Datum: 22. Mai 2022 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: Römer 1,25

In jeder Kultur gibt es bestimmte Grundsätze wie die Gesellschaft aufgebaut ist. Dies beinhaltet Bewertungen was gut oder schlecht ist, wie man sich in der Öffentlichkeit zu verhalten hat und wie ein gelungenes Leben aussieht. Doch in jeder Kultur gibt es einen blinden Fleck, einen Bereich, bei dem nicht Gottes gutem Plan für seine Schöpfung gefolgt wird. Wird ein blinder Fleck entdeckt, so gilt es dort anzusetzen und dieses Unrecht wiederherzustellen. Schnell verfallen Menschen der Gefahr, der Erhaltung der Schöpfung die höchste Priorität zu geben. Doch als Geschöpfe Gottes sollen wir den Schöpfer anbeten und ihm alle Ehre geben. Durch die Beziehung zum Schöpfer wächst unsere Liebe zur Schöpfung. So gehen Nachfolger Jesu liebevoll und barmherzig mit Gottes guter Schöpfung um.


Als seetal chile beschäftigen wir uns dieses Jahr mit dem Jahresthema Creatio – Hoffnung und Verantwortung. Ich weiss nicht, wie es dir geht, wenn du dieses Jahresthema hörst oder wie du dich fühlst, wenn du den Teaser zur Predigt siehst. Was für Emotionen kommen in dir hoch? Ich denke, dass es vor allem drei Gruppen von Menschen bei uns hier in der seetal chile gibt. Es gibt diejenigen, die sind wie eine Teflonpfanne. Die bleiben cool, schauen was da kommt, aber es bleibt nichts an ihnen haften. Aber sie lassen sich drauf ein. Daneben gibt es diejenigen, welche mit grossartiger Begeisterung reagieren. Sie finden: «Wird aber auch mal Zeit, dass wir uns mit der Umweltthematik befassen!». Doch es gibt auch eine dritte Gruppe, welche eher genervt reagiert. «Jetzt fangen die auch noch damit an!». In der heutigen Predigt wollen wir uns anhand von Römer 1, 25 dieser Jahresthematik zuwenden. «Sie tauschten die Wahrheit Gottes, die sie kannten, gegen die Lüge ein und verehrten das von Gott Geschaffene statt den Schöpfer selbst, dem Ehre gebührt in alle Ewigkeit. Amen» (Römer 1,25 NLB).

1. Entdecke deine kulturellen blinden Flecken!

Ich bin sehr geschichtlich interessiert. Wenn mich etwas interessiert, dann sauge ich die Informationen förmlich auf. Während der Schulzeit war Geschichte eines meiner Lieblingsfächer. Ich mag mich noch gut daran erinnern, als wir die Sklaverei in den USA durchnahmen. Ich fand diese Thematik sehr spannend und war ziemlich entsetzt, wie damals Menschen in Afrika gejagt, gefangengenommen und dann mit dem Schiff, eng zusammengepfercht nach Amerika gebracht wurden. Dort angekommen, erwartete sie zumeist eine schlimme Zukunft. Sie mussten hart arbeiten und wurden von ihren Besitzern oftmals schlecht behandelt. Die Sklaverei war gang und gäbe und sie war vor allem auch sehr lukrativ. Heutzutage ist dies für uns unvorstellbar und wird zu Recht verurteilt. Die Sklavenhändler haben die Wahrheit, dass jeder Mensch eine Würde hat, mit den Füssen getreten und haben dies gegen eine Lüge eingetauscht. Die Lüge hiess: Sklaven sind Gegenstände und haben keine Rechte. Die Geschichte der Sklaverei stellt einen ungeheuren blinden Fleck der westlichen Kultur ab der Mitte des letzten Jahrtausends bis um 1850 dar.

Mich schockiert dies extrem. Wie kann es sein, dass Menschen, welche sich oftmals noch als Christen bezeichneten, andere Menschen als ihr Eigentum bezeichneten? Einerseits kann ich dies kaum fassen, andererseits macht es mich selbst betroffen. Wo sind wohl unsere heutigen kulturellen blinden Flecken? Wo haben wir die Wahrheit mit der Lüge eingetauscht? Oftmals fallen uns blinde Flecken in anderen Kulturen oder zu anderen Zeiten in der Weltgeschichte viel deutlicher ins Auge. Doch ich bin überzeugt, dass es auch in unserer christlich geprägten Kultur blinde Flecken gibt.

Wie entdecke ich denn blinde Flecken in meinem Leben? In meinem Studium an der STH Basel begegnete mir eine spannende Herangehensweise, um eine Kultur zu beurteilen. Dies ist das tripolare Schema von Peter Beyerhaus. Dieses besagt, dass sich jede Kultur in drei Bereiche einteilen lässt. Zugrunde liegen diesem Schema einige Verse aus Römer 1. «Seit Erschaffung der Welt haben die Menschen die Erde und den Himmel und alles gesehen, was Gott erschaffen hat, und können daran ihn, den unsichtbaren Gott, in seiner ewigen Macht und seinem göttlichen Wesen klar erkennen. Deshalb haben sie keine Entschuldigung dafür, von Gott nichts gewusst zu haben. Obwohl sie von Gott wussten, wollten sie ihn nicht als Gott verehren oder ihm danken. Stattdessen fingen sie an, sich unsinnige Vorstellungen von Gott zu machen, und ihr Verstand verfinsterte sich und wurde verwirrt. Sie behaupteten, weise zu sein, und wurden dabei zu Narren» (Römer 1,20-22 NLB).

So lässt sich eine Kultur in einen göttlichen, menschlichen und dämonischen Bereich einteilen. Jede Kultur hat eine göttliche Dimension, welche dem Gott der Bibel entspricht. Diese gilt es zu betonen und aufzuzeigen, wie dies auch dem christlichen Glauben entspricht. Dies ist in der Schweiz beispielsweise der Solidaritätsgedanke oder die Nächstenliebe. Daneben gibt es eine menschliche Komponente, welche neutral ist. Verhaltensweisen, Denkmuster und Lebensweisen, welche in diese Kategorie gehören sind weder schlecht noch gut. Dies ist in der Schweiz z.B. das politische System oder auch das Händeschütteln beim Begrüssen. Der dritte Bereich ist die dämonische Dimension. Dies sind Dinge in einer Kultur, welche nicht dem Willen Gottes unseres Schöpfers entsprechen. Dies ist bspw. Mobbing, Diskriminierung oder Prostitution.

Jeder der drei Bereiche hat Auswirkungen auf die Menschen, welche in der jeweiligen Kultur leben. So führt auch die dämonische Dimension zu einem bestimmten Verhaltensmuster und dazu, dass anstatt Gott, etwas anderes angebetet wird. «Statt den herrlichen, ewigen Gott anzubeten, beteten sie Götzenbilder an, die vergängliche Menschen darstellten, oder Vögel, Tiere und Schlangen» (Römer 1,23 NLB). Ein Götze stellt eine Lüge dar und ist eine falsche Darstellung von Gott. Waren vielleicht in der Antike Götzen noch Statuen, welche angebetet wurden, so sind es heute andere Dinge, welche unsere Leben bestimmen. Dies kann ein Sportclub, die Arbeit, Besitz, Familie, Freunde, eine Ideologie oder Jagd nach Schönheit sein. Die Schöpfung wird angebetet, der Schöpfer aber links liegen gelassen.

2. Der Umgang mit der Schöpfung als kontroverses Thema!

Der Umgang mit Gottes wunderbarer Schöpfung hat grosses Konfliktpotential und hier entdecke ich zwei blinde Flecken. Denn es gibt zwei Wege wie mit der Schöpfung umgegangen werden kann, welche entgegengesetzt sind. Ich möchte diese hier kurz weiter ausführen. Sie haben beide mit Römer 1,25 zu tun, dem Verhältnis von Anbetung des Schöpfers oder der Schöpfung.

Anbetung des Schöpfers ohne Auswirkung auf den Umgang mit der Schöpfung

Ich persönlich merke eine grosse skeptische Haltung gegenüber dem Umgang mit der Umweltthematik in der heutigen Gesellschaft, insbesondere gegenüber dem Klimawandel. Vielleicht stammt dies von einer theologischen Haltung, dass diese Erde sowieso dem Untergang geweiht ist und es sowieso eines Tages einen neuen Himmel und eine neue Erde gibt. Vielleicht stammt dies aber auch aus einer Gegenwehr. Da diese Thematik vor allem von Leuten vorangetrieben wird, welche in der Regel kritisch gegen die christliche Religion eingestellt sind, fällt es mir schwer auf ihre Gründe einzugehen. Vielleicht aber auch, weil es heutzutage dazugehört umweltbewusst zu sein und ich mit dieser Angeberei ein wenig Mühe habe. Daher stehe ich immer wieder in der Gefahr, die gesamte Thematik als unwichtig zu qualifizieren. Ich konzentriere mich lieber auf Gott und meine Beziehung zu ihm. Vielleicht kennst du dies auch in deinem Leben. Bibelstellen wie «Ihr sollt den Herrn, euren Gott, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit eurer ganzen Kraft lieben» (1. Mose 5,6 NLB) geben dann Orientierung. Der Fokus liegt auf der Gottesbeziehung. Menschen, die den Schwerpunkt auf die Anbetung Gottes legen, stehen in der Gefahr die Aufgabe, die der Mensch in der Schöpfung erhalten hat, nur auf den Mensch bezogen zu deuten. «Und Gott segnete sie und gab ihnen den Auftrag: ‘Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde und nehmt sie in Besitz. Herrscht über die Fische im Meer, die Vögel in der Luft und über alle Tiere auf der Erde’» (1. Mose 1,28 NLB). Wenn Gott dem Menschen Verantwortung überträgt, dann meint er dies sehr ernst. So haben denn auch Entscheidungen, die die gesamte Menschheit fällt, grosse Konsequenzen. Wird die Herrschaft über die Fische bspw. ausbeuterisch betrieben, dann sterben ganze Fischarten aus.

Anbetung der Schöpfung ohne Rücksicht auf den Schöpfer

Die andere Sichtweise auf die Schöpfung kann sein, dass sie vergöttert wird. Dann ist das Lebensziel sie um jeden Preis zu erhalten. Alles muss sich diesem Ziel beugen. Die Rettung der Erde ist ein Selbstzweck. Der Mensch setzt sich ein für die gesamte Erde und seine Bewohner. Er sucht sich eine Ersatzreligion. In der Religionswissenschaft wird der Mensch häufig als homo naturalis religiosus bezeichnet. Dies bedeutet, dass der Mensch ein religiöses Wesen ist. Wird Religion als Weltanschauung verstanden, hat dies unterschiedliche Erscheinungsbilder. Leute, welche sich bspw. den Klimaschutz auf die Fahne geschrieben haben, legen einen ungeheuren Eifer an den Tag. Klimaschutz wurde zu ihrer Religion. Sie zeigen einen Eifer, der mir einiges an Bewunderung abverlangt. Sie setzen sich konsequent für dieses Ziel ein und sind bereit auf einiges an Komfort zu verzichten. Doch auch hier kann 1. Mose 1,28 als Begründung angeführt werden, dass die Schöpfung positiv behandelt wird. Denn die Herrschaft des Menschen muss keineswegs tyrannisch sein. Nein sie kann vielmehr auch liebevoll und rücksichtsvoll sein. Meine Überzeugung ist es, dass sich Gott dies so ausgedacht hat. Er wollte nicht, dass wir die Erde ausbeuten und der Schöpfung Schaden zufügen.

Doch der Weg als Nachfolger in diesem Thema liegt genau in der Mitte. Zum einen ist die Gottesbeziehung das Entscheidende. Es geht darum, sich immer wieder in Gottes Nähe zu begeben. Sei es im Gebet, beim Bibellesen oder beim Besuch des Gottesdienstes. Zum anderen liegt in der Nachfolge auch eine grosse Aufgabe. Doch diese speist sich aus der Beziehung zu Gott. Momentan führen einige Hauskreise den Just People Kurs durch. Dieser wird von zahlreichen Organisationen unterstützt, welche sich dafür einsetzen, dass Menschen auf der ganzen Welt die frohe Botschaft hören. Doch dies geht Hand in Hand damit, dass sie sich auch dafür einsetzen, dass zu Gottes Schöpfung Sorge getragen wird. Egal wo du stehst, kann dir dieser Kurs entweder die Augen für Gottes Schöpfung oder aber für ihn selbst öffnen.

3. Liebe zu Gottes Schöpfung aus der Nähe zum Schöpfer!

Die Liebe zu Gottes Schöpfung fliesst aus der Nähe zum Schöpfer. An was denkst du, wenn du Schöpfung hörst? Ich habe in der heutigen Predigt schon einige Male von der Schöpfung gesprochen. Die Schöpfung beinhaltet alles, was Gott geschaffen hat. Glauben wir den Schilderungen in den ersten beiden Kapiteln der Bibel, dann schuf Gott alles. Es gibt nichts, was nicht gewollt ist. Schaue dich einmal hier im Saal um, wenn du zu Hause bist, dann vielleicht ein Bild, welches bei dir rumsteht. Auch wir Menschen sind ein Teil der Schöpfung. Die Schöpfung beschränkt sich nicht nur auf Pflanzen, Tiere, Pilze oder was es auch immer gibt. Die Schöpfung umfasst alles. Gott liebt die gesamte Schöpfung. Dies beinhaltet den unliebsamen Nachbarn, den mühsamen Klassenkameraden oder Arbeitskollegen, aber auch den Homberg, Hallwilersee oder die Aare. Nachfolger von Jesus glauben, dass Gott seinen Sohn Jesus auf diese Welt sandte. Dieser starb stellvertretend für all mein Aufbegehren, für all mein selbst wollen. Jesus starb, damit ich nicht in Aktivismus verfallen muss, sondern, dass ich in Anbetung vor Gott treten kann.

«Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern das ewige Leben hat» (Johannes 3,16 NLB). Schnell wird dieser Vers gelesen und nur auf den zweiten Teil beschränkt. Ja, alle die an Jesus Christus glauben, erhalten ewiges Leben. Doch weshalb kam Jesus auf die Erde? Weil Gott die Welt so sehr geliebt hat. Im griechischen steht hier kosmos. Kosmos umfasst alles Geschaffene, alles was Gott zu Beginn in die Existenz gerufen hat. Dies umfasst auch die Menschen, aber beschränkt sich nicht auf diese. So kann man auch sagen: «Denn Gott hat alles Geschaffene so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern das ewige Leben hat»

In Jesus wurde die Liebe Gottes sichtbar. Nachfolger von Jesus sind aufgerufen auch zu lieben, und dies dreifach. «Jesus antwortete: `Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben, von ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken!´ Das ist das erste und wichtigste Gebot. Ein weiteres ist genauso wichtig: `Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.´ Alle anderen Gebote und alle Forderungen der Propheten gründen sich auf diese beiden Gebote» (Matthäus 22,37-40 NLB). Die Liebe zeigt sich gegenüber Gott, mir selbst und dem Nächsten. Doch der Dreh und Angelpunkt liegt in der Liebe zu Gott. Darin erwächst die Liebe zum Nächsten. Diese Liebe kann sich unter anderem auch darin zeigen, dass es mir wichtig wird, wie Arbeiter Produkte herstellen müssen. Vielleicht wird mir auch wichtig, dass ökologisch produziert wird. Was auch immer dir vielleicht wichtig wird, entscheidend ist, dass es in der Liebe zu Gott wurzelt.

Was nun? Wir wollen nochmals zurückschauen auf Römer 1,25. «Sie tauschten die Wahrheit Gottes, die sie kannten, gegen die Lüge ein und verehrten das von Gott Geschaffene statt den Schöpfer selbst, dem Ehre gebührt in alle Ewigkeit. Amen» (Römer 1,25 NLB). Ganz am Schluss ist ein Lobpreis Gottes eingefügt. Dieser soll uns vor Aktivismus schützen. Zuerst kommt Gott, dem alle Ehre gebührt bis in alle Ewigkeit. Diese Aussage wird durch das Amen nochmals unterstrichen. Nachfolger von Jesus Christus sind fest verwurzelt in der Anbetung Gottes. Doch darin enthalten ist ein Auftrag. Gleich wie wir Menschen den Auftrag bekommen haben über die Erde zu herrschen, so haben wir auch einen klaren Auftrag, wie wir unser Leben gestalten sollen. «Es wurde dir, Mensch, doch schon längst gesagt, was gut ist und wie Gott möchte, dass du leben sollst. Er fordert von euch nichts anderes, als dass ihr euch an das Recht haltet, liebevoll und barmherzig miteinander umgeht und demütig vor Gott euer Leben führt» (Micha 6,8 NLB).

Mögliche Fragen für die Kleingruppe

Bibeltext lesen: Römer 1,25, Micha 6,8

  1. Wenn du das tripolare Schema von Bayerhaus auf deine Kultur anwendest. Wo siehst du göttliche, wo menschliche und wo dämonische Bereiche?
  2. Wo siehst du einen blinden Fleck in deinem Leben? Was kannst du dagegen tun?
  3. Wie würdest du dich selbst einordnen. Eher skeptisch gegenüber dem Jahresthema «Creatio – Hoffnung und Verantwortung» oder voller Freude darüber? Woran liegt dies?
  4. Woraus speist sich dein Einsatz für die Umwelt? Eher aus dir und der Anerkennung, welche du in deinem Umfeld dafür erhältst oder auch der Beziehung und Nähe zu Gott?
  5. Wenn du das Wort Schöpfung mit einem Satz erklären müsstest, wie würde dieser lauten?
  6. Wo nimmst du dir einen konkreten Schritt vor, um dein Leben nach Micha 6,8 zu gestalten? Wie sieht dieser aus? Wie lässt sich der «Erfolg» überprüfen?