Kirche – Übungsplatz für die persönliche Heiligung

Datum: 12. November 2023 | Prediger/in:
Serie: | Bibeltext: Kolosser 3,12-17, 1. Petrus 1,14-16,

Die Anforderungen an einen Nachfolger von Jesus Christus lesen sich im ersten Moment als reine Zumutung und teilweise auch als nicht verlockend – denn damit scheint man oftmals auf der Verliererseite zu sein. Werden diese aber in den Kontrast gestellt zu einem Leben mit gegenteiligen moralischen Vorstellungen, scheinen diese plötzlich sehr erstrebenswert. Die Kirche ist bei der Umsetzung dieser Dinge ein gutes Übungsfeld. Doch das Entscheidende ist nicht DASS wir versuchen diese Vorgaben zu halten, sondern unsere MOTIVATION. Diese sollte aus dem erwählt sein als Heilige und Geliebte Gottes ausgehen.


Zwei konkurrierende Städte – für welche entscheidest du dich?

Ich möchte euch zwei Städte vorstellen. Die eine ist die Stadt mit der Überschrift «Laissez-faire», die andere trägt den Spitznamen «Moral über allem». Ich möchte euch diese beiden Städte gerne skizzieren. Dabei ist die Aufgabe an euch gerichtet zu überlegen, in welcher von beiden Städten ihr gerne leben möchtet.

Zuerst zu unserer Stadt «Laissez-faire». In dieser Stadt gibt es keine Regeln – mach was du willst, ist hier das Motto. Hauptsache es stimmt für dich. Lebe dein Leben. Lebe deinen Traum. Ja es gibt keine Regeln. Nichts so etwas wie lebenslange Treue oder eine Ethik, welche besagt, dass Sexualität nur in die Ehe gehört – geschweige denn nur mit einer Person ausgelebt werden soll. Wenn du etwas tun willst, egal was – dann tue es. Leidenschaft ist der massgebende Motor. Jage dem Geld nach! Wenn dir jemand im Weg steht, dann schaffe ihn dir ruhig aus dem Weg, ärgere dich und lästere über ihn. Hauptsache dir geht es gut. In «Laissez-faire» bis du der Mittelpunkt – die anderen interessieren nur, solange sie nicht im Wege rumstehen.

Nun zur Stadt «Moral über allem». Dies ist eine Stadt, in der es gesittet zu und her geht. Die Schwachen, Armen und Gebeutelten stehen im Fokus. Mitleid, Erbarmen und Freundlichkeit gegenüber allen stehen zuoberst. Daneben ist es wichtig, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen und zu tun, was man selbst will, sondern seine Entscheidungen für das Wohl des Ganzen zu treffen. Daneben ist es wichtig immer schön sanft und geduldig zu reagieren. Ja niemanden vor den Kopf stossen. Die beiden wichtigsten Maxime lauten Liebe und Frieden.

In welcher Stadt möchtest du leben? Ich denke der Fall ist klar. Wer möchte schon in der ersten Stadt mit lauter Narzissten und Egoisten leben? Ja die Lebensweise mag auf den ersten Blick verlockend klingen, doch diese Praktiken reissen so manche Familie, Freundschaft und Stadt ins Verderben. Denn ungezügeltes sexuelles Verhalten und ein ausser Kontrolle geratener Sprachgebrauch führen schlussendlich immer zu Zerstörung von Beziehungen auf verschiedenen Ebenen. Manche mögen sich noch einreden, dass dies eine spassige Zeit sein könnte, doch eigentlich ist man auf sich allein gestellt und in dem Sinne verloren. Vielmehr anziehend ist die zweite Stadt, in der der Nächste gesehen und respektiert wird. Von diesen beiden Arten zu leben, lesen wir im Kolosserbrief. Die erste Stadt ist in Kolosser 3,5-9 beschrieben und die zweite in Kolosser 3,12-17. Den ersten Teil davon wollen wir nun gemeinsam lesen. «Da Gott euch erwählt hat, zu seinen Heiligen und Geliebten zu gehören, seid voll Mitleid und Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftheit und Geduld. Seid nachsichtig mit den Fehlern der anderen und vergebt denen, die euch gekränkt haben. Vergesst nicht, dass der Herr euch vergeben hat und dass ihr deshalb auch anderen vergeben müsst. Das Wichtigste aber ist die Liebe. Sie ist das Band, das uns alle in vollkommener Einheit verbindet. Euren Herzen wünschen wir den Frieden, der von Christus kommt. Denn als Glieder des einen Leibes seid ihr alle berufen, im Frieden miteinander zu leben. Und seid immer dankbar!» (Kolosser 3,12-15 NLB). Wir wollen uns heute Morgen mehr mit dieser Art und Weise auseinandersetzen.

Oftmals scheinen die von den biblischen Autoren und von Jesus Christus selbst verlangten ethischen und moralischen Forderungen als zu weit weg. Doch wenn wir diese dem Gegenteil gegenüberstellen, dann merken wir, dass wir uns grundsätzlich nach diesen sehnen.

Dabei hat es nichts mit Schwäche zu tun, wenn versucht wird nach diesen Moralvorstellungen zu leben. Der englischsprachige Theologe N.T. Wright schreibt dazu «Menschen, die diese Herausforderung annehmen, sind meistens auch Leute, die fähig sind, schwierige Entscheidungen zu treffen und sich auch in anderen herausfordernden Aktivitäten in anderen Bereichen zu engagieren. Christliches Verhalten macht uns also menschlicher, nicht weniger menschlich. Genusssucht und gewohnheitsmässige Wut oder Lügen scheinen für eine Weile Spass zu machen, aber sie zerstören uns früher oder später – meistens früher» (N.T. Wright).

Leute werden sich über eine solche Lebensgestaltung lustig machen aber nur, weil sie ein falsches Verständnis davon haben. Mitleid heisst nicht sentimental. Erbarmen heisst nicht, dass ich das Handeln anderer dadurch gutheisse. Freundlichkeit heisst nicht ein Sensibelchen zu sein. Demut heisst nicht ein schwaches Selbstwertgefühl zu haben. Sanftheit bedeutet nicht Schwäche, sondern es heisst seine Emotionen unter Kontrolle zu halten. Geduld heisst nicht, dass man alles mit sich geschehen lässt.

Die meisten Menschen sehnen sich danach in dieser Stadt zu leben, die auf den ersten Blick als zu moralisch daherkommt, doch wir leben hauptsächlich in der Stadt «Laissez-faire». Dazu drei Fakten. Gemäss einer Sotomo Umfrage sind 27% der Schweizer bereits einmal fremdgegangen – eine Internetseite die Kontaktmöglichkeiten bietet, hat allein in der Schweiz knapp eine Viertelmillion Mitglieder. 38% der Schweizer fühlen sich gemäss einer offizielen Studie des Bundes manchmal oder oft einsam. Schätze mal für dich, wie lange wir nach dem 2. Weltkrieg auf der Erde ohne Krieg waren? – Gemäss meinem Geschichtslehrer aus der Berufsmaturitätsschule waren es nur zwei Wochen!

Kirche als Übungsfeld der Heiligung

Die Anforderungen ans Zusammenleben werden vor allem an die Nachfolger von Jesus Christus gestellt. Insbesondere im zusammen unterwegs sein in der Kirche. Die Kirche wird geradewegs das ideale Übungsfeld, um die Schritte der Heiligung zu gehen. Nochmals die einleitenden Worte. «Da Gott euch erwählt hat, zu seinen Heiligen und Geliebten zu gehören, seid voll Mitleid und Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftheit und Geduld» (Kolosser 3,12 NLB). Es geht dabei nicht darum irgendwelche Moralvorstellungen zu befolgen, und um neue Möglichkeiten vor Gott zu bestehen, sondern um ein verändertes Herz, welches gefüllt ist mit Liebe und Dankbarkeit. Dies zeigt sich insbesondere im Umgang mit allen, die auch zur Kirche gehören.

«Das Wichtigste aber ist die Liebe. Sie ist das Band, das uns alle in vollkommener Einheit verbindet» (Kolosser 3,14 NLB). Die Liebe geht über alle anderen Dinge hinaus, welche sich im Umgang mit den anderen Nachfolgern zeigen soll. Mitleid, Erbarmen etc. gehen allesamt aus den Umständen hervor. Doch die Liebe ist unabhängig davon. Sie gilt der Person als solche. «Die Liebe fügt niemandem Schaden zu; deshalb ist die Liebe die Erfüllung von Gottes Gesetz» (Römer 13,10 NLB).

Was bedeutet dies denn nun konkret für die Nachfolger von Jesus Christus? Was verbindet uns? Sind es einheitliche Überzeugungen und Lehren? So gerne wir dies bejahen möchten, leider führen aber ganz klare und scharfe Aussagen auch zu ebenso scharfen Auseinandersetzungen. An der Liebe zueinander erkennt man die Nachfolger. Obwohl es manchmal schwierig sein kann, ist jeder mit vollem Willen dabei. Im gemeinsamen unterwegs sein gibt es so manchen Stolperstein. Es kann sein, dass eine Kirche keine offensichtlichen sexuellen Verfehlungen vorzuweisen hat, aber voll von bösartigem Gerede übereinander ist – eine solche Kirche hat einfach etwas Schlimmes gegen etwas anderes eingetauscht. Doch ebenso eine Kirche in der sich alle gut umeinander kümmern, ist nicht nur über alle Zweifel erhaben. Denn oftmals ist dies auch eine Kultur des «Laissez-faire» in der niemand mehr wagt Dinge anzusprechen, weil eine solche Person dann als lieblos wahrgenommen wird.

Ausserwählt als Heilige und Geliebte

Die Kirche ist ein Ort, an dem die Tugenden Mitleid, Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftheit, Geduld, Friede und Liebe geübt werden sollen. Doch entscheidend dabei ist nicht, dass wir so leben, sondern unsere Motivation dahinter. Wir sind im Jahresthema «heilig, heilig, heilig». Dieses Zitat im Teaser stammt aus dem Alten Testament, wird aber auch im Neuen Testament zitiert. An die Nachfolger von Jesus Christus wird folgende Aufgabe gestellt. «Gehorcht Gott, weil ihr seine Kinder seid. Fallt nicht in eure alten, schlechten Gewohnheiten zurück. Damals wusstet ihr es nicht besser. Aber jetzt sollt ihr in allem, was ihr tut, heilig sein, genauso wie Gott, der euch berufen hat, heilig ist. Denn er hat selbst gesagt: ‘Ihr sollt heilig sein, weil ich heilig bin!’» (1. Petrus 1,14-16 NLB).

Der Schlüssel um ein solches Leben zu führen kann schnell überlesen werden. Wir gehen nochmals zurück auf den ersten Vers unseres Abschnittes. «Da Gott euch erwählt hat, zu seinen Heiligen und Geliebten zu gehören, […]» (Kolosser 3,12 NLB). Hier finden sich drei bedeutende Stichworte. Erwählt, Heilige und Geliebte. Dies trifft auf alle zu, welche eine Beziehung zu Jesus Christus haben.

Erwählt:
Über allen, welche Jesus Christus als ihren Herrn haben, steht ein grosses «Ja!». Doch wer ist denn erwählt? Erwählt ist «[…] jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden» (Römer 10,13 NLB). Wenn wir zu Jesus Christus kommen, dann stosst er uns nicht zurück. Dieser Erwählung sollte dann eine Reaktion auf menschlicher Seite folgen, von der im gleichen Brief wie unser Abschnitt geschrieben ist. «Senkt eure Wurzeln tief in seinen Boden und schöpft aus ihm, dann werdet ihr im Glauben wachsen und in der Wahrheit, in der ihr unterwiesen wurdet, standfest werden. Und dann wird euer Leben überfliessen von Dankbarkeit für alles, was er getan hat» (Kolosser 2,7 NLB). Wir sollen die Wurzeln in Jesus Christus schlagen, dies ist der gute Nährboden, auf dem ein Leben in Fülle wachsen kann.

Heilige:
Die von Gott erwählten sind allesamt Heilige. Dies ist ein Zustand. Als solche sind sie für Gott von der Welt abgesondert. Dies ist die urtümlichste Bedeutung von heilig, nämlich abgesondert. Als Heilige gehören sie nicht mehr zu dieser Welt, sondern ihrem Zustand nach zu Gott.

Geliebte:
Wenn du dich für Jesus Christus entschieden hast, dann gehörst du zu den Geliebten Gottes. Du bist absolut liebenswürdig. Gott liebt dich grundlos – einfach, weil er dich liebt! Weil uns Gott so sehr liebt, hat er uns auch grundlos vergeben. So sollen auch wir anderen vergeben. «Seid nachsichtig mit den Fehlern der anderen und vergebt denen, die euch gekränkt haben. Vergesst nicht, dass der Herr euch vergeben hat und dass ihr deshalb auch anderen vergeben müsst» (Kolosser 3,13 NLB). Doch Vergebung ist nichts für Feiglinge. Es kostet dich sehr viel. Oftmals begegnet uns der Satz «Der andere hat angefangen». Das stimmt. Genau dann sollen wir vergeben. Denn hätte der andere nicht angefangen, hätten wir ja nichts zu vergeben, sondern müssten selbst um Vergebung bitten.

Vielleicht hast du dich gefragt, was denn die Früchte der Erwählung sind. Es ist nicht, dass man dadurch heilig und geliebt wird, denn das sind beides Zustände. Die Frucht ist ein verändertes Wesen. Es ist ein Wesen, in dessen Herzen der Friede Gottes regiert und der ganze Mensch soll davon durchdrungen sein. «Euren Herzen wünschen wir den Frieden, der von Christus kommt. Denn als Glieder des einen Leibes seid ihr alle berufen, im Frieden miteinander zu leben. Und seid immer dankbar!» (Kolosser 3,15 NLB). Ich sehe grosse Parallelen wie unser Verhalten sich verändert, wie dies auch bei einer Liebesbeziehung der Fall ist. Kannst du dich noch daran erinnern? Plötzlich machst du Sachen, die du vorher nie getan hast. Nicht weil du musst, sondern weil du dies aus Liebe zu dieser Person tust. Genau gleich ist es, wenn wir Jesus Christus nachfolgen. Weil sich unser Zustand verändert hat, wollen wir plötzlich anders leben.

Dieses andere Leben ist die Heiligung. Sie hat einen Massstab. «Und alles, was auch immer ihr tut oder sagt, soll im Namen von Jesus, dem Herrn, geschehen, durch den ihr Gott, dem Vater, danken sollt!» (Kolosser 3, 17 NLB). Heiligung heisst immer und überall in der Gegenwart von Jesus Christus zu leben. Nachfolger von ihm lieben, weil sie geliebt sind. Sie preisen Gottes Namen, weil sie berufen sind. Sie helfen anderen so gut es geht, weil alles, was sie Gutes haben, ein Geschenk Gottes ist. Durch Christus danken sie, weil er ihnen alles gibt. Im Kontrast zur Frucht spielt Wissen keine Rolle. Denn das Entscheidende ist das Wort und Tat im Namen von Jesus Christus geschieht. Liebevoll und getrieben von seinem Frieden.

Mögliche Fragen für die Kleingruppe

Bibeltext lesen: Kolosser 3,5-9; Kolosser 3,12-17

  1. Wenn du dir zwei Städte vorstellst. In der einen herrschen die Zustände, welche in Kolosser 3,5-9 beschrieben sind, in der anderen diejenigen aus Kolosser 3,12-17. Für welche würdest du dich entscheiden?
  2. Wie scheint eine Lebensweise wie in Kolosser 3,12-17 für dich? Ist dies erstrebenswert? Weshalb nicht?
  3. Wie sieht es bei dir mit Mitleid, Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftheit, Geduld, Friede und Liebe im Kontext der Kirche aus? Lebst du diese aktiv?
  4. Was verbindet dich mit den Leuten der seetal chile?
  5. Liess nochmals Kolosser 3,12. Verstehst du die drei Schlüsselbegriffe erwählt, heilig, geliebt? Siehst du dich vor Gott mit diesen dreien?
  6. Wie sieht es mit den Früchten der Erwählung in deinem Leben aus?