Überwinden
Serie: Folge du mir nach | Bibeltext: Matthäus 26, 36-46
Auch wenn wir oft wissen, was das Richtige wäre zu tun, scheitern wir immer wieder. Um in diesen Situationen überwinden und Versuchungen widerstehen zu können, müssen wir uns im Gebet ausrüsten und zum Entschluss kommen, Gottes Willen über unseren eigenen zu stellen. Wir sind beim Überwinden auf die Kraft Gottes angewiesen und brauchen immer wieder seine Gnade.
Während meines Theologiestudiums hatte ich das Privileg bereits Erfahrungen im Predigen zu sammeln. Es war das perfekte Lernumfeld. Die Leute waren mir grundsätzlich gutgestimmt und es war immer eine sehr überschaubare Zahl an Zuhörern. Während ich vorne stand, konnte ich den Leuten also in die Augen schauen und bekam von den meisten dann jeweils ein wohlwollendes Lächeln zurück. Nicht von ganz allen, denn dem einen oder anderen vielen ab und zu während der Predigt die Augen zu. Eine liebe, ältere Dame, nennen wir sie Rösli, ist sehr treu in den Gottesdienst gekommen, um jede Predigt zu verschlafen. Im Anschluss an die Predigten bekam ich jeweils ein Feedback von unserem Pastor. Nach einer dieser Predigten sass ich also mit unserem Pastor im Büro, für besagtes Feedback. Zum Einstieg fragt mich der Pastor, nach meiner Selbsteinschätzung. Ich fand, es lief nicht schlecht, es habe wie immer Spass gemacht. Ausserdem mussten es die Leute auch nicht all zu schlecht empfunden haben. Sogar Rösli sei während der ganzen Predigt wach geblieben. Mein Pastor sah mich erstaunt an und meinte, mit einer solchen Vollmacht habe er bis anhin noch nie gepredigt. Naja, wer weiss, ob Rösli einen guten Tag hatte oder ich tatsächlich eine gute Predigt.
Bleibt wach und betet
Ich will heute mit euch eine Geschichte aus dem Leben von Jesus anschauen, bei der es tatsächlich auch darum geht, im entscheidenden Moment wach zu bleiben. Es ist eine Geschichte, von der wir in drei der vier Evangelien lesen können. Es spielt sich kurz vor der Verhaftung, Verurteilung und Kreuzigung von Jesus ab. Jesus kündet an, dass einer seiner zwölf Jünger, einer seiner engsten Begleiter, ihn verraten würde. Daraufhin folgt ein Gespräch mit Petrus. Petrus versichert Jesus, er würde ihn niemals verraten. Doch Jesus bremst ihn aus. Er sagt voraus, dass Petrus noch vor dem Morgen drei Mal leugnen würde, ihn überhaupt zu kennen. Wenn wir nur eine Seite in der Bibel umblättern, lesen wir, dass Jesus Recht behalten soll. Petrus wusste, was das Richtige gewesen wäre, aber er ist gescheitert. Wir kennen das aus unserem eigenen Leben. Eigentlich wüssten wir genau, was das Richtige wäre, aber wir scheitern und schaffen nicht zu Überwinden. Immer wieder verfehlen wir das Ziel und sündigen. Vielleicht geht es dir ja gleich wie mir und du denkst manchmal, du lebst eigentlich schon ganz ok. Du haltest dich fern von den «grossen» Sünden und verhältst dich anständig. Ich möchte hier einen kleinen Vergleich ziehen, da ich glaube, wenn man im Glauben unterwegs ist, kann es passieren, dass wir Sünde irgendwann als Regelübertretung und nicht mehr als Zielverfehlung sehen. Mein Mann hat in seiner Jugend sehr gut Unihockey gespielt. Viele Jahre spielte er in einem starken Verein mit grossen Ambitionen. Damit er dort spielen durfte, reichte es natürlich nicht, dass er sich einfach an die Spielregeln des Unihockeys hielt. Er musste die Trainings besuchen und musste auch ausserhalb seine Kondition trainieren, auch wenn ihn niemand dabei kontrolliert hat. Er hat freiwillig zuhause Spielzüge geübt und im Training musste er die Übungen absolvieren, die der Trainer vorbereitet hat. Während dem Spiel musste er auf seine Teammitglieder achten und auf die Anweisungen des Trainers, damit sie die Spiele gewinnen konnten. Er und seine Mitspieler mussten gemeinsam die Strategie verfolgen, die der Trainer vorab festgelegt hat. Was im Sport so logisch erscheint, ist im Glauben manchmal schwieriger zu verstehen. Es geht um ein ganzheitliches Leben nach Gottes Willen und nicht um das Einhalten bestimmter Regeln. Doch nun zurück zu der Geschichte, über die ich heute eigentlich sprechen will. Wir können in Matthäus 26,36-46 davon lesen. Jesus geht nach dem Passamahl und nach besagtem Gespräch mit seinen Jüngern in den Garten Gethsemane. Dort nimmt er drei seiner Jünger zur Seite, damit sie mit ihm wach bleiben und beten würden für die bevorstehende Zeit. Wir lesen ab Vers 39: «Jesus ging ein paar Schritte weiter, warf sich nieder und betete: ‘Mein Vater, wenn es möglich ist, dann lass den Kelch an mir vorübergehen und erspare mir dieses Leiden! Aber nicht was ich will, sondern was du willst, soll geschehen.’ Dann kam er zu den drei Jüngern zurück und sah, dass sie eingeschlafen waren. Er weckte Petrus und rief: ‘Konntet ihr denn nicht eine einzige Stunde mit mir wachen? Bleibt wach und betet, damit ihr der Versuchung widerstehen könnt.’» (Matthäus 26,39-41a HFA). Jesus zieht sich daraufhin nochmals zwei Mal zurück und betet insgesamt drei Mal das selbe Gebet. Jedes Mal trifft er die Jünger schlafend an. Nachdem Jesus das dritte Mal gebetet hat «nicht was ich will, sondern was du willst, soll geschehen», weckt er die drei Jünger. Es folgt der Verrat durch Judas und Jesus tritt seinen Leidensweg bis hin zum Kreuz an. Jesus hat sich nicht zum Gebet zurückgezogen, weil er dachte, es wäre ganz nett noch eine kleine Gebetszeit mit seinen engsten Freunden abzuhalten. Ich bin überzeugt, dass diese Gebetszeit essenziell war für das, was danach geschah. Jesus war ganz Gott, aber er war auch ganz Mensch und als solcher war auch er, genau so wie jeder von uns, der Versuchung ausgesetzt und gezwungen zu überwinden. Dass Jesus es schaffte, schlussendlich in allem Gottes Willen über seine eigenen Bedürfnisse zu stellen, bedurfte seinen vorangegangenen Beschluss. Diesen Beschluss hat Jesus in dieser Nacht in Gethsemane im Gebet getroffen. Ich möchte den letzten Teil des Abschnitts nochmals lesen. Da spricht Jesus nämlich selbst aus, wozu dieses Gebet dient. «’Bleibt wach und betet, damit ihr der Versuchung widerstehen könnt.’» (Matthäus 26,41a, HFA). Das ist für das Gebet von Jesus genauso der Beweggrund, wie es auch für die Jünger der Grund sein sollte, wach zu bleiben und zu beten. In diesen Stunden im Garten in denen Jesus voller Angst und Verzweiflung betete, hat er den festen Entschluss gefasst, sich all dem Schmerz, der kommen wird, hinzugeben. Er hat dort auf den Knien den Entschluss gefasst, den Willen seines Vaters über jedes menschliche Verlangen zu stellen. Jesus wollte nicht gedemütigt werden und auf schmerzvollste Art und Weise hingerichtet werden. Er äussert in seinem Gebet so klar, dass er sich zutiefst gewünscht hätte, es gäbe einen anderen Weg. Jesus, unser grosses Vorbild im Glauben, auch er musste überwinden. Überwunden hat Jesus nicht, weil er als Gottes Sohn eine übernatürliche Stärke hatte in herausfordernden Situationen zu überwinden, sondern durch seine menschliche Hingabe im Gebet. Auch er musste sich in Zeiten des Gebets ausrüsten lassen mit der Kraft Gottes. Wir wissen nicht, was geschehen wäre, wenn Petrus wach geblieben wäre, um zu beten. Wenn wir jedoch annehmen, dass Jesus es ernst meinte und Recht hatte damit, dass sie beten sollten, um der Versuchung zu widerstehen, wäre es meiner Meinung nach die logische Konsequenz, dass auch Petrus überwunden hätte und nicht geleugnet hätte, Jesus zu kennen. Für mich ist das ein Prinzip der Nachfolge. Es gibt immer wieder Versuchungen in unserem Leben. Vielleicht kennt ihr, wie ich, dass es gewisse Versuchungen gibt, denen wir immer wieder nachgeben. Das, obwohl wir wüssten, was das Richtige wäre und obwohl wir so sehr diese Versuchung endlich ein für alle Mal überwinden wollen. Nachfolge bedeutet auch diese Versuchungen zu überwinden und immer mehr ein heiliges Leben zu führen. Überwinden werden wir jedoch nicht in der Situation selbst. Überwindung passiert durch den Entschluss im Gebet in diesen Lebensbereichen Gottes Willen über unseren eigenen Willen zu stellen. Die Versuchung vor der Ehe mit deinem Partner ins Bett zu gehen, überwindest du nicht, wenn ihr gerade alleine zuhause seid und euch einen tollen Film gemeinsam anschaut. Die Versuchung schlecht über andere zu sprechen, überwindest du nicht, wenn jemand zu dir kommt und schlecht über jemanden spricht. Oder auch viel subtiler: Die Versuchung auf dein eigenes Können, deine eigene Versorgung und deine eigenen Fähigkeiten nur zu vertrauen, überwindest du nicht Ende Monat, wenn du deinen Kontostand betrachtest und überlegst, was du mit deiner Zeit und deinem Geld tun willst. Was auch immer die Versuchung in deinem Leben ist, du überwindest sie im Gebet.
Nicht aus eigener Kraft
Wenn wir nämlich beginnen diese Siege im Gebet zu erringen, anerkennen wir, dass wir nicht aus unserer eigenen Kraft heraus überwinden können. Ich habe euch bis jetzt die zweite Hälfte von Vers 41 vorenthalten. Da steht: «’Bleibt wach und betet, damit ihr der Versuchung widerstehen könnt. Ich weiss, ihr wollt das Beste, aber aus eigener Kraft könnt ihr es nicht erreichen’.« (Matthäus 26,41b, HFA). Gerade wenn du sagst, du bist vom Typ her nicht die Person, um stundenlang zu beten. Wenn du findest, es ist nicht nach deinem Geschmack, in der Kleingruppe 15 Minuten gemeinsam still zu werden vor Gott. Wenn du sagst, du seist halt eher der Worshiper, der Praktiker oder der Geber. Wenn es dir unheimlich schwer fällt, deiner stillen Zeit genügend Raum im Alltag einzuräumen, genau dann glaub ich, spricht dir Jesus heute Morgen so liebevoll zu: ‘Ich weiss, du willst das Beste, aber aus eigener Kraft kannst du es nicht.’ Er braucht nicht dein Gebet, du brauchst es. Es tut mir sehr leid, das so deutlich sagen zu müssen: beim Gebet geht es nicht in erster Linie um deine Erbauung. Es geht auch nicht darum, ob es dir unheimlich viel Spass macht oder ob es dir etwas gibt. Im Gebet geht es darum anzuerkennen, dass du es allein nicht schaffst. Es geht um das Bekenntnis, dass Gott in deinem Leben mehr vermag zu tun, als du es je selbst erreichen könntest. Franz von Sales sagte dazu: «Nimm dir jeden Tag eine halbe Stunde Zeit zum Gebet, ausser wenn du viel zu tun hast, dann nimm dir eine Stunde Zeit.» Gott kann durch eine halbe Stunde ehrliches Gebet mehr in deinem Leben verändern, als du es selbst je könntest durch alle Anstrengungen. Wenn selbst Jesus es nötig hatte, sich im Gebet auszurüsten, wieviel mehr benötigen wir es? Jesus hätte genauso gut sagen können, dass er hätte schlafen sollen, um sich auszurüsten für die kräftezerrenden Stunden, aber scheinbar wusste er, dass Gott mehr Kraft zu schenken vermag als ein paar Stunden Schlaf. Es kann gut sein, dass es uns etwas kostet, auf die Knie zu fallen und entschlossen zu beten. Was aber dafür auf uns wartet ist pure Freiheit. Freiheit vor der Sünde und die Freiheit zu wissen, dass Veränderung, dass das Überwinden, nicht aus unserer eigenen Kraft passiert. Es ist die Kraft Gottes, die durch das Gebet in uns wirkt, bevor sie in der Versuchung durch uns wirkt. Ich will mir selbst angewöhnen, wenn ich wieder falle und der Versuchung nachgebe, nicht in Selbstverurteilung zu fallen, denn Gott verurteilt mich ebenfalls nicht dafür. Vielmehr will ich auf meine Knie gehen und im Gebet um den Entschluss ringen, das nächste Mal in der Situation Gottes Willen zu folgen und der Versuchung zu widerstehen. Nachdem Petrus versagt hat, nachdem er drei Mal verleugnet hat Jesus zu kennen, begegnet Jesus ihm voller Gnade. Er stellt Petrus in seiner Identität wieder her und gibt ihm neu den Auftrag, dass auf ihm als Fels die Gemeinde von Jesus gebaut werden soll. Ich glaube Petrus hat seine Lektion gelernt. In der Nacht, als Jesus verraten wurde, hatte er nicht die Stärke sich zu Jesus zu bekennen. Einige Jahre später schafft er es zu überwinden. Petrus stirbt den Märtyrertod. Er steht zu Jesus und wird als Konsequenz davon hingerichtet. Ich weiss, das klingt nicht gerade erstrebenswert, aber ich bin mir sicher, was er dadurch gewonnen hat, wiegt viel mehr, als der Schmerz, den er erleiden musste.
Sich jemandem anvertrauen
Ich finde in der Szene im Garten Gethsemane und den Geschehnissen rundherum zeigt sich das Wesen Gottes als liebenden Vater. Er sehnt sich leidenschaftlich danach, dass wir seinem Willen gehorchen, weil er das Beste aus uns herausholen will. Er weiss aber, dass wir dies nicht aus eigener Kraft tun können, darum gibt er uns das Werkzeug in die Hand, damit wir es aus seiner Kraft heraus vermögen. Und selbst wenn wir dennoch scheitern, wartet er voller Gnade mit offenen Armen auf uns und richtet uns wieder auf. Heute möchte ich dich besonders ermutigen, während der Lobpreiszeit, nach dem Gottesdienst oder während eures nächsten Kleingruppenabends, Gebet in Anspruch zu nehmen. Als Jesus sich zum Gebet zurückzieht, lesen wir folgendes über ihn: «Petrus und die beiden Söhne von Zebedäus – Jakobus und Johannes – nahm er mit. Angst und tiefe Traurigkeit überfielen Jesus, und er sagte zu ihnen: ‘Ich zerbreche beinahe unter der Last, die ich zu tragen habe. Bleibt hier und wacht mit mir!’« (Matthäus 26, 37-38, HFA). Jesus als Lehrer, Leiter und grosses Vorbild, zeigt sich seinen Jüngern in seiner eigenen Schwachheit und Verletzlichkeit. Damit setzt er ein für alle Mal ein Zeichen, dass jeder von uns, egal wie stark wir gegen aussen wirken, zutiefst bedürftig sind und Gottes Eingreifen und auch den Beistand anderer benötigen.
Mögliche Fragen für die Kleingruppe
Lest gemeinsam den Abschnitt in Matthäus 26, 36-46
- Gibt es etwas, was dir während der Predigt oder in der Zeit danach aufgegangen ist, ein Lebensbereich, bei dem du immer wieder scheiterst oder in dem du den Willen Gottes missachtest oder der dich herausfordert und du im Gebet angehen willst?
- Wie erlebst du deine persönliche Gebetszeit? Fällt es dir leicht im Gebet dranzubleiben? Welche Herausforderungen erlebst du dabei (und wie könntest du diesen entgegenwirken)?
- Bist du grundsätzlich eher zufrieden mit deinem Lebensstil und fällt es dir eher schwer verbesserungswürdige Bereiche zu erkennen oder fällt es dir im Gegenteil eher schwer gnädig mit dir selbst zu sein und nicht in Selbstzweifel zu versinken?
- In welchen Bereichen deines Lebens versuchst du Veränderung durch eigene Leistung und eigenen Bemühungen zu erlangen, anstatt auf die verändernde Kraft Gottes zu vertrauen?
- Hast du jemandem, dem du dich in deiner grössten Schwachheit und deiner Verletzlichkeit anvertrauen kannst?