Liebe – grösser als spektakuläre Wunder
Serie: Heilig - Heilig - Heilig | Bibeltext: 1. Korinther 16,14
Die Jahreslosung 2024 wurde ursprünglich der Kirche von Korinth gesagt: «Alles, was ihr tut, soll in Liebe geschehen» (1Korinther 16,14 NLB). Im Kontext der damaligen Gegebenheiten bekommen diese Worte grosse Brisanz. Das viel grössere Wunder als spektakuläre geistliche Gaben ist die Liebe. Geistliche Gaben wachsen nicht zwingend auf dem Boden des Evangeliums, die Liebe hingegen schon. Ohne Liebe erstickt der Glaube – sie ist die Atemluft des Glaubens.
Die Jahreslosung 2024 scheint lapidar: «Alles, was ihr tut, soll in Liebe geschehen» (1Korinther 16,14 NLB). «Ist doch klar!», werden die meisten zustimmen. Auch wir sagen gerne mal zu den streitenden Kindern: «Seid lieb miteinander!» Ein solcher Satz ist schnell dahingesagt. Alles, was ihr tut, soll in Liebe geschehen, meint nicht, mit dem Mantel der Liebe alle Konflikte zudecken. Und «Ist doch klar!» heisst noch lange nicht: «Geht klar!» Dazwischen liegen Welten. Paulus schreibt diesen herausfordernden Satz am Ende des 1. Korintherbriefes. Es gehen also 15 Kapitel voraus, u.a. das weltbekannte Hohelied der Liebe.
Die Geschichte
Korinth ist eine Stadt auf einer 7 km breiten Landenge in der Mitte von Griechenland. Die oberen Provinzen sind durch diese Landenge mit den unteren verbunden. Korinth war ein Handelszentrum und der ideale Ort, um Geld zu verdienen. Auch für die Seefahrer, war Korinth ein Durchgangsort. Alle, die mit dem Schiff von Osten nach Westen wollten, konnten ihre Ware in Korinth nach einem kurzen Landtransport auf ein anderes Schiff laden und ihre Reise fortsetzen. Alternativ dazu mussten sie hunderte von Kilometern um das Südende von Griechenland fahren. Wer mit Waren handelte, kam an Korinth nicht vorbei.
Weil Korinth sich gegen das römische Reich aufgelehnt hatte, wurde die Stadt 146 v.Chr. von den Römern zerstört und dem Erdboden gleichgemacht. Die nächsten 100 Jahre lebte niemand hier. Dann stellte Julius Cäsar eine römische Garnison in Korinth und entschied, eine römische Kolonie zu gründen. Bis Paulus den Korintherbrief schrieb, gingen weitere 100 Jahre ins Land. Während dieser Zeit explodierte Korinth vom Nichts in eine der grössten Städte der damaligen Welt. Einzigartig war, dass es keine ursprüngliche Bevölkerung gab und damit auch keine Aristokratie und Tradition. Die Leute, die nach Korinth kamen, wollten Erfolg haben und Geld machen. Oberhalb von Korinth gab es einen Berg, auf dem der Tempel der Aphrodite stand. Während jeder Nacht kamen 1000 Prostituierte herab in die Stadt, um sich anzubieten. Die Stadt war dicht besiedelt, divers, multiethnisch, erfolgsorientiert und sexbesessen. In der damaligen Zeit entstand das Verb korinthisieren. Es meint, in völliger moralischer Verderbtheit zu leben, ohne sich an Regeln zu halten.
Korinth ist also der letzte Ort, von dem wir denken, dass Menschen zu Gott umkehren. Doch Gott versprach Paulus, dass er ausgerechnet hier eine Kirche pflanzen wird (Apostelgeschichte 18,9). Diese Kirche war für Paulus einzigartig, weil es ein Zeichen für ihn war, dass das Evangelium wirklich jeden verändern kann. Auf einer Liste führt er auf, was für Leute hier waren: «[...] Menschen, die sich auf Unzucht einlassen, Götzendiener, Ehebrecher, Prostituierte, Homosexuelle, Diebe, Habgierige, Trinker, Lästerer, Räuber [...] Früher traf dies auf einige von euch zu, doch jetzt sind eure Sünden abgewaschen und ihr seid für Gott ausgesondert worden. Ihr wurdet vor Gott gerecht gesprochen durch den Namen von Jesus Christus, dem Herrn, und durch den Geist Gottes» (1Korinter 6,9-11 NLB).
Diese Leute hatten keinen gut bürgerlichen Hintergrund. Sie taten alles, was Gott verbietet. Doch gleichzeitig war es die begabteste Kirche überhaupt. Diese Christen waren in der Lage, einen Unterschied zu machen, hatten grossartige Redebegabung und Erkenntnis, taten grosse Wunder und waren starke Visionäre. Die Korinther waren die brillanteste und zugleich die herausforderndste Kirche.
Die Bombe
Genau in diese Genialität hinein, zündet Paulus eine Bombe: «Wenn ich in den Sprachen der Welt oder mit Engelszungen reden könnte, aber keine Liebe hätte, wäre mein Reden nur sinnloser Lärm wie ein dröhnender Gong oder eine klingende Schelle. Wenn ich die Gabe der Prophetie hätte und wüsste alle Geheimnisse und hätte jede Erkenntnis und wenn ich einen Glauben hätte, der Berge versetzen könnte, aber keine Liebe hätte, so wäre ich nichts. Wenn ich alles, was ich besitze, den Armen geben und sogar meinen Körper opfern würde, damit ich geehrt würde, aber keine Liebe hätte, wäre alles wertlos» (1Korinther 13,1-3 NLB).
Wir können eine Menge allgemeine und sogar wundersame Gaben und gleichzeitig keine Liebe haben. Und das bedeutet, dass jemand nicht einmal nur geistlich unreif, sondern geistlich nicht existiert. Alles, was wir ohne Liebe tun, ist Lärm für Gott. Es ist möglich, die gleichen Wunder wie Jesus zu tun, ohne dass wir die rettende Gnade Gottes in unserem Herzen erfahren haben. Nicht die Geistesgaben sind das Problem, sondern die fehlende Liebe. Paulus erwähnt nämlich ein paar Sätze später, dass er mehr in Zungen rede als die Korinther (1Korinther 14,18).
Träumen wir nicht alle davon, in einer Kirche zu sein, in der Zeichen, Wunder und Heilungen geschehen? Wäre es nicht wunderbar, Mitglied in der Gemeinde in Korinth zu sein? Paulus torpediert solches Denken diametral. Der Heilige Geist kann Gaben in Personen benutzen, die ihr Herz nie dem HERRN gegeben haben. Autorität im Namen Jesu Christi allein taugt nicht als Zeichen für echte Jesus-Nachfolge. Äusserlicher geistlicher Erfolg ist kein Beweis dafür, dass ein Mensch wiedergeboren und das Recht hat, sich als ein Kind Gottes zu bezeichnen.
Übrigens vertrat bereits Jesus die gleiche Meinung. Zu Menschen, die in seinem Namen prophezeit, Dämonen ausgetrieben und Wunder getan hatten, sprach Er: «Ich habe euch nie gekannt. Fort mit euch. Ihr lebt nicht nach Gottes Gebot» (Matthäus 7,23 NLB). Das ist ein frontaler Angriff gegen die verbreitete Meinung, dass nur Christen Wunder tun können. Viele denken, dass wenn säkulare Menschen Wunder tun, diese durch Satan bewirkt wurden. Nein, der Heilige Geist kann durch einen Menschen allgemeine und im Besonderen auch wundersame Gaben bewirken, ohne dass in dessen Herzen notwendigerweise die rettende Gnade sein muss.
Gaben, auch geistliche, beruhen nicht zwingend auf dem Boden des Evangeliums und der Gnade Gottes. Aber geistliche Frucht braucht diesen Boden. Die Liebe gehört zur sogenannten Geistesfrucht (Galater 5,22f), deshalb ist sie wundersamer als ein Wunder. Das Erkennungsmerkmal echten Christenlebens ist die Liebe. Jesus sagt: «So gebe ich euch nun ein neues Gebot: Liebt einander. So wie ich euch geliebt habe, sollt auch ihr einander lieben. Eure Liebe zueinander wird der Welt zeigen, dass ihr meine Jünger seid» (Johannes 13,34f NLB). Ohne Liebe erstickt der Glaube – sie ist die Atemluft des Glaubens.
Die Liebe
«Alles, was ihr tut, soll in Liebe geschehen» (1Korinther 16,14 NLB). Was könnte das für uns bedeuten?
Die Kirche in Korinth war brillanter, aber für Paulus auch besorgniserregender als alle anderen. Das Hohelied der Liebe spricht die Problemzonen in Korinth an: «Die Liebe ist geduldig und freundlich. Sie ist nicht neidisch oder überheblich, stolz oder anstössig. Die Liebe ist nicht selbstsüchtig. Sie lässt sich nicht reizen, und wenn man ihr Böses tut, trägt sie es nicht nach. Sie freut sich niemals über Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich immer an der Wahrheit. Die Liebe erträgt alles, verliert nie den Glauben, bewahrt stets die Hoffnung und bleibt bestehen, was auch geschieht. Die Liebe wird niemals aufhören [...]» (1Korinther 13,4-8 NLB). Die Liebe überwindet und ersetzt jegliches moralisches und charakterliches Versagen. Vermutlich steht deshalb im Petrusbrief, dass die Liebe viele Sünden zudeckt (1Petrus 4,8). In unserer Welt ist es normal, dass Menschen mit Meinungsverschiedenheiten sich aus dem Weg gehen. In der Kirche soll es anders sein. «Ich bete für sie alle, dass sie eins sind, so wie du und ich eins sind, Vater – damit sie in uns eins sind, so wie du in mir bist und ich in dir bin, und die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast» (Johannes 17,21 NLB). Allein die Liebe kann unsere Differenzen überwinden. Und unser Miteinander soll als Beweis dienen, dass Gott wirkt.
Einige von uns denken, dass sie nicht begabt sind und sich nicht gut artikulieren können. Vielleicht bist du frustrierst, weil du nicht für dies oder jenes ausgewählt und angefragt wirst. Sollte dies auf dich zutreffen, musst du wissen, dass Gaben nicht als Messlatte für die Qualität des Christseins tauglich sind. Gaben sind limitiert, es gibt immer Menschen, die noch begabter sind. Doch die Gnade in deinem Herzen hat unlimitiertes Potenzial. Nicht alle in diesem Raum können gute Redner sein. Aber als Nachfolger von Jesus, mit seiner rettenden Gnade im Herzen, kannst du die liebevollste, demütigste und gnädigste Person werden. Und genau dies wird die Welt verändern. Deshalb: Setze auf die Liebe und nicht auf die Gaben.
Andere von uns sind begabte Teamleiter, reden vor Menschen, sind Hirten einer Kleingruppe oder leiten ein Bibelstudium. Man kann alle diese Dinge tun und doch nichts sein. Die Gefahr des begabten Tuns für Christus, liegt darin, dass man sein Christsein und seine Identität über den Erfolg definiert. Meine Berufung zum Pastor der seetal chile vor 17 Jahren war ziemlich umstritten. Ich erinnere mich genau, wie mir eine ältere, in der Gemeinde angesehene Person mit folgenden Worten die Stange hielt: «Er hat erfolgreich bei der Jugendbewegung JMS gearbeitet. Ganz falsch kann es nicht sein.» Wenn ich heute manchmal in Frage gestellt werde, ertappe ich mich, wie ich denke oder sage: «Ich glaube, Gott ist mit mir. Schau auf meinen Erfolg. Schau auf die Menschen, denen ich geholfen habe. Schau auf meine Begabung.» Ich kann in meinem Herzen kalt gegenüber Gott sein, voll von Selbstmitleid, vielleicht bitter und zornig gegenüber Menschen, gefüllt mit Selbstbezogenheit, und dennoch eine vollmächtige Predigt halten. Das ist eine grosse Gefahr. Wenn wir denken, dass unsere Begabung, unser Erfolg in der Kirche ein Indikator ist, für das was im Herzen wirklich passiert, liegen wir falsch. Es ist so einfach, als christlicher Leiter oder Mitarbeiter die Identität aus dem Dienst zu holen anstelle von Jesus. Gott sagt: «Ich liebe dich, nicht aufgrund deiner Aktivität, sondern aufgrund meiner Gnade.» Das ist der helle Klang des Evangeliums!
Das Geheimnis der Liebe ist, dass Christus uns zuerst geliebt hat (1Johannes 4,19). Nicht seine Macht oder seine Heiligkeit, sondern seine Liebe brachten Jesus auf die Erde. Der Kern des Christseins ist nicht Macht, sondern Liebe, nicht Gaben, sondern Gnade. Als Jesus am Kreuz hing, verlor Er wegen der Liebe zu uns, die Liebe Seines Vaters. «Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?» (Matthäus 27,46 NLB). Wie schlimm muss das sein, wenn einem die wichtigste Bezugsperson verlässt? Wenn wir auf die Liebe schauen, die Ihn zu uns sandte, und auf die Liebe, die Er aus Liebe zu uns verlor, werden wir Ihm unser Herz geben. Je mehr wir die Liebe sehen, die Er gezeigt hat, je mehr werden wir die Liebe in unserem Leben wachsen sehen. Das bewahrt uns davor, lediglich ein dröhnender Gong oder eine klingende Schelle zu sein.
Mögliche Fragen für die Kleingruppe
Bibeltext lesen: Korinther 16,14; 1. Korinther 13
- Vergleiche die Kirche in Korinth mit der seetal chile. Was sind die Unterschiede? Fändest du es gut, wenn wir mehr Korinthianer bei uns hätten? Was wären die Folgen?
- Siehst du es auch so, dass jemand Wunder – selbst spektakuläre Heilungswunder – tun kann, ohne dass die Gnade Gottes in seinem Herzen ist?
- Was sind deine natürlichen bzw. geistlichen Gaben? Wie und wann übst du sie aus?
- «Alles, was ihr tut, soll in Liebe geschehen.» Gibt es konkrete Situationen oder Menschen, bei denen du im neuen Jahr danach leben willst?
- Wie kannst du das Wachstum der Liebe in deinem Herzen fördern?