.

Später in der Geschichte von Jakob wird sich zeigen, dass Gott treu ist und sein Versprechen an Jakob hält. So hält auch er sein Versprechen. Gott ist heute immer noch der gleiche. Auch heute hält er seine Versprechen. Doch ähnlich wie sich beim Segen der Fokus weg von irdischen Dingen verschoben hat, so sind auch die Versprechen, welche Jesus Christus uns macht anders. Denn Jesus Christus verheisst seinen Nachfolgern nicht, dass der Glaube immer glücklich, reich, schön macht und immer alles einfach ist. So war ja das Leben eines Jakobs auch überhaupt nicht geradlinig. So verheisst uns Jesus Christus: «[…] Wenn einer von euch mit mir gehen will, muss er sich selbst verleugnen, jeden Tag aufs Neue sein Kreuz auf sich nehmen und mir nachfolgen» (Lukas 9,23 NLB). Auch bei Jesus finden wir die Gottesfurcht. Denn im Angesicht Gottes verliert sogar der Tod seine angsteinflössende Macht. «Habt keine Angst vor denen, die euch umbringen wollen. Sie können nur euren Körper töten; eure Seele ist für sie unerreichbar. Fürchtet allein Gott, der Leib und Seele in der Hölle vernichten kann» (Matthäus 10,28 NLB).

Doch die Gottesfurcht soll uns noch heute in einen Gottesdienst in Ehrfurcht führen. So wie dies auch bei Jakob der Fall war. Jakob fürchtete sich vor Gott und stellte als Erinnerung an seine Begegnung einen Stein zur Erinnerung auf. Doch die Gottesfurcht führte bei Jakob nicht zu Distanz zu Gott, sondern sie führte zu einer grossen Nähe. Als Jakob einige Jahre später eine Familie hatte, löste er sein Versprechen ein. Er opferte diesem Gott, der ihm begegnet war vor der Rückkehr in sein Heimatland (1. Mose 31,54). Als er diesen Ort seiner Gottesbegegnung erreichte, errichtete er einen richtigen Altar und drückte dadurch seine Verbundenheit zu Gott aus (1. Mose 35,7).

An diesem Ort Bethel erlebte Jakob beides. Zum einen eine tiefe Intimität mit Gott und zum anderen eine grosse Gottesfurcht. Beides mündet schlussendlich in der Ehrfurcht vor Gott. Ehrfurcht bedeutet eine mit Verehrung einhergehende Furcht. Dabei ist der Adressat, vor dem jemand Ehrfurcht hat, immer ein übermächtiger Adressat. Als Nachfolger von Jesus Christus ist dieser Adressat Gott. Es ist Gott - der ganz andere. Dabei können wir ihn nie vollkommen ergründen. So ist denn auch das sich Befassen mit ihm einerseits wohltuend, andererseits furchteinflössend. Dies zeigt der Teaser zu unserem Jahresthema sehr deutlich. Daher sollen wir ehrfürchtig vor ihn treten und ihn anbeten.

Mögliche Fragen für die Kleingruppe

Bibeltext lesen: 1. Mose 28,10-22

  1. Vergegenwärtige dir erneut die Geschichte von Jakob. Was fällt dir neu auf?
  2. Ist dir Gott bereits begegnet? Wie sah dies aus? Wie war deine Antwort auf diese Begegnung? Wenn dies nicht der Fall ist. Kennst du Gott nur vom Hörensagen? Wie sieht dieses «Kennen» aus?
  3. Verstehst du die Hochhaltung des Zölibats - des Lebens als Single zur Ehre Gottes? Was ist der Gewinn eines solchen Lebens? Wie können wir aber dazu beitragen, dass die seetal chile immer mehr zu einer Familie wird?
  4. Wie deutest du für dich die Nähe von «heilig» und «fürchten»?
  5. Kennst du Gottesfurcht in deinem Leben? Wie sieht diese bei dir aus?
  6. Wie könnte es aussehen, einen persönlichen Gottesdienst aus der Gottesfurcht hinaus zu leben, welcher in Ehrfurcht mündet?