Potpourri oder genuine Frucht
Der Dichter von Psalm 1 schreibt, dass ein Baum, der an Wasserbächen gepflanzt ist, seine Frucht zu seiner Zeit hervorbringen wird. Die natürliche Konsequenz eines in Gott gegründeten Lebens ist das Hervorkommen eigener Früchte. Jeder Nachfolger von Jesus kann nur die Frucht bringen, die in ihm angelegt wurde. Versöhnt zu sein mit der eigenen Frucht, die unser Leben mit Gott hervorbringt, ist die Voraussetzung, um an Gottes Reich mitzuwirken.
Kürzlich erzählte ich von meinem Morgenmüesli. Heute geht der Rezeptvorschlag weiter: Nebst Roggen, Hirse und Leinsamen gehören noch zwei Früchte dazu: ein Apfel und eine Banane. Früchte sind elementar wichtig für unsere Ernährung. Zu einem gesunden Baum gehören Früchte selbstverständlich dazu. Die natürliche Konsequenz eines in Gott gegründeten Lebens ist das Hervorkommen eigener Früchte. Das ist auch die Erfahrung des Psalmdichters: «Wohl dem, der nicht wandelt im Rat der Gottlosen [...], sondern hat Lust am Gesetz des HERRN und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht! Der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter verwelken nicht. Und was er macht, das gerät wohl» (Psalm 1,1-3 LUT).
Die Selbstverständlichkeit des Fruchtbringens
Am dritten Tag des Schöpfungsaktes sprach der HERR: «Auf der Erde soll Gras wachsen und sie soll Pflanzen hervorbringen, die Samen tragen, und Bäume voller unterschiedlichster Früchte, in denen ihr Same ist. Und so geschah es» (1Mose 1,11 NLB). Gott hat die Reproduktion in die Creatio hineingelegt. Eine Kaffeemaschine wandert in den Recyclinghof, ohne dass sie sich vorher reproduziert hätte. Gottes Geschöpfe hingegen produzieren eine Menge Früchte mit millionenfachem Samen.
In einem Gleichnis redet Jesus von einem Feigenbaum, der keine Frucht bringt. Der Besitzer spricht nach Ablauf eines Ultimatums folgende Worte: «Schliesslich sagte er zu seinem Gärtner: ‘Ich habe jetzt drei Jahre gewartet und noch keine einzige Feige gesehen! Fälle den Baum. Er beansprucht nur noch unnötig den Boden’» (Lukas 13,7 NLB). Ohne Frucht macht eine Existenz keinen Sinn.
Was ist die Frucht eines in Gott gegründeten Menschen? Im christlichen Kontext wird diese Frage gerne mit offensiven, extrovertierten Beispielen beantwortet: Menschen zu Jesus führen, Kranke heilen, Dämonen austreiben – halt so wie Jesus damals. Wenn ein Christ mit diesem Anspruch unterwegs ist, führt dies entweder in die Frustration oder in die Heuchelei. Nicht eine Person ist wie Christus – gemeinsam bilden wir den Leib Christi. Die Bibel wehrt sich klar gegen die individualistische Sicht: «Aber ihr seid anders, denn ihr seid ein auserwähltes Volk. Ihr seid eine königliche Priesterschaft, Gottes heiliges Volk, sein persönliches Eigentum. [...]» (1Petrus 2,9 NLB). Jesus ist der König und der Hohepriester. Gemeinsam sind wir eine königliche Priesterschaft, Gottes persönliches Volk. Das, was Jesus war und tat, können wir nur gemeinsam tun! Eine königliche Priesterschaft hat die Aufgabe, Menschen mit Gott in Verbindungen zu bringen. Die Frucht meines Lebens soll ein kleiner Beitrag dazu sein. Zusammen mit den Früchten von anderen Menschen ergibt sich eine grosse Wirkung, so dass das Wunder geschieht und Menschen in eine persönliche Beziehung mit Gott finden.
Dazu braucht es nebst extrovertierten Früchten auch die unscheinbaren, stillen wie Menschen zuhören, sie begleiten, Gebet, nachhaltiger Umgang mit der Schöpfung, ein aufmunterndes Lächeln, Barmherzigkeit mit benachteiligten Menschen, Einsatz gegen Ungerechtigkeiten, etc. Jesus erklärt, dass jeder Baum seine eigene Frucht hervorbringt: «Man erkennt einen Baum an seiner Frucht. Feigen wachsen nicht an Dornensträuchern und Weintrauben nicht an Brombeerbüschen. Ein guter Mensch bringt aus einem guten Herzen gute Taten hervor [...]» (Lukas 6,44f NLB). Frucht wird mit «guten Taten» definiert. Gute Taten wachsen dort, wo Menschen in Gott verwurzelt sind und vom lebendigen Wasser trinken.
Seine Frucht
«Der seine Frucht bringt.» Die natürliche Konsequenz eines in Gott gegründeten Lebens ist das Hervorkommen genuiner (eigener, echter, natürlicher) Früchte. Und nicht nur das Hervorkommen, sondern noch grundlegender, überhaupt das Bewusstsein darüber, dass sich Frucht in meinem Leben anders ausprägt als im Leben anderer Menschen. Klar: Birnen am Birnbaum, Pflaumen am Pflaumenbaum, Äpfel am Apfelbaum. Gott wünscht sich offensichtlich, dass mein Leben genau die Früchte hervorbringt, die genauso – in dieser Form und mit diesem ‘Geschmack’ – nur aus meinem eigenen Leben hervorkommen können.
Es gibt Früchte, die liebe ich nicht besonders, z.B. Stachelbeeren, Kaki, Couscous, Granatapfel oder Durian. Die Durian, hierzulande eher als Stinkfrucht bekannt, ist vor allem für ihren starken Geruch bekannt, der ihr an vielen Orten sogar Hausverbot einhandelt. So gibt es Airlines, welche keine Durians transportieren. Vielleicht denkst du, dass bei dir nur die Stinkfrucht Durian wächst. Gleichzeitig schielst du auf die andere, bei der du wohlriechende Heidelbeeren entdeckst.
Das Wort Potpourri wurde vom französischen pot pourri übernommen. Ursprünglich bezeichnete der Begriff ein Eintopfgericht, wörtlich übersetzt bedeutet es verfaulter Topf. Wer immer nach den anderen schielt und sie kopieren möchte, verpasst seine eigene Frucht und erntet einen verfaulten Topf.
Ich würde gerne so unterhaltsam predigen wie Kuno oder Johannes Hartl, gerne würde ich die Gemeinde mit so viel Weitsicht managen wie Johannes Wirth. Eines meiner Vorbilder ist Emil Maurer, einst Pastor in Romanshorn. Er ist ein auffallend einfühlsamer Seelsorger. Eines Tages musste ich lernen, dass ich Matthias bin. Und Gott hat mir eine genuine Frucht zugedacht. Vergleichen ist zerstörerisch. Es kann uns davon abhalten, die eigenen Frucht zu erkennen, zu verfeinern und Freude daran zu haben. Wenn man krampfhaft versucht, die Früchte anderer zu imitieren, führt dies oft zu Frustration und entfremdet uns von unseren eigenen Begabungen, Träumen, Erfahrungen – und all dem anderen, was uns ausmacht.
Gott hat individuelle Aufträge. Wenn du deinen Auftrag gut nachgehst, ist der Auftrag erfüllt. Wenn wir andere nachahmen, verfehlen wir unseren Auftrag. Wenn eine Person ihre spezifische Frucht bringt, braucht es keine zweite Person, die genau die gleiche Frucht bringt. Hast du deine Identität und wie deine Früchte aussehen schon entdeckt? Übrigens ist die Durian bei den Südostasiaten sehr beliebt, da sie äusserst gesund und nicht umsonst die Königin der Früchte genannt wird.
Versöhnt zu sein mit der eigenen Frucht, die unser Leben mit Gott hervorbringt, ist die Voraussetzung, um an Gottes Reich mitzuwirken.
Zu seiner Zeit
«Der seine Frucht bringt zu seiner Zeit.» Anfang Juni waren unsere Kirschen reif, die Boskoop am Apfelbaum aber noch lange nicht. Es ist nicht immer Erntezeit. Infolge der momentanen Trockenheit lässt der Boskoop viele Äpfel fallen. Der Baum, im Krisenmodus, muss sein Überleben sichern. Es bleibt weniger Kraft für die Frucht. Zudem fällt der Ertrag von Jahr zu Jahr verschieden aus. Ein Nussbaum bringt nur jedes zweite Jahr, im sogenannten Nussjahr, reiche Frucht. So ist es auch im geistlichen Leben – die Blätter sind zwar immer grün, es ist aber nicht immer fruchtig. Als ich vor 21 Jahren die regionale Jugendarbeit JMS gegründet und geleitet habe, erlebten wir grossartige erweckliche Aufbrüche. Es war Erntezeit. Mein Weg führte dann in die seetal chile und dort ging es deutlich gemächlicher vorwärts.
Interessant finde ich, dass nach dem biblischen Prinzip sein Reich nicht gebaut wird, sondern ihm wird Raum gegeben – das Verb bauen wird in der Bibel grundsätzlich nicht mit dem Reich Gottes in Verbindung gebracht. In diesem Zusammenhang sagt Jesus: «Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und steht auf, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst – er weiss nicht wie» (Markus 4,26f LUT). Dem Reich Gottes geben wir den Platz, den es braucht – und dann wächst es auf. Wir produzieren es nicht.
Nicht selten halten Menschen ihre Gaben aus einem Gefühl der Minderwertigkeit heraus zurück. Sie schätzen sie zu gering ein. So dämpfen sie ihre Begabungen. Sie geben der Frucht in diesen Bereichen wenig Raum. Es geht nicht um Selbstüberschätzung, sondern um ein gesundes Verhältnis zur eigenen Frucht. Es gilt, sie weder zu überschätzen noch zu unterschätzen, sondern ihr Raum zu geben, damit sie sich entwickeln kann. Gott gibt jedem von uns ein fruchtbares Stück Land, das wir kultivieren dürfen. Leben blüht dort auf, wo wir erkennen und annehmen, was Gott uns gegeben hat und es dann wirklich zu unserem Eigenen machen.
Um herauszufinden, was für ein Erbe Gott uns anvertraut hat, müssen wir uns herantasten, engagieren, experimentieren und Risiko eingehen. Es geht darum den Platz im Leben zu finden, wo deine Leidenschaft, deine Begabung und Persönlichkeit zur Blüte kommen und viel Frucht bringen. Den grossen Rahmen dafür bildet der Ausdruck königliche Priesterschaft. Es sollen Menschen mit dem herrlichen und heiligen Gott in Verbindung gebracht werden. Dazu braucht es auch die Frucht, die bei dir aufgrund der Verwurzelung am Wasserbach wächst.
An einer sonnigen Ecke eines Schlosses in der Nähe von London, auf Hampton Court, steht der grösste Weinstock Europas. Die Engländer haben eigens für dieses Gewächs ein Glashaus mit Heizung aufgestellt. Dieser Weinstock wurde im Jahr 1769 gepflanzt und imponierte durch sein wundersames Wachstum. Der Umfang des Weinstockes misst heute 80 Zentimeter und die Hauptreben sind 30 Meter lang. Der jährliche Ertrag ist 2000 Trauben, von denen jede durchschnittlich ein Pfund wiegt. Lange Zeit war unbekannt, warum dieser Weinstock so vital ist. Doch eines Tages entdeckte jemand, dass die Wurzel des Weinstockes viele Meter durch das Erdreich bis in das Flussbett der Themse reichen. Von dort bezog der Weinstock seine unerschöpfliche Fülle, die Kraft, den Saft.
Frucht bringen macht Freude, gibt dem Leben Sinn, gehört dazu und ist ein unübersehbares Zeichen der Verwurzelung am Wasser. Oder anders ausgedrückt: Wer seine Wurzeln mit dem lebendigen Wasser in Verbindung bringt, bringt seine Frucht zu seiner Zeit. Jesus bietet uns lebendiges Wasser an. Johannes erklärt dazu: «Mit dem ‘lebendigen Wasser’ meinte er den Geist, der jedem zuteilwerden sollte, der an ihn glaubte [...]» (Johannes 7,39 NLB). Durch den Glauben an Jesus Christus kriegen wir den Quellanschluss, der in uns und durch uns Früchte entstehen lässt; sei es Durian oder Heidelbeere!
Mögliche Fragen für die Kleingruppen
Bibeltext lesen: Psalm 1,1-3
- Was meint der Psalmdichter mit dem Begriff «Frucht»? Wie würdest du Frucht im biblischen Sinn definieren?
- Warum will Jesus den Feigenbaum, der keine Frucht bringt, ausreissen? Was bedeutet das für unsere Existenz?
- Bei wem siehst du Früchte, die du auch gerne hervorbringen würdest?
- Was sind deine Leidenschaften, deine Begabungen und deine Persönlichkeit?
- Wie könntest du deinen Früchten Raum geben, damit sie sich entwickeln können?
- Wann hast du die beste Erntezeit in deinem Leben erlebt? Erzähle davon!