Nach oben hören
Serie: Wie du und ich | Bibeltext: 1. Samuel 15,22
Samuel war vor ca. 3000 Jahren Priester, Prophet und Hauptmann in Israel. In seinen jungen Jahren lernte er auf Gott zu hören und ihm zu gehorchen. Seine Erfahrung drückt er mit folgenden Worten gegenüber König Saul aus: «Ihm zu gehorchen ist sehr viel besser als ein Opfer darzubringen, auf ihn zu hören ist besser als das Fett von Widdern» (1Samuel 15,22). Was ist ein Leben im Hören und Gehorchen im Gegensatz zu einem Leben mit Opfergaben?
Die herausragende Bedeutung des Hörens ist schon rein biologisch ein Wunder: Wenn das kleine Zellbündel Mensch sieben oder acht Tage alt ist, zeigen sich schon – mikroskopisch klein – die ersten Ansätze der Ohren. Bereits nach viereinhalb Monaten, also zur Halbzeit der Schwangerschaft, ist das Hören fertig ausgebildet. Es ist das einzige Teil unseres Körpers, das seine endgültige Grösse schon vor der Geburt erreicht. Der Knochen, der das Hörorgan umgibt – Felsenbein genannt, ist das mit Abstand härteste Knochengebilde im menschlichen Körper. Und wenn ein Mensch stirbt, gehört das Hörvermögen zu den letzten funktionierenden Systemen des Körpers. Wie kostbar muss das Hören sein! Vierzehnmal (!) steht in der Bibel der Satz: «Wer Ohren hat, der höre.» Das Hören ist matchentscheidend im christlichen Glauben. Es ist die erste Tür auf dem Weg zu kraftvollen Durchbrüchen im Leben. Samuel hat sich in seinem Leben damit auseinandergesetzt. Zwei Protagonisten seiner Zeit bieten uns Anschauungsunterricht.
Saul bringt Opfer
Durch den Propheten Samuel bekam Saul von Gott den Auftrag, an den Amalekitern den Bann zu vollstrecken. Saul erfüllte diesen Auftrag eigentlich recht gut, vielleicht zu 99%, doch er verschonte den König der Amalekiter und die besten Schafe und Rinder. Er tat dies nicht zum persönlichen Gewinn, sondern um damit in Gilgal dem HERRN zu opfern (1Samuel 15,21). Recht fromme Motive! Der Grund für dieses Handeln erklärt Saul uns gleich selbst: «[…] Ich habe deine Anweisungen und den Befehl des Herrn nicht befolgt, denn ich hatte Angst vor dem Volk und tat, was es verlangte» (1Samuel 15,24 NL). Saul wollte den Menschen gefallen.
Weil wir aus der Bibel das Ende der Geschichte sehen und tieferen Einblick bekommen, wissen wir, dass Saul hier nicht gehorsam war und finden es schlimm. Aus der Sicht eines Zeitgenossen, der nicht hinter die Kulissen blicken konnte, erschien das Handeln von Saul recht gut und gottesfürchtig. Natürlich, er war nicht ganz gehorsam – aber nur in einem Prozent. Immerhin gab er seinem einprozentigen Ungehorsam einen frommen Anstrich. Die besten Schafe und Rinder sollen dem HERRN geopfert werden. Das wäre, wie wenn wir Steuern hinterziehen, um damit ein christliches Projekt zu unterstützen.
Gott sah das anders. Für ihn brachte dieser Ungehorsam das Fass zum Überlaufen und er verwarf Saul als König über das Volk Israel (1Samuel 15,26). Samuel begründet diese harte Entscheidung: «Ihm zu gehorchen ist sehr viel besser als ein Opfer darzubringen, auf ihn zu hören ist besser als das Fett von Widdern» (1Samuel 15,22 NL).
Saul reduzierte seine Beziehung zu Gott auf das Einhalten von Ritualen, wie z.B. das Opfern. Daneben nahm er es in seinem Alltag mit dem Gehorsam nicht so ernst. Für ihn war es mindestens so wichtig, vor den Menschen gut dazustehen wie vor Gott. Beziehung mit Gott und Alltag waren für Saul zwei verschiedene Dinge. Das Opfer hatte den höheren Stellenwert als Gehorsam. Es war nicht das, was Gott wollte.
David ist gehorsam
Lange nachdem David von Samuel zum König gesalbt wurde, erhielt er nun endlich auch offiziell die Königskrone. Die Philister erfuhren dies und stellten sich in der Ebene Refaim gleich zum Kampf. David fragte den HERRN, ob er gegen die Philister ziehen soll und er den Sieg davontragen wird. Auf das ‘Go’ von Gott hin, zog David gegen die Philister und besiegte sie. Er nannte den Ort des Sieges Baal-Perazim (= Herr der Durchbrüche), weil es der HERR war, der den Durchbruch geschenkt hatte.
Die Philister hatten noch nicht genug und stellten sich daher kurze Zeit später gleich nochmals in der gleichen Ebene auf. Gleicher Ort, gleiche Situation, gleiche Parteien – das Gleiche in grün… Doch nicht für David: Er fragte wieder den HERRN, was zu tun sei. Und dieses Mal hatte sich der HERR eine andere Taktik ausgedacht. David hielt sich auch an diese unkonventionelle Order. Mit seinem ganzen Heer machte er einen weiten Bogen um die Philister, wartete auf das Rauschen in den Bakabäumen und griff dann von hinten an. «Da machte David es so, wie der HERR ihm geboten hatte. Und er schlug die Philister von Gibeon an, bis man nach Geser kommt» (2Samuel 5,25; Elb).
Warum war David ein Mann nach dem Herzen Gottes? Er hörte auf Gott und gehorchte. Das griechische Wort für hören heisst akouo, für gehorchen steht jeweils hypakouo. Hypakouo meint wörtlich nach oben hören. David war einer der nach oben hörte, ganz im Sinne von Samuel, der einige Jahre vorher Gott antwortete: «Sprich, dein Diener hört» (1Samuel 3,10 NL). David tat, wie der Herr ihm geboten hatte. Richtig; nicht nur was, sondern auch wie der Herr gebot! Davids hundertprozentiger Gehorsam zieht sich wie ein roter Faden durch seine Geschichte. Die Beziehung mit Gott durchdrang seinen Alltag, es war nicht etwas Zusätzliches. Er hörte und gehorchte. Gehorsam war ihm wichtiger als Opfer. Die Ehrfurcht vor Gott war bei David grösser als die Furcht vor den Menschen (vgl. 2Samuel 6,20ff). Die Bedingung für dieses Leben im Gehorsam war, dass der Geist Gottes auf David gekommen war (1Samuel 16,13). Saul hatte allerdings gleichen Voraussetzungen (1Samuel 10,10). Offenbar gibt es keinen Automatismus. Aber, eines ist sicher, wenn wir Gott hören und Durchbrüchen erleben wollen, braucht es dringend den Heiligen Geist. Ein Mensch wird damit beschenkt, wenn er seinen Herzenstür öffnet, wenn Jesus anklopft. Lebst du diese Vertrauensbeziehung schon mit Gott?
Bist du Saul oder David?
Lebst du dein Leben als Christ nach dem Saul- oder David-Konzept? Von aussen betrachtet, sehen beide Glaubenskonzepte recht ähnlich aus – vielleicht sogar mit leichten Vorteilen für den Typus Saul. Er imponiert durch viele fromme Aktivitäten. Seine Agenda ist voll davon. Deshalb lässt er sich schlecht entlarven.
Ich versuche nun das Leben eines Christen – ich nenne ihn mal Saul, der in diesem System lebt, zu beschreiben: Für einen Saul steht das Opfer vor dem Gehorsam. Opfer bedeutet eine religiöse Handlung zu begehen, um Gottes Gunst zu gewinnen. Diese religiöse Handlung kann Mitarbeit in der Gemeinde sein, Gottesdienstbesuch, Spenden, Bibel lesen, Gebet, Diakonie – halt alles, was man als Christ so tut. Auch das Provozieren-Wollen von Wundern, beispielsweise durch Krankengebet, kann ein Opfer sein. Man glaubt dann, dass man nur richtig und inbrünstig genug flehen muss. Letztlich will man aber nur, Durchbrüche in eigener Regie zu erzielen.
Der Impuls für ein Opfer kommt nicht von Gott, sondern entspringt der Gewohnheit, der religiösen Sozialisation (man weiss, was man als Christ tut oder lässt), dem schlechten Gewissen oder der Sehnsucht nach Gott. Der Mensch greift also die Initiative und möchte mit grundsätzlich guten Dingen bei Gott etwas erreichen. Auf diese Weise wird der Glaube an Jesus Christus jedoch zur Religion.
Im Leben eines Sauls findet eine Aufspaltung zwischen Glauben und Alltag statt. Die Beziehung mit Gott ist ein Zusatzprogramm zu den anderen Lebensbereichen. Es kann durchwegs sein, dass dieses Programm recht intensiv und zeitaufwendig ist, Saul hat dadurch ein hohes Ansehen in der Gemeinde. Das Problem ist, dass der Glaube auf die Einhaltung von Ritualen (Opfer) reduziert wird und wenig bis nichts mit dem Alltag zu tun hat. So wie z.B. der wöchentliche Saunabesuch am Samstagabend. Dennoch lebt Saul seinen Alltag im Grossen und Ganzen recht christlich. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass er es in den letzten Prozenten nicht so genau nimmt und Dinge im Leben duldet, von denen er ganz genau weiss, dass sie nicht dem Willen Gottes entsprechen. Weil er den Menschen gefallen will, ist der Einfluss ihrer Stimme auf sein Leben stärker als die Stimme Gottes.
Saul wird es kaum merken, wenn Gott sich aus seinem Leben zurückzieht, weil er gar nicht auf das Reden Gottes angewiesen ist. Sein Programm funktioniert auch ohne Gott gut. Er erlebt den Glauben an Jesus Christus als eher langweilig, brav, ziemlich anstrengend und wenig siegreich. Tief im Herzen verspürt er eine ungestillte Sehnsucht nach Abenteuer, Herausforderung, Freude, Friede und Sieg.
Ganz anders der Typus David: Das Thema seines Lebens ist hypakouo. Er ist ein nach oben Hörender. Ein David weiss, dass Gehorsam viel besser als Opfer ist. Jesus hat am Kreuz sich selbst für uns geopfert – stellvertretend, wir sind ein für alle Mal vom Opfern befreit worden! Es ist nicht mehr möglich, durch eigenes Handeln bei Gott auch nur ein bisschen etwas zu verdienen. Angesichts dieser Tatsache gibt es nur noch einen wahren und angemessenen Gottesdienst, der Gott gefällt, nämlich «euch mit eurem ganzen Leben für Gott einzusetzen. Es soll ein lebendiges und heiliges Opfer sein – ein Opfer, an dem Gott Freude hat» (Römer 12,1 NL). Keine Opferhandlungen, sondern Hingabe ist gefragt. Das bedeutet, alle eigenen Wünsche, Ziele und Vorstellungen Gott zu geben und ihm rückhaltlos zu gehorchen.
Im Unterschied zum Opfer kommt beim Gehorsam der Impuls immer von Gott. Er ist der Handelnde, das Subjekt. Der Mensch ist das Objekt. David kann nur gehorsam sein, weil Gott handelt bzw. redet. Darum ist Gehorsam kein Gegensatz zur Gnade, sondern Bestandteil davon. Von Gott geht also alles aus; die Aufträge, die konkrete Arbeitsanweisung und auch die Kraft, diese zu erledigen. Gehorsam ist die Tür zu einem Leben im Strom der Gnade! «Da machte David es so, wie der HERR ihm geboten hatte…» (2Samuel 5,25 Elb). Für Gott ist es wichtiger, wie wir etwas tun, als das, was wir tun.
Im Leben eines Davids gibt es keine Aufspaltung von Alltag und Glaube. Der Alltag ist durchdrungen und umfasst von der Beziehung mit Gott. König David verfolgte in seiner Amtszeit ein Ziel: er wollte die Bundeslade in die Hauptstadt bringen und dort für Gott ein Haus bauen. Gott gehört ins Zentrum, die Beziehung mit ihm soll Ausgangspunkt und Ziel unser ganzes Leben sein. Würde sich Gott auch nur einen Tag aus seinem Leben zurückziehen, würde das nicht unbemerkt bleiben. Denn ohne Gott ist ein David nicht handlungsfähig; er wüsste nicht wann, wie und was er tun sollte. Die Beziehung mit Gott ist für ihn wie der Sauerstoff zum Leben. David war nicht perfekt, manchmal versagte er, und Gott musste eingreifen (2Samuel 11+12; 24). Da haben wir einen grossen Vorteil, wir dürfen Fehler machen und müssen die Strafe nicht einmal mehr selbst tragen! Jesus hat dies für uns getan.
Nach oben hören wird nur, wer Gott achtet und Ehrfurcht vor ihm hat. Jemand sagte einmal: «Du wirst dem dienen, was du fürchtest. Wenn du Gott fürchtest, wirst du ihm dienen. Wenn du die Menschen fürchtest, wirst du den Menschen dienen. Du musst dich entscheiden.» David entschied sich für die Gottesfurcht.
Für einen David ist das Leben mit Gott ein einziges Abenteuer, kein Tag ist wie der andere, denn es gibt keine Automatismen (gleicher Ort, gleiche Situation, gleiche Parteien ≠ gleiche Taktik!!!). Manchmal wird ein David auch unkonventionelle Wege gehen müssen, die von den Mitchristen nicht verstanden, und oft werden Davids in ihren Gemeinden nicht als Menschen nach dem Herzen Gottes erkannt. Sein Alltag ist voller Durchbrüche, die der Herr schafft (Baal-Perazim). Im Gehorsam lebt er ein Leben, das viel grösser ist als er selbst.
Dreh- und Angelpunkt für ein Leben im Gehorsam und somit in der Gnade Gottes ist das Hören. David hört nicht nur, sondern er gehorcht auch. Er hört nach oben, weil er sich als Diener Gottes versteht. Ein Hörender kann nur sein, wer es sich zur Gewohnheit hat, nicht funktionelle Zeit mit Gott zu verbringen. Das bedeutet, einfach beim himmlischen Vater auf den Schoss sitzen und still werden, ohne damit Gott zu beeindrucken und auf ein Resultat zu warten. (Sonst wäre es nämlich schon wieder ein Opfer!) Die Psalmen zeugen davon, wie David einfach seinen Alltag, seine Siege und Niederlagen, seine Hochgefühle und Niedergeschlagenheiten, mit Gott teilte.
Es lohnt sich, mehr und mehr zu einem David zu werden. Vordergründig ist es zwar der herausfordernde Weg, aber es ist der, auf dem Gott dabei ist. Es ist der Weg der Gnade und darum letztlich der viel leichtere Weg; und erst noch gespickt mit spannenden Abenteuern und vielen geistlichen Durchbrüchen.
Mögliche Fragen für die Kleingruppen
- Welche Handlungen in deinem Leben könnten Opfer sein, mit denen du bei Gott etwas erreichen möchtest?
- Gibt es in deinem Leben Dinge, die du duldest, obschon du weisst, dass sie vor Gott nicht richtig sind?
- «Wenn du Gott fürchtest, wirst du ihm dienen. Wenn du die Menschen fürchtest, wirst du den Menschen dienen.» Wie erlebst du das in deinem Leben?
- Stell dir vor, Gott würde sich aus deinem Leben zurückziehen. Wie lange ginge es, bis du es feststellen würdest?
- Was bedeutet für dich nach oben hören? Wie sieht das in der Praxis aus?