Nachfolger sind Botschafter
Serie: Folge du mir nach | Bibeltext: Lukas 10,1-21
Jeder Nachfolger wurde zu Jesus gerufen, um von dort ausgesendet zu werden. Der lateinische Begriff dafür heisst Missio Dei (von Gott gesendet). Beim Weitergeben des Evangeliums (=gute Nachricht) kommt es entscheidend auf die Motivation an. Die einzige Triebfeder, die zu guten Resultat führt, beschreibt Jesus mit folgenden Worten: Freut euch, dass eure Namen im Himmel aufgeschrieben sind.
Die ersten neun Kapitel des Lukasevangeliums befassen sich hauptsächlich mit der Frage, wer Jesus ist. Dann erfolgt ein Wechsel und die Frage lautet nun: Was bedeutet es für die Menschen, wenn Jesus tatsächlich Gottes Sohn ist? Die Antwort: Nachfolger sein! In diesem Zusammenhang gibt Jesus jedem einzelnen Nachfolger drei Dinge: eine Mission, eine Botschaft und eine Motivation.
Mission
«Daraufhin wählte der Herr zweiundsiebzig andere Jünger aus und schickte sie zu zweit voraus in alle Städte und Dörfer, die er aufsuchen wollte [...] Nun geht und denkt daran, dass ich euch wie Lämmer unter die Wölfe schicke» (Lukas 10,1+3 NLB).
In Lukas 9,1 sandte Jesus seine zwölf Jünger aus, um zu predigen, Dämonen auszutreiben und Kranke zu heilen. Das gleiche tat auch Jesus: Er überzeugte Menschen von der Wahrheit, er befreite sie von den Dingen, die sie versklavten, und er heilte sie. Jesus arbeitete daran, dass zerrissene und zerfranste Gewebe der Welt zu flicken. Wenn wir nur Kapitel 9 hätten, würden wir sagen, dass es die Kleriker, die Angestellten der Kirche sind, die kommunizieren und die grossen Dinge tun. Wir bezahlen sie und ermutigen sie, fröhlich und erfolgreich zu sein. Doch nun ruft Jesus 72 weitere Nachfolger zusammen und stattet sie mit demselben Auftrag aus. Nachfolger von Jesus sein bedeutet, durch Jesus nah an Gottes Herz zu kommen, um von dort ausgesendet zu werden. Die Einladung in Gottes Nähe und die Sendung in die Welt ist der Grundrhythmus der Nachfolge. Jesus segnet Menschen, damit sie ein Segen sein können. Er ruft, um auszusenden. Er heilt, um Agenten der Heilung in die Welt zu senden. Das lat. Wort für Sendung heisst Mission. Jeder Nachfolger – nicht nur die Kleriker – ist in Mission. Bevor ein Mensch Gott begegnet, ist er mit sich selbst beschäftigt und absorbiert. Doch Jesus kümmert sich um unsere Schuld und um unsere Scham, gibt Sinn und Bedeutung und befriedigt zutiefst die Sehnsucht unseres Herzens. Auch wenn wir das nur teilweise verstanden und erfahren haben, gibt es keine Entschuldigung mehr, von den eigenen kleinen Problemen absorbiert zu sein. Ein Nachfolger ist gesendet, um ein heilender Agent Gottes zu sein, um das zerrissene Gewebe der Welt neu zu machen.
Der Fokus eines Nachfolgers liegt auf den Menschen aller Ethnien. In der Septuaginta, der griech. Übersetzung des Alten Testaments, werden in der Völkertafel von 1. Mose 10 genau 72 Nationen aufgezählt. Wenn Jesus abgezählte 72 Nachfolger aussendet, hat Er also die ganze Welt im Blickfeld.
«Denn wir sind Gottes Schöpfung. Er hat uns in Christus Jesus neu geschaffen, damit wir die guten Taten ausführen, die er für unser Leben vorbereitet hat» (Epheser 2,10 NLB). Das ist faszinierend: Jesus Christus hat in dir Taten vorbereitet, die nur du tun kannst. Deine Erfahrungen, deine Freude, dein Kummer, deine Nationalität, dein Alter, dein Geschlecht, deine Gabenkombination sind einzigartig. Es gibt Hände, die nur du halten kannst, es gibt Bedürfnisse, denen nur du begegnen kannst, es gibt Dämonen, die nur du austreiben kannst. Es gibt Leute, die Gott dafür vorbereitet hat, dass du ihnen Heilung bringst.
Botschaft
Nachfolger von Jesus sind auf einer Mission mit einer Botschaft. Es ist wichtig zu verstehen, dass sie nicht nur reden, sondern die besten Nachbarn sein sollen (Lukas 10,30-37). Heute lege ich den Fokus aber auf die Botschaft. Die 72 Nachfolger sollen sagen: «[...] Das Reich Gottes ist nahe bei euch» (Lukas 10,9 NLB). Und wenn sie nicht hören wollen: «Vergesst nicht, dass das Reich Gottes nahe ist!» (V.11 NLB).
Jedem Nachfolger Jesu wurde eine Botschaft gegeben, die er öffentlich verkünden und alle auffordern soll, sie zu glauben. Das ist hochbrisant. Viele Zeitgenossen würden sagen: «Ich habe nichts dagegen, wenn du an Jesus glaubst. Aber erhebe keinen absoluten Wahrheitsanspruch und versuche nicht, andere Menschen zu konvertieren.» Das Problem ist folgendes: ein Nachfolger ist ausgesendet, das Evangelium zu verkündigen. Obwohl Jesus an dieser Stelle das Wort Evangelium nicht explizit braucht, setzt er es oft ein: «Gehet hin in alle Welt und predigt das Evangelium aller Kreatur» (Markus 16,15 LUT).
Der Begriff «Evangelium» meint die Nachricht von einem objektiven, geschichtsverändernden Ereignis, das die Situation aller Menschen verändert, und auf die jeder und jede reagieren muss. Es gibt ein Dokument, dass mit den Worten startet: Das ist das Evangelium von Cäsar Augustus. Es war die Erklärung, dass Augustus als römischer Kaiser den Thron bestiegen hatte. Sofort wurden Herolde ausgesendet, um überall das Evangelium zu verkündigen. Es war die Bekanntmachung eines geschichtsverändernden Ereignisses, das alle betraf. Niemand im Römischen Reich konnte sagen: «Vielleicht ist er dein Kaiser, meiner ist er nicht.» Jede Person musste mit dem Ereignis zurechtkommen.
Im Jahr 490 v.Chr. drangen die Perser in Griechenland ein und es kam zur Schlacht von Marathon. Zur Überraschung aller gewannen die Griechen. Bei einem Sieg der Perser wären die Athener wehrlos gewesen. Um zu verhindern, dass in Athen eine Panik ausbricht, mussten sie möglichst bald das Evangelium hören. Es war ein unbeschreibliches geschichtsveränderndes Ereignis geschehen, welche für alle Athener relevant war. Deshalb sendeten sie einen Läufer aus. Dieser rannte den ganzen 42km langen Weg von Marathon nach Athen. Alles, was er sagen konnte, war: «Freut euch, wir haben gewonnen!» Dann fiel er von der Anstrengung gezeichnet tot um.
Wenn Jesus nur ein Prophet Gottes wäre, könnte man seine Botschaft als Ratschlag betrachten, den man annehmen oder ablehnen kann. Doch Jesus beansprucht mehr: «Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen!» (Lukas 10,18 NLB). Das bedeutet, dass Jesus vor Grundlegung der Welt war. Er ist kein Geschöpf, sondern der Schöpfer. Er ist Gott. Wenn das stimmt, dann bedeutet sein Kommen tatsächlich Evangelium, eine geschichtsverändernde Tatsache, die von allen Menschen eine Antwort erfordert.
Motivation
Das Evangelium von Jesus erhebt den Anspruch, dass jemand eine neue Weltsicht einnimmt und sein Leben verändert. Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Entscheidend dabei ist die Motivation des gesendeten Botschafters. Bei falschem Antrieb bekommt die gute Nachricht einen destruktiven Charakter.
Über die Rückkehr der Nachfolger steht: «Als die zweiundsiebzig Jünger zurückkehrten, berichteten sie ihm voller Freude: ‘Herr, sogar die Dämonen gehorchen uns, wenn wir sie in deinem Namen austreiben!’» (Lukas 10,17 NLB). Jesus mag diese Beweggründe nicht und entgegnet: «Aber freut euch nicht darüber, dass böse Geister euch gehorchen, sondern freut euch, dass eure Namen im Himmel aufgeschrieben sind» (Lukas 10,20 NLB).
Was ist falsch daran, sich darüber zu freuen, dass die bösen Geister einem gehorchen? Das Problem war, dass sie sich nicht über die Freiheit der Menschen freuten, sondern über sich selbst, ihre Vollmacht über Dämonen. Sie glaubten, dadurch etwas zu sein. In der Antike war man jemand, wenn sein Name geschrieben war. In jeder Stadt gab es eine Rolle, auf der die Namen der Bürger aufgeschrieben waren. Nur die Bürger der Stadt waren Menschen mit Namen. Die anderen Bewohner waren Diener, Bauern und Angestellte. Freut euch, dass ihr Bürger des Himmels seid!
Nachfolger von Jesus sollen ihr Selbstbewusstsein nicht aus ihrer Begabung, Vollmacht, Leistung oder Errungenschaft beziehen. Das würde zu dem führen, was den Satan zu Fall brachte, nämlich Stolz. Wer aus dieser Triebfeder handelt, kann das zerrissene und zerfranste Gewebe de Welt nicht reparieren. Wer seinen Wert aus seinem Dienst holt, wird Druck auf die Menschen ausüben und sie manipulieren. Die Menschen werden dann zu Trophäen, die man braucht, um sich gut zu fühlen. Wenn Menschen ablehnend sind, bedrohen sie unsere Persönlichkeit, unser Jemand-Sein. Jakobus und Johannes erlebten dies und fragten Jesus: «Herr, sollen wir Feuer vom Himmel regnen lassen und sie verbrennen?« (Lukas 9,54 NLB). Mit vollem Recht fürchten sich Menschen der Welt vor religiösen Menschen mit falscher Motivation.
Jesus sieht genau diese Tendenzen bei dieser Gruppe und fordert sie heraus, sich nicht an ihren Gaben, Leistungen und Vollmacht zu freuen. Die Menschen damals glaubten, dass im Jüngsten Gericht ein Buch geöffnet wird, in dem alle Dinge aufgeschrieben sind, die wir getan haben. Wenn die guten Taten überwiegen, wird unser Name ins Buch des Lebens geschrieben. Das ist Religion. Jesus bedient sich des Evangeliums und sagt: «Dein Name ist schon geschrieben!» Wenn ein Mensch zum Nachfolger von Jesus geworden ist, dann ist sein Name geschrieben. Und so lautet das Evangelium: Freue dich nicht an dem, was du tust, sondern an dem, was du in Jesus bist. Du bist schon angenommen! Unabhängig davon, wie du von nun an lebst, unabhängig deiner Leistung, unabhängig davon, ob Menschen dir glauben oder nicht. Freue dich an dem, wer du bist in mir – und du bist immer auf der sicheren Seite. Absolut angenommen. Diese Motivation ist beständig und macht uns freundlich und mutig. Mutig, weil wir das Evangelium unabhängig von dem, was Menschen denken, verkündigen. Freundlich, weil mein Name im Himmel geschrieben ist, selbst dann, wenn mich Menschen ablehnen.
Nachdem das Volk Israel am Sinai nach dem Auszug aus Ägypten das Goldene Kalb erstellt hatte, wurde Gott zornig. Daraufhin bittet Mose: «Doch ich bitte dich, vergib ihnen ihre Sünde – wenn nicht, dann streiche mich aus dem Buch, das du führst» (2Mose 32,32 NLB). Gott antwortet: «[...] Ich werde nur die aus meinem Buch streichen, die gegen mich gesündigt haben [...] Nun geh und führe das Volk an den Ort, den ich dir genannt habe. Mein Engel wird euch führen» (2Mose 32,33+34 NLB). Für Mose war klar, dass ein gerechter Gott die Tat des Volkes nicht übersehen konnte und sie aus dem Buch streichen musste. Dennoch liebte er seine Leute und wollte, dass sie gerettet werden. Er war bereit, die Strafe auf sich zu nehmen. Gott sagt: «Es ist wahr. Ich kann Sünde nicht übersehen. Ich muss sie streichen. Aber ich werde sie weiterhin führen.» Dieses Massnahme macht nur Sinn im Hinblick auf den ultimativen Mose, der kommen wird. Es war Jesu Name, der aus dem Buch gestrichen wurde. Am Kreuz zitierte er Psalm 22: «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?» Dann: «Ich aber bin ein Mensch, kein Wurm [...]» Weil sein Name aus dem Buch gestrichen wurde, konnte mein Name hineingeschrieben werden. Daraus entsteht die einzige Motivation, die niemals übergriffig oder ausbeutend ist, und mit der wir freudig auf unserer Mission den Menschen das Evangelium bringen können.
Mögliche Fragen für die Kleingruppe
Bibeltext lesen: Lukas 10,1-21
- Wie erlebst du den Zweiklang des Gerufen- und Gesendet-Seins? Was beinhaltet die Sendung (Mission)?
- Gott hat sich uns derart angenommen, dass wir nicht mehr von uns selbst absorbiert sein sollen. Wie erlebst du das in deinem Leben?
- Was ist die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Evangelium? Glaubst du zutiefst, dass das Kommen von Jesus auf diese Welt Evangelium ist?
- Wie siehst du das mit dem Absolutheitsanspruch des Evangeliums in einer – wie wir sagen – toleranten Welt? Dürfen Christen mit ihrer Botschaft einen solchen erheben?
- Worauf baut eine Motivation, die sich daran freut, dass unsere Namen im Himmel aufgeschrieben sind. Was für Folgen hat es, wenn wir das wirklich glauben bezüglich unseres Mutes und unserer Freundlichkeit?