Datum: 29. Oktober 2023 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: 1. Mose 16,13

Es gehört zu Gottes Identität und Wesen, dass er ein Gott ist, der uns sieht. In seinem Blick liegt Wahrheit und Freiheit. Er sieht dich und dein Leben komplett anders, als andere Menschen dich sehen. An dieser Tatsache dürfen wir festhalten. Jeden Tag neu dürfen wir uns von den menschlichen Blicken lösen und uns vollkommen unter den Blick Gottes stellen.


Wenn mein Mann und ich Sport machen, achten wir sehr darauf, dass wir unsere Sportuhren tragen und im richtigen Moment ein- und ausschalten. Die Sportuhr hilft, Fortschritte sichtbar zu machen, sie hilft gezielt zu trainieren und gibt einen Überblick auch über Bereiche, die es zu verbessern gilt. Nun mein Mann und ich sind wirklich keine ambitionierten Sportler. Trotzdem tragen wir die Uhr aus einem ganz wichtigen Grund. Am Ende des Trainings kann man ein Bild erstellen mit den erbrachten Leistungen und dieses dann mit jemandem teilen. Weil, ich weiss nicht, ob das allgemein bekannt ist, aber ohne so einen Nachweis zählt der Sport nicht! Es zählt erst, wenn ich es jemandem zeigen kann. Vergisst du die Uhr, war der Sport umsonst.

Der Gott der mich sieht

Allgemein ist doch ein Erlebnis gleich viel mehr wert, wenn wir es auf Instagram oder zumindest im Familienchat teilen kann. Ich glaube das ist eine Eigenschaft, die wir besonders bei Kindern sehen, aber auch wenn wir älter werden, nicht verlieren. Wir wollen gesehen werden. Es ist unser Wunsch, dass wir aktiv wahrgenommen werden. Aus diesem Grund kann ich mir gut vorstellen, dass die aktuelle Jahreslosung in vielen etwas auslöst. Sie steht in 1. Mose 13 und lautet: «Du bist ein Gott, der mich sieht!». Ich finde es teilweise schade, wenn für einen besseren Klang, Verse aus dem Kontext genommen werden und wie in diesem Fall drastisch gekürzt werden. Der Anfang und das Ende des Verses wurden nämlich bei der Jahreslosung einfach weggelassen. Auf der einen Seite nicht so schlimm, denn der Versteil beinhaltet tatsächlich eine Hauptaussage des Kapitels und lehrt uns etwas über den Charakter Gottes. Aber glaubt mir, diese Aussage bekommt so viel mehr Gewicht, wenn wir sie in ihrem Kontext betrachten! Abraham wird von Gott berufen, aus ihm soll das von Gott auserwählte, ausgesonderte, heilige Volk entstehen. Nun damit aus Abraham ein Volk entstehen kann, braucht es in einem wirklich allerersten Schritt einen Nachkommen. Abraham und seine Frau Sarah bekommen jedoch keine Kinder. Beide sind bereits relativ alt. Als Abraham Mitte 80 ist, schlägt seine Frau Sarah ihm vor, mit ihrer Magd ein Kind zu zeugen. Dieses Unterfangen war ein sehr normales und legitimes Vorgehen in dieser Zeit. Wir sehen dasselbe einige Kapitel später wieder bei Jakob. Einige seiner Kinder stammen nicht von Rahel und Lea, seinen Frauen, sondern von deren Mägden. Dies scheint nicht einmal für Gott ein Hindernis zu sein, denn diese vier Söhne werden genauso zu Stammesväter von jeweils einem der 12 Stämme Israels, wie ihre Brüder. Ausserdem wurde Abraham zwar mehrfach verheissen, dass aus ihm ein grosses Volk entstehen wird, aber nicht explizit, dass dies mit Sarah passieren wird. Ehrlichgesagt verstehe ich das Verhalten der beiden angesichts dessen, dass sie bereits seit 15 Jahren auf die Erfüllung der Verheissung warten. Sarah hat es vorgeschlagen und Abraham hört auf seine Frau. Er schläft mit Hagar, der ägyptischen Sklavin und sie wird direkt schwanger. Wie ihr merkt, hat Hagar nichts dazu zu sagen. Schlussendlich wird sie als junge, fremde, versklavte Frau nun auch noch von einem alten Mann vergewaltigt. Besonders schrecklich daran ist sicher auch, dass dies nicht nur trotz ihres Glaubens, sondern laut Abraham und Sarah gerade aufgrund ihres Glaubens an Gott und seiner Verheissungen passiert. Wie schrecklich muss sich Hagar in diesem Moment gefühlt haben? Umso menschlicher und normaler erscheint es uns dann, dass Hagar, als sie die Schwangerschaft bemerkt, anfängt es Sarah heimzuzahlen. Sie begann auf Sarah hinabzuschauen und gering zu achten. Dies ging bis zu dem Punkt, dass Sarah sich von Abraham die Erlaubnis einholte mit Hagar machen zu dürfen, was sie will. Sarah begann Hagar zu unterdrücken und Hagar floh in die Wüste. Sie war auf dem Weg zurück in ihre Heimat nach Ägypten. Versetzt euch kurz in die Lage von Hagar. Sie wird als Sklavin aus ihrer Heimat verkauft. Von ihren Herren wird sie dann «im Namen Gottes» vergewaltigt. Zum ersten Mal erlebt sie durch das Kind in ihr, dass sie einen Wert hat. Doch dann wird ihr mit aller Deutlichkeit wieder vor Augen geführt, dass sie nichts mehr ist als eine Sklavin. Sie ist als Person nicht von Bedeutung! Schwanger macht sie sich allein auf eine lange und gefährliche Reise, weil sie sich erhofft, dass es ihr in ihrer Heimat besser gehen wird. Ihre Aussichten waren nicht besonders gut und das zeigt wie schwer es für sie bei Abraham und Sarah sein musste. An diesem Tiefpunkt im Leben hat sie eine Begegnung mit Gott. «Und der Engel des HERRN fand sie an einer Wasserquelle in der Wüste, an der Quelle auf dem Weg nach Schur. Und er sprach: Hagar, Magd Sarais, woher kommst du, und wohin gehst du? Und sie sagte: Vor Sarai, meiner Herrin, bin ich auf der Flucht. Da sprach der Engel des HERRN zu ihr: Kehre zu deiner Herrin zurück, und demütige dich unter ihre Hände! Und der Engel des HERRN sprach zu ihr: Ich will deine Nachkommen so sehr mehren, dass man sie nicht zählen kann vor Menge. Und der Engel des HERRN sprach weiter zu ihr: Siehe, du bist schwanger und wirst einen Sohn gebären; dem sollst du den Namen Ismael geben, denn der HERR hat auf dein Elend gehört.  Und er, er wird ein Mensch wie ein Wildesel sein; seine Hand gegen alle und die Hand aller gegen ihn, und allen seinen Brüdern setzt er sich vors Gesicht.» (1. Mose 16,7-12 ELB). Hagars Gedanken waren wahrscheinlich gerade bei den Verletzungen aus der Vergangenheit und in der Zukunft, bei dem was sie in ihrer alten Heimat erwarten würde. Das Erste, was der Engel des Herrn tut, als er ihr begegnet ist, genau dies aufzufangen und sie in die Gegenwart zu holen. Sie antwortet nämlich nicht wirklich auf die Fragen, sondern sagt sehr knapp nur, was genau jetzt los ist bei ihr. Danach kommen eine Aufforderung und eine Verheissung. Hagar soll zurück in diese unglaublich schreckliche Situation, aus der sie geflohen ist. Die Verheissung, die darauffolgt, beginnt gut. Sie soll viele Nachkommen haben. Es folgt jedoch ein grosses Aber, denn ihr Sohn wird rebellisch sein und sich gegen alles und jeden auflehnen. Alles in allem sind das zwei schlechte und eine gute Nachricht. Wahrscheinlich war es nicht das, was Hagar gerne hören wollte in dieser Situation. Könnte man zumindest meinen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Hagar jubelte und freute sich. «Da nannte sie den Namen des HERRN, der zu ihr geredet hatte: Du bist ein Gott, der mich sieht! Denn sie sagte: Habe ich nicht auch hier hinter dem hergesehen, der mich angesehen hat?» (1. Mose 16,13 ELB). «Du bist ein Gott, der mich sieht» ist also eigentlich genau genommen kein Ausspruch, sondern ein Name Gottes, El Roi. Es ist nicht nur ein Charakterzug, sondern ein Name Gottes. Es ist die Identität Gottes, dass er ein Gott ist, der mich sieht. Ich habe zu beginn gesagt, dass es ein tiefes Bedürfnis von uns ist, gesehen und wahrgenommen zu werden. Genau diesem Bedürfnis kommt Gott nach. Ich stelle eine These auf. Wenn wir in Situationen des Leids sind, wenn es aussichtslos erscheint und es so unglaublich schwerfällt noch Hoffnung zu haben, ist nicht der Fakt, dass Gott nicht eingreift, wirklich am schmerzhaftesten, sondern unsere Schlussfolgerung daraus, dass es Gott egal ist. Wenn wir Ungerechtigkeit erfahren, vielleicht gerade auch von Menschen aus der Gemeinde und Gott nichts dagegen unternimmt, kommt doch so einfach auch der Gedanke auf, dass sich Gott nicht für mich interessiert. In dieser Situation Gott als El Roi, den Gott, der mich sieht zu begegnen, ist so heilsam für unsere Seele.

Gott sieht etwas anderes als die anderen

Was Gott sieht, wenn er uns anschaut, ist etwas anderes, als die Menschen um uns herum sehen. Schauen wir nochmals auf Hagar. Was die Menschen sehen, ist eine Sklavin, die keine Rechte hat. Sie gehört nicht zu Gottes auserwähltem Volk. Und zu guter Letzt: sie ist eine Frau. Aus menschlicher Sicht gehört sie zur untersten Schicht der Menschen und ihr Wert ist nur minimal höher als der eines Tieres. Was Gott jedoch sieht, ist etwas ganz anderes! Zum einen ist schon alleine die Tatsache, dass Hagar nicht nur direkt von Gott angesprochen wurde, sondern ihm scheinbar auch beim Weggehen hinterher schauen durfte, ohne zu sterben ein Beweis für den enormen Wert, den Gott in ihr sieht. Anstatt wie Abraham und Sarah immer nur von der Magd zu reden, hat Gott sie mit ihrem Namen angesprochen. Ausserdem durfte sie Gott einen Namen zusprechen. So lief das normalerweise nicht. Doch schien es Gott gutzuheissen. Der heilige Gott begegnet ihr auf Augenhöhe. Ich glaube unser Jahresthema hat das Potential uns herauszufordern, denn wir haben Gott als heiligen Gott kennengelernt, der eben nicht einfach ein netter Kumpel und guter Freund ist. Doch ich glaube, wenn wir die Heiligkeit Gottes nicht anfangen zu begreifen und anzuerkennen, können wir auch nicht begreifen, wie unglaublich tief und kraftvoll es ist, dass dieser Gott uns auf Augenhöhe begegnet. Weiter hat Gott Hagar verheissen, dass sie zwar in ihre missliche Ausgangssituation zurückmuss, aber dass zumindest in seinen Augen sie dies nicht mehr als Sklavin tut. Mit der Verheissung vieler Nachkommen hat Gott sie zur Matriarchin, das Oberhaupt eines Volkes, ernannt. Das ist keine Stellung, die eine Frau einnehmen konnte, aus menschlicher Sicht. Doch in Gottes Augen eben schon. Was ich dann besonders spannend finde, ist der Vers 12: «Und er, er wird ein Mensch wie ein Wildesel sein; seine Hand gegen alle und die Hand aller gegen ihn, und allen seinen Brüdern setzt er sich vors Gesicht.» (1. Mose 16,12 ELB). Aus menschlicher Sicht wird hier Hagar ein störrischer, rebellischer Sohn und Nachkommenschaft verheissen. Der Vers kann aber auch anders verstanden werden. Ein Wildesel ist ein unzähmbares Tier. Man konnte ihn nicht einfangen und als Transporttier brauchen, wie andere Esel. In den Ohren einer Sklavin, einer Gefangenen, klingt das wahrscheinlich sehr viel mehr nach Freiheit als nach Last. Menschlich gesehen, muss Hagar zurück in ihre Position als Sklavin. Aus göttlicher Sicht jedoch wird ihr Freiheit verheissen. Das ist das Evangelium! Es ist ein Vorgeschmack auf das, was durch Jesus Jahrhunderte später geschah. Gott hat das Leid der Menschen gesehen und durch Jesus hat er einen Weg aus der Sklaverei in die Freiheit geschaffen.

Sich unter den Blick Gottes stellen

Dass Gott dich sieht, ist eine Tatsache. Du kannst es glauben oder nicht. Natürlich ist es manchmal leichter das zu glauben als andere Male. Aber schlussendlich ist es eine biblische Wahrheit und darum nicht von deinem Handeln abhängig. Trotzdem können wir eine Sache tun. Wir können uns aktiv unter den Blick Gottes stellen. Wir sind unglaublich gut darin, uns den Blicken der Menschen auszusetzen. Ich meine damit nicht nur die Menschen in unserem eigenen Umfeld, sondern auch unseren eigenen menschlichen Blick. Was unsere Leistung und unser Ansehen betrifft, ist uns oft so wichtig, was andere sehen und ob ich selber zufrieden bin, mit dem wer ich bin und was ich tue. Der Applaus der anderen ist viel wichtiger als der Blick von Gott. Matthias hat in den letzten Wochen immer wieder erzählt von dieser Stille am Morgen und ich glaube diese Stille hat sehr viel damit zu tun, sich bewusst unter den Blick von Gott zu stellen. Was Gott in uns sieht, ist Wahrheit und bringt uns in die Freiheit. Es macht uns frei von den Blicken der anderen und auch vom skeptischen Blick, den wir selbst auf uns haben. Eine Geschichte aus dem Neuen Testament, die mir dabei hilft schon am Morgen, wenn meine Gedanken abschweifen wollen zu allem, was ich noch erledigen soll und muss und kann, ist die Geschichte von Marta und Maria. Es sind zwei Schwestern und Jesus ist mit seinen Jüngern bei ihnen zu Besuch. Marta macht genau das, was aus menschlicher Sicht von ihr erwartet wird. Sie ist eine gute Gastgeberin und gibt alles, damit es ihren Gästen an nichts mangelt. Maria ist egal was ihre Schwester und alle anderen über sie denken und was von ihr erwartet wird. Sie setzt sich zu den Füssen von Jesus. Sie stellt sich einzig und allein unter seinen Blick und Jesus sagt dazu: «Jesus aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta! Du bist besorgt und beunruhigt um viele Dinge; eins aber ist nötig. Maria aber hat das gute Teil erwählt, das nicht von ihr genommen werden wird.» (Lukas 10,41-42 ELB). Was Jesus sagt, ist eigentlich, dass Marta sich genau dem hingegeben hat, was alle anderen in ihr sahen, doch Maria hat sich davon befreit und sich allein dem Blick von ihm unterstellt. Das ist das Gute!

 

Mögliche Fragen für die Kleingruppe

Bibeltext lesen: 1. Mose 16

  1. Welche Gefühle löst der Name Gottes El Roi, ein Gott, der mich sieht, bei dir aus? Nur Freude oder auch Zweifel, ob dies auch wirklich auf dich persönlich zutrifft oder sogar Unbehagen, weil das ja bedeutet, dass Gott auch deine Schattenseiten sieht?
  2. Welche menschlichen Augen und welche Blicke von anderen oder dir selber, bestimmen dein Handeln und dein Sein?
  3. Was macht es so schwer, sich von diesen Blicken zu lösen?
  4. Was sind Strategien oder Gedanken, die dir helfen könnten, dich bewusst vollkommen unter Gottes Blick zu stellen?
  5. Gibt es eine Situation aktuell in deinem Leben, in der du dich ungesehen von Gott fühlst. Betet gemeinsam dafür, dass du erleben darfst, wie Gott genau in dieser Situation seinen liebevollen Blick auf dich richtet.